Freitag, 7. Mai 2021

Pius X., Modell der Entschiedenheit

3. JUNI 1951

SELIGSPRECHUNG PIUS' X.

Eine dramatische Episode aus seinem Leben: „Die schlimmsten Feinde der Kirche schmieden ihre verderblichen Pläne nicht außerhalb, sondern in ihrem Innern, - es ist sozusagen in ihren eigenen Adern und Eingeweiden, in denen sich die Gefahr befindet.

( Enzyklika „Pascendi“ ) 


Plinio Corrêa de Oliveira (zugeschrieben)

Mit der Seligsprechung Pius' X. will die Kirche bekräftigen, dass dieser Papst zu Lebzeiten in heldenhaftem Maße die göttlichen Tugenden des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe sowie die Kardinaltugenden der Gerechtigkeit, der Klugheit, der Tapferkeit und der Mäßigung geübt hat und dass er deshalb im Himmel die entsprechende Herrlichkeit genießt. Damit erlaubt die Kirche, dass er an bestimmten Orten öffentlich verehrt werden darf.

Diese Verkündigung hat als unmittelbaren und ausdrücklichen Gegenstand die Person von Papst Pius X. selbst. Implizit geht es aber in gewisser Weise um eine Würdigung seiner Art, die Kirche zu leiten. Denn wenn der Papst in den Kardinaltugenden heldenhaft war, so deshalb, weil er sich bei der Leitung der höchsten geistlichen Interessen der Christenheit weder ungerecht, noch unklug, noch schwach, noch unmäßig zeigte. Im Gegenteil, er zeichnete sich durch die Ausübung dieser Tugenden aus, nicht nur als Privatmann, sondern auch als Papst. Und sein Handeln, sowohl als Mensch als auch als Papst, kann und sollte uns als ein nachahmenswertes Modell vorgeschlagen werden.

Es ist daher sehr angebracht, das Verhalten des heiligen Papstes in einer absolut denkwürdigen Episode im Leben der Kirche in unserem Jahrhundert zu analysieren und daraus wertvolle Lehren für unsere Heiligung zu ziehen.


Eine brennende Frage

Die Kirche befindet sich heute in einer der dramatischsten Phasen ihrer Geschichte. Ihre Feinde waren noch nie so mächtig, so radikal, so militant. Erinnern wir uns zunächst an die sowjetische Welt, die sich von Indochina bis nach Deutschland erstreckt und damit ein Reich bildet, das größer ist als das von Alexander oder Karl dem Großen. Es ist sinnlos, die Augen vor der Realität zu verschließen: Diese „Welt“ bildet die größte atheistische Zyste, die es je auf Erden gab. Innerhalb der Grenzen, die der Eiserne Vorhang umschreibt, sterben Kardinäle, Erzbischöfe, Priester, Missionare, Schwestern und einfache Gläubige in Gefängnissen, Konzentrationslagern und anderen Gefängnissen, die vielleicht besser getarnt, aber nicht weniger grausam sind. Ein Achtel der katholischen Weltbevölkerung ist somit einer direkt und offiziell atheistischen Regierung unterworfen, deren offizielle und erklärte Absicht es ist, die Religion auszulöschen. Und diese riesige kommunistische Zyste bildet nur den Kopf der Krake. Ihre Tentakel reichen bis in die Nachbarregionen, nach Indonesien, Indien, Persien, das unglückliche Österreich, Westdeutschland, und sind in aktive Verästelungen aufgeteilt, die wie in einem Netzwerk ganz Westeuropa, Nord- und Südamerika und einen großen Teil Afrikas einbeziehen. In den Universitäten, in den Parlamenten, in der Presse, im Kino, im Radio, in den Gewerkschaften - die Verzweigungen dieses Netzwerks vervielfältigen sich ständig. Der Feind steht nicht „vor den Toren“. Er ist in unseren eigenen Eingeweiden installiert.

Und wenn es nur dieser eine wäre! Angesichts des Umfangs an massiven Lehren des Kommunismus, seiner eisernen Organisation, ist nichts flüssiger, inkonsistenter, weniger organisch als das Amalgam von Prinzipien, Institutionen und Völkern, das gewöhnlich als antikommunistisch betrachtet wird.

