Samstag, 28. April 2018

Vom Herzen der Mütter in die Herzen der Kinder:


Dona Lucília Ribeiro dos Santos
     
Die Eltern von Plinio Corrêa de Oliveira
Lucilia Ribeiro dos Santos und João Paulo Corrêa de Oliveira

Kaiserlicher Ministerratspräsident
João Alfredo Corrêa de Olivera
 
Lucília Ribeiro dos Santos (61), die Mutter von Plinio Corrêa de Oliveira, ist am 22. April 1876 in Pirassununga/São Paulo als zweites von fünf Kindern geboren. Ihre Kindheit verlief in der Umgebung eines ruhigen, aristokratischen Hauses, dem die leuchtenden Gestalten des Vaters Antônio (1848 – 1909), eines der besten Rechtsanwälte des damaligen São Paulo, und der Mutter Gabriela (1852 – 1934) vorstanden. 1893 war die Familie nach São Paulo in eine Villa im Stadtteil Campos Elíseos umgezogen. Dort hatte Lucília im Alter von dreißig Jahren den Rechtsanwalt João Paulo Corrêa de Oliveira (62) kennengelernt und geheiratet, der aus Pernambuco im brasilianischen Nordosten stammte und vielleicht auf Anraten seines Onkels, des Staatsrats João Alfredo, nach São Paulo gekommen war.
      Als sie die Geburt Plinios erwartete, machte der Arzt Dona Lucilia die Mitteilung, daß es eine risikoreiche Geburt werden würde, die sehr wahrscheinlich entweder sie selbst oder das Kind nicht überleben würden. Er wollte daher wissen, ob sie es nicht vorzöge, eine Abtreibung vorzunehmen, statt das eigene Leben aufs Spiel zu setzen. Darauf entgegnete Dona Lucilia ruhig aber bestimmt: „Herr Doktor, eine solche Frage stellt man einer Mutter nicht! Sie sollten so etwas nicht einmal in Erwägung ziehen!“ (63) Diese heldenhafte Einstellung bringt deutlich die Haltung eines ganzen Lebens zum Ausdruck.
     
Dona Lucilia mit dem neugeborenen Plinio
„Die Tugend“, schreibt Msgr. Trochou, „überträgt sich leicht vom Mutterherzen auf das Herz der Kinder.“ (64) „Da ich von einer tapferen christlichen Mutter erzogen wurde“, schrieb P. Lacordaire über seine Mutter, „ist die Religion wie eine jungfräuliche Milch ohne jede Bitterkeit von ihrer Brust auf mich übergegangen.“ (65) Auf ähnliche Weise hat auch Plinio Corrêa de Oliveira stets die geistige Ausrichtung, die seit der Kindheit sein Leben geprägt hat, Dona Lucília zugeschrieben:
      „Meine Mutter hat mich gelehrt, unseren Herrn Jesus Christus zu lieben, hat mich gelehrt, die heilige katholische Kirche zu lieben.“ (66) „Von ihr habe ich den römisch-katholischen apostolischen Glauben, die Andacht zum Heiligsten Herzen Jesu und zur Muttergottes als etwas tief Ernstes erhalten.“ (67)
     
Herz-Jesu-Statue in der von der
Familie frequentierten Herz Jesu-Kirche
in São Paulo
In einer Zeit, in der Leo XIII. die Gläubigen aufgerufen hatte, all ihre Hoffnung auf das Herz Jesu zu setzen und von ihm „die Erlösung zu erbitten und zu erwarten“ (68), war es diese für die Gegenwart so ausschlaggebende Andacht zum Heiligen Herzen Jesu, die das Leben Dona Lucilias bestimmte.(69) Nicht weit vom Hause der Familie Ribeiro dos Santos stand eine dem Herzen Jesu geweihte Kirche. (70) Dorthin führten die junge Mutter täglich ihre Schritte, und Plinio und seine Schwester Rosée begleiteten sie dabei. Hier, in dieser übernatürlichen Atmosphäre, wie sie früher in den Kirchen zu finden war, bildete sich beim Anblick der betenden Mutter in Plinios Geist jene besondere Anschauung von der Kirche, die ihn zutiefst geprägt hat. „Ich spürte“, erinnert er sich später, „daß die Quelle ihrer Wesensart in der durch die Muttergottes vermittelten Andacht zum Heiligen Herzen Jesu lag.“(71) Dona Lucília ist ihrer Jugendandacht stets treu geblieben. Als ihr in den letzten Lebensjahren schließlich die Kraft zum Kirchgang zu fehlen begann, verbrachte sie immer wieder bis spät in die Nacht lange Zeit im Gebet vor einem Alabaster-Statue des Heiligen Herzens Jesu, das im Hauptsalon des Hauses inthronisiert worden war.(72)
     
Maria, Hilfe der Christen in der
Herz Jesu-Kirche
In der Seele Dona Lucílias herrschten vor allem die Frömmigkeit und die Barmherzigkeit vor. Ihre Seele zeichnete sich durch außerordentliche Fähigkeiten der Zuneigung, der Güte und der Mutterliebe aus, die weit über die beiden Kinder hinausreichten, die ihr die göttliche Vorsehung anvertraut hatte.
      „Sie besaß eine ungeheure Zärtlichkeit“, erzählte Plinio Corrêa de Oliveira, „war eine sehr liebevolle Tochter, eine sehr liebevolle Schwester, eine sehr liebvolle Gattin, eine sehr liebevolle Mutter, Großmutter und sogar Urgroßmutter. Ihre Zärtlichkeit erstreckte sich so weit wie nur möglich. Dabei habe ich aber den Eindruck, daß etwas in ihr tonangebend war für all diese Liebe: Die Tatsache, daß sie vor allem Mutter war. Ihre überschäumende Liebe richtete sich nicht nur auf die Kinder, die sie wirklich gehabt hat, sondern auch auf die Kinder, die sie nicht gehabt hat. Man könnte sagen, daß sie für Millionen Kinder geschaffen war und daß sich ihr Herz danach sehnte, sie kennen zu lernen.“(73)
      Wer Dona Lucília nicht persönlich begegnet ist, kann sich dennoch an Hand einiger ausdrucksvoller Aufnahmen und zahlreicher Berichte von Zeugen, die sie in ihrem hohen Alter gekannt hatten, ein Bild von ihrer moralischen Statur machen.(74) Sie stellte das Vorbild einer echten Dame dar, die einen heiligen Franz von Sales auf seiner Suche nach der beispielhaften, als Philothea verewigten Gestalt ergötzt hätte.(75) Man kann sich gut vorstellen, daß Dona Lucília Plinio im Geiste jener Worte erzogen hat, die der heilige Franz Xaver einmal an seinen Bruder richtete, als er ihn zu einem Empfang begleitete: Wollen wir uns zur größeren Ehre Gottes gut benehmen!“
      Die Perfektion der guten Manieren ist Frucht einer Askese, die nur durch eine im Laufe von Jahrhunderten vervollkommnete Erziehung oder aber durch eine außerordentliche Tugendanstrengung erzielt werden kann und häufig etwa in kontemplativen Klöstern anzutreffen ist, in denen den jungen Novizinnen eine unter diesem Gesichtspunkt als königlich anzusehende Erziehung zuteil wird. Außerdem besteht der Mensch aus Körper und Seele. Da sich das Leben der Seele aber sinnlich wahrnehmbar durch den Körper bekundet, kommt auch die Nächstenliebe in äußerlichen Höflichkeitsbezeigungen zum Ausdruck. Die Höflichkeit ist ein gesellschaftliches Ritual, das sich von der christlichen Nächstenliebe nährt und auch auf die Ehre Gottes ausgerichtet ist. „Die Höflichkeit ist für die Nächstenliebe das, was die Liturgie für das Gebet ist: der Ritus, der es zum Ausdruck bringt, die Handlung, die es verkörpert, die Pädagogik, die es hervorruft. Die Höflichkeit ist die Liturgie der christlichen Nächstenliebe.“(76)
     
Lucília Ribeiro dos Santos verkörperte das Beste, was den alten aristokratischen Geist der Paulister ausmachte. In der Höflichkeit seiner Mutter, Ausdruck ihrer übernatürlichen Nächstenliebe, sah der junge Plinio eine bis zum Letzten gehenden Liebe zur christlichen Ordnung und einen ebenso radikalen Widerwillen gegen alles Moderne und Revolutionäre. Von dieser Zeit an waren aristokratische Manieren und freundlicher Umgang ein Bestandteil seines Lebens. Plinio Corrêa de Oliveira, der in seinem Benehmen an den Kardinal Merry del Val, den großen, für die Bescheidenheit seiner Seele und die Vollkommenheit seiner Umgangsformen berühmten Staatssekretär des heiligen Pius X. erinnerte, verstand es, sich in Gesellschaft vortrefflich zu verhalten. Sein Anstand war beispielhaft, seine Unterhaltung unerschöpflich und faszinierend.
      Die Vorsehung hat es so eingerichtet, daß diese Qualitäten im täglichen Zusammensein, das sich bis 1968 erstreckte, als Dona Lucília im Alter von 92 Jahren starb, stets aufs Neue genährt und belebten wurden.


Quelle: Roberto de Mattei, „Der Kreuzritter des 20. Jahrhunderts — Plinio Corrêa de Oliveira“. Herausgeber TFP e.V. und DVCK e.V., Frankfurt, 2004. Kapitel I, Abschnitt 5.
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61 Zu dieser außerordentlichen Frau verweisen wir auf die bereits zitierte Biographie von J. S. CLÁ DIAS mit einem Vorwort von P. Antonio ROYO MARÍN O.P. „Es handelt sich“, wie dieser Ordensmann  sagt, „um eine echte, umfassende Vita von Dona Lucília, die mit den besten ‚Heiligenleben‘, die bis heute auf der ganzen Welt erschienen sind, verglichen werden kann“. (ibid., S. 11)
62 João Paulo Corrêa de Oliveira wurde 1874 geboren und starb am 27. Januar 1961 in São Paulo. Mehr als durch die Gestalt des Vaters, mit dem ihn ein langer, herzlicher Umgang verband, wurde Plinios Leben ganz besonders von der Mutter erleuchtet, so wie auch diese bereits in ihrem Vater Antônio Ribeiro dos Santos ihr eigenes Vorbild gefunden hatte.
63 J. S. CLÁ DIAS, Dona Lucília, a.a.O., Bd. I, S. 123.
64 Domherr François TROCHOU, Le Curé d´Ars, Librairie Catholique Emmanuel Vitte, Lyon – Paris 1935, S. 13. Vom heiligen Augustinus, über den heiligen Bernhard und Ludwig den Heiligen, bis zum heiligen Don Giovanni Bosco und der heiligen Theresia vom Kinde Jesus gibt es eine große Zahl von Heiligen, die in der mütterlichen Tugend die Quelle der eigenen Tugend erkannten. So behauptet auch Msgr. Delassus, daß die Heiligkeit oft auf eine tugendhafte Mutter zurückzuführen ist (vgl. Msgr. Henri DELASSUS, Le problème de l´heure présente, Desclée de Brouwer, Lille 1904 (2 Bde.), italien. Übersetzg. Bd. II, S. 575f.
65 P. BARON, La jeunesse de Lacordaire, Cerf, Paris 1961, S. 39. Vgl. auch Geneviève GABBOIS, Vous êtes presque la seule consolation de l’Eglise, in Jean DELUMEAU (Hrsg.), La religion de ma mère. Le rôle des femmes dans la transmission de la foi, Cerf, Paris 1992, S. 314f.
66 Plinio CORRÊA DE OLIVEIRA, Un uomo, un‘ ideale, un‘ epopea, in Tradizione, Famiglia, Proprietà, Nr. 3 (1995), S. 2.
67 J. S. CLÁS DIAS, Dona Lucília,  Bd. III, S. 85. „Meine Mutter hatte einen Zug an sich, den ich sehr schätzte: Zu jeder Zeit war sie bis in die tiefste Seele eine Dame! Den Kindern gegenüber wahrte sie eine mütterliche Überlegenheit, die mich spüren ließ, wie schlecht ich handeln würde, wenn ich gegen ihre Autorität verstoßen würde, und welche Traurigkeit ein derartiges Verhalten meinerseits bei ihr hervorrufen würde, da daßelbe ja nicht nur eine Grobheit, sondern auch eine Übeltat gewesen wäre. Sie war wirklich eine Dame, denn in allen Lebensbereichen war sie auf rechte Ordnung bedacht. Ihre Autorität trug dennoch milde Züge. Manchmal verhängte Mutti geringe Strafen. Aber selbst wenn sie bestrafte oder tadelte trat ihre Milde so offen hervor, daß man sich getröstet fühlte. Rosée behandelte sie ähnlich, wenn auch zartfühlender, den sie war ja ein Mädchen. Die Zurechtweisung schloss jedoch keineswegs das Wohlwollen aus, und so war Mutti stets bereit, sich die Rechtfertigungen anzuhören, die ihre Kinder etwa vorzubringen hatten. So bildete die Güte das eigentliche Wesen ihrer Herrschaft. Damit will ich sagen, daß es sich um eine Überlegenheit handelte, die zwar aus Liebe zur hierarchischen Ordnung der Dinge ausgeübt wurde, die jedoch diejenigen, über die sie sich erstreckte, mit Zärtlichkeit und Großmut bedachte.“ (a. a. O., Bd. II, S. 16f.)
68 Leo XIII, Enzyklika Annum Sacrum, vom 25. Mai 1889, in Le Fonti della Vita Spirituale (1964), Bd. I, S. 198. Die von Leo XIII. in seiner Enzyklika angekündigte Weihe des Menschengeschlechts an das Heilige Herz Jesu geschah am 11. Juni 1890.
69 Die Andacht zum Heiligen Herzen Jesu wird vor allem in drei richtungsweisenden päpstlichen Verlautbarungen dargelegt, nämlich in den Enzykliken Annum Sacrum (1889) von Leo XIII., Miserentissmus Redemptor (1928) von Pius XI und Haurientis Aquas (1956) von Pius XII. Ihr großer Apostel war im 19. Jahrhundert der französische Jesuitenpater Henri Ramière (1821 – 1884) gewesen, der auf der ganzen Welt die Vereinigung „Apostolat des Gebets“ verbreitet und gefördert hat. In Brasilien hat sich vor allem der am 7. November 1837 in San Giovanni Roveto (Italien) geborene P. Bartolomeo Taddei um die Verbreitung der Andacht zum Heiligen Herzen verdient gemacht. Am 19. April 1862 zum Priester geweiht, war er am 13. November desselben Jahres in das Noviziat der Gesellschaft Jesu eingetreten und dann in das Kolleg des Hl. Ludwig von Gonzaga in Itu (Brasilien) gesandt worden. Dort hat er das „Apostolat des Gebets“ ins Leben gerufen und die Andacht zum Heiligen Herzen Jesu, das Hauptanliegen seines Lebens, zur Verbreitung gebracht. Als er am 3. Juni 1913 starb gab es in ganz Brasilien 1390 von ihm angeregte Zentren des „Apostolats des Gebets“ mit rund 40.000 Mitgliedern und 2.708.000 Anhängern. Vgl. Luigi ROUMANIE s.s., Il P. Bartolomeo Taddei della Compagnia de Gesù, apostolo del S. Cuore in Brasile, Messaggero del Sacro Cuore, Rom 1924; Aristide GREVE S.J., Padre Bartolomeu Taddei, Editora Vozes, Petrópolis 1938. Zur Verehrung des Heiligen Herzens Jesu vgl. das klassische Werk von Auguste HAMON, Histoire de la dévotion au Sacré-Coeur, Beauchesne, Paris 1923-1945, 5 Bde., sowie das jüngere Werk von Francesca MARIETTI, Il Cuore di Gesù. Culto, devozione, spiritualità, Editrice Ancora, Mailand 1991.
70 Die zwischen 1881 und 1885 im Stadtteil Campos Elíseos errichtete Herz-Jesus-Kirche wurde von Salesianerpatres betreut. Jahrelang stand dem Heiligtum P. Gaetano Falcone als Pfarrer vor. In dieser Kirche, in deren Seitenschiff ein herrliches Bildnis Unserer Lieben Frau von der Immerwährenden Hilfe stand, sollte der junge Plinio seine Andacht zur Gottesmutter als Auxilium Christianorum von Lepanto und zum Rosenkranz entwickeln.
71 J. S. CLÁ DIAS, Dona Lucília, Bd. I, S. 214.
72 A. a. O. Bd. III, S. 91f. Gewöhnlich betete Dona Lucília mit dem Psalm 90 und einer „unwiderstehlichen Novene“ zum Heiligen Herzen Jesu um den Schutz Gottes (a.a.O., S. 90f).
73 A. a. O., Bd. III, S. 155.
74 J. S. CLÁ DIAS, Dona Lucília, Bd. II, S. 173. „Zu ihren Vorzügen zählte der stets wache Sinn für den unüberwindlichen Gegensatz zwischen Gut und Böse, erinnert sich ihr Neffe Adolpho Lindenberg: Diese Polarisation war äußerst ausgeprägt: Die eine Tat ist sehr gut, eine andere sehr schelcht. Was mich besonders beeindruckte an ihr, war ihre grundlegende Abscheu gegenüber der Sünde. In meinen Augen als Knabe und junger Mann war es – mehr als diese oder jene Tugend – vor allem diese Haltung, die hervorstach: Der Begriff des Guten, für das wir uns begeistern und opfern müssen, und der Begriff des abscheulichen Bösen, das man hasst und verachtet.“
75 Der Heilige aus Savoyen lehrt uns in seinem berühmten Werk, wie eine Seele in dieser Welt leben kann, ohne sich vom Geist dieser Welt durchdringen zu lassen: „Gott will“, behauptet er, „daß die Christen als lebendige Pflanzen der Kirche jeweils nach der eigenen Güte und Frömmigkeit, Früchte der Andacht bringen.“ (Franz von SALES, Philothea, 1. Teil, Kap. III)
76 Roger DUPUIS, S.J., Paul CELIER, Courtoisie chrétienne et dignité humaine, Mame, Paris 1955, S. 182.

