Die Muttergottes spricht über das Heiligste Herz Jesu
Ich möchte hier die Worte der Muttergottes an die hl.
Brigitta über das Heiligste Herz Jesu kommentieren.
„Das Herz meines Sohnes ist überaus lieblich wie Honig
und gar rein wie die allerreinste Quelle, aus welcher alles, was tugendhaft und
gut ist, hervorgeht. Er ist auch der Süßeste. Denn was ist für einen
vernünftigen Menschen süßer, als die Liebe meines Sohnes bei der Schöpfung und
Erlösung, bei seinen Arbeiten, Lehren, in seiner Freundlichkeit und in seiner
Geduld zu betrachten? Seine Liebe ist nicht vorüberfließend wie das Wasser,
sondern anhaltend dauerhaft, weil seine Liebe bis auf den letzten Augenblick
bei den Menschen bleibt, so dass, wenn der Sünder schon an der Pforte des
Verderbens stünde, aber noch von dort, mit dem Willen, sich zu bessern, zu ihm
riefe, er demselben entrissen werden würde. Zum Herzen Gottes zu gelangen, sind
ferner zwei Wege. Der erste ist die Demut einer wahren Reue, und diese führt
den Menschen in das Herz Gottes und in die geistliche Unterredung ein; der
zweite Weg ist die Betrachtung des Leidens meines Sohnes, welche die Härte aus
dem Herzen des Menschen hinwegzieht, und ihn fröhlich zum Herzen Gottes den
Lauf nehmen lässt.“
Diese Botschaft enthält etliche Lehren.
Die erste, die ich hervorheben möchte ist diese: Das
Heiligste Herz Jesu enthält alles was tugendhaft und gut ist im Universum; es
enthält es nicht nur sondern es entspringt aus ihm, als seine Quelle.
Was bedeutet diese Behauptung? Sie ist so poetisch, dass
man zunächst meint, sie hätte keinen definierbaren Sinn. Wir sind nämlich an
soviel leere Poesie gewohnt, dass wir davon ausgehen, dass alles was poetisch
ist, keinen Sinn hat.
Doch es ist hier drinnen ein sehr tiefer Sinn, und der
ist folgender: Wir sollen Unseren Herrn Jesus Christus als Gott-Mensch
betrachten; in Ihm den Menschen und Gott unterscheiden. Wenn wir Ihn als Gott
wahrnehmen, ist es klar, dass die vorhandenen Schönheiten und die
Herrlichkeiten des Universums von Ihm ausgegangen sind, denn Er ist der
Schöpfer und alles wurde nach Seinem Bild und Ähnlichkeit, zu Seinem Ruhm
erschaffen. So ist alles Gute und Lobenswerte in der Schöpfung unter allen
Umständen ein Abbild Gottes, es ist Gott ähnlich.
Wenn wir Unseren Herrn Jesus Christus als Mensch
betrachten, wird das Verständnis dieser beschriebenen Tatsache etwas
schwieriger, so dass es angebracht ist, es ein wenig ausführlicher zu erklären.
Jesus als Mensch ist wahrhaftig Mensch. Er hat einen
menschlichen Körper und eine menschliche Seele. Zugleich ist Er intim verbunden
mit der zweiten Person der göttlichen Dreifaltigkeit. Das bedeutet, es gibt in
Jesus nur eine Person mit zwei Naturen.
In seiner menschlichen Natur ist Jesus der königliche
Herrscher der Schöpfung in dem Sinn, da Er Mensch ist, ist er der vollkommenste
Mensch, den es je gegeben hat und geben wird, und das nicht nur im moralischen
Sinn, sondern auch als menschlicher Typus, Er ist das Urbild des Menschen.
