Dienstag, 25. Dezember 2018

Ein Fest der Ehre und des Friedens




Plinio Correa de Oliveira
Die Verkündigung an die Hirten. Gemälde von Thomas Cole, 1834.


„Ehre sei Gott in der Höhe
 und auf Erden Friede 
unter den Menschen guten Willens“
(Lk 2, 14).
Jedem Katholiken, der sich in die Betrachtung des heiligen Weihnachtsfestes vertieft, kommen über kurz oder lang die harmonievollen, erleuchteten Worte in den Sinn — fast würden wir sagen ins Ohr — mit denen die Engel den Menschen die große Neuigkeit der Ankunft des Erlösers singend verkündet haben. Und so wollen wir sie auch an der Krippe zu Füßen des Jesuskindes und in innigster Vereinigung mit Maria zum Leitfaden unserer Weihnachtsbetrachtung machen.
„Ehre“. Wie gut verstanden die Alten die Bedeutung dieses Begriffs, wie viele glanzvolle, mitreißende sittliche Werte sahen sie in ihm! Um sie zu erobern, hat so mancher König seine Herrschaft ausgebaut, hat so manches Heer dem Tode ins Auge geschaut, hat so mancher Weise sich mühevollen Studien hingegeben, hat so mancher Forscher sich in die furchtbarsten Einöden gewagt, hat so mancher Dichter seine schönsten Werke geschrieben, hat so mancher Musiker die klangvollsten Töne aus seinem tiefsten Innern hervorgeholt und hat sich schließlich so mancher Geschäftsmann an die gewaltigste Arbeit gemacht. Denn selbst im Reichtum sah man nicht nur den Aspekt des Überflusses, des Komforts und der Sicherheit, sondern auch den der Macht, des Prestiges - in einem Wort: der Ehre.
Welche Bestandteile gehörten aber zu dem Begriff der Ehre? Einige waren Teil der Person selbst: hohes Streben, hervorragende Tugend, Ausübung besonderer Taten. Andere hatten mit dem zu tun, was wir heute die öffentliche Meinung nennen. Die Ehre wäre unter diesem Gesichtspunkt die allseitige, laut zum Ausdruck gebrachte Anerkennung der außerordentlichen Begabungen eines Menschen.
Was ist die Ehre wert? Inwieweit trägt der Wunsch nach Ehre dazu bei, eine Seele zu bereichern?
Ohne Zweifel wurden die materiellen Güter zu unserem Nutzen geschaffen, und der Mensch darf sie mit rechtem Maß und Ziel durchaus anstreben. Was wird man aber sagen, wenn er sie zu den höchsten Werten seines Daseins macht? Man wird ihn einen Krämer, einen Egoisten, einen Engherzigen heißen. Kurz gesagt, er wird denen zugerechnet, die in der heiligen Schrift mit dem Hinweis gebrandmarkt werden, ihr Gott sei der eigene Bauch (Phil 3, 19). Ihr Geist kümmert sich nur um das Körperliche, die wahren Güter der Seele verkennen sie und, wenn sie könnten, würden sie - wie Claudel einmal schrieb - die Sterne vom Himmel holen, um sie in Kartoffeln zu verwandeln.
Das einzig echte, feste, greifbare Ziel der menschlichen Gesellschaft würde in diesem Falle darin bestehen, ein sattes, angenehmes Leben zu ermöglichen. Alle Fragen, die sich um Religion, Philosophie, Kunst usw. drehen, wären lediglich von zweitrangiger, wenn nicht von überhaupt keiner Bedeutung.
Gerade hierin liegt für Millionen von Menschen die größte Versuchung, leben sie doch in einer Welt, für die der Begriff „Ehre“ fast völlig seinen Sinn verloren hat. Zwar gibt es das Wort noch in den Wörterbüchern und kommt manchmal sogar noch in der Umgangssprache vor, man könnte jedoch durchaus behaupten, dass es ein totes Wort ist. Und so wie dieses Wort außer Gebrauch gekommen ist, verschwinden nach uns nach auch die entsprechenden Bezugswörter wie Ruhm, Ansehen, Würde ...
In einer Welt, in der alles, was zu einem materiell abgesicherten, reichen und satten Leben beiträgt, bis zum Aberwitz aufgewertet ist, erteilt uns der Herr bei Gelegenheit des Weihnachtsfestes eine höchst angebrachte, doppelte Lektion.
Betrachten wir einmal unter dem Gesichtspunkt eines bequemen Lebens die Heilige Familie. Der heilige Josef, Nachkomme eines königlichen Geschlechts, das längst Thron und Besitz eingebüßt hat, lebt in Armut. Die allerseligste Jungfrau findet sich in vollkommener Ergebenheit mit dieser Lage ab. Beide sind bemüht, in dieser Armut ein ordentliches, bescheidenes Leben zu führen, denn all ihr Sinnen und Trachten ist nicht auf wirtschaftlichen Aufstieg, Komfort und Vergnügen gerichtet, sondern allein Gott dem Herrn zu gefallen. Ihrem Kind hat die Heilige Familie als erste Wohnstätte nicht mehr zu bieten als eine Grotte, und ein Trog hat als Wiege zu dienen. Dennoch ist dieses Kind das menschgewordene Wort, bei dessen Geburt die Nacht zu leuchten beginnt, der Himmel sich öffnet und die Engel singen. Und aus weiter Ferne eilen weise Könige herbei, um ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe zu Füßen zu legen ...
Welche Armut, und doch welche Ehre! Wirkliche Ehre, denn es geht nicht um das Angesehensein bei Menschen, die nur auf ihr Vorteil aus sind und andere lediglich nach ihrem Reichtum beurteilen, sondern um eine Ehre, die eine Art Abglanz der einzig wahren Ehre, nämlich der Ehre Gottes im höchsten Himmel, ist.
Man pflegt zu sagen, dass uns die Armut der Heiligen Familie in Bethlehem die Loslösung von den Gütern dieser Erde lehrt, und dies ist tausendmal richtig. Das heilige Weihnachtsfest ist aber außerdem ein klarer und deutlicher Hinweis auf die erhabene Lehre vom Wert sowohl der himmlischen als auch der sittlichen Güter, die ja auf Erden eine Art Abbild der himmlischen Güter sind.
Und die Güte? Verlangt sie nicht von einem, dass man „demokratisch“ denkt, sich mit den Unteren auf eine Stufe stellt, um ihre Liebe zu gewinnen?
Einer der verhängnisvollsten Irrtümer unserer Zeit liegt in der Vorstellung, dass sich Liebe und Respekt gegenseitig ausschließen, und dass ein König, ein Vater oder ein Lehrer umso mehr geliebt werden, je weniger Respekt ihnen gezollt wird. Das Gegenteil ist der Fall. Ein hohes Maß an Respektabilität kann, wenn sie von wahrer Gottesliebe durchdrungen ist, nur die Achtung und das Vertrauen der redlichen Menschen auf sich ziehen. Und wenn dies nicht geschieht, so liegt es nicht daran, dass die Respektabilität zu groß ist, sondern dass sie nicht auf Gottesliebe gegründet ist.
Die Lösung ist nicht in der Herabsetzung, sondern in der Erhebung ins Übernatürliche zu suchen.
Die wahrhaft übernatürliche Würde beugt sich hernieder, ohne sich herabzusetzen.
Die eigensüchtige, eingebildete Würde versteht es nicht, entgegenkommend zu sein und dennoch die Würde zu wahren. Wenn sie sich stark fühlt, erniedrigt sie die andern. Wenn sie sich schwach fühlt, erniedrigt sie sich aus Furcht selbst.
Stellen wir uns nun eine weltliche Gesellschaft vor, die von diesem hehren, majestätischen, starken Adel, dem Abglanz der Erhabenheit Gottes, ganz und gar durchdrungen ist. Eine Gesellschaft, in der so viel Hoheit unauflöslich mit einer unermesslichen Güte verbunden ist, dass mit wachsender Kraft und Hoheit auch die Barmherzigkeit und Güte zunehmen. Welch eine Sanftheit, welch eine Wonne - mit einem Wort, welch eine Ordnung! Jawohl, welch eine Ordnung ... und welch ein Friede! Denn, was ist der Friede anderes als die Ruhe in der Ordnung? (vgl. Hl. Augustinus, XIX De Civ. Dei, Kap. 13)
Das Bestehen auf Irrtum und Bosheit, das Einigsein mit den Soldaten Satans, die scheinbare Verständigung zwischen Licht und Finsternis bringen, eben weil sie dem Bösen die Staatsbürgerschaft zugestehen, nichts als Unordnung und schaffen einen Zustand der Ruhe, der nur noch ein Zerrbild des wahren Friedens ist.
Den wahren Frieden finden wir allein bei den Menschen guten Willens, die aus ganzem Herzen die Ehre Gottes suchen.
Und deshalb verbindet die Weihnachtsbotschaft das Eine mit dem Anderen:

„Ehre sei Gott in der Höhe 
und auf Erden Friede 
unter den Menschen guten Willens.“ 
(Lk 2, 14)

Originaltitel: „Festa de glória e de paz“ in Catolicismo Nr. 108, Dezember 1959.

