„Diário
de S. Paulo“, 7.9.1961
So berechtigt und nachsichtig diese Besorgnis
auch sein mag, so ist es doch wichtig, nachdrücklich zu betonen, dass sich
Brasilien nicht nur und nicht hauptsächlich im Bereich der Außenpolitik gegen
den Kommunismus verteidigen muss. Im Nationalkongress werden, unterstützt von
Teilen der Mehrheit und der Opposition, mehrere Gesetzentwürfe mit deutlich
sozialistischer Inspiration bearbeitet. Einer der charakteristischsten ist der
von José Joffily zur Agrarreform. Sollten diese Gesetzesentwürfe verabschiedet
werden, wären wir quasi „kubanisiert“. Das heißt: Selbst, wenn der linke
Vormarsch auf diplomatischem Gebiet gestoppt wird, wird er im viel wichtigeren
Szenario des Innenlebens des Landes entscheidende Erfolge erzielt haben. Daher
ist es dringend erforderlich, dass sich die lebendigen Kräfte der brasilianischen
Gesellschaft der Schwere der von diesen Gesetzesentwürfen ausgehenden Gefahr
bewusst werden, um den linken Vorstoß auch hier einzudämmen.
Einfältige sollten sich jedoch nicht
täuschen lassen und glauben, die Gefahr bestehe in diesem Bereich nur aus dem
einen oder anderen extremen Gesetzesentwurf mit eindeutig kommunistischer
Färbung. In einem kürzlich erschienenen und aufschlussreichen Pastoralschreiben
betonte der Bischof von Campos, D. Antônio de Castro Mayer, dass der offene
Kommunismus in Ländern mit christlichem Hintergrund wie unserem nur begrenzte
Ausbreitungsmöglichkeiten hat. Und dass die gefährlichste Eindringenslinie des
Kommunismus in den sozialistischen Reihen liegt. Sozialismus und Kommunismus
haben eine gemeinsame ideologische Wurzel. Die erste, gemäßigtere Form, die
friedliche Handlungsmethoden befürwortet, zieht aufgrund ihrer scheinbaren
Sanftmut, ihrer philanthropischen Aspekte und insbesondere der Sympathie, die
sie den Armen entgegenbringt, arglose Gemüter an. So verbreitet der
Sozialismus, geschützt vor den gewalttätigen Reaktionen, die der Kommunismus
naturgemäß hervorruft, den kommunistischen Mythos der wirtschaftlichen und
sozialen Gleichheit und schafft in der Praxis den Klassenkampf. Unter
sozialistischer Inspiration verschwinden die Rechtstraditionen der christlichen
Vergangenheit allmählich, die Institution des Eigentums wird immer dreister und
verstümmelter, die Gleichstellung der aus unauflöslicher Ehe und der aus
Konkubinat hervorgegangenen Familie wird immer deutlicher, und kurz gesagt:
Über einen längeren oder kürzeren Zeitraum und schrittweise beginnt die
Gesellschaft dem Kommunismus so sehr zu ähneln, dass sie sich schließlich mit
ihm identifiziert. Wachsame Opposition gegen den Fortschritt nicht nur des
Kommunismus, sondern auch des Sozialismus im Inland ist die Grundvoraussetzung
dafür, dass das Land wirklich von der Korrektur unseres außenpolitischen Kurses
profitiert.
* * *
Als Beitrag zu dieser dringenden und
unverzichtbaren Reaktion im Inland halten wir es für angebracht, die
öffentliche Meinung über das jüngste Gerücht aufzuklären, das sich in ganz
Brasilien von Norden bis Süden verbreitet hat, die Enzyklika Mater et Magistra habe den Sozialismus
zumindest in seinen gemäßigteren Formen gebilligt.
Wären wir nicht in einem Land
tiefgreifender religiöser Unwissenheit, in dem sich Persönlichkeiten aus der
intellektuellen oder politischen Welt oft mit naiver Selbstverständlichkeit als
Anhänger des „christlichen Sozialismus“
bezeichnen, hätte dieses Gerücht keinen Platz gefunden. Tatsächlich ist der
Gegensatz zwischen katholischer und sozialistischer Lehre direkt und
unüberbrückbar.
