Als ich die spannende
Biographie des litauischen Bischofs Teofilius Matulionis erhielt, die durch die
eifrige Initiative meines Freundes, Pater Francisco Gavenas, ins Portugiesisch
übersetzt wurde, ging ich auf eine andere Art und Weise vor, als ich es
normalerweise bei einem neuen Buch mache.
In der Tat — außer für ganz
besondere Umstände — schien es mir immer ein wenig ungeordnet zu sein, zuerst
die Fotos eines Buches anzusehen, und erst dann es zu lesen. Und doch war es
genau das, was ich tat, als ich das Buch „El hombre de Dios“ (Der Mann Gottes)
von P. Pranas Gaida, dem Postulator des Seligsprechungsprozess von Bischof
Matulionis, bekommen hatte. Als ich den Einband betrachtete, war dort ein Bild
des großen litauischen Bischofs. Sein Gesichtsausdruck verursachte sofort einen
so tiefen Eindruck auf mich, dass ich das Buch auf der Suche nach anderen Fotos
von ihm durchblätterte. Da ich sie reichlich vorgefunden habe, und jedes
eindrucksvoller als das andere war, habe ich jedes einzelne analysiert. Was
bedeutet, dass ich aufeinanderfolgende Eindrücke des Respekts gesammelt und,
ich wage zu sagen, eine tiefe Sympathie empfunden habe, bis ich schließlich das
letzte Bild eingehend betrachtete.
Wahrhaftig habe ich im Laufe
meines Lebens selten so tiefe und so geistesklare Physiognomien gefunden, die
zugleich von einer Güte geprägt waren, wie die des verstorbenen Bischofs von
Kaisiadorys in Litauen. Sofort begann ich mit der Lektüre der kurz gehaltenen,
dichten und anziehenden Beschreibung seines Lebens.
Gleich zu Beginn dieser
Lektüre kamen mir zwei Empfindungen auf, die mich teilten. Eine war der Wunsch
wenigsten die wichtigsten Ereignisse des Lebens von Bischof Matulionis
kennenzulernen, bei denen es ihm gegeben war, seine edle und entschlossene
Persönlichkeit zu bilden. Die andere, die man bei einem lebenserfahrenen
Menschen wie mir verstehen kann, war die Befürchtung im Buch auf einiges zu
stoßen, dass, wenn auch geringfügig, den Glanz dieser hervorragenden
Persönlichkeit trüben könnte. Doch bevor ich zum Schluss der Beschreibung
seines harten und heldenhaften Lebens kam, hatte ich schon keine Bedenken mehr,
irgendetwas Enttäuschendes vorzufinden. Es dauerte nicht lange, um mich zu
überzeugen, dass die Seele des großen Bischofs und Martyrers aus einem Stück geformt
war. So würde sie sich aufrecht halten inmitten der Getöse aller Kämpfe, oder,
sollte sie wanken und das Gleichgewicht verlieren, würde sie wie ein Block zu
Boden fallen. Bei jedem Schritt, den ich beim Lesen weiterkam, wurde es mir
immer deutlicher, dass Msgr. Matulionis seine Seele unversehrt und rein bewahren
würde, bis zum glorreichen Tag, an dem er dem Ruf seines Schöpfers folgend,
sich von dieser Erde zum Himmel aufschwingen würde.
Dieser Martyrerbischof
erinnert mich an den bekannten Spruch, der das Heilige Kreuz rühmt, an das der
Sohn Gottes durch sein erlösendes Opfer den Menschen die Tore des Himmels
geöffnet hat: „Stat crux dum volvitur
orbis“ (das Kreuz steht fest, während der Erdball [die Welt] sich
weiterdreht).