Das extreme Gegenteil des Kommunismus ist der Katholizismus. Und so stellt alles, was zur Schwächung des Einflusses des Katholizismus beiträgt, eine wertvolle - wenn auch manchmal unbeabsichtigte - Zusammenarbeit mit der kommunistischen Expansion dar. Und die westliche Gesellschaft wird von allerlei Ungeziefer zerfressen, das so für den Sieg des Gegners arbeitet. Die unmoralische Literatur und Veranstaltungen, die die Widerstandskräfte der christlichen Familie verunsichern; die sozialistische Propaganda, die unter dem Vorwand der sozialen Gerechtigkeit in Wirklichkeit die Armen gegen die Reichen aufhetzt, das Prinzip der Autorität untergräbt und den Geist der Revolution sät; die höheren oder sekundären Bildungsstätten, die das Universum als ein großes Ganzes lehrt, das in sich selbst die Kräfte seiner gigantischen und unendlichen Evolution enthält, ein Ganzes, das von keinem persönlichen Gott geschaffen wurde und in dem der Mensch nicht zu einem übernatürlichen, außerirdischen und ewigen Glück tendiert; all dies verletzt die christliche Zivilisation in ihrer Seele, die die katholische Kirche ist, und bereitet das Feld für das Aufkommen des Kommunismus.

Wenn man also die Kräfte, die gegen die Kirche arbeiten, in ihrer Gesamtheit betrachtet, in einer immensen Offensive, manchmal gewaltsam, manchmal subtil, manchmal versüßt (das ist z.B. bei den Sozialisten so oft der Fall), in der der Gegner mit jeder Waffe, vom Schießpulver bis zum Zucker, Positionen erobert, was sollte die katholische Haltung sein?

Mit anderen Worten, was soll man tun: sich der Welle stellen oder versuchen, auf ihr mitzugleiten?

Verschiedene Aspekte des Themas

Wie würde man der Welle begegnen? Indem man sehr deutlich den Unterschied zwischen dem Geist der Kirche und den tausend und einer Manifestationen des neuheidnischen Geistes unserer Tage hervorhebt, von den brutalen Manifestationen des russischen Kommunismus bis zu den sanftesten Schmeicheleien der versöhnlichen Flügel des Sozialismus, Protestantismus oder Liberalismus: auf die wirksamste Weise gegen den neuheidnischen Geist und für die Lehre der Kirche zu argumentieren, die sich in ihrer Gesamtheit, in der Kühnheit ihres Adels, in der nackten und manchmal tragischen Erhabenheit ihrer Strenge zeigt; den Seelen zeigen, dass sie nicht in der Mitte zwischen zwei ideologischen Positionen stehen können; alles Mögliche tun und sogar das Unmögliche versuchen, um sie in die Kirche Jesu Christi zu bringen.

Wie würde man sich auf der Welle mitgleiten lassen? Indem man es vermeidet, offen mit irgendetwas nicht einverstanden zu sein: Menschen, Fakten, Doktrinen. Versuchen überall das Gute, das in allem ist, zu loben (denn selbst der Teufel, in der tiefsten Hölle, total schlecht vom moralischen Standpunkt aus, hat dennoch einen Punkt, in dem er gelobt werden kann: es ist die Tatsache, dass er ein Geschöpf Gottes ist). Den Katholizismus so vollständig wie möglich, an den Geschmack des Jahrhunderts anzupassen: Träumen von der Abschaffung des Priesterkleidung und des kirchlichen Zölibats, sich sehnen nach der Aufhebung der rein kontemplativen Orden, sich wünschen dass die Wahl des Papstes nicht mehr vom Kardinalskollegium durchgeführt wird, sondern vom römischen Volk; die Beteiligung der Gläubigen an der liturgischen Feier befürworten, mehr als zu irgendeiner anderen Zeit im Leben der Kirche; die Einführung sehr einfacher liturgischer Gewänder oder sogar die Erlaubnis für Priester in Arbeits-„Blaumänner“ zu zelebrieren, befürworten; unverblümte Unterstützung des Kampfes gegen alle Unterschiede von Reichtum und Vermögen oder der sozialen Klassen, usw., usw., usw. In Lehrfragen besteht das Gleiten auf der Welle darin, die katholische Lehre so nah wie möglich an den Irrtümern der Person, mit der wir uns unterhalten, darzustellen. Wenn er Pantheist ist, sollten wir über den Mystischen Leib so sprechen, dass er, ohne unsere Lehre klar zu leugnen, darin ein wenig pantheistisches „Salz“ spürt. Wenn er ein Sozialist ist, lasst uns energischer als er gegen alle Unterschiede der sozialen Klasse brüllen. Wenn er Protestant ist, sollten wir in seiner Gegenwart die Grenzen des Lehramtes der Kirche so weit wie möglich einschränken.