Seit seiner Entstehung ist der Sozialismus
Ziel ständiger Verurteilung durch die Päpste. Pius XI. trieb in der Enzyklika Quadragesimo Anno die Aussage der Kirche
zu diesem Thema auf die Spitze, verurteilte den Sozialismus selbst in seinen
gemäßigtsten Formen ausdrücklich und bekräftigte, dass Sozialismus und
Katholizismus „widersprüchliche Begriffe“
seien. „Katholischer Sozialismus“ ist
daher ein ebenso absurder Begriff wie „katholischer Protestantismus“. Wie kann
man dann annehmen, dass Johannes XXIII. im Widerspruch zur Ausrichtung seiner
Vorgänger behauptete, die katholische Religion habe sich 1961 gewandelt und
stehe dem Sozialismus nicht mehr ablehnend gegenüber? Dieses seltsame Gerücht
entstand, weil mehrere ansonsten seriöse Übersetzungen der Enzyklika das Wort
„Sozialisierung“ verwendeten, um bestimmte Konzepte dieses denkwürdigen
Dokuments auszudrücken.
Wäre dieses Wort tatsächlich darin
enthalten, würde dies keineswegs beweisen, dass Johannes XXIII. uns mit dieser
beunruhigenden und in der Geschichte einzigartigen Tatsache konfrontierte, nämlich,
dass ein Papst seine Vorgänger korrigierte. Tatsächlich hat „Sozialisierung“
mehrere Bedeutungen, von denen zwei gegensätzlich sind. Einerseits bezeichnet
dieses Wort die zunehmende Übernahme des gesellschaftlichen Lebens durch den
Staat und weist in diesem Sinne auf den Weg zum Sozialismus hin. Andererseits
bezeichnet es aber auch das Gegenteil, nämlich die Bildung und Entwicklung
sozialer Gruppen, die zwischen Individuum und Staat stehen und gerade dazu
bestimmt sind, die Bedürfnisse des Individuums zu befriedigen, ohne dass dieses
sich an den Staat wenden muss: Dies ist genau das Gegenteil von Sozialismus.
Und es genügt, die oben genannten Übersetzungen der Enzyklika Mater et Magistra auch nur flüchtig zu
lesen, um zu erkennen, dass sie das Wort in diesem letzten Sinne anwenden. Wenn
Mater et Magistra also den Begriff „Sozialisierung“ verwendete, ließe sich
daraus keineswegs ein Bruch mit der Lehre ihrer Vorgänger ableiten. Doch was
schließlich absolut entscheidend ist: Der offizielle Text der Enzyklika Mater
et Magistra, der in lateinischer Sprache verfasst und vom „Osservatore Romano“
veröffentlicht wurde (vgl. die Ansprache Johannes XXIII. an die Arbeiter am 14.
Mai 1961), enthält das Wort „Sozialisierung“ nicht ein einziges Mal.
Welche Ausdrücke werden hier und da mit
„Sozialisierung“ übersetzt? Wir listen sie auf:
1) „Socialium rationum incrementa“, was
„Zunahme der sozialen Beziehungen“ bedeutet;
2) „socialis vitae processus“, was
„Fortschritt im sozialen Leben“ bedeutet;
3) „increbrescentes socialis vitae
retiones“, was „die zunehmenden Beziehungen des sozialen Lebens“ bedeutet;
4) „socialis vitae incrementa“, was „die
Zunahme des sozialen Lebens“ bedeutet;
5) „socialium rationum progressus“, was
„der Fortschritt der sozialen Beziehungen“ bedeutet.
Was haben diese Ausdrücke mit Sozialismus
gemeinsam? ... Absolut nichts.
Und so ist die Vorstellung, die
katholische Kirche hätte sich jemals dem Sozialismus hingegeben, wie eine eitle
Fata Morgana des Linksradikalismus
verschwunden.
* * *
Mögen diese Überlegungen allen Brasilianern, die den Sinn ihrer christlichen Traditionen bewahren, Mut machen, sich gegen die Verleumdung des Sozialismus im Schafspelz zu wehren. Denn ohne dies, wiederholen wir, kann es keine ernsthafte und wirksame antikommunistische Aktion geben.
Aus dem portugiesischen von „A socialização na Encíclica Mater et Magistra“
Die deutsche Fassung dieses Vortages „Die Sozialisierung in
der Enzyklika Mater et Magistra“ ist erstmals erschienen in
www.p-c-o.blogspot.com
© Veröffentlichung dieser deutschen Fassung ist mit
Quellenangabe dieses Blogs gestattet.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen