Sonntag, 15. Oktober 2023

Marie Antoinette, Erzherzogin von Österreich, Königin von Frankreich und Witwe Capet

 

Dr. Plinios erste Rede, gehalten an der Akademie für Literatur der Marianischen Kongregation der Pfarre Sankt Cäcilia in São Paulo, Ende 1928


Hochwürdigster Monsignore, Direktor der Akademie,

Meine Herren Akademiker!


Die einfache Aufzählung der Titel, mit denen Marie Antoinette von Habsburg, später Marie Antoinette von Bourbon, in ihrem kurzen Leben bekannt war, erinnert an die Reihe außergewöhnlicher und unvorhergesehener Ereignisse, die das Gefüge der interessantesten weiblichen Existenz des 18. Jahrhunderts bildeten.


Aus der Königin wurde eine Märtyrerin, aus der Puppe eine Heldin

Die erste Phase des Lebens dieser Prinzessin war glücklich und strahlend, wie ein goldener Traum, in dem der ganze Glanz der Macht, der ganze Glanz des Glücks und der ganze Charme einer strahlenden Jugend in einer einzigen Person vereint waren. Plötzlich wurde diese lange Kette des Schicksals jedoch durch einen schrecklichen Taifun unterbrochen, der den Untergang der Monarchie, die Schändung der Altäre und den Untergang eines Adels zur Folge hatte, der im Laufe von Jahrhunderten mit dem eigenen Schwert die brillantesten Seiten der Geschichte Frankreichs geschrieben hatte.

Und mitten im Zusammenbruch des politischen und sozialen Gebäudes der Monarchie der Bourbonen, als die ganze Welt spürte, wie der Boden unter ihren Füßen bröckelte, trank die fröhliche Erzherzogin von Österreich, die fröhliche Königin von Frankreich, deren elegante Haltung einer Porzelanfigur von Sèvres ähnelte und dessen Lächeln den Zauber wolkenlosen Glücks hatte, mit bewundernswerter Würde, Überlegenheit und christlicher Resignation die bitteren Schlücke aus dem riesigen Kelch von Galle, mit dem die göttliche Vorsehung beschlossen hatte, sie zu verherrlichen.

Es gibt bestimmte Seelen, die nur dann groß sind, wenn Unglücksböen über sie hinwegfegen. Marie Antoinette, die belanglos als Prinzessin war und unverzeihlich frivol in ihrem Leben als Königin, veränderte sich angesichts der Welle von Blut und Elend, die Frankreich überschwemmte, auf überraschende Weise; und der Historiker stellt voller Respekt fest, dass aus der Königin eine Märtyrerin und aus der Puppe eine Heldin hervorgegangen sei.

Tochter der ungestümen Maria Theresia und des kleinmütigen Franz I.

Im Jahr 1755 wurde Erzherzogin Marie Antoinette, Tochter der ungestümen Maria Theresia, Königin von Ungarn und Böhmen, und Franz I., Herrscher des Heiligen Römischen Reiches, im prächtigen Schloss Schönbrunn in Wien geboren. Der Unterschied zwischen den Charakteren ihrer Eltern erklärt vielleicht die beunruhigenden Widersprüche, die sich in allen Handlungen von Marie Antoinette und in ihrem gesamten Leben finden. Maria Theresia war so männlich und energisch, dass sie dem großen Friedrich von Preußen glorreich die Stirn bot, und mit solcher Stärke ließ sie die königliche Autorität auf ihren Untertanen lasten, dass diese sie selbst in den wichtigsten offiziellen Dokumenten als König und nicht als Königin bezeichneten. Franz I. hingegen war schwach, schüchtern und wenig intelligent. Es heißt, als Voltaires ungerechtfertigte Einwände gegen die monarchische Form in seiner Gegenwart wiederholt wurden, beschränkte sich der arme Herrscher, der nicht über genügend Kultur und Energie verfügte, um die Prinzipien, deren Hüter er war, zu verteidigen, beschränkte er sich seinen Höflingen zu sagen: Was wollen Sie? Mein Amt erfordert, dass ich Monarchist sei!

Marie Antoinettes Kindheit spielte sich am pompösen Wiener Hof ab. Die junge Erzherzogin zeigte, dass sie von Natur aus freundlich war, was mit einer ausgeprägten Neigung zum Lernen einherging. Noch heute ist bekannt, dass sie mit Mozart, dem großen Pianisten, verlobt war, der als damaliges erst fünfjähriges Kind naiv glaubte, er sei mit der schönen Tochter der Herrscher des Heiligen Reiches verlobt.