Mittwoch, 28. November 2018

Brasilien – ein zur Größe berufenes Land



      
Als Stefan Zweig in den dreißiger Jahren Brasilien besuchte, war er von dem Land derart beeindruckt, daß er es dazu bestimmt sah, „einer der bedeutsamsten Faktoren der künftigen Entwicklung unserer Welt zu werden“ (7).
      Was einen an Brasilien zuallererst beeindruckt ist die Weite des Landes und der Horizonte. Die Ausdehnung dieses Landes mit seinen 8.511.965 Quadratkilometern Fläche entspricht mehr als der Hälfte ganz Südamerikas. Die unmittelbar zum Meer hin abfallenden hohen Gebirge, die üppigen Urwälder, der wasserreiche Amazonasstrom, der mit seinem über fünf Millionen Quadratkilometer großen Becken das ausgedehnteste Einzugsgebiet der Erde bildet, all das vermittelt uns das Bild von einem Land, das alles im Übermaß besitzt: Natur, Licht, Farben, sodaß man durchaus den Vergleich Rocha Pitas heranziehen und von einem wahren „irdischen Paradies“ sprechen kann.
      „In keiner anderen Region zeigt sich der Himmel so heiter, noch steigt schöner der Morgen herauf; in keinem anderen Erdteil strahlt die Sonne goldener, noch leuchtet ihr Widerschein kräftiger in der Nacht; die Sterne funkeln milder und zeigen sich immer fröhlich; der Horizont ist immer klar, einerlei ob die Sonne auf- oder untergeht; das reinste Wasser kann man sowohl aus den Quellen in Feld und Wiese trinken als auch aus den Zuleitungen in den Ortschaften; mit anderen Worten, Brasilien ist das entdeckte irdische Paradies.“ (8)
      Das riesige Land ist unaufhörlich in Licht getaucht und „glänzt wie ein Diamant im Schatten der Unendlichkeit. (...) Sein Abglanz lässt im Schweigen der Räume eine unerlöschliche, dunkelgelbe, glühende, sanfte oder blasse Verklärtheit aufscheinen. Immer ist alles Licht. Von der Sonne steigt es in leuchtenden, blendenden Wellen hernieder und hält die Erde in tiefer Stille. Das Licht durchdringt alles, schluckt alles“ (9).
      Dieses Licht, das eine unerlöschliche Klarheit ausstrahlt und die Erde in einer Stimmung zurückgezogener Stille zu halten scheint, taucht die großen Räume in eine geheimnisvolle geistige Dimension. Fast könnte man sagen, daß die leuchtende Ausdehnung der Horizonte die Seele für eine sublime Berufung empfänglich macht.
      Die Geburtsstunde Brasiliens schlug am 22. April 1500, als die Schiffe der portugiesischen Flotte mit ihren weißen Segeln, auf denen das Kreuz des Christusordens leuchtete, unter dem Kommando von Pedro Alvares Cabral vor der brasilianischen Küste Anker warfen. Als erstes pflanzten die Entdecker ein Kreuz am Strand auf und ließen das unblutige Kalvarienopfer im neuentdeckten Land feiern. Seit diesem
Tag ist Brasilien das Land des Heiligen Kreuzes (10). Das Kreuz des Südens schien die Szene, die sich für immer in die brasilianische Seele eingeprägt hat, am Himmel zu besiegeln. „Das Kreuz des Südens, Wappenzeichen des Vaterlandes, erinnert nachts mit seinem süßen Licht für immerwährende Zeiten an den Fortbestand dieses Bundes. Es richtet an die christliche Nation, die im Lande des Heiligen Kreuzes lebt, Worte unvergänglicher Hoffnung.“ (11) Seither, so bemerkte ein italienischer Diplomat, „hat sich der vom Christentum ausgehende Duft über alle Teile Brasiliens ausgebreitet, als ob es ein für allemal besprengt worden wäre“ (12).
     
