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Plinio Corrêa de Oliveira |
in „Folha de S. Paulo“, 20.9.80
Das Echo der zeitlich sehr entfernten Worte, die der hl. Remigius sprach, als er Chlodwig, den
ersten christlichen König taufte, möchte ich, lieber Leser, auffangen und Dir
zu Ohren bringen: „Verbrenne, was Du angebet und bete an, was Du verbrannt
hast“. Ja, verbrenne den Egoismus, den Zweifel, die Schlaftrunkenheit, und
angeregt durch die Liebe Gottes, liebe und diene und kämpfe für den Glauben,
für die Kirche und die christliche Zivilisation. Opfere Dich auf. Entsage Dir
selbst.
Wie? — So wie es in allen Jahrhunderten diejenigen getan
haben, die für Jesus Christus den „guten Kampf“ gekämpft haben (2 Tim 4,7).
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Hl- Ludwig Maria Grignion von Montfort |
Und noch ausgezeichneter wirst Du es vollbringen können, wenn
Du die vom hl. Ludwig Maria Grignon von Montfort selbst verfasste und
gerechtfertigte Methode anwendest. Es ist die „Sklavenschaft aus Liebe“ zur
Heiligsten Jungfrau.
„Sklavenschaft“ ... Ein grobes und fremdes Wort, vor
allem für moderne Ohren, die allzeit gewohnt sind über Unabhängigkeit und
Freiheit zu hören und mehr und mehr geneigt sind zur großen Anarchie, die, wie
ein Totenkopf mit einer Sichel in der Hand, die Menschen auf der
Ausgangsschwelle des 20. Jahrhunderts mit seinem finsteren Lächeln erwartet.
Es gibt aber eine Sklavenschaft, die befreit und eine
Freiheit, die versklavt.
Früher sagte man von einem Menschen, der seinen
Verpflichtungen nachkam, er sei ein „Sklave seiner Pflichten“ (A.d.Ü.: so die
übliche Art in Brasilien. Im Deutschen entsprechend „pflichttreu“). Doch in der
Tat war es ein Mensch, der sich auf dem Höhepunkt seiner Freiheit befand. Durch
einen ganz persönlichen Akt verstand er, welche ihm zustehende Wege er gehen
musste, und fasste mit männlicher Entschlossenheit den Vorsatz sie aufzunehmen.
Er überwältigte die bösen Leidenschaften, die versuchten ihn zu blenden, seinen
Willen zu schwächen um damit seinen frei gewählten Weg zu versperren. Der
Mensch, der diesen hohen Sieg erreicht hatte, schreitete mit sicherem Schritt
dem entsprechenden Ziel entgegen. Er war frei.
„Sklave“ war im Gegensatz jener, der sich von seinen
ungeordneten Leidenschaften mitreißen ließ in eine Richtung, mit der seine
Vernunft nicht einverstanden war und auch sein Wille nicht bevorzugte. Diese
echten Besiegten nannte man „Lastersklaven“. Weil sie sich dem Laster
versklavten, „befreiten“ sie sich vom gesunden Reich der Vernunft.
Diese Begriffe von Freiheit und Sklaventum behandelte
Papst Leo XIII. mit seinem eigenartigen meisterhaften Glanz in der Enzyklika
„Libertas praestantissimum“.
Heute hat sich alles umgekehrt. Als Muster eines „freien“
Menschen haben wir den Hippie, der mit einer Bombe in der Hand nach seinem
Gutdünken den Terror verbreitet. Doch umgekehrt, wird als zaghaft, unfrei
derjenige gehalten, der im Gehorsam der Gebote Gottes und der Menschen lebt.
Nach heutiger Perspektive ist derjenige „frei“, dem das
Gesetz erlaubt die Drogen zu kaufen, die er will, sie gebraucht wie es ihm
gefällt und um letztendlich... sich ihnen zu versklaven. Tyrannisch und
versklavend aber wird das Gesetz angesehen, das dem Bürger untersagt sich den
Drogen zu versklaven.