Vom pompösen Wiener Hof zum feinvornehmen französischen Hof

Die Diplomatie von Choiseul, dem einflussreichen Minister des französischen Königs Ludwig XV., setzte dieser wolkenlosen Kindheit jedoch ein Ende, als er die Heirat Ludwigs XVI., damals noch Kronprinz, mit Marie Antoinette förderte. Offensichtlich hatte die Liebe die Herzen der jungen Prinzen nicht gebunden. Es handelte sich lediglich um eine diplomatische Vereinbarung, in der Österreich, getreu seiner Heiratspolitik und ausschließlich auf eigene Vorteile bedacht, eine seiner Erzherzoginnen abtrat, vorbehaltlich gewisser Entschädigungen seitens Frankreichs.

Nachdem die letzten diplomatischen Verhandlungen abgeschlossen und die notwendigen Abschiede erfolgt waren, machte sich die junge Marie Antoinette auf den Weg in das Land, dessen mächtige Königin sie in Zukunft werden sollte. Sie wurde von einem brillanten Gefolge begleitet, das sich aus allen hochrangigen Vertretern des Adels des Heiligen Reiches zusammensetzte. An der französischen Grenze fand die kuriose Zeremonie der „Übergabe der Erzherzogin“ statt. Es handelte sich um ein Gebäude, das aus zwei völlig identischen Teilen bestand, von denen einer auf französischem und der andere auf deutschem Territorium stand. Das Gefolge der Erzherzogin trat durch die deutsche Tür ein und führte Marie Antoinette in die Räume, wo sie endgültig ihre Kleidung als Prinzessin des Heiligen Reiches zurückließ und sie gegen die einer französischen Dame eintauschte. So gekleidet betrat Marie Antoinette, nur in Begleitung des österreichischen Botschafters, den französischen Teil des Gebäudes. Dort erwartete sie der gesamte französische Adel und offenbarte die unvergleichliche Eleganz, den immensen Reichtum und den raffinierten künstlerischen Geschmack, die den französischen Hof zu dieser Zeit charakterisierte.

Ludwig XVI., damals ein einfacher Kronprinz, war für sein strenges Verhalten und die Frömmigkeit, Freundlichkeit und Ehrlichkeit bekannt, die seinen Charakter auszeichneten. Seine schärfsten Gegner konnten ihm nur drei Vorwürfe machen: er sei apathisch, gefräßig und ein hochqualifizierter Schlosser. In der neuen fürstlichen Heimat, die ohne die Bande tiefer Zuneigung entstand, glich der christliche Geist, von dem die Frischvermählten durchdrungen waren, den Mangel an Liebe mit Vorteil aus. Marie Antoinette und Ludwig XVI. waren schon immer vorbildliche Ehepartner, die das unbestreitbare Glück ihres Familienlebens auf der soliden Grundlage gegenseitigen Respekts und absoluter Moral aufbauten.


Glückliche Jahre

Die Jahre zwischen der Hochzeit und der Krönung waren vielleicht die glücklichsten im gesamten kurzen Leben Marie Antoinettes.

Die junge Prinzessin war schön, mächtig, reich, gut verheiratet und vom Volk mit liebevoller Hingabe verehrt. Ihre einzige Beschäftigung bestand darin, durch die prächtigen Paläste der Krone Frankreichs spazieren zu gehen und dabei ihren extravaganten Hofstaat und all den schillernden Luxus mitzuführen, mit dem sie ständig umgeben war . Zu ihren Verdrießlichkeiten in dieser Zeit der Schicksale gehörten ihre häufigen und interessanten Auseinandersetzungen mit der Comtesse de Noailles, ihrer strengen Etikette-Lehrerin, die die junge Prinzessin unhöflich Madame Étiquette nannte. Es heißt, dass Marie Antoinette einmal, als sie im Beisein des gesamten Hofstaates von einem Esel fiel, auf dem sie ritt, lachend ausrief, immer noch auf dem Boden liegend: Rufen Sie Madame Étiquette, damit sie mir erklären kann, wie die Erbin des Thrones Frankreichs aufstehen soll, wenn sie von einem Esel gefallen ist.

Die Prinzessin von Lamballe, ihre Vertraute zu jedem Augenblick

Eines der merkwürdigen Züge des Charakters der jungen Frau Ludwigs XVI. war ihr sehnlicher Wunsch, jederzeit und in allen Situationen eine innige Freundin, eine Vertraute zu haben. Sogleich sie die Schwelle der Tür überschritt, die die Vergangenheit der Erzherzogin von der Zukunft der Prinzessin von Frankreich trennte, fiel ihr Blick auf eine Dame von idealer Schönheit, die Prinzessin von Lamballe, die mit der königlichen Familie verwandt und unglückliche Witwe eines der leichtsinnigsten Edelmänner Frankreichs war. Die Prinzessin von Lamballe war jung, schön und im Wesentlichen aristokratisch in der Anmut ihres Auftretens und von beispielloser Eleganz. Ihre tiefblauen Augen spiegelten die ganze Aufrichtigkeit ihrer reinen Seele und die immense Traurigkeit ihrer freudenlosen Jugend wider. Ihre Zartheit war so groß, dass sie einmal vor Schreck in Ohnmacht fiel beim Anblick eines Gemäldes, das eine Krabbe darstellte.