Das Kreuz, erinnert P. Serafim Leite S.J., „war ein Wahrzeichen und eine Verheißung. Aber es war noch nicht das Saatkorn. Dieses sollte erst ein halbes Jahrhundert später, nämlich im Jahre 1549, mit der Einrichtung des Generalgouvernements und der Ankunft der Jesuiten fruchtbar und reichlich eintreffen“ (13). In dem genannten Jahr begleiteten sechs Missionare der gerade erst vom Heiligen Ignatius gegründeten Gesellschaft den Gouverneur Tomé de Souza, dem König Johann III. von Portugal die Missionierung des neuen Landes aufgetragen hatte (14). Nach Stefan Zweig brachten sie „das Kostbarste, was ein Volk und ein Land zu seiner Existenz benötigt: eine Idee und zwar die eigentlich schöpferische Idee Brasiliens“ (15).
      Die Jesuiten flößten dem potentiell äußerst – nicht nur an materiellen Gütern - reichen, bis zu diesem Zeitpunkt jedoch schlafenden Land eine Seele ein. „Dieses Land ist unsere Aufgabe “ (16), erklärte P. Manuel da Nóbrega (17), der zusammen mit P. José de Anchieta (18) als Gründer Brasiliens angesehen werden kann. Seit der Entdeckung bis in unsere Tage entwickelten die Missionare in brasilianischen Landen ein Werk der Christianisierung und gleichzeitig der Zivilisierung, das „in der Geschichte einzigartig dasteht“ (19).
P. Joseph Anchieta nimmt Indianer in Schutz
Die Jesuiten katechisierten die in Siedlungen zusammengeführten Ureinwohner, richteten die ersten Schulen ein, bauten Unterrichtsstätten, Kirchen, Straßen und Städte (20). Als die Hugenotten sich des neuen Landes bemächtigen wollten, waren es die Jesuitenpatres Nóbrega und Anchieta, die militärische Maßnahmen gegen die in der Guanabara-Bucht gelandeten französischen Protestanten veranlassten (21). Inmitten der  herrlichen 
Küste, von den Portugiesen zurückeroberten Bucht (22) wurde eine kleine Stadt gegründet, aus der später einmal die Hauptstadt des Landes hervorgehen sollte: Rio de Janeiro, die Stadt, die in einer unvergleichlichen Synthese die ganze Naturschönheit Brasiliens in sich vereinigt: Berge, Hügel, Wälder, Wasser, Inseln, Buchten (23). Die erste Hauptstadt der portugiesischen Besitzungen in Südamerika, São Salvador da Bahia, bildete zusammen mit São Paulo, São Sebastião do Rio de Janeiro und den Kapitanaten von Pernambuco und Maranhão eine der „Urzellen“ (24) Brasiliens.
      Das ungeheuer große Land wurde in zwölf Erbkapitanate aufgeteilt, von denen die meisten Bundesstaaten der heutigen brasilianischen Föderation ausgehen (25). Die mit weitgehenden Vorrechten und Gunstbezeigungen versehenen Lehensträger wurden vom König von Portugal unter den „besten Leuten, ehemaligen Seefahrern, Hofherren“ (26) ausgewählt. Brasilien blieb weiterhin Bestandteil des portugiesischen Reiches, auch während des Zeitraums, in dem die portugiesische Krone mit der spanischen vereint war (1580–1640).
      Das brasilianische Nationalbewusstsein begann sich schließlich im Kampf gegen die Holländer zu bilden, die sich in Bahia (1624–1625) und dauerhafter in Recife (1630–1654) festsetzen konnten (27). Als sich dieser letzte holländische Posten dem portugiesisch-brasilianischen Heer ergab, konnte man bereits von einem einigen Volk sprechen. „Die holländischen Kriege hatten den Vorzug, daß sie die unterschiedlichen Elemente der Kolonisierung auf eine bis dahin nicht gekannte Weise festigten.“ (28).
      Der erste aristokratische „Typus“ Brasiliens war der des Zuckermühlen-Herrn, des Zuckerrohranbauers, dessen Produktion während der ganzen Kolonialzeit im feudalen Rahmen der Kapitanate das typisch brasilianische Erzeugnis bildete. (29)
      Zuckerrohrpflanzungen und Mühlen – kleine, an Wasserläufen errichtete Raffinerien, die von Sklaven betrieben wurden – legten die Grundlagen der brasilianischen Landwirtschaft. Das angestammte Herrenhaus des Gutsbesitzers glich einer Festung (30). Um die Mühlenherren sammelten sich die Widerstandskräfte gegen die holländischen Invasoren, Feinde des Glaubens und des Königs (31). Es war bereits der Landadel gewesen, der die Verteidigung gegen die Franzosen und die Engländer organisiert hatte, als diese sich in der Vergangenheit in Brasilien festsetzen wollten.
      Anbau und Verarbeitung des Zuckerrohrs bildeten während der ersten zwei Jahrhunderte die wichtigste landwirtschaftliche und industrielle Tätigkeit des Landes. Im 18. Jahrhundert wurde dann das Gold, nach seiner unerwarteten Entdeckung in Minas Gerais, zum wichtigsten Wirtschaftsfaktor des Landes.
      Die Bandeirantes-Expeditionäre (32), unmittelbare Nachkommen der Entdecker, lösten mit ihrem außerordentlichen Mut und Abenteuergeist das Zeitalter des Goldes und der Edelsteine aus.
      In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, nach Abschluss der sozialen und wirtschaftlichen Zyklen des Zuckers und des Goldes, nahm dann ein drittes Zeitalter seinen Anfang, das des Kaffees, der bis 1930 die Hauptquelle des Reichtums der brasilianischen Wirtschaft sein sollte.
Kaiser Pedro I. ruft die
Unabhängigkeit Brasiliens aus
      Im 19. Jahrhundert erreichte Brasilien seine Unabhängigkeit, aber auf eine andere Art und Weise als die übrigen südamerikanischen Nationen: Nicht mit Waffengewalt, sondern durch die Errichtung eines Kaiserreichs, dessen Thron Dom Pedro I. von Bragança, Sohn des Königs von Portugal, bestieg.
      Am 7. September 1822 proklamierte Dom Pedro in São Paulo die Unabhängigkeit Brasiliens, und zwei Jahre darauf erhielt das Land seine erste Verfassung. Der Nachfolger, Dom Pedro II. (33) war ein außerordentlich gebildeter und unternehmungslustiger Herrscher, dessen lange, friedvolle Regierungszeit mit der republikanischen Revolution gleich nach der Abschaffung der Sklaverei (34) endete. Das
Kaiser Pedro II. von Brasilien
Kaiserreich verlor die Unterstützung der Landaristokratie, für die die Sklavenbefreiung ein Fehler oder aber verfrüht war. Am 15. November 1889 wurde in Rio de Janeiro nach einem unblutigen Staatsstreich die Republik ausgerufen.
      „Die Brasilianer“, schrieb der italienische Historiker Guglielmo Ferrero, „sahen die Monarchie sanft fallen, ohne Blutvergießen, so wie die schönen Sommertage zu Ende gehen, ruhig und leuchtend“ (35).
      1891 wurde aus dem Kaiserreich Brasilien die Bundesrepublik der Vereinigten Staaten von Brasilien, auf deren neuer Flagge nun das positivistische Motto „Ordnung und Fortschritt“ zu lesen war (36). „Brasilien stand damals am Anfang einer Epoche, die den ‚Fortschritt‘ zum Gott und die ‚Wissenschaft‘ zu einer Göttin ihrer geistigen Eliten erheben sollte“ (37). Die Republik bestand aus einer Föderation autonomer Staaten, die alle ihr eigenes Parlament und eine eigene Regierung hatten. Es kam zur Trennung zwischen Staat und Kirche, die standesamtliche Trauung (Zivilehe) wurde eingeführt, die Wirtschaftspolitik wurde geändert. Die ersten Jahre des neuen Jahrhunderts zeichnen sich in Brasilien durch ein Klima der Euphorie und des Optimismus aus, was nicht zuletzt auf die Hoffnungen zurückzuführen war, die der institutionelle Wandel und der wirtschaftliche und soziale Fortschritt des Landes ausgelöst hatte (38). Es waren die „goldenen Jahre“ der 1. Republik (39).