Versklavung ist auch aus dieser schielenden Perspektive
der Umkehrung der Werte, das in vollem Bewusstsein und in voller Freiheit
geleistete religiöse Ordensgelübde, nach dem sich der Mönch in den Dienst der
höchsten christlichen Idealen stellt, unter Ausschluss jeglicher Rückkehr. Um
diese freie Entscheidung gegen die Tyrannei seiner eigenen Schwäche zu
schützen, unterwirft sich der Mönch in diesem Akt der Autorität seiner wachenden
Oberen. Wer sich so bindet, um sich frei zu halten von seinen schlechten
Begierden, setzt sich heute aus, als ein niederträchtiger Sklave bezeichnet zu
werden. So als ob der Obere ihm eine Last auflegen würde, die seinen Willen
einschränken soll. Im Gegenteil, der Obere dient als Handlauf den höheren
Seelen, die frei und unerschrocken anstreben bis zur letzten Stufe die Treppe
der höchsten Ideale aufzusteigen, ohne der gefährlichen Höhenangst nachzugeben.
Kurz, für einige ist frei, wer mit benebelter Vernunft
und gebrochenem Willen, angetrieben vom Wahnsinn der Sinne, die Fähigkeit hat,
auf dem Toboggan der schlechten Sitten wollüstig herunterzugleiten. „Sklave“
ist aber der, der seiner eigenen Vernunft dient, mit der Kraft des Willens die
eigenen Begierden besiegt, den göttlichen und menschlichen Gesetzen gehorcht
und die Regeln der Ordnung anwendet.
Vor allem ist unter dieser Perspektive ein „Sklave“,
derjenige, der sich, um seine Freiheit voll zu garantieren, entscheidet, frei
sich Autoritäten zu unterwerfen, die ihn dorthin führen, wohin er ankommen
will. So weit führt uns die gegenwärtige von Freudismus durchtränkte Meinung!
Mit einer ganz anderen Perspektive entwarf der hl. Ludwig
Grignion von Montfort die „Sklavenschaft aus Liebe“ zur Mutter Gottes. Sie
eignet sich für jedes Alter und jeden Lebensstand: Laien, Priester, Ordensleute
usw.
Was macht das Wort „Liebe“, das so überraschenderweise an
das Wort „Sklaventum“ geknüpft wird, da ja dieses den Gedanken einer brutalen
Herrschaft eines Starken über einen Schwachen, des Egoisten über den Armen, den
er ausbeutet, hervorruft? „Liebe“ ist, in der Philosophie, der Akt durch
welchen der Wille in Freiheit etwas haben will. So werden im gewöhnlichen
Sprachgebrauch „wollen“ und „lieben“ im gleichen Sinn benutzt. „Sklaventum aus
Liebe“ ist der edelste Höhepunkt des Aktes, durch den jemand sich aus freien
Stücken einem Ideal oder einer Sache widmet. Oder auch sich an einen anderen
bindet.
Die heilige Zuneigung und die Pflichten des Ehebundes
besitzen etwas, was bindet, verbindet und adelt. Im Spanischen nennt man
Handschellen „esposas“ (A.d.Ü.: Was auf Portugiesisch „Ehegattin“ bedeutet).
Der Vergleich bringt uns zum Lächeln. Den Befürwortern der Ehescheidung mag er
schaudern lassen, denn er gibt einen Hinweis auf die Unauflöslichkeit der Ehe.
Im Portugiesischen sprechen wir vom „Band“ oder eher wörtlicher von den
„Ketten“ der Ehe.
Viel bindender als der Stand der Ehe ist jedoch der des
Priesters, und in einem gewissen Sinn noch mehr ist es der Stand der
Ordensperson. Je höher der frei gewählte Stand, desto stärker ist das Band und
echter die Freiheit.