Zwei Lebenssysteme

Ohne dem Thema vorzugreifen, wollen wir hier einen grundlegenden Punkt in Erinnerung rufen. Es ist, dass es mit einem ganz heiklen Problem des Charakters und des geistigen Temperaments zusammenhängt.

Wenn jemand ein Freund der Logik, der Klarheit, der Offenheit ist; wenn er sich für die katholische Lehre begeistert und es ihn schmerzt, die Straflosigkeit des Irrtums zu sehen; wenn er idealistisch ist und deshalb bereit ist, für die Bejahung der Prinzipien, zu denen er sich bekennt, zu kämpfen und zu leiden, wird er die Taktik der Konfrontation mit der Welle befürworten.

Wenn im Gegenteil jemand am „Komplex“ (die Leser werden den barbarischen Ausdruck verzeihen) der Schüchternheit leidet; wenn er sich seiner Meinungen nicht absolut sicher ist und nicht den Mut hat, sie zu behaupten; wenn es ihn nicht schmerzt oder stört, dass andere das Laster oder den Irrtum verherrlichen und propagieren; wenn er vor allem ein Freund des sozialen Ansehens ist und sich gern als freundlich, modern, verständnisvoll, aufgeklärt ausgibt; wenn er schließlich die Ruhe liebt und zu allem Schweigen bereit ist, um in keine Streitereien und Diskussionen einzugehen, dann wird er ein Parteigänger des „Vorbeiziehenlassens der Welle“, oder sich von ihr treiben lassen und eine Politik der „vorsichtigen“ und weitgehenden „Anpassung“ betreiben.

Zusammenfassend lässt sich sagen: es gibt Katholiken, die dem Gegner mit dem flammenden Schwert des Erzengels Michael entgegentreten; andere hingegen meinen, es besser zu machen, wenn sie den Gebrauch des Regenschirms eines Chamberlain empfehlen.....

Erweiterung des Horizonts

Dieses Problem ist nicht neu. Und es stellt sich auch nicht nur auf religiösem Feld. Denn dieser Unterschied in Charakter und Temperament wirkt sich auf alle Bereiche des menschlichen Handelns aus. Angesichts des Protestantismus verkörperte Philipp II. von Spanien die Haltung derer, die sich der Gefahr stellen, und in der Tat, wenn der Protestantismus Europa nicht eroberte, war es - zumindest menschlich gesehen - diesem großen König zu verdanken. Ludwig XVI. hingegen suchte sich der Revolution anzupassen. Auch Nikolaus II. Sie waren Vorläufer von Chamberlain... der seinerseits Anhänger hatte und immer haben wird.

Während des Pontifikats Pius' X.

Letztlich ist die Frage, wie man sieht, sehr alt. In der Tat ist sie sogar älter als Philipp II. Sie reicht bis in die Anfänge der Menschheit zurück. Von Zeit zu Zeit, also in dem, was die Franzosen treffend „les tournants de l'Histoire“ (Wendepunkten der Geschichte) nennen, taucht sie auf.

Zur Zeit Pius' X. hatte die damalige Offensive gegen die Kirche noch nicht ihren heutigen Höhepunkt erreicht, aber sie war bereits offen in ihrer Entwicklung. Nicht alle religiösen Probleme der damaligen Zeit waren so gelagert wie heute. Aber zumindest in den groben Zügen könnte die Situation so gesehen werden, wie wir sie heute sehen. Es gab bereits eine starke kommunistische Bewegung, der Sozialismus verbreitete sich im ganzen Westen, die Verderbnis der Sitten war bereits tief eingedrungen, sogar in „christlichen“ Familien, der Geist der Rebellion war bereits überall verbreitet. Materialismus, Pantheismus und Evolutionismus waren bereits an der Tagesordnung.

Aus diesem Grund hatten sich die beiden Temperamente auch unter den Katholiken bereits voll ausgeprägt. Einige sprachen sich für den Kampf aus. Andere sprachen sich für eine Anpassung aus. Diese versuchten, den Katholizismus zu „modernisieren“.

Die „Modernisten“

Es waren die sogenannten „modernistischen“ Katholiken. Sie bildeten eine „Bewegung“, die eine Doktrin, eine Strategie, klar definierte Ziele, ein Netzwerk von Institutionen zu ihren Diensten und eine ganze Galerie von großen Männern hatte, die sie führten. Wie jede „Bewegung“, die etwas auf sich hält, hatten auch die Modernisten ihre „Tabus“.

Die Doktrin

Die modernistische Doktrin bestand letztlich aus einer langen Reihe von Strategemen (Geschicklichkeiten) und Kunstgriffen, die darauf abzielten, den Katholizismus an die religiösen Vorstellungen der Zeit anzupassen.

Wie gesagt, übernahmen diese Vorstellungen die Idee eines unpersönlichen Gottes, der in allen Kräften des Universums latent vorhanden ist und der sich letztlich mit der „Natur“ identifizierte. Dieser im Kosmos verankerte Gott lenkte alle Kräfte in Richtung eines unendlichen Fortschritts, in dem der Kosmos selbst und insbesondere das Menschengeschlecht sich vervollkommnen würden. Vorhanden in allen Wesen wie Wasser in einem Schwamm oder Tinte in einem Löschblatt, ist dieser unpersönliche Gott auch im Menschen „eingebettet“. Eine Kraft, die in uns innere Empfindungen, Sehnsüchte von mehr oder weniger vagem religiösem Charakter erzeugt. Jeder versucht, diese Sehnsüchte zu befriedigen, indem er eine Religion schmiedet, die zu ihm passt, oder indem er eine der verschiedenen bereits bekannten Religionen wählt. Dies vorausgeschickt, sind alle bestehenden oder noch zu entstehenden Religionen gleichermaßen legitim, insofern sie ihre Aufgabe erfüllen, und die religiösen Bestrebungen der Menschen, die sie hervorgebracht haben, befriedigen. Nach dieser Auffassung ist es vollkommen gleichgültig, ob die Dogmen dieser oder jener Religion wahr sind. In Wirklichkeit sind alle Dogmen falsch, Produkte des menschlichen Geistes, der sie zu seiner eigenen Befriedigung erdacht hat. Sie sind für Erwachsene mehr oder weniger das, was Märchen für Kinder sind. Aus diesem Blickwinkel betrachtet, hat der Katholizismus zwei Aspekte. Einerseits einen sehr guten: als eine Religion, die von einer großen Anzahl von Menschen zur Befriedigung ihrer religiösen Bedürfnisse hervorgebracht wurde. Auf der anderen, eine sehr schlechte Seite: solange man wollte, das unsere Dogmen wirklich wahr sind, weil wir es so behaupten, sind sie jedoch genauso offensichtlich falsch wie die jeder anderen Religion. Und dann kam eine ganze Erklärung von Einwänden gegen die katholische Lehre: die Göttlichkeit Jesu Christi wurde geleugnet, die Existenz des Übernatürlichen, die Existenz eines persönlichen Gottes, die Wahrhaftigkeit der in den Heiligen Büchern erzählten Tatsachen, usw., usw. Würde man einen Weisen dieser Schule fragen, ob er ein Feind des Katholizismus sei, so würde er es verneinen, dass er es aber vollkommen lächerlich fände, in ihm eine objektiv wahre Religion zu sehen. Seine Dogmen sind falsch, sie sind wandelbar, in der Tat waren sie etwas zu Beginn des Christentums und wurden etwas anderem im Laufe der Zeit.

Was taten die Modernisten angesichts dieser Tatsachen? Anstatt die neue Lehre zu entlarven und zu zeigen, dass sie letztlich alle Religionen, auch die katholische, verleugnete, haben sie sie geduldet:

a) - einige, „gemäßigtere“, beschränkten sich darauf, den gottlosen Schriftstellern in „sekundären“ Punkten beizustimmen, d.h. die Echtheit ehrwürdiger Reliquien und hagiographischer Tatsachen zu leugnen, die bisher als unanfechtbar galten; verfängliche Auslegungen der Heiligen Schrift anzunehmen, die dazu neigten, diesem oder jenem Thema eine „vernünftigere“ Bedeutung zu geben; plädierten für eine Anpassung der gesamten Kirchenordnung an die Sitten und Gebräuche des zwanzigsten Jahrhunderts;

b) - andere, gewagtere, deuteten die Möglichkeit an, das Dogma selbst in Punkten zu reformieren, die als „weniger wichtig“ angesehen wurden, mit der Behauptung, dass einige von ihnen den Fortschritt der Wissenschaften begleiten sollten. Sie forderten auch die „Reform“ bestimmter moralischer Punkte, wie z.B. die Unauflöslichkeit der Ehe, die sie für offensichtlich anachronistisch hielten;

e) - andere schließlich, die für ihre Dreistigkeit keine Grenzen mehr kannten, präsentierten in ihren Büchern in verschleierter Sprache die ganze Lehre der gottlosen Schriftsteller.

Die „Bewegung“

Der „katholische“ Modernismus verbreitete sich in den kirchlichen Kreisen Europas und Amerikas mit der Geschmeidigkeit und Schnelligkeit eines Ölflecks. Als Pius X. den päpstlichen Thron bestieg, stellte diese ideologische Bewegung bereits eine Macht dar, die auf die Mitarbeit von Universitätsprofessoren, Schriftstellern, Journalisten, Aktivisten, gesellschaftlichen Persönlichkeiten aller Art zählte.

Gab es ein Direktorium, das all diese Bemühungen leitete? Es ist schwierig, diese Frage zu beantworten, aber es ist sicher, dass viele Dinge passiert sind, als ob dieses Direktorium existierte. So pflegten die Modernisten aller Länder eine enge Korrespondenz untereinander, lobten sich gegenseitig mit Inbrunst und arbeiteten eng für das gleiche Ziel zusammen... alles mit einer solchen Präzision, einer solchen Harmonie, einer solchen Beschwörung aller für das gemeinsame Ziel, dass man wirklich in bestimmten Momenten den Eindruck hatte, dass in so viel Arbeit etwas Koordiniertes steckte.

Die Strategie

Dieser Eindruck drängte sich jedem auf, der die modernistische Strategie aufmerksam beobachtete:

a) - zunächst haben sie dies und jenes geheim gehalten. Um besser „die Fährte zu verwischen“, vermieden sie früher eine systematische und logische Darstellung ihrer Lehre. Sie schienen sogar untereinander in dem einen oder anderen Punkt uneinig zu sein. Es bedurfte einer sehr reifen Analyse, um zu erkennen, dass diese Diskrepanzen entweder völlig zufällig waren oder gar nicht existierten; und dass inmitten dieses scheinbaren Durcheinanders eine perfekte Einheit des Denkens bestand;

b) - auf der anderen Seite, äußerten die mehr gewagten, nicht vollständig ihre Gedanken. Sie sprachen durch Metaphern und Umschreibungen. Eine Art Einweihung war notwendig, um zu einer vollständigen Kenntnis ihrer Denkweise zu gelangen;

c) - Um jeglicher päpstlichen Verurteilung zu entgehen, veröffentlichten sie Bücher mit den Namen angeblicher Autoren, was es einem gleichen Autor erlaubte, mehrere Masken zu tragen und die Leichtgläubigen leichter zu täuschen;

d) - schließlich, wenn sie aufgefordert wurden, sich zu erklären, widerriefen sie sich mit aller Leichtigkeit, um später, in einem anderen Werk, den gleichen Irrtum wieder zu predigen.