Quelle: Roberto de Mattei: „Der Kreuzritter des 20. Jahrhunderts: Plinio Corrêa de Oliveira. TFP-Büro Deutschland und DVCK e.V., Frankfurt, 2004, Kapitel I, Abschnitt 2, SS 22-29.
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Fußnoten:
(7) Stefan ZWEIG, Brasilien,  ein Land der Zukunft, Insel Verlag, Frankfurt am Main 1981, S. 8. Vgl. auch Ernani SILVA BUENO, História e Tradições da Cidade de São Paulo, Livraria José Olympio Editora, Rio de Janeiro 1954, 3 Bde.; Affonso DE FREITAS, Tradições e reminiscências paulistanas, Governo do Estado de São Paulo, São Paulo 1978 (3. Aufl.); Luiz GONZAGA CABRAL, S.J., Influência dos Jesuítas na colonização do Brasil, in Jesuítas no Brasil, Bd. III, Companhia Melhoramentos de S. Paulo, São Paulo 1925.
(8) Sebastião DA ROCHA PITA (1660 – 1783), História da América Portuguesa, in E. WERNECK, Antologia Brasileira, Livraria Francisco Alves, Rio de Janeiro 1939, S. 210.
(9) José PEREIRA DA GRAÇA ARANHA (1868 – 1931), A esthética da vida, Livraria Garnier, Rio de Janeiro – Paris 1921, S. 101.
(10) „Brasilien ist christlich geboren: ‚Insel des Wahren Kreuzes‘ nannte es sein erster Geschichtsschreiber, der gleichzeitig auch einer der Entdecker war“ (P. Serafim LEITE, S.J., Páginas de Història do Brasil, Companhia Editora Nacional, São Paulo 1937, S. 11). Der Chronist der Expedition, Pero Vaz de Caminha, richtet folgende Worte an den König: „Bis jetzt konnten wir noch nicht erfahren, ob es Gold oder Silber oder Metallsachen oder Eisen gibt; wir sahen nichts dergleichen. An und für sich ist das Land aber reich (...) Der größte Gewinn, den man indessen von ihm haben kann, ist meiner Meinung nach die Errettung der Seelen seiner Einwohner“ (nach Roger BASTIDE, Il Brasile, italien. Übersetzung, Garzanti, Mailand 1964, S. 13; der Text des Briefes des Pero Vaz de Caminha ist zu finden in Jaime CORTESÃO, A expedição de Pedro Álvares Cabral, Livrarias Ailland e Bertrand, Lissabon 1922, S. 233 – 256).
(11) Yves DE LA BRIÈRE, Le règne de Dieu sous la Croix de Sud, Desclée de Brouwer, Brügge – Paris 1929, S. 20.
(12) Roberto CANTALUPO, Basile euro-americano, Istituto per gli Studi di Politica Internazionale, Mailand 1941, S. 89.
(13) P. S. LEITE, S.J., Páginas de História do Brasil, a.a.O., S. 12 – 13. „Ohne andere Faktoren ausschließen zu wollen, kann man ohne weiteres folgende Behauptung aufstellen: Im 16. Jahrhundert deckt sich die Geschichte der Gesellschaft Jesu in Brasilien mit der Geschichte der Entwicklung des Landes selbst in seinen katechetischen, sittlichen, geistigen, erzieherischen und großenteils kolonialen Elementen. Der Beitrag anderer religiöser Faktoren ändert das Ergebnis nur unmerklich“ (S. 14).
(14) In der Verordnung vom 17. Dezember 1548, mit der der König von Portugal, Johannes III., seinem Gouverneur die Regeln vorschrieb, an die er sich in Brasilien halten sollte, steht geschrieben: „Der Hauptgrund, der mich veranlasst hat, dieses Land Brasilien besiedeln zu lassen, ist der, daß sich die Menschen, die dort leben, zu unserem katholischen Glauben bekehren“ (Regimento de Tomé de Souza, Nationalbibliothek Lissabon, Marinearchiv, Buch 1 der amtlichen Schreiben, 1597 – 1602). Vgl. auch P. Armando CARDOSO, S.J., O ano de 1549 na história do Brasil e da Companhia de Jesus, in Verbum, Nr. 6 (1949), S. 368-392.
(15) S. ZWEIG, a.a.O., S. 32. Vgl. Carlos SODRÉ LANNA, Gênese da Civilização Cristã no Brasil, in Catolicismo Nr. 519 (März 1994), S. 23 –24; Ders., A epopéia missionária na formação da Cristandade luso-brasileira, in Catolicismo Nr. 533 (Mai 1995), S. 22 – 23.
(16) Zitiert nach Antonio DE QUEIROZ FILHO, A vida heróica de José de Anchieta, Edições Loyola, São Paulo 1988, S. 43.
(17) P. Manuel da Nóbrega ist am 18. Oktober 1517 in Minho (Portugal) geboren und starb am 18. Oktober 1570 in Rio de Janeiro. Er hatte Kirchenrecht und Philosophie in Coimbra studiert, bevor er 1544 in die Gesellschaft Jesu eintrat und 1549 vom Heiligen Ignatius nach Brasilien entsandt wurde, wo er der erste Obere und Provinzial der Jesuitenmission werden sollte. Seine Missionsarbeit erstreckte sich über zwanzig Jahre bis zu seinem Tode.
(18) Der Selige José de Anchieta ist am 19. März 1534 in La Laguna (Kanarische Inseln) geboren und am 9. Juni 1597 in Reritiba (heute Anchieta) gestorben. Er trat 1551 in die Gesellschaft Jesu ein und fuhr zwei Jahre später mit einer Gruppe von Missionaren im Gefolge des portugiesischen Gouverneurs Duarte da Costa nach Brasilien. Als er 1566 zum Priester geweiht wurde, war er bereits an der Gründung der Stadt São Paulo (1554) beteiligt gewesen und sah auch Rio de Janeiro (1567) entstehen. 1578 wurde er Ordensprovinzial für Brasilien und entwickelte sein Apostolat so unermüdlich, daß ihm später der Titel „Apostel der Neuen Welt“ zuerkannt wurde. 1980 wurde er von Papst Johannes Paul II. selig gesprochen. Vgl. ALVARES DO AMARAL, O Padre José Anchieta e a fundação de São Paulo, Conselho Estadual de Cultura, São Paulo 1971.
(19) S. LEITE, S.J., História da Companhia de Jesus no Brasil, Livraria Portugália, Lissabon 1938, Bd. I.
(20) Neben den Jesuiten gingen auch die Benediktiner (1582), die Karmeliter (1584), die Kapuziner (1612) und andere Orden ihrem Apostolat nach. Nachdem die Jesuiten 1760 durch Pombal vertrieben worden waren, kehrten sie erst 1842 wieder nach Brasilien zurück. Über die 40 Märtyrer aus den Reihen der Jesuiten s. Mauricio GOMES DOS SANTOS, S.J., Beatos Inácio de Azevedo e 39 companheiros mártires, in Didaskalia Nr. 8 (1978), S. 89 – 155; S. 331 – 366 (Übersetzung der Studie der Geschichtlichen Abteilung der Heiligenkongregation).
(21) Berater der Patres Nóbrega und Anchieta war ein italinischer Adliger namens Guiseppe Adorno aus der Genueser Dogenfamilien, der Leben und Vermögen in den Dienst seines neuen Vaterlandes Portugal gestellt hatte, nachdem er aus seiner Heimatstadt vertrieben worden war. Neben Adorno kamen im 16. Jahrhundert auch die Acciaiuoli (Accioly), die Doria, die Fregoso und die Cavalcanti (Cavalcanti d’Albuquerque) nach Brasilien.
(22) C. SODRÉ LANNA, A expulsão dos franceses do Rio de Janeiro, in Catolicismo Nr. 509 (Mai 1993), S. 22–24.
(23) „Vom Panorama her gesehen, kann man Rio de Janeiro als eine Synthese Brasiliens betrachten. Hier schlägt weiterhin das Herz Brasiliens, obwohl die Hauptstadt nun offiziell nach Brasilia verlegt wurde. Man stößt hier auf eine geheimnisvolle Synthese des Landes, eine Einladung für eine Zukunft voller geheimnisträchtiger Versprechen“ (Plinio CORRÊA DE OLIVEIRA, Meditando sobre as grandezas do Brasil, in Catolicismo Nr. 454 (Oktober 1988).
(24) „Der hervorragende Kenner der brasilianischen Geschichte, João Ribeiro, bezeichnet mit energischer Genauigkeit die folgenden Punkte des Landes als Urzellen Brasiliens: Bahia, Pernambuco, São Paulo, Rio und Maranhão. Von den erwähnten fünf  Urzellen sind zwei (...) ausschließlich das Werk der Gesellschaft Jesu: São Paulo, das sie mit eigenen Händen geschaffen hat, und Rio de Janeiro, dessen Gründung sie gegen alles und gegen alle durchgesetzt hat. Die anderen drei – Bahia, Pernambuco, Maranhão – verdanken den Jesuiten ihre größte Ausdehnung.“ (L. G. CABRAL, S.J., Jesuítas no Brasil (século XVI), Companhia Melhoramentos de São Paulo, São Paulo 1925, S. 266).
