Der Empfang für Franz I. in Wien nach dem Abzug der
napoleonischen Truppen
Der väterliche
Charakter der mittelalterlichen Monarchie wurde weitgehend von den Herrschern
des Hauses Habsburg bis zu ihrem Thronverlust im Jahre 1918 bewahrt.
Der Herzlichkeit
dieses Charakters verleiht die Rede deutlichen Ausdruck, die der Bürgermeister
von Wien gehalten hat, als er kurz nach der Niederlage bei Wagram (1809) Kaiser
Franz I. empfing.
Für einen
modernen Leser, der vom Geiste des Klassenkampfes durchdrungen ist, könnte
diese Rede eher einem Märchenbuch entstammen, als einem geschichtlichen
Ereignis.
Einzug des Kaisers Franz II./I. in Wien am 16. Juni 1814 nach dem Pariser Frieden
»Die Anhänglichkeit [der Wiener] zeigte sich am feurigsten beim Empfang des Kaisers Franz I. nach dem verheerenden Krieg, beim Abzug der Franzosen aus Wien 20. November 1809, nach einem drückenden Aufenthalt im Lande von sechs Monaten und sieben Tagen. ...Der Wortlaut dieser Rede wird von einem unbestreitbar korrekten Berichterstatter, dem Historiker Prof. Dr. Johann Baptist von Weiß (1820-1899) wiedergegeben:
Am 16. November zogen österreichische
Truppen wieder in Wien ein, am 27. November kam der Kaiser um vier Uhr
nachmittags. Schon am frühen Morgen zogen Tausende und Tausende hinaus gegen
Simmering, den geliebten Kaiser zu empfangen. Ganz Wien war auf den Beinen,
Kopf an Kopf harrten sie wie Kinder auf den Anblick des teuren Vaters. Endlich
um vier Uhr erschien er ohne jede Leibwache, in offener Kalesche in der Uniform
seines Husarenregimentes, den Obersthofmeister Grafen Wrbna an seiner Seite.
Der Boden, die Luft schienen zu zittern vom Jubelruf. „Willkommen unser Vater!“
Das Schwenken der Tücher wollte kein Ende nehmen.
Der Bürgermeister redete ihn an: „Geliebter
Fürst! Wenn ein Volk im Kampf mit dem Unglück, leidend in mannigfacher Art, nur
der Leiden seines Fürsten gedenkt, dann ruht die Liebe auf tiefem Grunde des
Gefühls, nie vergänglich und fest. - Wir sind dieses Volk! Als unsere Söhne
dahinsanken im blutigen Streite, als zerstörende Gewalt glühender Kugeln unsere
Häuser stürzte, als die Grundfesten Wiens erbebten vom Donner der Schlachten,
dachten wir Dein, Fürst und Vater, da dachten wir Dein in stiller Liebe. Denn
Du hast diesen Krieg nicht gewollt. Nur das Verhängnis der Zeiten drang Dir ihn
auf. Du hast das Beste gewollt. Der Urherber unserer Leiden warst Du nicht. Wir
wissen es, daß Du uns liebst; wir wissen es, daß unser Glück Dein heiliges,
festes Wollen ist. Wir haben ihn oft empfunden, den Segen Deiner väterlichen
Milde. Bezeichnet hast Du Deine Wiederkehr mit neuer Wohltat. Sei darum,
väterlicher Fürst, in unserer Mitte mit unveränderter Liebe gegrüßt! Wohl hat
der unglückliche Erfolg des Krieges Dir einen Teil der Untertanen geraubt. Doch
vergiß den Schmerz Deines Verlustes im engeren Verein Deiner Treuen. Nicht die
Zahl, nur der feste, andauernde Wille, die alles bindende Liebe sind der Throne
heilige Stützen. Und von diesem Geiste sind wir alle beseelt. - Wir wollen Dir
ersetzen, was Du verloren! Wir wollen bleiben unseres Vaterlandes wert; denn
kein Österreicher verläßt seinen Fürsten, wenn es gilt. - Mögen die Mauern, die
Deine Burg umgeben, in Trümmer zerfallen, die festeste Burg sind die Herzen
Deines Volkes.“
Einen wärmeren Empfang hat wohl kein Monarch
erhalten. Franz konnte nur im Schritt fahren. Das Volk küsste ihm die Hände,
die Kleider, die Pferde. Bei der Burg angelangt, trug es ihn die breite Treppe
empor. Am Abend war die Stadt und die Vorstädte glänzend beleuchtet.« (1)
(1) „Weltgeschichte“ von Prof. Dr. Joh. Bapt. v. Weiß.
Buchdruckerei und Verlags-Buchhandlung ,Styria'. Graz, 1906, Bd. 22, S. 90-91.
Quelle: Plinio Corrêa de Oliveira: Der Adel und die traditionellen
vergleichbaren Eliten in den Ansprachen von Papst Pius XII. an das Patriziat und
den Adel von Rom“, TFP Österreich, 2008, S. 323
Bild: Johann Peter Krafft: Einzug des Kaisers Franz II./I.
in Wien am 16. Juni 1814 nach dem Pariser Frieden, 1828–1832
Schloß Schönbrunn Kultur- und
Betriebsges.m.b.H.
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