So empfiehlt der hl. Ludwig Grignion, der Gläubige solle
sich freiwillig als „Sklave der Liebe“ der Heiligen Jungfrau weihen, indem er
ihr in der Eigenschaft eines Sklaven seinen Leib und seine Seele, seine inneren
und äußeren Güter und selbst den Wert aller seiner vergangenen, gegenwärtigen
und zukünftigen guten Handlungen weiht, und Ihr alles Recht und volle Gewalt
überlässt über sich und all sein Eigentum ohne Ausnahme nach Ihrem
Wohlgefallen, zur größeren Ehre Gottes in der Zeit und in der Ewigkeit (vgl.
„Weihegebet zur vollkommenen Hingabe an Jesus durch Maria“). Maria, als
erhabene Mutter, erwirkt im Tausch für ihre „Liebessklaven“ die Gnaden Gottes,
die ihren Verstand erhöht zum klaren Verständnis der höchsten Glaubenssätze,
die ihren Willen engelhafte Kraft verleiht um sich frei von jeglichem Ballast
in die Höhen dieser Ideale aufzuschwingen und alle inneren und äußeren
Hindernisse besiegen, die sich ihnen entgegenstellen.
Doch könnte jemand fragen, wie kann ein Mönch diese
durchscheinende und engelhafte Freiheit üben, da er ja durch sein Gelübde der
Autorität eines Oberen unterworfen ist?
Nichts einfacher als dies. Mönch ist man durch einen Ruf
Gottes („Berufung“). Es ist also Gottes Wille, dass ein Ordensmann seinen
Oberen gehorcht. Der Wille Gottes ist der Wille Mariens. Wann immer also der
Ordensmann sich Maria geweiht hat als ihren „Sklaven aus Liebe“, gehorcht er
als Mariensklave seinem Oberen. Die Stimme des Oberen ist für ihn auf Erden,
sozusagen die Stimme der Muttergottes selbst.
Der hl. Ludwig Grignion ruft alle Menschen dermaßen
vorsichtig auf zu diesen Gipfeln des „Liebssklaventums“, sodass dieses viel
Raum lässt für wichtige Nuancen. Sein „Sklaventum aus Liebe“, das von so großer
Bedeutung ist für Menschen, die sich durch Gelübde an einen Religionsorden
gebunden haben, kann gleichsam von Weltpriestern und Laien praktiziert werden.
Denn im Gegensatz zu den Ordensgelübden, die für eine gewisse Zeit oder für das
ganze Leben verpflichtend sind, kann der „Sklave aus Liebe“ zu jeder Zeit
diesen erhabenen Zustand verlassen, ohne damit eine Sünde zu begehen. Während
der Ungehorsam einer Ordensperson gegenüber der Ordensregel sündhaft ist,
begeht der Laie „Sklave“ keine Sünde, wenn er der edelmütigen Hingabe
widerspricht.
So verbleibt also der Laie in der Eigenschaft eines
„Sklaven“ durch einen freien Akt, den er implizit oder explizit täglich, oder
besser, jeden Moment wiederholt.
Für alle Gläubigen ist also das „Sklaventum aus Liebe“
diese engelhafte und höchste Freiheit, mit der Maria sie an der Schwelle zum
21. Jahrhundert erwartet: lächelnd, anziehend, sie einladend in ihr Reich,
gemäß ihrem Versprechen in Fatima: „Am Ende wird mein Unbeflecktes Herz
triumphieren!“
Komm also, lieber Leser, bekehre Dich und gehe mit mir,
mit allen „Sklaven aus Liebe“ zu Maria, in Richtung dieses Reiches der
höchstgeordneten Freiheit und der höchstfreien Ordnung, zu dem Dich die Sklavin
(ancilla) des Herrn, die Königin des Himmels einladet.
Umgehe die Schwelle in der der Teufel wartet, wie ein
schaurig lachender Totenkopf, in der Hand die Sichel der extrem versklavenden
Freiheit und der extrem freiheitlichen Versklavung, das heißt, der Anarchie.