(25) Homero BARRADAS, As capitanias hereditárias. Primeiro ensaio de um Brasil orgânico, in Catolicismo Nr. 131 (November 1961).
(26) Pedro CALMON, História do Brasil, Livraria José Olympio Editora, Rio de Janeiro 1959, Bd. I, S. 170.
(27) Vgl. Lúcio MENDES, Calvinistas holandeses invadem cristandade luso-americana, in Catolicismo Nr. 427 (Juli 1986), S. 2 – 3; Ders. Martírio e heroísmo na resistência ao herege invasor, in Catolicismo Nr. 429 (September 1986), S. 10–12; Diego LOPES SANTIAGO, História da Guerra de Pernambuco, Fundação do Patrimônio Histórico e Artístico de Pernambuco, Recife 1984. In diesem Zeitraum kämpften in Brasilien viele italienische, vor allem neapolitanische Offiziere (vgl. Gino DORIA, I soldati napoletani nelle guerre del Brasile contro gli olandesi (1625 – 1641), Riccardo Ricciardi Editore, Neapel 1932). Als 1624 die Ostindische Kompagnie Bahia besetzen ließ, schickte Philipp IV. eine Flotte, der auch ein neapolitanisches Kontingent unter der Führung von Carlo Andrea Caracciolo, Marquis von Torrecuso, angehörte. Ein weiterer neapolitanischer Führer war Gian Vincenzo Sanfelice, Graf von Bagnoli, der 1638 erfolgreich Bahia gegen die Invasion der holländischen Kalvinisten verteidigte, die in Südamerika einen protestantischen Staat gründen wollten. Zwischen Brasilien und dem Reich Neapel bestand stets ein fruchtbarer Austausch (vgl. z. B. Paolo SCARANO, Rapporti politici, economici e sociali tra il Regno delle Due Sicilie e il Brasile (1815 – 1860), Società Napoletana di Storia Patria, Neapel 1958).
(28) P. CALMON, Storia della Civiltà brasiliana, italien. Übersetzg. Industria Tipografica Italiana, Rio de Janeiro 1939, S. 52.
(29) Zuckerrohr, das ideale landwirtschaftliche Erzeugnis eines Landes, das am Anfang seiner Entwicklung steht, wurde seit Ende des 16. Jahrhunderts in Nord- und Südbrasilien angepflanzt. Das Hauptanbaugebiet war jedoch Pernambuco, dessen Hafenstadt Recife im 17. Jahrhundert zum größten Zuckerhandelsplatz der Welt wurde (P. CALMON, Storia della civiltà brasiliana, loc. cit., S. 85). Vgl. auch Plinio CORRÊA DE OLIVEIRA, No Brasil Colônia, no Brasil Império e no Brasil República: gênese, desenvolvimento e ocaso da Nobreza da terra, Anhang zur portugiesischen Ausgabe von Nobreza e elites tradicionais análogas nas alocuções de Pio XII ao Patriciado e à Nobreza Romana, Livraria Civilização Editora, Porto 1993, S. 159–201.
(30) Gilberto FREYRE, Casa Grande e Senzala, Editora José Olympio, São Paulo 1946 (5. Aufl.), Bd. I, S. 24.
(31) Die Eroberung der Ländereien ist vor allem kriegerischer Natur. „Jedes gerodete Stück Land, jeder ‚bevölkerte‘ Landstrich, jeder bebaute Raum, jede ‚fabrizierte‘ Zuckermühle setzt eine schwierige militärische Unternehmung voraus. Von Norden nach Süden werden landwirtschaftliche Gründungen und Viehzucht mit dem Schwert in der Hand durchgeführt“ (Francisco José de OLIVEIRA VIANA, O povo Brasileiro e sua Evolução, Ministério da Agricultura, Indústria e Comércio, Rio de Janeiro 1922, S. 19).
(32) Vgl. zum Thema Bandeirantes die imposante História Geral das Bandeiras Paulistas (São Paulo 1924 – 1950, 11 Bände) von Affonso DE TAUNAY, zusammengefasst in História das Bandeiras Paulistas, Edições Melhoramentos, São Paulo 1951, 2 Bde.; vgl. auch J. CORTESÃO, Raposo Tavares e a formação territorial do Brasil, Ministério da Educação e Cultura, Rio de Janeiro 1958; Ricardo ROMÁN BLANCO, Las Bandeiras, Universidade de Brasília, Brasília 1966.
(33) Dom Pedro II. (1825–1891) heiratete 1843 die Prinzessin Teresa Cristina, Schwester Ferdinando II., des Königs beider Sizilien. Seine älteste Tochter, Isabel (1846–1921) heiratete den Prinzen Gastão de Orléans, Graf d’Eu, dem sie drei Söhne schenkte: Pedro de Alcântara, Luís und Antônio. Da der Erstgeborene 1908 auf die Nachfolgerechte für sich und seine Nachkommen verzichtet hatte, ging das Thronfolgerecht auf dessen Bruder Dom Luís de Orléans und Bragança (1878–1920) über, der mit der Prinzessin Maria Pia de Bourbon-Sicilia verheiratet war (vg. Armando Alexandre DOS SANTOS, A Legitimidade Monárquica no Brasil, Artpress, São Paulo 1988). Zu Dom Pedro II. vgl. Heitor LYRA, História de dom Pedro II.: 1825–1891, Editora Nacional, São Paulo 1940. „Dom Pedro war ein großmütiger, gütiger und gerechter Herrscher, ein Vorbild der Vaterlandsliebe und Kultur, des Eifers und der Rechtschaffenheit, der Duldsamkeit und Einfachheit. Er war weise und menschenfreundlich. Als Mitglied des Institut de France und der wichtigsten wissenschaftlichen und literarischen Gesellschaften des Auslandes war er ein Förderer der Künste, der Wissenschaften und der Literatur. Er unterstützte mit materieller Hilfe viele berühmte Brasilianer; der große Mäzen verschloss ihnen nie den Beutel“ (S. RANGEL DE CASTRO, Quelques Aspects de la civilisation brésilienne, Les Presses Universitaires de France, Paris o. J., S. 29f). Vgl. auch Leopoldo B. XAVIER, Dom Pedro e a gratidão nacional, in Catolicismo Nr. 491 (Dezember 1991).
(34) Ein erstes Gesetz, das den Beinamen „Gesetz des freien Leibes“ erhielt, gewährte 1871 den von einer Sklavin geborenen Kindern im Alter von 21 Jahren die Freiheit. 1885 wurde dann das „Sechzigjährigen-Gesetz“ erlassen, das alle mehr als 65-jährigen Sklaven in die Freiheit entließ. Am 13. Mai 1888 sanktionierte die Gräfin d’Eu und kaiserliche Regentin, Prinzessin Isabel, unter dem konservativen Ministerium João Alfredo Corrêa de Oliveiras während der Abwesenheit ihres Vaters, de sich auf einer Europa-Reise befand, das Gesetz, mit dem die Sklaverei dann endgültig abgeschafft wurde. Auf die damalige Bevölkerung Brasiliens von 14 Millionen Mesnchen kamen 700.000 Sklaven; tatsächlich war die Einrichtung der Sklaverei bereits spontan am Erlöschen. Zur Abschaffung der Sklaverei vgl. PLINIO CORRÊA DE OLIVEIRA, A margem do 13 de maio, in Legionário Nr. 296 (15. Mai 1938). Vgl. auch Robert CONRAD, Os últimos anos da escravatura no Brasil, 1850–1888, Civilização Brasileira, Rio de Janeiro 1978 (2. Aufl.); Emilia VIOTTI DA COSTA, A abolição, Global, São Paulo 1982.
(35) Zitiert bei S. RANGEL DE CASTRO, Quelques aspects de la civilisation brésilienne, a.a.O., S. 29.
(36) Guglielmo Ferrero berichtet, daß er in Rio de Janeiro, in der Benjamin Constant-Straße, den „Menscheitstempel“ besucht und sich dort angenehm mit dem Hohen Priester, Herrn Teixeira Mendes, unterhalten habe (G. FERRERO, Fra i due mondi“, Fratelli Treves Editori, Mailand 1913, S. 187).
(37) G. FREYRE, Order and Progress. A Political History of Brazil, Westview Press, Boulder (Colorado) 1991.
(38) An der Spitze des Staates folgten aufeinander Prudente de Moraes (1894–1898), Campos Sales (1898–1902), Rodrigues Alves (1902–1906), Afonso Pena (1906–1909), Nilo Peçanha (1909–1910), Hermes da Fonseca (1910–1914), die brasilianische Außenpolitik aber verblieb während dieser ganzen Periode in den Händen des Barons von Rio Branco (1845–1912) .
(39) „Es waren die ‚goldenen Jahre‘ der Ersten Republik, wenn wir diesem Zeitabschnitt eine Bezeichnung geben wollen, wie sie bei den alten Historikern üblich war ...“ (Plinio DOYLE, Brasil 1900-1910, Biblioteca Nacional, Rio de Janeiro 1980, Bd. I, S. 14). Zu Anfang des Jahrhunderts lebten in Brasilien 17.318.556 Einwohner, 60% davon auf dem Land.

Donnerstag, 22. November 2018

Herz Mariä, unsere Hoffnung!



„Herz Mariä, meine Hoffnung!“ Das war die Losung des berühmten polnischen Königs Johann Sobieski, der in den schwierigen Lagen seines Lebens und seiner Herrschaft aus dem Unbefleckten Herzen Mariens Trost und Mut schöpfen wollte. Mit diesem Kriegsruf „Cor Mariae, spes mea“, der in seiner Seele vibrierte und sein Herz berauschte, warf er sich 1683 gegen die Türken und befreite heldenmütig kurz darauf die Stadt Wien von der muslimischen Belagerung.
„Herz Mariä, unsere Hoffnung!“ ist der Ruf des Krieges, mit dem wir von allen Enden der Erde alle bereitwilligen Seelen zu einem unbesiegbaren Kreuzzug unter der Schirmherrschaft der Himmelskönigin herbeirufen müssen, um zur schweren Aufgabe aufzubrechen, die die arme Menschheit endlich von den schrecklichen eisernen Zwängen zu befreien, mit der Perversität und der Wahnsinn versuchen, sie zu vernichten. Durch das Herz Mariens werden wir das Herz Jesu zum Triumph führen!
Vor vierzig Jahren wies Leo XIII. auf das Heiligste Herz Jesu als das große Zeichen am Firmament, das uns den Sieg versprach: „In hoc signo vinces!“ (in diesem Zeichen wirst du siegen). Und er befahl uns, uns mit diesem Herzen zu wappnen, wie einst die Soldaten Konstantins, mit dem Zeichen des Kreuzes. Und viele Christen folgten seinem Ruf und die Welt wurde offiziell vom Papst dem Heiligen Herzen des Erlösers geweiht.
Aus diesem Grund konnte Pius XII. in seiner Antrittsenzyklika schreiben: „Aus der Verbreitung und Vertiefung der Andacht zum Göttlichen Herzen des Erlösers, die in der Weihe des Menschengeschlechtes an der Jahrhundertwende und weiterhin in der Einführung des Christkönigfestes durch Unsern unmittelbaren Amtsvorgänger ihre erhebende Krönung fand, ist unsagbarer Segen erflossen für ungezählte Seelen - ein starker Lebensstrom, der die Stadt Gottes mit Freude erfüllt: fluminis impetus laetificat civitatem Dei (Psalm 45,5)“.
Aber wir müssen erkennen, dass die Triumphe des Herzens Jesu in unserer Zeit noch nicht vollständig den freudigen Hoffnungen Leos XIII. entsprechen, die er hegte, als er Ihm die Welt weihte. „Welche Zeit, sagt Pius XII., bedürfte dieses Segens dringender als die gegenwärtige? Welche Zeit leidet inmitten alles technischen und rein zivilisatorischen Fortschrittes so sehr an seelischer Leere, an abgrundtiefer innerer Armut? ... Kann es Größeres, Dringenderes geben, als solcher Zeit den unergründlichen Reichtum Christi zu verkündigen?“(Eph 3,8) Kann es Edleres geben, als das Königsbanner Christi – Vexilla regis – vor denen zu entfalten, die so vielen trügerischen Fahnen gefolgt sind und noch folgen, um der siegreichen Standarte des Kreuzes die Gefolgschaft auch der Abtrünnigen wiederzugewinnen?
Wenn es jetzt dringend notwendig ist, diese unermesslichen Reichtümer Christi den Menschen zu verkünden, ist Maria der schnellste und verpflichtendste Weg – per Mariam ad Jesum – dieses zu tun. So war es seit Beginn der Kirche immer. Durch Maria kommt Jesus zu uns.
Und der christliche Impuls – der endlich unter dem Wirken des Heiligen Geistes aus den Seelen hervorbricht, wie Leo XIII. in einer seiner Enzykliken über den Rosenkranz bemerkte – der christliche Impuls geht noch weiter und bekräftigt immer deutlicher und heftiger, besonders seit einem Jahrhundert, dass durch das Herz Mariens das Herz Jesu zu uns kommen wird. Durch die Herrschaft des Herzens der Mutter wird das Reich des Herzens des Sohnes kommen.
Damit Er regiere, muss man Ihn lieben - es ist sein Triumph in den Herzen und im Willen. Um Ihn zu lieben ist es dringend, Ihn zunächst zu kennen - es ist seine Herrschaft in den Intelligenzen.
Mögen diese Zeilen dazu beitragen, um den Seelen dieses Licht und diese Wärme zu bringen.
Viel haben wir bereits im „Boten Mariens“ geschrieben und einiges haben unsere Leser auch über die Gottesmutter hier gelesen.
Doch haben wir uns vielleicht niemals in den richtigen Blickpunkt und in das wahre Licht gestellt, in dem uns die ganze Vorzüglichkeit, Kraft und Güte Marias offenbart wird.
„Omnis gloria eius Filiae Regis ab intus“ (Psalm 44,15): Alle Herrlichkeit der Tochter des Königs ist inwendig. So wie Christus nicht bekannt ist, bis sein Herz bekannt ist - das Herz Jesu ist der beste Standpunkt des Erlösers, es ist der Schlüssel zum Rätsel all seiner Erbarmungen, dem unerschöpflichen Abgrund all seiner Erfindungen der Liebe. ... So wird auch die Allerseligste Maria nur bekannt und geliebt werden und vollkommen in den Seelen herrschen, wenn ihr Unbeflecktes Herz bekannt ist. Es ist auch die beste Aussicht auf Maria. Im Licht ihres Herzens erstrahlt ihre unerschütterliche Jungfräulichkeit, ihre unvergleichliche Würde als Mutter Gottes, als Braut des Heiligen Geistes und als geliebteste Tochter des Allerhöchsten, ihre zärtlichste Sorge als Mutter der Menschen und Königin des Himmels und der Erde.
Ihr Herz ist der geheimnisvolle Magnet, der die Herzen erobert, was den hl. Bernhard dazu veranlasste, sie als die Eroberin der Herzen zu nennen: Raptrix cordium. Aber wenn es durch das Herz ist, dass sie uns erobert, ist es auch die Waffe, mit der wir sie erobern: sie im Herzen zu berühren heißt, sie zu überwinden. Und - tiefes Geheimnis! – es ist kein anderes Zepter, mit dem Maria gemeinsam mit dem Allerhöchsten regiert. Dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist das Herz der Tochter, Braut und Mutter zu zeigen, bedeutet Gott zu erobern; bedeutet, die ganze Heilige Dreifaltigkeit zu ihren Gunsten zu neigen.
Daraus folgt, dass alles, was von der Heiligsten Jungfrau Maria in ihrer Sendung und Barmherzigkeit gegenüber jeden Einzelnen, der Menschheit und insbesondere der Kirche, behauptet wird, mit einem stärkeren Grund von ihrem Unbefleckten Herzen behauptet werden muss.
Daher kennt Maria nicht, wer ihr Herz nicht kennt; wer aber dieses Herz kennt, kennt Maria am besten.
Es liebt Maria nicht, wer ihr Herz nicht liebt; doch das Herz Mariens lieben, heißt es so zu lieben, wie sie sich wünscht geliebt zu werden. In ihrem Herzen, befindet sich der Grund für all ihre Güte zu den Menschen; es ist diese Kraft, die uns anzieht, wenn wir zu ihr kommen und der Balsam, der uns tröstet, wenn wir sie bitten, in der Gewissheit, dass uns geholfen wird.

Weil in der Brust Mariens ein Herz schlug, das so ähnliches wie sein Herz war, gab dieses Herz Jesu in der Stunde des Todes auf Golgatha sie uns zur Mutter: ecce mater tua und es gab uns ihr als Kinder: ecce filius tuus.

Wenn vom hl. Paulus gesagt wurde, dass sein Herz ähnlich dem Herzen Jesu war: „cor Pauli, Cor Christi“, viel mehr und besser als irgendjemand anderer hat Maria das Recht auf diese höchste Anerkennung: „Cor Mariae, Cor Jesu“.
Weil in ihrer Brust auch im Himmel noch dasselbe süße und liebevolle Herz schlägt, empfiehlt uns die Heilige Kirche, in unseren schmerzvollen Stunden Maria zu Hilfe zu flehen, mit der Sicherheit, von ihr immer sofortige Hilfe erhalten werden.
„Wer die Annalen der katholischen Kirche genau betrachtet“, schrieb der verstorbene Papst Pius XI., „wird leicht sehen, dass alle christlichen Chroniken mit dem wertvollen Schutz der Jungfrau Maria verbunden sind. Und in der Tat, wenn die überall tobenden Irrtümer den nahtlosen Rock der Kirche zu zerreißen und die katholische Welt zu untergraben versuchten, flehten unsere Väter mit vertrauensvollen Herzen die an, die „alleine alle Irrlehren der ganzen Welt vernichtete“ (aus dem römischen Brevier), und der von ihr erhaltene Sieg brachte ihnen glücklichere Zeiten“.
Als muslimische Ruchlosigkeit, die auf ihre mächtigen Flotten und großen Armeen vertrauten, die Völker Europas zu erobern und zu versklaven drohte, wurde auf dringlicher Bitte des Papstes der Schutz der himmlischen Gottesmutter erfleht; daraufhin wurden der Feind zerstört und seine Schiffe versenkt (AdR: Verweis auf die Schlacht von Lepanto im Oktober 1571).
Und ebenso in allgemeinen Katastrophen wie auch in persönlichen Nöten haben die Gläubigen aller Zeiten Maria angefleht, damit sie wohlwollend zu ihrer Hilfe komme und ihnen Trost und Heilmittel für die Übel von Körper und Seele verschaffe. Und nie warteten diejenigen, die vertrauensvoll sie in frommen Gebet anflehten, vergeblich auf ihre mächtige Hilfe.
Mit größerem Grund also sind in den schwierigen Zeiten, in denen wir heute leben, alle unsere Hoffnungen auf Erlösung, Triumphe und Frieden in dieser Arche der Erlösung gelegt: im Herzen Mariens.
„Mir, dem geringsten unter allen Heiligen, wurde diese Gnade verliehen, unter den Heiden die unerforschlichen Reichtümer Christi zu verkünden“, sagte der hl. Paulus.
Einer der unergründlichsten Reichtümer, die Christus uns hinterlassen hat, ist das Herz seiner Mutter. Wäre uns doch ein ähnliches Charisma gewährt wie dem Apostel, um unseren Lesern all die Tiefe, Länge und Breite, alle kostbaren Abgründe der Liebe, die im Herzen Mariens eingeschlossen sind, zu verkünden!
Ein gelehrter und frommer Autor sagte, als er über das Herz der Muttergottes schrieb, dass er für sich erstrebe, wie einst der hl. Johannes Evangelist beim Letzten Abendmahl sich an der Brust des Herrn lehnte, auch an der Brust Mariens ruhen zu können, um nachdem er ihr Herzklopfen gehörte hätte, leichter über diese Geheimnisse der Liebe sprechen zu können.
Unsere Bestrebungen gehen in diesem Moment noch weiter: Wir möchten nicht nur unser Haupt an das Unbefleckte Herz unserer himmlischen Mutter lehnen, sondern auch in der Lage sein, unsere Wohnung im Innern dieses Herzens einzurichten, so dass wir in diesem Licht erleuchtet, in dieser Reinheit gereinigt und in den Flammen dieser Liebe entzündet werden, damit alles, was wir sagen, Worte des Lichts und des Feuers sei, die aus der Fülle dieses unbeschreiblichen Herzens entspringen.
Möge sie uns zu dieser verborgenen Liebe willkommen heißen, uns so zu sagen in ihr verschwinden lassen, so dass es schließlich Maria selbst ist, die durch das schwache Instrument, das sich ihr ganz geweiht hat, von den Wundern ihres Herzens erzählt.

Mögen unsere Leser auch dort ihre Wohnung aufschlagen, um in dieser Schule und unter diesem Licht das Meisterwerk des Herrn besser zu verstehen.