Donnerstag, 26. April 2018

Kreuz und Herrlichkeit im Leben Unseres Herrn





Zum Fest der Kreuzauffindung
Heute feiern wir das Fest der Kreuzauffindung. Da es sich um das Heilige Kreuz handelt, von dem wir schon so viele Male gesprochen haben, möchte ich diesmal nicht die Traurigkeit des Kreuzes behandeln, sondern über seine Verherrlichung sprechen, um so zu einem Punkt zu kommen, den ich besonders im Blick habe.
Wenn wir das Leben Unseres Herrn Jesus Christus betrachten, sehen wir, dass es ein sehr bescheidenes, sehr asketisches Leben war. Er lebte zurückgezogen, hielt sich eher unter den Armen auf und war eine Art Volksprediger, wenn man diesen Ausdruck in seinem Fall benutzen darf.
Zugleich können wir feststellen, dass alle Ereignisse seines Lebens von einer Art Ruhm und sogar von triumphalem Ruhm umgeben sind. Wenn wir die Zeitspanne von seiner Geburt bis zum Beginn seines öffentlichen Lebens betrachten, bemerken wir, dass es einen Kontrast zwischen dem Kreuz und all den Ereignissen seines Lebens gibt. Die Engel verkünden den Hirten seine Geburt, die Heiligen Drei Könige kommen ihn anzubeten; danach herrscht eine große Stille über ihn; bis zum Beginn seines öffentlichen Lebens hört man nichts mehr über ihn.
Sein öffentliches Leben wird gleich zu Beginn durch große Wunder gekennzeichnet. Und von Wunder zu Wunder, von Predigt zu Predigt, tritt eine Art von Ruhm in sein Leben ein, der sich zu einem Triumph zu nähern scheint. Dann aber, als nach dem ersten Jahr des öffentlichen Lebens dieser Triumph unmittelbar bevorzustehen scheint, und ihn als wahren Triumphator darstellt, weisen die Kommentatoren darauf hin, dass es eine Art Rückfall gab, der dem zu erwartenden Triumph widerspricht.
Die Popularität weicht von ihm und von den Mengen, die er angezogen hat und ihm gefolgt sind, nur die Jünger hielten noch zu ihm, von denen einige eifriger werden, andere jedoch ihn verlassen. So wird der Kern, der bei ihm bleibt, eifriger, jedoch zahlenmäßig kleiner.
Am Ende führt die Herrlichkeit Unseres Herrn zu einer wahren Katastrophe; selbst die Jünger fliehen, und er geht alleine dem Kreuz entgegen. Er stirbt am Kreuz und das Kreuz wird zum Symbol seiner Schande. Wir wissen, dass das Kreuz zu jener Zeit das übliche Werkzeug war, um Kriminelle zum Tode zu führen. Wir haben also sein Kreuz als Symbol einer Katastrophe.
Genagelt am Kreuz, stirbt er. Doch er steht auf vom Tod und kehrt wieder zu großem Ruhm zurück: Zur Herrlichkeit der Auferstehung, zur Herrlichkeit der Himmelfahrt. Und er wird von allen Scharen zum König der Herrlichkeit ausgerufen. Es ist diese Herrlichkeit, die mit der Himmelfahrt beginnt und sich zu Pfingsten bestätigt. Am Firmament der Kirche wird Unser Herr Jesus Christus definitiv zum König der Herrlichkeit.
Seit dieser Zeit, trotz aller Kämpfe gegen ihn, kann man, menschlich gesehen, die Reihe der von ihm bewirkten Triumphen folgendermaßen begreifen: Letztendlich hat es nie einen Menschen gegeben – um es nur auf menschliche Ebene zu bleiben –, der einen Ruhm erreichte, der bei weitem seinem Ruhm gleichkäme.


Wer ist diese Person, nach der die Geschichte der Menschheit in zwei Teile getrennt wird: vor und nach ihm? Wo ist die Person zu deren Ehre so viele Denkmäler errichtet worden sind, über die so viele Bücher geschrieben wurden, aus Liebe zu der so viele Menschen mit Begeisterung oder mit fabelhafter Ausdauer trotz aller Arten von Ängsten und Angriffen des Instinkts der Selbsterhaltung ihr Leben hingegeben haben? Welche Person, für die so viele andere gearbeitet haben?
Schließlich, wenn wir den Ruhm der größten Männer in der Geschichte in Betracht ziehen, zum Beispiel, Napoleons, Cäsars, Alexanders, Karls des Großen, Konstantins, des hl. Ludwig IX., usw., welcher von ihnen hat bei weitem einen ähnlichen Ruhm wie Unser Herr Jesus Christus? Wir sehen, dass Unser Herr bereits in den Augen der Menschen und sogar in den Augen seiner Gegner als König der Herrlichkeit festgelegt ist und dass diese Verherrlichung nur ein Spiegel der endgültigen Glorifizierung ist, die er im Himmel findet.
Dann werden uns bestimmte etwas zögerliche und verwirrte Eindrücke, die uns bei der Lektüre der Evangelien kommen, bewusst. Indem wir diesen Anfang der Herrlichkeit im Leben Unseres Herrn Jesus Christus sehen, verstehen wir, dass hier nicht nur eine Herrlichkeit für diesen Anfang gegeben worden ist, sondern dass es eine Herrlichkeit, die so immens ist, dass sie das Versprechen einer größeren Herrlichkeit, einer Herrlichkeit für alle Zeiten, ist. Es sind Tropfen von Herrlichkeit, die eine größere Herrlichkeit versprechen, die aber in jedem Moment vom Leiden abgefangen werden. In jedem Moment scheint es, dass es gelingen wird, doch sie fällt und scheitert. Engelsgesänge verkünden seinen Ruhm, dann dreißig Jahre Schweigen; später drei Jahre öffentlichen Lebens, schließlich Kreuz und Tod. Aber danach Auferstehung und endgültige und ewige Herrlichkeit.
Welche Lehre können wir daraus ziehen?
Alle Bewegungen, die tatsächlich von der Gnade eingegeben wurden und dazu bestimmt sind, großes in der Geschichte der Menschheit zu vollbringen, sind von dieser Art von Licht und Schatten, von Kreuz und Herrlichkeit, von Herrlichkeit und Kreuz umhüllt, die viele Teilnehmer dieser Bewegungen täuscht und sie veranlasst, die Dinge nicht richtig zu verstehen, und dadurch den Halt zu verlieren. In dieser Hinsicht wäre es interessant, etwas darüber zu sagen.
Unser Apostolat um die Zeitschrift „Catolicismo“ ist eine Mischung aus Kreuz und Ruhm; eine Mischung aus Misserfolgen, Niederlagen und Siegen, die sich nacheinander abwechseln, was dazu führt, dass man in mancher Hinsicht sagen kann, nichts ist mehr verletzt, mehr beschmutzt und beschämt als unsere „Catolicismo“-Bewegung. Wenn wir jedoch die gleiche Realität unter anderen Aspekten betrachten, können wir sagen, dass es hier und heute nichts Ruhmreicheres, Herrlicheres gibt als dieses Apostolat.
Und diese Verflechtung von Scham, Beleidigungen, Verfolgung, Verleumdung und zugleich von Herrlichkeiten, die sich abwechseln, begleitet unser ganzes Leben und bringt eine Art ständige Vermischung von Verheißung einer großen Herrlichkeit und Verheißung eines großen Kreuzes. Dies ist architektonisch, weil es sich genau so abspielt wie im Leben Unseres Herrn Jesus Christus.
Wir müssen aber gut verstehen, um welche Herrlichkeit und um welches Kreuz es sich handelt. In der Berufung eines jeden von uns gibt es einen Faktor, den zu vertuschen nutzlos oder gar kriminell wäre, einen Faktor, der in einen jedem von uns die Hoffnung nährt, dass wir nicht nur irgendetwas Gutes für den Ruhm Unserer Lieben Frau tun — was schon eine großartige Sache wäre — sondern, dass wir arbeiten und mitwirken, um für den Ruhm der Gottesmutter etwas Kolossales, etwas Unermessliches zustande zu bringen, was tatsächlich das Leben der kommenden Jahrhunderte bestimmt und den Kampf der Gegenrevolution gegen die Revolution auf eine wirklich außergewöhnliche Weise kennzeichnet.
Wenn ich mich nicht irre, behauptete der hl. Ignatius von Loyola folgendes: Falls es ihm gegeben wäre, alle Anstrengungen seines Lebens zu verwenden, um zu verhindern, dass ein Mensch eine Todsünde begehe und dadurch nicht in die Hölle komme, hielte er sein Leben für gerechtfertigt und würde sich glücklich fühlen. Warum? Weil schon eine Todsünde eine unermessliche Beleidigung Gottes darstellt. Sollte unser Apostolat also durch unseren Eifer zur Liebe Gottes verhindern würde, dass nur eine einzige Seele nicht in eine Todsünde falle, könnten wir uns darüber, streng genommen und nach der Lehre der katholischen Kirche, als außerordentlich glücklich betrachten.
Wenn wir aber sagen würden, dass unsere Berufung sich nur auf das beschränkt, würden wir weiterhin das tun, was wir tun, aber wir würden den Eindruck haben, dass etwas fehlt, denn wir hegen eine Hoffnung nach etwas Höherem, eine Hoffnung, die sich auf einem übernatürlichen Grund stützt. Diese Hoffnung ist es, Himmel und Erde zu bewegen, Berge zu versetzen, an einer großen Herrlichkeit teilzuhaben, nicht zu unserem persönlichen Vorteil, sondern zur Ehre Unserer Lieben Frau, einer Herrlichkeit, eines Karls des Großen und seiner Paare, einer Herrlichkeit eines hl. Königs Ludwig und der Kreuzritter oder der Helden der Reconquista, oder der Chouans in der Vendée, oder der Karlistenhelden Spaniens. Es ist eine  Herrlichkeit, die über jeder menschlichen Herrlichkeit steht.
Wir müssen erkennen, dass dies ein großes Versprechen der Herrlichkeit bedeutet, wie sie uns tatsächlich gegeben ist, aber es ist ein Versprechen von Herrlichkeit auf der Spur unserer Berufung. Es handelt sich nicht um ein Versprechen der Herrlichkeit außerhalb dieser Spur, denn dann würde sie uns zum Fluch.
Wichtig sein, Ämter oder Positionen ersteigen, reich werden, Einfluss haben, herrschen und groß sein zu wollen im Sinne und für die Anliegen der Welt, ist die abscheulichste Weise dem Ruf zur Herrlichkeit unserer Berufung zu folgen. Den Weg der Welt einzuschlagen, dieser Weg, den wir berufen wurden zu verlassen, bedeutet eine Herrlichkeit zu suchen, die uns nicht versprochen wurde, in der wir letztendlich verloren gehen.
Es gibt einen anderen Weg, der aber ist der wahre Weg der Herrlichkeit der Berufung, indem wir in der Berufung alles tun, was sie von uns verlangt, ausgenommen von jedem Bestreben nach Wichtigkeit und Bedeutung außerhalb und innerhalb der Bewegung...

Dieser Text ist übernommen aus einem informellen Vortrag von Professor Plinio Corrêa de Oliveira, den er am 3. Mai 1965 hielt. Er wurde frei aus dem Portugiesischen übersetzt und angepasst für die Veröffentlichung ohne Überarbeitung von Seiten des Autors.