Dieser Spruch erinnert an das
Leben des echten Hirten, des Msgr. Matulionis. Während um ihn und seinem
Wirken, seiner lieben Diözese und seines Vaterlandes, in den Ereignissen des
internationalen politischen Hintergrunds, der Nazismus und der Kommunismus
unaufhörlich ihre verbrecherische und makabre Farándola tanzten, verhielt sich
Msgr. Matulionis heldenhaft, immer treu der Kirche Christi, dessen heiliges
Kreuz er in seine Rechte hielt und hoch empor hob, von den ersten bis zu den
letzten seiner Lebensschritten. Als Seminarist, dann als Pfarrer und zuletzt
als Bischof, sei es unter dem Zarenregime, dann unter der grausamen Fuchtel des
kommunistischen Regimes, das ihn unaufhörlich und ohne Erbarmen verfolgte, ihn
etliche Male in den Kerker schleppte, sei es in der Pracht der Kirchen und der
katholischen Liturgie, letztlich in den Prunkvollen Räumlichkeiten des
apostolischen Hofes in Rom, in denen er den regierenden Papst Pius XI.
besuchte, Msgr. Matulionis blieb immer derselbe. Genauso wie er nun in den
himmlischen Gefilden zu Füßen der Muttergottes und ihres göttlichen Sohnes für
seine in Litauen und über die Welt verstreuten Landsleute betet.
Am Schluss der Lektüre dieser
so markanten Biographie prägte sich in mein Herz die ergreifende Szene in der
Privataudienz mit Pius XI., dem Papst der zwei großen Enzykliken, „Divini Redemptoris“ gegen de
Kommunismus und „Mit brennender Sorge“ gegen den Nationalsozialismus. Als er
sich dem Stellvertreter Christi näherte, kniete Msgr. Matulionis nieder. Der
Heilige Vater erhob ihn und kniete selbst vor dem Bischof nieder und sagte: „Du
bist ein Martyrer! Du musst mich zuerst segnen!“ Es fiel Matulionis nicht
leicht, dieser unerwarteten Bitte nachzukommen, aber er gehorchte, legte seine
zitternden Hände auf das Haupt des Heiligen Vaters und sprach mit aufgeregter
Stimme die Segenworte. Erst dann durfte sich Bischof Teofilius zum Ringkuss
hinknien.
Sicherlich werden die
Bewunderer von Bischof Matulionis es beklagen, dass sie in dieser Biographie
die ausführliche Beschreibung seiner vielen Heldentaten gegenüber dem
Kommunismus, die ihm eine Ehrung des Heiligen Vaters veranlasste, die
vielleicht nie ein Papst einem sterblichen erwiesen hat. Alle würden wir gerne
alle Einzelheiten nicht nur einiger sondern aller Gegenüberstellungen mit den
kommunistischen „Richtern“ und Folterern kennen lernen. Wir wollten uns an
seiner Standhaftigkeit erbauen unter den täglichen Peitschenhiebe der Henker
und der Demütigungen der Gefängniswärter. Genau wie wir ähnliches kennen aus
dem Leben des großen Kardinal Mindszenty, Fürst-Erzbiscof von Esztergom in
Ungarn, oder des unsterblichen Kardinal Stepinac, Erzbischof von Zagreb,
Jugoslawien.
Doch die Erklärung für diese
Einschränkung, die sich der Autor auferlegt hat, scheint einfach. Als P. Pranas
Gaida diese Biographie schrieb, war weder der Eiserne Vorhang gefallen, noch
wehte in Sowjetrussland die leichte Brise der Freiheit und die Veränderung der
sogenannten UdSSR hatten noch nicht die spätere lockere Konföderation fast
unabhängiger Staaten hervorgebracht und – vor allem – hatte Litauen noch nicht
seine glorreiche Unabhängigkeit erlangt, die heute von nahezu 60 Staaten
anerkannt wird.
Es ist anzunehmen, dass der
Autor der Biographie (die erstmals in Rom 1981 herausgegeben wurde)
befürchtete, dass mit einer detaillierten Schilderung der Fakten das
antikommunistische Gefühl in den litauischen Kreisen Roms, die KGB veranlassen
könnte, ihren Druck zu erhöhen und die Spannungen zwischen dem Heiligen Stuhl
und Moskau nur verschärfen würde. Was wiederum der hinterhältigen Ostpolitik,
die der Kreml unter allen Umständen mit dem Vatikan unterhalten wollte,
Hindernisse in den Weg gestellt würde. Der Autor hatte es dann wohl vorgezogen,
alles, was die kommunistische Zensur nicht tolerieren würde, auszulassen: Ein
harter zu zahlender Preis, damit diese so zusammengeschrumpfte Biographie von
Hand zu Hand unter die unterdrückte Bevölkerung Litauens in Umlauf gebrachte
werden konnte, um ihr den geistlichen Trost des Wohlgeruchs wenigstens einiger
Aspekte des Lebens des Bischofs zu bringen, vor dem Pius XI. seine Knie beugte.
Auf jeden Fall bleibt hier
der Ausdruck unseres heißen Wunsches, dass die nächste Ausgabe dieses Werkes
mit all dem angereichert wird, was durch die kommunistische Tyrannei zu
Verschweigen gezwungen wurde.
Dieser Text wurde geschrieben
einige Tage nach dem Brasilien die glorreich erkämpfte Unabhängigkeit Litauens
anerkannt hatte. Nachdem ich in der Eigenschaft des Präsidenten der
Brasilianischen Gesellschaft zum Schutze von Tradition, Familie und
Privateigentum – TFP und in meinem eigenen Namen den Präsidenten Litauens,
Vytautas Landsbergis, für den kompletten und endgültigen Sieg der litauischen
Nation über den unheimlichen sowjetischen Moloch gratuliere, möchte ich meine
Freude zum Ausdruck bringen für die Tatsache, dass die weltweit 15
TFP-Gesellschaften aus fünf Kontinenten sowie weitere fünf TFP-Vertretungsbüros
in fünf Ländern ihren begeisterten Einsatz für die Unabhängigkeit Litauens, das
Land Mariens, geleistet haben, und zwar in einer Zeit als die mutige Nation von
allen Regierungen des Westen fallen gelassen wurde und von den großen und
mächtigen Medien der Freien Welt mit Kälte ignoriert wurde.
Um diese moralische Eiszeit
zu brechen und dem Litauischen Volk ausdrucksvolle Ermutigung zukommen zu
lassen, hat das große TFP-Netzwerk eine internationale Unterschriftensammlung
organisiert — die zu einer der größten der Geschichte sein würde —, die die
stolze Zahl von 5.212.580 Unterschriften erreichte. Die Mikrofilme der
Unterschriftenlisten wurden von einer internationalen TFP-Abordnung dem
Präsidenten Landsbergis im Regierungspalast in Vilnius überreicht.
Anschließend kam die
TFP-Delegation der Einladung etlicher Persönlichkeiten des Landes nach. Am 8.
Dezember 1990 reisten die TFP Vertreter vom Heiligtum der „Pforte der
Morgenröte“ in Vilnius nach Kelme, zum Marienheiligtum in Siluva und zum „Hügel der Kreuze“ in der Nähe von Siulay. Die Kommission wurde von vielen Pfarreien
auf dem Weg empfangen. Eine besondere Ehre war die Audienz mit dem
Kardinal-Erzbischof von Kaunas und Primas von Litauen Vincentas Sladkevicius,
der die TFP-Vertreter zu „Bürger Litauens“ erklärte.
Zum Schluss soll noch erwähnt
werden, dass der Weg nach Litauen über Moskau führte, wo die Delegation
liebenswürdigerweise in der Litauischen Botschaft untergebracht wurde, durch
Vermittlung des litauischen Abgeordneten, Mitglied der Kommission für
Auslandsbeziehung im Parlament und Unterzeichner der Unabhängigkeitserklärung
Antanas Raças. Er war der von der Regierung ernannte offizielle Begleiter der
TFP-Gruppe. Von Moskau nach Vilnius begleitete Bischof Juosas Zemaitis die
TFP-Gruppe, der sich sehr bedankte was TFP für Litauen getan hatte.