Freie Übersetzung aus “Legionário”, vom 28. März 1943, Nr. 555, S. 2

Samstag, 13. Oktober 2018

Das Sonnenwunder von Fatima




Ich werde mit den Kommentaren über das Sonnenwunder in Fatima am 13. Oktober 1917 fortfahren.
Wir waren an dem Punkt angekommen, an dem die Muttergottes das Gespräch mit Lucia beendet hatte.
«Sie sagte: „Ich habe nichts mehr zu sagen.“ Lucia entgegnete: „Ich habe auch nichts mehr zu sagen.“ Dann erschienen der hl. Josef, das Jesuskind und die Muttergottes. Diese erhob alsdann ihre Hände in Richtung Sonne. Von ihren heiligen Händen ging ein Licht aus, das strahlender als die Sonne war.«
Das bestätigt wieder, wie Lucia die Muttergottes beschrieb: „Sie war eine Dame, strahlender als die Sonne“.
«Dieses Licht hatte einen dermaßen strahlenden Glanz, dass es selbst das Licht Sonne verblasste. Durch dieses Lichte, das von ihren Händen ausging, berührte die Sonne und es war der spürbare Ausdruck eines Einflusses, einer Macht, die die Muttergottes auf die Sonne ausübte, um zu zeigen, dass das vorhergesagte Wunder von ihr ausging.»
Die Muttergottes hatte schon vorher gesagt, sie werde ein Beweis geben, der die Erscheinung bestätige würde. Dieses Wunder werden wir jetzt untersuchen. Vor den Augen der Seherkinder entfalteten sich drei aufeinanderfolgende vorgesagte Bilder.
«Während diese Szenen sich vor den Augen der Seher abwickelten, sah eine Menschenmenge von 50 bis 70 Tausend das Sonnenwunder.»
Eine wirklich große Zahl von Anwesenden.
«Während der ganzen Zeit der Erscheinung hatte es ununterbrochen geregnet. Als das Gespräch zwischen Lucia und der Muttergottes endete, als die Jungfrau sich gen Himmel erhob und Lucia der Menge zurief: „Schaut zur Sonne“, schoben sich die Wolken zur Seite und gaben den Blick zur Sonne frei, die wie eine große silberne Scheibe am Himmel stand.»
Es ist interessant zu bemerken, dass es während der ganzen Erscheinung geregnet hatte, denn wir werden gleich etwas Schönes sehen, das sich auf diesen Regen bezieht. Alle Ereignisse waren vorhergesehen und vorsätzlich geschehen.
«Diese Scheibe glänzte mit einer nie gesehenen Stärke, blendete aber nicht.»
All dies hat eine sehr schöne symbolische Bedeutung. Ein Glanz, der stärker war als der der Sonne; nie hatte die Sonne so stark gestrahlt. Es war aber ein Licht, das nicht blendete. Weil alles, was von Gott kommt, alles, was von der Jungfrau berührt wird, sei es auch noch so stark, hat etwas Wohltätiges in sich, was jegliche Gefahr für den Menschen ausschließt. Im Gegenteil, der Mensch empfindet es als eine Wonne, ohne jegliche Belästigung. Hier merken wir schon die übernatürliche Eigenschaft des ganzen Geschehens; wie von Gott berührt. So glänzend ist das Licht, und doch, gegen die Regeln und Gesetze der Physik, der Physiologie, blendet es nicht.
«Das dauerte nur einen Augenblick. Die immense Scheibe fing an zu „tanzen“ ...»
Das „tanzen“ steht in Anführungszeichen und ist entnommen aus den Berichten der Kinder und von Personen, die es gesehen hatten.
«... wie ein riesiger Feuerball drehte sich die Sonne in hoher Geschwindigkeit.»
So etwas ist ungewöhnlich, dass sich die Sonne in hoher Geschwindigkeit dreht.
«Für eine kurze Weile stand sie still, um sofort wieder anfangen zu kreisen.»
Das war genau, um zu beweisen, dass sie unter der Herrschaft eines Willens war, der sie zum Kreisen brachte und wieder zum Stillstand, ein Wille, der nach Gutdünken über die Sonne verfügte.
«Für eine kurze Weile stand sie still, um sich hernach schwindelerregend um sich selbst zu drehen. Dann färbte sich ihr Rand scharlachrot, und sie glitt am Himmel wie ein Strudel, der rote Feuerzungen verbreitete.»
Hier setzt sich der Anfang einer Bedrohung an. Die Scheibe wir rötlich und verbreitet Feuerzungen am Himmel. Ein Ereignis, das natürlich die Menschen in Angst und Schrecken versetzte. Und weiter:
«Dieses Licht spiegelte sich auf dem Boden, in den Bäumen, im Gebüsch, ja selbst auf den Gesichtern der Menschen und auf ihren Kleidern in glänzenden Tönen und verschiedenen Farben wieder.»
Was aber wahrscheinlich den Eindruck eines großen Brandes verbreitete.
«Nach dreimaliger Ausführung dieser verrückt anmutenden Bewegungen, schien die Kugel zu erzittern, sich zu schütteln, um dann im Zickzackkurs auch die schreckerfüllte Menge herabzustürzen.»
Wir vernehmen hier eine deutliche Androhung, die Androhung des Tages der Züchtigung; die Androhung einer Katastrophe; die Androhung einer vollständigen Umwälzung des Systems, in dem wir uns befinden, ausgehend von einer aus den Fugen geratenen Sonne. Sie fing an Feuer nach allen Seiten zu sprühen, und, die sie ja das Gravitationszentrum des ganzen himmlischen Systems ist, fing an wie verrückt zu tanzen. Dann droht sie auf die Menschenmenge zu stürzen. Es ist Androhung eines Kataklysmus, einer Panik, eines Schreckenzustandes, einer herabstürzenden Gefahr, was die Menschenmenge dazu führte in alle Richtungen zu flüchten.
Diese Angst und Schrecken, die die Muttergottes den dortigen Menschen durch das Sonnenwunder zufügen wollte, bezieht sich eindeutig auf das, was sie über die Strafe sagte, die über die Welt kommen würde. Es wird klar, dass es, unter anderen, auch Strafen sein werden, die die ganze Welt einbeziehen, eine Störung der natürlichen Elemente, um die die Menschen zu bestrafen. Fatima bringt somit ein gutes Fundament für eine Vorstellung, eine Theorie der Züchtigung Gottes.
Lucia fährt fort: «Dies alle dauerte etwa zehn Minuten. Schließlich kehrte die Sonne in Zickzacklinie zu ihrem Ausgangspunkt zurück und schien wieder ruhig und strahlend im gleichen Glanz wie alle Tage sonst. Der Zyklus der Erscheinungen war nun abgeschlossen.»
Dieser Zyklus wurde also beendet mit einer Drohung. Unsere Liebe Frau erklärte: Hier ist es, weihet euch, bekehrt euch. Wenn nicht, hier habt ihr die Folge gesehen. Es ist eindeutig. Mit einer Androhung hat sie alles beendet. Der Schlusspunkt war eine Warnung. Für diejenigen, die uns als Pessimisten schelten, die sagen, wir sähen überall nur Gefahren und Katastrophen, die nicht an eine Züchtigung Gottes glauben, ist die Antwort sehr einfach.
Sollte das alle nur ein Mythos sein, was bedeutet dann diese ganze Symbolik der Ereignisse von Fatima? Man kann sie nicht leugnen.
«Viele Leute stellte erstaunt fest, dass ihre vom Regen durchnässten Kleider plötzlich getrocknet waren.»
Ein weiteres Zeichen der Macht der Muttergottes.
«Das Sonnenwunder wurde auch von unzähligen Zeugen beobachtet, die sich nicht am Erscheinungsort selbst, ja sogar bis zu 40 Kilometer von diesem entfernt befanden.»
Es konnte sich also nicht um Telepathie oder Suggestion handeln. Denn wenn es auf so weiter Entfernung gesehen und miterlebt wurde, schließt sich jede Einbildung aus.
Mit diesem Wunder ist die Reihe der Erscheinungen zu Ende gegangen. Sie enden einerseits mit einem Ziel, mit dem Versprechen:
„Wenn ihr die Weihe vollzieht, werdet ihr die Bekehrung Russland und der Welt erreichen. Wenn nicht, wird Russland seine Irrtümer überall verbreiten und ihr werdet Strafen von universeller Ordnung haben.“
Nehmen wir in Betracht, was Pater Aparício, ein Jesuit, ein sehr fähiger Mann — er war jahrelang geistlicher Leiter von Sr. Lucia —, mir gesagt hat, als ich ihn in Pernambuco traf, dass die von Pius XII. vollzogene Weihe nicht den notwendigen Bedingungen entsprach, um das Versprechen der Muttergottes zu erfüllen, und wir verstehen alles, was sich danach noch ereignete.
Wir können an all die anderen Strafen denken, die uns bedrohen. Sie bilden ein einziges Ganzes. Fünfzig Jahre später erhält die Botschaft von Fatima ihre Bestätigung.
Ich habe bei einem anderen Treffen gezeigt, wie die Nachrichten der letzten Woche auf ein heftiges Wettrüsten zwischen den Vereinigten Staaten und Russland hinweisen, und sie erwähnen den Einzug einer mächtigen russischen Flotte in das Mittelmeer, teils durch die Dardanellen und den Bosporus und teils durch die Straße von Gibraltar. Diese Flotte sei in der Lage, zumindest teilweise mit der sechsten nordamerikanischen Flotte zu kontrastieren und stellt daher eine Gefahr für die europäischen Länder der Mittelmeerküste dar. Wir sehen, die Möglichkeit eines Krieges leider am Horizont aufsteigen, und wie die von der Muttergottes angekündigte Strafe sich nähert.
Was sollen wir tun? Wir müssen uns an das Gleichnis von den klugen und den törichten Jungfrauen erinnern, denn wir müssen versuchen, wie die klugen Jungfrauen zu sein, das heißt, wie die Seele, die bereit ist für den Moment der großen Prüfung. Und wie bereitet man sich für den Moment der großen Prüfung?
Ich war erstaunt, als ich einmal Szenen des Bombenangriffs auf Berlin im Kino sah und dann später auch Fotos der Berliner Bevölkerung während der Bombardierung zu sehen bekam. Das war eine „Bagarre“(*). Die Stadt Berlin war gebrochen. Trotzdem, es gingen Leute durch die Straßen, Leute standen auf dem Bürgersteig, unterhielten sich, nahmen den Alltag wie gewohnt und lachten, waren sich einfach der Lage nicht bewusst, dass sie bald getötet werden konnten, entweder durch Russen oder Amerikanern und Engländern, zerschmettert unter dem Kanonenfeuer, an Hunger gestorben, oder aus irgend einem anderen Grund – sie lebten den Alltag wie immer, ohne die Traurigkeit und die Tragik der Situation begreifen zu wollen, in der sie waren.

Ich habe den Eindruck, dass viele Menschen während der „Bagarre“ so sterben werden. Selbst wenn die Sonne auf sie zu fallen droht, werden sie nicht wegrennen; werden weiterhin über Geschäfte reden, über rein praktische Angelegenheiten und so in die Hölle gerissen werden.
Wir sollten nicht so sein wie diese, wir sollten nicht so sein wie diejenigen, die keinen Glauben haben. Von jetzt an müssen wir in dieser Überzeugung, in dieser Erwartung leben, in der Erwartung auf diesen Besuch Gottes, der die „Bagarre“ sein wird; dieser Vernichtung, die eines der majestätischsten und tragischsten Ereignisse in der Geschichte der Welt sein wird, damit durch diese Überzeugung unsere Seele sich geistlich vorbereitet, sich von so vielen Dingen loslöst, die sie an der heutigen Welt haftet und die aber versteht, dass sie in der heutigen Welt leben muss als eine Welt, die bereits mit dem Zeichen des Todes gezeichnet wurde und die zerstört wird. Die Welt hat keine Substanz mehr, sie kommt nicht vorwärts, ihre Tage sind gezählt.
Das sollten wir der Muttergottes im Geiste von Fatima bitten. Daher unsere Zerknirschung, daher unsere Loslösung (von den Dingen der Welt), daher unsere Reue.

(*) Französisch für Krawall, hartes Ringen, Kampf, Streit, Schlägerei. Der Autor verwendete diesen Ausdruck, um die Situation zu veranschaulichen, wie man sie sich während der bevorstehenden Züchtigung Gottes, wie in Fatima vorausgesagt, vorstellen könnte: ein dramatischer Zustand der sich auf die Menschen niederschlägt, verursacht durch Krieg, Chaos und Eintritt von Naturkatastrophen.

Plinio Correa de Oliveira, Vortrag „Heiliger des Tages“ am 17. Oktober 1967.

Freie Übersetzung aus dem Portugiesischen. Der Originaltext ist die Abschrift einer Aufzeichnung, wurde vom Urheber nicht revidiert.