Samstag, 14. April 2018

„O LEGIONÁRIO“ (*) – Verkünder der Nächstenliebe



Eine Tatsache von größter Wichtigkeit in der Orientierung des „Legionário“ ist einer kleinen Anzahl seiner Leser, wenn nicht unbemerkt vorübergegangen, zumindest aber missverstanden worden. Denn dieses Blatt, obwohl es ein leidenschaftlicher und bedingungsloser Paladin der vollen Wahrheit — das heißt der katholischen Kirche — ist, widmet es sich doch vorzugsweise dem Dienst an bestimmten Wahrheiten, denen in besonderer Weise seine Hingabe gilt.
Es ist ein elementarer Grundsatz der Gerechtigkeit, dass kein Angeklagter ohne die Unterstützung eines Rechtsanwalts vor dem Richterstuhl erscheinen darf, der seine mögliche Unschuld oder die mildernden Umstände, die ihm helfen könnten, überprüfen soll. Und es ist ein Grundsatz der Ritterlichkeit, dass die Verteidigung der am meisten vernachlässigten Angeklagten, der am meisten vergessenen und am wenigsten von der Gesellschaft geschützten Verbrecher, liebevoll von denen übernommen wird, die die Verteidigung der Wahrheit vor den Gerichten, zu ihrem gewohnheitsmäßigen Beruf gemacht haben.
Es geht natürlich nicht darum, die wirklich schuldigen Menschen freizusprechen oder falsche mildernde Umstände zu schmieden, in der Bemühung, eine Dialektik, die nicht im Dienste der Wahrheit und des Guten, sondern des Irrtums und des Bösen steht zu erfinden. Die Aufgabe des Rechtsanwalts, der sein Amt mit dem Barmherzigkeitsgefühl des barmherzigen Samariters ausübt, besteht nicht darin, die Kerker von Kriminellen zu leeren, um mit ihnen die Straßen zu füllen, sondern nur die Unschuldigen aus den Gefängnissen zu holen, um sie der sozialen Situation wieder zuzuführen, wozu ihre eigene Unschuld sie berechtigt.
Wenn dies der Fall ist bei denen, die die Angeklagten vor dem Richter der Ziviljustiz verteidigen, so muss dies auch und erst recht bei denen geschehen, die sich dem Apostolat in den Reihen der Katholischen Aktion widmen, und dazu bekennen, den mystischen Leib Unseres Herrn Jesus Christus gegen das ungerechte Urteil des Geistes der Welt zu verteidigen. Der Erlöser bestätigte, dass Er die Wahrheit selbst ist. Und wenn die Wahrheit von der weltlichen Demenz verurteilt wird, steht es uns zu, sie wie nie zuvor stolz und unerschrocken zu verkünden, und mit der mutigen Stimme unserer Lobpreisungen das Schrillen der Blasphemien und Irrtümer, die der Geist der Welt gegen sie schleudert, zu ersticken und zu verstummen.
* * *
In den frommen Meditationen der Heiligen, die im Geiste Unseren Erlöser begleitet haben auf den Kreuzweg, den Er gegangen ist, um uns zu erlösen, wurden alle von Ihm erlittenen Schläge, zärtlich hervorgerufen, liebevoll beobachtet und leidenschaftlich durch Liebesakte gesühnt. Wie viele frommen Herzen sind es im Laufe der Jahrhunderte gewesen, die all ihre Einbildungskraft und Liebe vermehrt haben, um den Heiland auf Seinem schmerzlichen Weg durch die Straße der Bitterkeit aufzuhalten, um mit Eifer Seine am meisten verletzten Glieder zu betrachten, und vorzugsweise auf diese die anerkennenden und rührenden Küsse der menschlichen Dankbarkeit zu legen!
Die Kirche ist der mystische Leib Unseres Herrn Jesus Christus. Und jede einzelne Wahrheit der katholischen Lehre, wenn sie abgelehnt, vergessen oder beleidigt wird, kann in gewisser Weise mit einem verletzten Glied des Erlösers selbst verglichen werden. Es gibt Punkte der katholischen Lehre, die zumindest heute in Brasilien nicht Gegenstand von Leugnung und öffentlicher Empörung sind. Diese Wahrheiten können berechtigterweise mit den noch gesunden Gliedern des Erlösers verglichen werden. Es gibt aber andere, die, obwohl allgemein akzeptiert, teilweise durch gegenwärtige Vorurteile entstellt sind. Sie sind Glieder des Erlösers, die bereits von den Henkern verwundet wurden, aber noch nicht mit dem vollständigen Schmerz erfüllt sind, den der Erlöser am Ende seines Lebens empfand, wodurch Er der „Mann der Schmerzen“ schlechthin genannt wird. Es gibt endlich andere Wahrheiten, die verabscheut, beleidigt, vergessen und geleugnet werden. Sie sind die Glieder des Erlösers, die die grausame Verfolgung der Juden bereits völlig getroffen und so viel und so tief verletzt hat. Durch das Äußerste ihrer Entstellung und ihres Leidens erinnern Seine Glieder an die schlimmsten menschlichen Krankheiten. Die Heilige Schrift spricht von „tamquam leprosus“ (wie einem Aussätziger) und bezieht sich auf Unseren Herrn in seiner Passion.
* * *
Als Kind des Lichts und Anwalt der Wahrheit, will „Legionário“ nicht der Verfechter der katholischen Prinzipien sein, die niemand bestreitet, der Wahrheiten, die niemand in Frage stellt, der Tugenden, die alle bewundern. Denn der Anwalt sollte nicht der Verteidiger derer sein, die den Applaus der Menschenmengen erhalten und keine Verfolgung der öffentlichen Gerechtigkeit erleiden, sondern der Beschützer derjenigen, die verfolgt werden und ungerechte Unterdrückung erleiden.
Das ist der Grund, warum alle von der heiligen Kirche Gottes verkündeten Wahrheiten eine kindliche und ehrfürchtige Zustimmung von uns erhalten, und warum wir unterschiedslos allen zu Diensten stehen. Doch das Beste unserer Hingabe, die feinsten Zärtlichkeiten unserer Liebe und die feinste Blume unserer Opfer und Bemühungen, widmen wir der Veröffentlichung und dem Beweis der Wahrheiten, die der Geist der Welt entstellt, vermindert, verzerrt, in Vergessenheit versetzt oder den Massen zur allgemeinen Abscheu hinwirft. Denn der Mystische Leib Unseres Herrn Jesus Christus muss mit besonderer Zärtlichkeit geliebt und getröstet werden, genau in dem, wo Er am grausamsten geschlagen wird. Und unter Seinen zahlreichen Wunden küssen wir jene, die durch allgemeines Unverständnis weniger Mitgefühl erregen, jene auf denen weniger oft die lindernde Kraft der sühnenden Küsse aufgetragen wird.
* * *
Wie leicht wäre die Aufgabe des „Legionário“, wenn es eine andere Orientierung hätte! Wie leicht und angenehm wäre für diejenigen, die es leiten, zum Beispiel von dem großen Gebot der Nächstenliebe einen unveränderlichen Vorwand zu machen für sentimentale Ausschweifungen, für Haltungen, die leichten Applaus auslösen können und für spitzfindige und leichtfertige Zugeständnisse an den Geist der Welt!
Wenn auch die Predigt der Nächstenliebe in allen Spalten unserer Zeitung gegenwärtig wird, was würde es uns vor dem ewigen Richterstuhl nützen, den öffentlichen Geist in der großen Illusion zu belassen, in der er sich in dieser Hinsicht befindet, indem wir ihm die Nächstenliebe darbringen, nicht so wie es sein sollte, sondern wie es unser selbstsüchtiges, materialistisches Jahrhundert vorgibt?
Wenn wir jedoch versuchen, solche Illusionen aufzulösen, wird der Applaus um uns herum unvermeidlich aufhören, werden die für unsere Lauheit geschenkten Blumen verwelken, werden die Dornen einen Teppich unter unseren Füßen bilden und unsere Wege mit Schmerzen füllen.
Man sage zum Beispiel, dass die Heilige Kirche Gottes die Nächstenliebe schützt, und diese große Wahrheit wird sofort allgemeinen Applaus auslösen. Aber lasst uns hinzufügen, dass Nächstenliebe die Liebe Gottes als Wurzel haben muss, dass sie im Wesentlichen die Liebe Gottes selbst und die Liebe des Nächsten aus Liebe zu Gottes ist, und der Applaus wird an Begeisterung und Wert abnehmen. Fügte man hinzu, dass die Nächstenliebe geordnet sein und vorzugsweise  ausgeübt werden über jene, die uns in der Ordnung der Gnade (und nicht nur der Natur) am nächsten stehen und daher zuerst die Katholiken und dann diejenige, es nicht sind zum Ziel haben sollte, wird ein unangenehmer Klatsch unsere Worte willkommen heißen und überall gegen unsere Intoleranz gemurrt werden. Fügten wir noch hinzu, dass Nächstenliebe nicht nur im Trösten der Leidenden besteht, sondern auch darin, diejenigen, die sich irren, zu bestrafen, so wird unsere Popularität vor bestimmten Augen vollständig verschwunden sein.
Aber lohnt es sich, Popularität zu erhalten, wenn der Preis ein feiger Rückzug ist? Welches Beispiel hat uns der Herr in dieser Hinsicht gegeben? Und als Er diejenigen selig pries, die Verfolgung für Seine Kirche erleiden, was hat Er getan, als die ewige Seligkeit denjenigen zu verkündigen, die die volle, vollständige und umfassende Wahrheit nicht verschwiegen haben, wenn auch Verfolgung die Frucht dieser Furchtlosigkeit war?
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Eine große und universelle Verlassenheit ist einer der Eindrücke des Märtyrertums, den die verfolgten Katholiken in Russland hinterlassen haben. Auf den Gläubigen, die in diesem von der Verfolgung des Kommunismus so völlig zerstörten Land leben, lastet einer der größten Unglücksfälle, die die Geschichte der Kirche verzeichnet haben. Täglich riskieren sie durch ihr Engagement und ihren Eifer ihr Leben und das ihrer Verwandten wegen des bösen Hasses der kommunistischen Agenten. Martyrien, Gefängnisse, Verbannung, ewige Arbeit an Orten, an denen sie keinen Zugang zu den Sakramenten haben und in denen selbst das geistliche Leben großen Gefahren ausgesetzt ist, sind die Bedrohungen, die sie täglich belasten. Um sie herum das ständige Martyrium, das Leben einer gottlosen Gesellschaft zu beobachten; Herzen ohne Erbarmen, Seelen ohne Licht, unbeständige Familien, verlassene Kinder, die Unmoral als Tugend errichtet, die Tugend als Schande verfolgt. Dies ist die höllische Umgebung, in der die langen Tage dieser so hart geprüften Existenzen, langsam und von Furcht geplagt, dahinfließen.
Doch zu all diesen Schmerzen fügt sich ein anderer bitterer und trostloser hinzu. Es ist die bedrückende Frage: Was werden die Brüder aus anderen Teilen der Welt für uns tun? Die heilige Kirche Gottes erstreckt sich über die ganze Erde. In allen Nationen der Welt hat sie viele Kinder. Außer diesen gibt es Bevölkerungen des wahren Glaubens beraubt, die aber die Vorteile eines Familienlebens entsprechend den Anforderungen der menschlichen Natur genießen und die Tugend kultivieren, die ihnen die einfache natürliche Vernunft vorgibt. Was machen all diese Leute? Bemerken sie nicht, dass Tag für Tag, Minute für Minute, Sekunde für Sekunde, ihre russischen Brüder „im Schatten des Todes sitzen“ und auf den befreienden Kreuzzug warten, der diese Gefangenschaft beenden könnte? Und wenn die Arme dieser Befreier durch unüberwindliche Schwierigkeiten gebunden sind, werden ihre Herzen wenigstens den großen Schmerz ihrer russischen Brüder verstehen? Wenn wirksame Hilfe sie nicht befreien kann, welcher ist dann wenigstens der lindernde Trost ihrer Herzen?
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Auf diese Fragen antwortet die Presse, die sich in das desolate Russland hineinschmuggelt, in der Regel auf trostlose Weise. Die Zeitungen berichten über alles. Sport, Kinos, Tänze, Vergnügungen. Wenn sie ab und zu mal über den Kommunismus berichten, dann, um die Gefahr im eigenen Haus zu bekämpfen. Das Leiden Russlands wird eher als eine Waffe der inneren Gegenpropaganda, als eine Folge des ernsten Mitgefühls verwendet. Und die Augen, die auf der Suche nach einem Zufluchtsort über die Grenzen hinausschauen, fielen ungetröstet in die Dunkelheit. Nein, auch Außenstehende haben sie nicht richtig verstanden. Nur eine Stimme hat sie verstanden und machte sich zum Fürsprecher ihrer Schmerzen. Es war die Stimme der Kirche durch ihre Hierarchie. Doch der zivilisierte Mensch des zwanzigsten Jahrhunderts, der verschränkte seine Arme.
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Ich gestehe, dass diese Tatsache mich tief beeindruckt hat. Und diese Überlegung hat mich dazu gebracht, mich an andere Verfolgte zu erinnern, an die Opfer des Nationalsozialismus, zum Beispiel an jenen glorreichen und unglücklichen Schuschnigg, der immer noch unermessliche Schmerzen leidet, in den tiefen eines unbekannten Verlieses leidet, von den Menschen vergessen und nur getröstet von Gott.
Und dieser Gedanke kam mir, voller Entsetzen, über den Eindruck, den unsere verfolgten Brüder hätten, wenn sie in gewissen Zeitungen nicht nur eine echte Gleichgültigkeit über ihre Qualen gesehen, sondern unter dem Deckmantel der Nächstenliebe die Absicht keine zwingenden Proteste gegen die Verbrechen ihrer Peiniger zu äußern, ausgemacht hätten.
Welchen Eindruck würde ein jeder von uns bekommen, wenn wir im Gefängnis wären, verfolgt weil wir Katholiken sind, vom Einsatz unserer Brüder im Glauben auf die Befreiung oder wenigstens den Trost in unseren Leiden wartend und merkten, dass wir weder diese Unterstützung noch den Trost bekommen würden, weil sie Angst hatten, dadurch unsere Peiniger zu kränken!
Es kann sein, dass „Legionário“ viele Mängel hat. Diesen Mangel hat es jedoch nicht: Niemand hat je Verfolgung wegen seiner Kirchenzugehörigkeit erlitten, ohne dass „Legionário“ ganz auf seiner Seite stand, seine Schmerzen empfindend, als würde es sie selbst erleiden und seine Rechte verteidigend, als ob sie die der eigenen brasilianischen Katholiken wären.
Keinen Angriff auf die Feinde der Kirche haben wir unternommen, der nicht so verstanden worden wäre. Die Kirche ist ein mystischer Leib, nicht nur in der Theorie, sondern in Wahrheit. Und kein Mitglied dieses Körpers wurde jemals verletzt, ohne dass seine Schmerzen, lebendig und im vollen Umfang, auf die Seiten unserer Zeitung widerhallten und direkt aus der Bitterkeit unserer Herzen strömten.
Viele Leser werden gelächelt haben, als wir in diesem Artikel behaupteten, dass alle Seiten des „Legionário“ voller Beweise der Nächstenliebe sind. Diese Liebe ist, wie man sieht, sehr authentisch und richtet sich genau an diejenigen, die am meisten das Recht auf Liebe haben: es sind diejenigen, die uns am nächsten stehen. Man wird niemals sagen können, dass wir die Rechte der Opfer aus Gleichgültigkeit gegenüber den Schergen verkannt hätten.
Ist es nicht wahr, dass das Blatt „Legionário“ so ist, wie Dante hätte sagen können: „die Liebe bewegt es und bringt es zum Reden“?
Wie viele aber gibt es, die in dieser Liebe nur Hass sehen? Eines können jedoch diejenigen, die uns nicht verstehen, sehr sicher sein. Auch sie lieben wir in Jesus Christus. Und sollte eines Tages ihre Gewissensrechte verletzt werden, werden sie uns liebevoll an ihrer Seite finden.
Dann werden sie wohl wahrnehmen, mit wie viel Liebe unsere Kampfbereitschaft durchdrungen ist, in der sie nur Hass sehen.