Sowohl Präsident Landsbergis
wie auch Mitglieder des litauischen Parlaments drängten, die Kommission sollte
dem russischen Präsidenten Gorbatschow ein Brief mit dem Bericht der Aktion der
TFP und das Ergebnis der Unterschriftensammlung überreichen. Dies geschah dann
auch im Büro des Präsidenten bei einer zweiten Reise nach Moskau. Auf Wunsch
des litauischen Präsidenten und des Parlaments enthielt der Brief auch einen
energischen Protest gegen die ungerechte und grausame Behandlung des Kremls
gegenüber Litauen. Wie zu erwarten, wurde die Delegation von Gorbatschow nicht
empfangen. Der Brief wurde dann mit einem entsprechenden Protokoll einer
Beamtin des Kreml zur Weiterleitung ausgehändigt.
Bei dem vorherigen Aufenthalt
in Moskau hatten sich die Mitglieder der TFP-Abordnung, in einer
unerschrockenen Handlung, auf den Roten Platz aufgestellt, angetan mit den
Symbolen der TFP (roten Umhängen und roten Standarten mit dem goldenen Löwen)
und wiederholten den Ruf, der in der ganzen Welt während der Kampagne gehört
wurde: „Für Maria! Tradition, Familie, Eigentum; Litauen, Litauen, Litauen“.
Zugleich erhoben sich aus ihren Herzen Bitten zur Heiligsten Jungfrau für die
baldige Befreiung Litauens und aller noch versklavten Länder Russlands.
Kurz nach der Rückkehr der
TFP-Abordnung aus Litauen habe ich die Freude gehabt, als Präsident des
Nationalrats der brasilianischen TFP und im Namen aller TFP-Gesellschaften ein
offizielles Schreiben an alle Staatsoberhäupter der Freien Welt zu senden, mit
der Bitte die Unabhängigkeit Litauens so schnell wie möglich anzuerkennen.
* * *
Es ist mir eine Freude diese
Ereignisse in Erinnerung zu rufen, bei denen die die Herzen von Katholiken aus
den fünf Kontinenten einstimmig mit den Herzen der Litauer schlugen, sowohl,
die im eigenen Land wohnten wie auch die im Exil weit weg von der Heimat
weilten, wo sie sich mit christlicher Ergebenheit niederließen und fleißig
erfolgreich arbeiteten und das Gastland als eine zweite Heimat betrachteten.
Indem ich dies schreibe,
denke ich besonders an die geschätzten litauischen Einwanderer, die sich über
unser so großes Land (Brasilien) verbreitet und sich hier in einem brüderlichen
Zusammenleben schon seit fünfzig Jahren niedergelassen haben. Denke besonders
an die sympathischen litauischen Einwanderer des Stadtteils Vila Zelina in São
Paulo, rund um ihre fromme und andächtige Pfarrkirche. Ich denke an die so geschäftigen
und würdigen litauischen Familien, die dort wohnen; und denke mit Respekt und
besonderer Sympathie an den Klerus dieser Pfarrei, besonders an meinen
ausgezeichneten Freund Pater Gavenas.
Vereinigen wir uns alle in
einem Gebet an die Allerheiligste Jungfrau, damit Litauen nach der
wiedererkämpften Freiheit weiterhin — und immer mehr — „Terra Mariae“, das Land
Mariens sei. Damit in den kalten und schönen Weiten, in denen die Vorsehung
dieses Land gesetzt hat, es weiterhin mit heiligem Stolz und apostolischen
Eifer die Standarte seines katholischen Glaubens hochhalte, um so die
protestantischen und orthodoxen Länder die es umringen, zur heiligen
katholischen Kirche anziehe.
* * *
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