Es ist schmerzlich, zu sagen, aber diese Strategie wurde nicht nur von Laien, sondern sogar von Priestern verfolgt, so dass der modernistische Fanatismus die Gewissen ausgelöscht hat.

e) - wenn jemand ihre Doktrinen angriff, führten sie einen „totalen Krieg“ gegen ihn, der von der Widerlegung der Doktrinen bis zu einer Kampagne persönlicher Diffamierung reichte. Und wenn sie lehrmäßig oder persönlich nichts zu beanstanden hatten, organisierten sie eine Kampagne des Schweigens gegen den Angreifer. Den so „Bestraften“ wurden alle Tribünen, alle Zeitungsredaktionen, die Türen aller Zeitschriften und sogar vieler religiöser Vereinigungen verschlossen. Es war Ächtung.

Die Ziele

Die Ziele der Bewegung waren klar. Es ging darum, die Kirche von innen heraus zu verändern. Es handelte sich um eine Entwicklung, die sanft, ohne Schocks und Lärm, durchgeführt werden sollte, die aber letztlich die größte aller Umgestaltungen sein sollte, die die Kirche in ihrer zwanzigfachen säkularen Geschichte erlebt hat. Dazu war es unerlässlich, dass die Modernisten im katholischen Umfeld blieben; dass sie katholische Lehrstühle, Kanzeln, Zeitungen und Zeitschriften besetzten; dass sie immer im Namen der katholischen Meinung sprächen. In unserer Zeit würde man dies eine fünfte Kolonne nennen. Aber zur Zeit Pius' X. gab es diesen Ausdruck noch nicht. Auffällig ist der Fall eines modernistischen Priesters, dessen Buch verurteilt wurde. Er wurde gefragt, ob er sich empöre und die Soutane ablegen würde oder seinen Ideen abschwöre. Er lächelte und wies darauf hin, dass er weder das eine noch das andere tun würde, und antwortete: „Ich werde mir eine neue Soutane kaufen“.

Die Position von Pius' X.

Was würde der Papst tun? Würde er vor dem Modernismus die Augen schließen? Viele Gründe schienen für diese Taktik zu sprechen:

a) - Einige der modernistischen Führer waren intelligent, fähig zu intensivster apostolischer Tätigkeit, von unzweifelhafter Redlichkeit des Lebens. Es wäre äußerst schmerzhaft, Menschen zu schlagen, die eine solch hohe Wertschätzung verdienen;

b) – Nach dem Schlag würde man nicht Gefahr laufen, sie zum Abfall zu verleiten? Wenn man bedenkt, dass unter den potentiellen Abtrünnigen nicht wenige Priester, auch Ordensleute wären, wäre das nicht ein beachtlicher Skandal in den Augen der Gläubigen?

c) – Würde es sich lohnen, die Katholiken in einer Zeit der Kämpfe zu spalten?

d) - Der Papst ist ein Vater der Barmherzigkeit. Wirkt es sich gut auf sein Amt aus, wenn er mit Strenge gegen eine Strömung vorgeht, in deren Reihen sich möglicherweise viele wohlmeinende Menschen befinden?

Dieser letzte Punkt erforderte besondere Aufmerksamkeit. Pius X. war von einer engelhaften Güte. Keiner näherte sich ihm, ohne die Ausstrahlungen seiner Güte zu erfahren. Würde er mit einer Strenge handeln, die seinem Temperament so sehr zu widersprechen schien?