Freie Übersetzung aus „O Legionário“  Nr. 370, 15.10.1939.
Originaltitel: „O arauto do amor ao próximo“

(*) Katholisches Wochenblatt der 30. und 40. Jahre in São Paulo, Brasilien.

Donnerstag, 12. April 2018

„Dieser ist bestimmt zu einem Zeichen, dem widersprochen wird“


In diesen Tagen erreicht die Fastenzeit ihren Höhepunkt, denn jetzt gedenkt die Kirche der unsäglichen Schmach, der sich der Gottmensch aus Liebe zu uns freiwillig ausgesetzt hat. Dieses Zusammentreffen frohlockender Aussichten und schmerzlicher Feierlichkeiten lässt uns gleichzeitig an den Triumph und an die Demütigung Unseres Herrn Jesus Christus denken. Es ist dies ein nützliches Thema für unsere Betrachtungen während der Karwoche, das auch fruchtbare Gedanken hervorruft, wie sie für unsere Zeit sicher äußerst gelegen kommen.

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Wenn wir uns das Leben Unseres Herrn genau ansehen, werden wir kaum auf etwas stoßen, das nicht eine höchst angebrachte, unerschütterliche Bewunderung auslösen könnte. Als Lehrmeister hat er die Wahrheit in ihrer ganzen Fülle gelehrt. Als Vorbild hat er das Gute in seiner ganzen Vollkommenheit ausgeübt. Als Hirte hat er keine Mühe und weder Milde noch strenge Zurechtweisungen gescheut, um seine Schafe zu retten, und schließlich hat er für sie sogar sein Blut bis zum letzten Tropfen vergossen. Er hat seine göttliche Sendung mit unglaublichen Wundern bewiesen und die Seelen mit zahllosen geistlichen und zeitlichen Wohltaten überschüttet. Um seine Fürsorge auf alle Menschen aller Zeiten auszudehnen, hat er dieses Wunder aller Wunder, die heilige katholische Kirche gestiftet. Und innerhalb der heiligen Kirche hat er seine Gegenwart auf zweierlei Weise fortdauern lassen: Wahrhaft und wirklich im heiligsten Altarsakrament und außerdem durch das Lehramt in der Person seines Stellvertreters auf Erden. Der menschliche Geist wäre nie in der Lage gewesen, eine derartige Fülle an Gnaden und Wohltaten zu ersinnen.

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Aus diesem Grunde wird der Herr geliebt. Darin kommt eine besondere Form der Verehrung zum Ausdruck. Und Unser Herr hat diese wie kaum ein anderer genossen. Das Volk drängte sich derart um ihn, dass die Apostel ihn schützen mussten. Wenn er lehrte, folgte ihm die Menge in die Wüste hinaus, ohne an Bedeckung und Nahrung zu denken. Und bei seinem Einzug in Jerusalem bereitete ihm das Volk einen wahrhaft großartigen Triumphzug. Das alles ist Ausdruck großer Liebe und Anhänglichkeit. Und doch gab es noch innigere Liebe. Als der scheinbare Misserfolg des Leidens und Sterbens einen mysteriösen Schleier über die Sendung Unseres Herrn sinken ließ und ihn endgültig zu widerlegen schien, gab es Seelen, die nicht aufhörten, an ihn zu glauben und ihn zu lieben. Für eine gewissen Veronika, einige heilige Frauen und einen jungfräulichen Apostel war dies nicht das Ende ihrer Liebe zu ihm. Vor allem aber stand da die heilige Jungfrau Maria, die unaufhörlich in einer derart heftigen und vollkommenen Liebe entbrannte, wie Himmel und Erde es ihr niemals gleichtun könnten. Es waren dies Seelen, die in ihrer Liebe auch dann noch fortfuhren, als in dem Augenblick unsagbarer Schmerzen das Grab verschlossen wurde und die Schatten und das Schweigen des Todes auf den blutlosen Leib herniedersanken, als das Ende von allem gekommen schien.

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Wie ist es aber zu erklären, dass derselbe Jesus so großen Hass auslöste? Denn es ist nicht zu leugnen, dass er gehasst wurde. Die Juden hassten ihn mit einem schamvollen, verzehrenden, schändlichen Hass, wie ihn nur die Hölle hervorbringen kann. Von Hass getrieben suchten sie ihn lange auszuspionieren, um eine mögliche Schuld an ihm zu finden, die sie als Waffe gegen ihn einsetzen könnten. Das beweist, dass sie ihn nicht wegen eines Makels hassten, den sie ihm irrtümlich zugeschrieben hätten. Warum also hassten sie ihn dann? Wenn es nicht wegen etwas Bösem war, das ihm ja nicht anhaftete und das sie umsonst bei ihm suchten, warum also? Es konnte nur wegen des Guten gewesen sein... Welch tiefes Geheimnis der menschlichen Bosheit! Es war ein verschämter Hass, der sich unter dem Mantel der Liebenswürdigkeit verbarg, weil sie in Wirklichkeit keinen ehrlichen Grund dafür hatten, ihm ihren Hass zu erklären. In dem Maße, in dem sich der Sendungsauftrag Jesu seiner Erfüllung näherte, wuchs auch der Hass der Juden an und näherte sich des dröhnenden Ausbruchs. Da sie ihm nichts anhaben konnten, gingen sie zu Verleumdungen über. Davon machten sie denn auch reichlichen Gebrauch. Auf diesem Gebiet verfügten sie über alle möglichen Mittel: Geld, Beziehungen zu den Römern, Prestige religiöser Ämter. Und doch ist die Verleumdungskampagne großenteils gescheitert. Sie vermochten zwar einige Neider zu überzeugen und den Zweifel in die Gemüter einiger plumpen, stumpfen Geister zu gießen, die sich der Sucht hingaben, an sich, an den andern, an allem und allen zu zweifeln. Es stellte sich schließlich als unmöglich heraus, die wunderbare Wirkung der Gegenwart, des Wortes und Handelns Unseres Herrn mit Verleumdungen zu erschüttern. So reifte der entscheidende Plan heran, ihn durch eine Niederlage zu widerlegen, die ihn in den Augen aller verächtlich erscheinen lassen und ihn aus der Welt der Lebenden entfernen sollte. Der Rest ist bekannt. Der Satan schlich sich bei dem abscheulichsten aller Menschen ein, der ihn verkaufte und mit einem Kuss verriet. Ein noch mehr in seiner Seele als im Körper verderbter, unschlüssiger, lascher, eitler Prokonsul übergab ihn schließlich in die Hände seiner Feinde. Nun ergoss sich über ihn der ganze Hass der Synagoge, mit dem die Pharisäer letztlich doch die Menge anzustecken vermochten.
Was für ein Hass, und was für ein Balsam! Da standen und schrien sie, unter ihnen auch so mancher Blinde und Geheilte, so mancher einst Besessene — so viele Seelen, denen der Sohn Gottes die Ruhe geschenkt hatte!

Doch wer weiß, was sie fühlten? Als sie seine Wohltaten empfingen, fühlten sie sich vielleicht insgeheim gedemütigt und minderwertig. Als sie seine Lehren empfingen, überkam sie vielleicht unbewusst ein Gefühl der Auflehnung, das unmerklich ihre Bewunderung untergrub: Warum war er nur so streng, warum verlangte er so viele Opfer? Ihn nun „unterlegen“ zu sehen, musste wie eine Befreiung wirken – es war der Triumph alles Verdrängten, aller Gemeinheit, allen Neides, die Essenz aller Niedertracht. Der große Aufstand der ruchlosen, boshaften Pharisäer und der ihnen Gleichgesinnten in allen Volksschichten. Sie alle bildeten nun eine gemeinsame Front mit denen, die heimlich und vielleicht sogar unbewusst eine Abneigung nährten, sowie mit all den Lauen und Halbherzigen. Das Ergebnis von all dem war der Gottesmord, das größte Verbrechen aller Zeiten.


Freie Übersetzung von „Ecce positus est hic in ruinam et in resurrectionem multorum in Israel“ (Portugiesisch) von Plinio Corrêa de Oliveira in Catolicismo Nr. 52 – April 1955

Montag, 9. April 2018

Gebet für die verfolgte Christenheit


 
Trauer um P. Jacques Hamel, der in seiner Kirche während der Messe ermordet wurde im Juli 2016 
Mein Herr, unser König bist Du ganz allein. Hilf uns doch, da wir allein sind und keinen anderen Helfer haben als nur Dich! Denn die Gefahr ist greifbar nahe. Wir hörten von unseren Vorfahren, das Du, Herr, die Christenheit aus allen Nationen und unsere Väter aus all ihren Vorfahren zum ewigen Erbteil angenommen und ihnen erfüllt hast, was du verheißen.
Jetzt aber haben wir vor Dir gesündigt, und Du gabst uns in die Gewalt unserer Feinde. Denn wir haben ihre Götter verehrt. Gerecht bist Du, o Herr! Es war ihnen aber noch nicht genug, uns harte Knechtschaft aufzuerlegen, sondern sie haben ihren Götzenbildern in die Hände geschworen, die Entscheidung Deines Mundes zunichte zu machen, Dein Erbteil zu vertilgen, den Mund derer zu verschließen, die Dich loben, und den Glanz Deines Hauses und Deines Altares auszulöschen, um jedes Gesetz aufzuheben, jede Hierarchie zu vernichten und das Reich Luzifers einzurichten.
Übergib nicht, o Herr, Dein Zepter den Dienern Deiner Feinde, denen die nichtig sind, damit sie nicht lachen über unsern Sturz; vielmehr lass ihren schlimmen Plan auf sie zurückfallen! Jenen aber, der den Kampf gegen uns begonnen hat, gib öffentlich der Schmach preis!
Denke an uns, o Herr, und zeige uns Dein Antlitz in der Zeit unserer Trübsal! Verleihe uns Mut, Herr, König der Götter und Gebieter über jede Macht!
Lege eine gut passende Rede in unserem Mund vor den Bösen! Stimme ihre Herzen um zum Hass gegen den, der uns bekämpft oder sonst verwirre sie in ihren Absichten!
Uns aber rette durch deine Hand und hilf uns einsamen, die niemanden haben, außer Dir, o Herr, der Du alles weißt auch, dass wir den Glanz der Frevler hassen!
Gott, der Du Macht hast über alle, höre die Stimme derer, die nur auf Dich allein hoffen, und rette uns aus der Gewalt der Frevler und befreie uns von unserer Furcht! Amen.

[Prof. Plinio Corrêa de Oliveira verfasste dieses Gebet in den 1950Jahren in Anlehnung an das Gebet von Ester (14,3-19), als sie sich vorbereitete dem König zu bitten, Israel vor der Vernichtung zu verschonen.]
Bild: ©Matthieu Alexandre/AFP in France Soir vom 27.07.2016

Freitag, 6. April 2018

Das Heiligste Herz Jesu


Das heiligste Herz Jesu
    

Immer wieder haben die Päpste empfohlen, die Menschheit möge die Verehrung, die sie dem Heiligsten Herzen Jesu erweist, verstärken, damit, die Menschen durch die Gnade Gottes erneuert und wissend, dass Gott das Zentrum ihrer Liebe sein muss, auf Erden wieder diese Ruhe der Ordnung herrsche, von der wir uns immer weiter entfernen, je mehr die Welt in die Anarchie fällt.

      So kann eine katholische Zeitung auch nicht das vor kurzem gefeierte Fest des Heiligsten Herzen Jesu unbeachtet vorübergehen lassen. Es ist nicht nur eine durch die Frömmigkeit normale auferlegte Pflicht. Es geht hier mehr als um eine Pflicht, die die gegenwärtige erschütternde Lage der Welt dringend von uns erfordert.

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      Es gibt wohl niemanden, der sich nicht beunruhigt fühlt durch die äußersten Grausamkeiten, zu die der heutige Mensch gelangen kann. Diese Grausamkeiten sehen wir nicht nur auf den Kriegsschauplätzen. Wir sehen sie auf jeden Schritt in den kleinen und großen Zwischenfällen unseres täglichen Lebens, wie allgemein die Menschen mit kaltem und hartem Herzen mit ihren Nächsten umgehen.

      Es sind Mütter, in deren Gemüt die Stärke der Hingabe und Liebe zu ihren Kindern abnimmt; es sind Ehegatten, die die gesamte Familie ins Unglück fallen lassen, nur weil sie ihren eigenen Instinkten und Leidenschaften nachgehen; Kinder, die gleichgültig gegenüber dem Elend oder der moralischen Verlassenheit ihrer Eltern, sich dem Genuss der Lustbarkeiten des Lebens hingeben; Unternehmer, die sich auf Kosten ihrer Angestellten bereichern, legen oftmals eine kalte und berechnete Grausamkeit an den Tag, richten ein viel größeres Unheil an, als die Wut, zu der sich die Kämpfenden in einem Krieg hinreißen lassen können. Wenn man auch die Grausamkeiten eines Krieges leichter erfassen kann, so haben doch die, die sie verüben wenn nicht eine Entschuldigung, doch wenigstens den mildernden Umstand, dass sie herausgefordert werden durch die Heftigkeit des Kampfes. Doch was in der Ruhe des täglichen Lebens ausgeheckt wird und sich abspielt, kann nicht immer diese mildernden Umstände genießen. Vor allem wenn es sich nicht um Einzeltaten handelt, sondern um eingefleischte Gewohnheiten handelt, die die schlechten Taten ins unendliche vermehren.

      Kriege, die heute geführt werden, verursachen einen hohen Grad an Grausamkeit. Sie sind aber längst nicht der einzige Ausdruck der gegenwärtigen moralischen Härte.

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      Wer von Grausamkeit spricht, spricht von Egoismus. Der Mensch schädigt seinen Nächsten aus Eigennutz, weil er Vorteile genießen will, zu denen er kein Anrecht hat. So besteht das einzige Mittel, um die Grausamkeiten zu besiegen, die Selbstsucht zu vertilgen.

      Nun lehrt uns aber die Theologie, dass der Mensch nur zu einer echten und vollständigen Selbstlosigkeit fähig ist, wenn seine Nächstenliebe auf die Liebe Gottes begründet ist. Ohne Gottesliebe gibt es keine beständigen und keine vollkommene menschliche Liebesbeziehungen. Oder liebt der Mensch Gott bis zur Selbstvergessenheit, und dann ist er in der Lage seinen Nächsten wirklich zu lieben; oder der Mensch liebt sich selbst bis zur Gottvergessenheit, dann aber wird er von seiner Selbstsucht gänzlich beherrscht.

      So kann man nur durch die Vergrößerung der Gottesliebe bei den Menschen ein tiefes Verständnis ihrer Pflichten gegenüber dem Nächsten erreichen. Der Kampf gegen den Egoismus ist eine Aufgabe, die notwendigerweise die, wie sich  der hl. Augustinus so schön ausdrückt, „Erweiterung der Räume für die Gottesliebe“ mit sich bringt.

      Das Fest des Heiligsten Herzen Jesu ist aber auf vorzüglicher Weise das Fest der Liebe Gottes. Die Kirche empfiehlt uns an diesem Fest die zärtliche und unveränderliche Liebe Gottes, der Mensch geworden und für uns gestorben ist, zu betrachten und sie zum Ziel unserer Gebete machen. Indem sie uns das brennende Herz Jesu mit einer Dornenkrone, mit der wir es durch unsere Verfehlungen umwinden, öffnet die Kirche uns die Voraussicht einer barmherzigen weiten Vergebung, einer unendlichen und vollkommenen Liebe, einer vollständigen und reinen Freude, welche die beständige Wonne des geistlichen Lebens aller wahren Katholiken sein soll.

      Lieben wir das Heiligste Herz Jesu! Bemühen wir uns, das diese Andacht in allen Wohnungen, in allen Bereichen und vor allem in allen Herzen wirklich (nicht nur durch einige Symbole) triumphiere. Nur so wird es uns gelingen die Menschen umzuwandeln.

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      „Ad Jesum per Mariam“. Durch Maria kommen wir zu Jesus. Da wir über das Herz Jesu schreiben, wie können wir nicht ein Wort kindlicher Innigkeit über jenes Unbefleckte Herz sagen, das besser als jedes andere den göttlichen Erlöser verstand und liebte? Möge die Muttergottes uns einige Funken Ihrer großen Verehrung zum Heiligsten Herzen Jesu erlangen. Möge sie in uns ein wenig von diesem Feuer der Liebe entzünden, in dem ihr Herz so eindringlich brannte. Das sind unsere Wünsche in dieser milden und trostreichen Oktav des Herz Jesu Festes.

Freie Übersetzung aus „O Legionário“, N.º 458, 22 de junho de 1941