Dem menschlichen Geschlecht ist es nicht gegeben, eine
Person hervorzubringen, die Unserem Herrn gleichen könnte. Er ist der Gipfel
des Menschengeschlechts in seinem Verstand, da Er alle möglichen Formen und
Stufen des Verstandes besitzt, die der Geist des Menschen besitzen kann. Er
Besitzt die vortrefflichsten Eigenschaften, die der menschliche Wille in der
Lage ist zu besitzen. Er besitzt alle möglichen Formen und Arten des
menschlichen Gefühles. Sei ehrwürdiger Körper besitzt alle
Wahrnehmungsfähigkeiten, mit denen ein menschlicher Körper ausgestattet werden
kann. Sein Antlitz hat alle Vollkommenheiten, die ein menschliches Antlitz nur
haben kann. Sein Blick hat alle Schönheiten, die ein menschlicher Blick nur
haben kann. Er ist wahrhaftig der Gipfel der sichtbaren Schöpfung, weil der
Mensch der Höhepunkt der Schöpfung ist und Er als vollendeter Mensch über der
Menschheit steht. Da Er der wahrhaftige Monarch der Menschheit ist, ist Er der
wahre Monarch der Schöpfung. Die ganze Schöpfung spiegelt die
Vortrefflichkeiten des Menschen wider, aber vor allem des Menschen schlechthin,
Jesus Christus in seiner Menschlichkeit.
Ein Beispiel zum besseren Verständnis: Wir sagen, zum
Beispiel, eine Person hat einen Verstand, der dem Flug eines Adlers gleicht. In
Wahrheit ist es aber umgekehrt: Der Flug des Adlers gleicht den Bewegungen des
Verstands des Menschen. Das ist kein Wortspiel. Denn wenn eine Ähnlichkeit
zwischen etwas Größerem und etwas Kleinerem besteht, ist der Kleinere in der
Tat dem Größeren ähnlich und nicht der Größere dem Kleineren.
Nehmen wir, zum Beispiel, die Königin von England und
eine Schneiderin, die der Königin sehr ähnlich sieht. Wir werden niemals sagen,
die Königin und die Schneiderin sind sich sehr ähnlich, aber schon, die
Schneiderin sieht der Königin ähnlich. Das Kleine sieht dem Großen ähnlich und
nicht umgekehrt.
Wenn also die ganze Schöpfung Ähnlichkeiten mit den guten
Eigenschaften des Menschen aufweist oder auch mit seinen Fehlern – denn auch
das hat Gott so eingerichtet –, so ist es auch wahr, dass alles Schöne der
Schöpfung Unserem Herrn Jesus Christus ähnlich ist. In Seiner Menschlichkeit
konzentrieren sich in einem unvorstellbaren hohen Grad alle Schönheiten der
Schöpfung.
Im obigen angeführten Text wird gesagt, dass alles, was
tugendhaft und gut ist, aus Ihm hervorgeht. Doch Christus wurde als Mensch
geschaffen, als diese Tugenden und Schönheiten schon existierten. Wie können
sie also aus Ihm hervorgehen?
Dies hat einen genauen Sinn: Alle minderen Dinge wurden
erschaffen, um die Höheren hervorzuheben. Das Höhere ist die Endursache des
Niederen. So sagt man, dass die Pflanzen zum Nutzen der Tiere erschaffen wurden
und nicht die Tiere zum Nutzen der Pflanzen. Das Tier ist also nicht die
Ursache der Pflanze, sondern die Pflanze ist zum Zweck der Nahrung des Tieres
erschaffen worden. Die Philosophie nennt das die Endursache.
Unser Herr Jesus Christus ist als Mensch die Endursache
der ganzen Schöpfung, das heißt, alles wurde erschaffen zum Dienste und Nutzen
dieses vollkommenen Menschen, den Gott erschaffen würde. So geht sozusagen
alles von Ihm aus, selbst das, was vor Ihm da war.
Das hilft uns die fast unendliche Weite und Breite der
Vollkommenheiten Unseres Herrn zu verstehen. Wenn wir also groß und vollkommen
sein wollen, können wir das nur erreichen indem wir Jesus in allem nachahmen.
Es gibt keinen anderen Weg. Er hat ja gesagt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit
und das Leben!“
Das war eine kleine philosophische Betrachtung über die
Verehrung des Heiligsten Herzen Jesu, bzw. seiner heiligsten Menschheit, in
hypostatischer Union mit der zweiten Person der göttlichen Dreifaltigkeit. Es
war keine gewöhnliche Betrachtung einer Gefühlsfrömmigkeit, die sich damit
begnügt, süßliche Gefühle in Bewegung zu setzen und Tränen der Rührung zu
vergießen. Unsere Frömmigkeit muss auf Vernunft und Verstand ruhen, um die Tiefen
der göttlichen Geheimnisse zu erforschen, zu finden und zu lieben und dann die
praktischen Konsequenzen ziehen. Nur das ist gottgefällig.
(Vortrag am 22. Mai 1969)
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