Die Lösung eines Heiligen

Mit väterlicher Güte ermahnte Pius X. zunächst privat die Hauptverantwortlichen, beriet sie, ermahnte sie, warnte sie. Angesichts der Nutzlosigkeit dieser Bemühungen begann er, öffentlich zu handeln, indem er sich mit einer Energie voller strenger Prognosen auf die Angelegenheit bezog. Am 3. Juli 1907 veröffentlichte die Heilige Römische und Universelle Inquisition das berühmte Dekret „Lamentabili“, in dem die wichtigsten modernistischen Doktrinen zusammengefasst waren, die alle von der Kirche verurteilt wurden. Doch das war noch nicht genug. Pius X. schlug dann den fulminanten Schlag mit der Enzyklika „Pascendi Dominici Gregis“ vom 8. September 1907, in der er mit einer Energie, die man herkulisch nennen könnte, wenn sie viel mehr als dass, nicht übernatürlich wäre, den Modernismus anprangerte und stigmatisierte.

In dieser Enzyklika entlarvt Pius X. ausführlich die gesamte modernistische Lehre, zeigt ihre Identität mit dem gottlosen Gedankengut, das im zwanzigsten Jahrhundert en vogue war, schildert die Ursprünge der Bewegung, ihre Taktik, die Perfidie ihrer Vorgehensweise, die Unaufrichtigkeit ihrer Handlungsprozesse und zeigt schließlich die Heilmittel für diese „Sturzflut sehr schwerer Irrtümer, die offen und im Geheimen anschwillt“.

Eine Reihe schwerster Exkommunikationen, die viele Führer der Bewegung aus den katholischen Reihen ausschlossen, führte schließlich dazu, dass das ganze System der modernistischen Verkrustung in den Reihen der Kirche zerschlagen wurde.

Die Aktualität des Beispiels

Beachten wir zunächst, wie Pius X. sich in eine Position stellte, die dem Lager derjenigen völlig entgegengesetzt ist, die meinen, es sei besser, sich vor dem Gegner zurückzuziehen und unter ihm hindurchzugehen, als sich ihm zu stellen. Dies ist das erste Beispiel, das wir sorgfältig betrachten sollten.

Auf der anderen Seite sollten wir beachten, wie Pius X. - eben jener Papst, dem die Menschen eine Güte nachsagten, die eher der eines Engels als der eines Menschen glich - es verstand, im Angesicht des Bösen von unbesiegbarer Energie zu sein. Die Güte schließt die Energie nicht aus, im Gegenteil, sie vervollständigt sie. Und gegen diejenigen, die hartnäckig im Bösen sind, muss man in dem Maße energisch sein, wie es nötig ist, um sie daran zu hindern, ihre Irrtümer zu verbreiten und die Guten in die Irre zu führen. So handelt der Gute Hirte gegenüber dem Wolf im Schafspelz...

Betrachten wir schließlich das Vertrauen von Pius X. in das Übernatürliche. Die Kraft der Kirche kommt nicht von Menschen, sondern von Gott. Bei der Erfüllung ihrer Mission hat sie weder Tyrannen noch Menschenmassen zu fürchten. Im Vertrauen auf Gott kann sie mit evangelischer Furchtlosigkeit vorgehen, denn der Sieg wird ihr gehören.

Diese Beispiele haben eine tiefgreifende Anwendung auf unser aller Leben. Wenn wir gegen die modernen Irrtümer ankämpfen müssen, mit denen die Umwelt, die wir alle frequentieren, gesättigt ist, werden wir wissen, dass es unsere Pflicht ist, zu reagieren und nicht, uns zurückzuziehen. Wenn ein falsches Ideal der Güte Feigheit angesichts triumphierender Gottlosigkeit suggeriert, werden wir wissen, dass die Güte nicht darin besteht, den Bösen zu erlauben, unsere Brüder nach Belieben zu dezimieren. Wenn es uns scheint, dass der Kampf zu ungleich ist, werden wir sogar mit verdoppelter Kraft weiterkämpfen, weil wir wissen, dass unser Sieg von Gott kommt und nicht von uns.

 

 

Aus dem Portugiesischen mit Hilfe von Deepl-Übersetzer von „Pio X, modelo de energia“ in Catolicismo Nr. 6 – Juni 1951 – São Paulo, Brasilien.

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„Pius X., Modell der Entschiedenheit“ erschien erstmals in deutscher Sprache in www.p-c-o.blogspot.com

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