Abführung der Prinzessin von Lambale
zur Guillotine

Dies war die erste und aufrichtigste der Freundinnen von Marie Antoinette. Kurz darauf wurde sie jedoch durch die frivole Gräfin Polignac ersetzt. Die Prinzessin von Lamballe ertrug ihre Trennung mit der Würde einer großen Seele: Sie beklagte sich nicht und erniedrigte sich nicht. Die Prinzessin von Lamballe taucht erst wieder auf, geköpft und verstümmelt in den Straßen von Paris, als sie aus England auf der Suche nach der unglücklichen Märtyrerin kam, der die Prinzessin in der Bitterkeit ihres Leidens die Untreue in glücklicheren Zeiten vergab. Sie, die vor einer gemalten Krabbe in Ohnmacht fiel, hatte genug Mut, sich dem revolutionären Taifun zu stellen und für die Sache ihrer Freundin zu sterben, die ihr in der Zeit des Glanzes untreu gewesen war.

Die Gräfin von Polignac übte jedoch keinen heilsamen Einfluss auf Marie Antoinette aus, sondern verwickelte sie in ein zügelloses Glücksspiel. Damals war das extrem teure Glücksspiel namens Pharao in Mode. Die Spiele des Pharaos begannen abends in der Wohnung der Polignac und endeten in der ersten Morgendämmerung unter den Augen der Bevölkerung, die über die eifrige Mitbeteiligung der Thronfolgerin an diesen Spielen empört war.

Dies war eine Quelle der verdienten Tadel an Marie Antoinette. Kurz darauf wurde auf einem beliebten Volksball zu Karneval in der Oper diejenige entdeckt, die die Königin von Frankreich sein würde, die sich arglos amüsierte, ohne sich der Würde ihrer Position zu erinnern. Nach und nach verschärften sich die Gerüchte, und als der alte Ludwig XV. starb, bestieg Marie Antoinette bereits unter zahlreichen Äußerungen der Antipathie den Thron.

Königin von Frankreich

Dennoch war die Begeisterung des Volkes groß, als der Applaus Marie Antoinette spät in der Nacht verkündete, dass mit dem Tod Ludwigs XV. der Moment gekommen sei, dass der schwache und gute Ludwig XVI. zum König von Frankreich und Navarra gekrönt werde.

Die Krönungsfeierlichkeiten waren ein seltsamer Kontrast aus Elend und Prunk. Ludwig XVI., nachdem er in der alten und prächtigen Kathedrale von Reims in Anwesenheit des gesamten Adels und des gesamten Klerus Frankreichs zum König von Frankreich geweiht und gekrönt wurde, nachdem er vom Vertreter des Heiligen Vaters mit dem Öl gesalbt worden war, das der Überlieferung nach am Tag der Bekehrung Chlodwigs vom Himmel herabgestiegen war, nachdem er die Ehrungen von den repräsentativsten und edelsten Persönlichkeiten der Nation erhalten hatte, verließ er in Begleitung des Bischofs von Autun die Kathedrale und berührte mit seinen Händen die Wunden von mehr als Zweitausend Kranken aller Art, die in einer Reihe an der Tür der Kirche auf den Ausgang des Königs warteten, der der Überlieferung nach durch die einfache Berührung seiner souveränen Hände bestimmte Krankheiten heilen sollte. Als Vorbote trauriger Ereignisse soll die Krone, als sie dem König aufgesetzt wurde, aus den Händen des Apostolischen Nuntius gefallen sein und Ludwig XVI. an der Stirn getroffen und ihn so verletzt haben, dass Blut floss.

Die französische Gesellschaft wurde durch den Geist von Voltaire und Rousseau verdorben

Mit der Krönung beginnt das lange Leiden der Königin. Das Volk litt unter Hunger und wollte nicht begreifen, dass die Kosten der Hofhaltung zu einem großen Teil für die Würde der Monarchie notwendig waren. Das Volk, das schon immer Opfer schamloser Ausbeuter war, verstand nicht, dass der Adel große Privilegien genoss, aber dafür die Armee und die Marine auf eigene Kosten unterhielt und andererseits die Kosten eines großen Teils der Verwaltung trug. Das Volk verstand schließlich nicht, dass der Klerus, diese mutige Klasse, die immer für das Gute, gegen alles Böse, für die Schwachen, gegen alle Mächtigen und für Gott gegen seine Feinde gekämpft hatte, allein für die Kosten aufkam der derzeitigen französischen Ministerien für öffentlichen Unterricht und Gottesdienst.

Nein, die Sophismen eines zerstörerischen Geistes wie Voltaire, die tränenreiche und pervers hohle Beredsamkeit von Rousseau hatten die gesamte französische Gesellschaft verdorben. Dieser leichtfertige Adel, der vorgab seinen Gott vergessen zu haben, würde bald zeigen, dass er auch seinen König, seine Vergangenheit und die enorme Bedeutung des Ruhms vergessen würde, die die edlen Traditionen repräsentierten, deren Verwahrer er war. Diese Adligen, deren Vorfahren Löwen gewesen waren, hatte das ausschweifende und unreligiöse Leben des Hofes in Balletttänzer verwandelt. Und das Volk, das mehr von Neid als von Hunger getrieben wird und im Vergessen, dass das Vertreten einer bescheidenen Rolle in der Gesellschaft auch eine Erfüllung eines göttlichen Auftrags bedeutet, stürzt sich wütend gegen die politische Organisation Frankreichs.

Größer im Leid als im Ruhm

Am 14. Juli kam es zur Überfall auf Versailles durch eine Schar von Straßenweibern, die die Massen der Pariser Bevölkerung hinter sich herzog, dem schwachen König die phrygische Mütze aufzwang und eine Monarchie beleidigte, die sich nicht verteidigen konnte; das Massaker an unschuldigen Priestern, die mit ihrem Leben für das enorme Verbrechen bezahlten, sich mit Leib und Seele dem Dienst Gottes gewidmet zu haben und seinen heiligen Namen und sein Gesetz des Friedens und der Liebe zu predigen; die Ermordung mehrerer Adliger, die in Zeiten der Gefahr, nicht von dem Thron desertieren wollten, um den sie ihr Leben lang getanzt hatten; hat diese schreckliche Kette von Verbrechen, die die Seiten der Menschheitsgeschichte beschmutzte, die Königin von Frankreich, die Tochter der hochmütigen Habsburger, vielleicht niedergeschlagen?

Niemals! Nie hat diese Porzellanpuppe der Bälle im Trianon den Kopf vor der Schmach ihrer Feinde gesenkt. Niemals, nicht für einen einzigen Moment, hörte die entthronte Souveränin auf, Königin zu sein, da sie, mehr im Leiden als im Ruhm zeigte, als sie unbewaffnet und mit ihrem Sohn auf dem Arm jenen wütenden Betrunkenen entgegentrat, die in die königlichen Paläste eindrangen, dass sie einem Stamm angehörte, der keine Gefahren fürchtete, besonders wenn er eine gerechte Sache verkörperte.

Als das Königtum durch den Schlamm von Paris geschleift wurde und die schwache Persönlichkeit Ludwigs XVI. unter der Last des Unglücks gebrochen war, war Marie Antoinette das einzige Bollwerk des Widerstands, die ihr Unglück zu einem leuchtenden Thron ihrer Persönlichkeit machte, erträgt sie unerschrocken, gewaltig im Angesicht des Leidens, nur mit der erhabenen Rüstung des Glaubens bewaffnet und der christlichen Resignation, die Welle, die Frankreich überschwemmen würde.

Bis zum letzten Moment wollte diese Herrscherin ihren Thron retten, nicht aus persönlichem Interesse, sondern aus Liebe zum monarchischen Prinzip. Und sie tat dies ohne zu zögern, ermutigte alle und verzweifelte nie, selbst als die Bevölkerung sie aus den Tuillerien, wo sie gefangen gehalten wurde, entführte und sie unter dem Lärm des Geschreis und des Spottes des einfachen Volkes in den tödlichen Schatten des düsteren Gefängnis des Tempels führte, auch als sie gezwungen wurde, voller Abscheu und Gewissenbisse den Kopf der kühnen Prinzessin von Lamballe zu sehen, mit leeren Augenhöhlen, gepudertem mit Blut bespritztem Haar, und blassen Lippen, am Ende einer Spitzstange, zwischen den Gitterstäben des Fensters ihres Kerkers, als Zeugnis des grausamen und unverdienten Todes ihrer besten Freundin. Hier, meine Herren, ist ihre Folter als Königin. Sie war vollständig, es fehlte nichts, und sie ertrug alles mit Ruhe und Resignation, wobei von Zeit zu Zeit Bewunderungsrufe aus den Reihen ihrer eigenen Gegner zu hören waren.

Als Ehefrau erlitt Marie Antoinette das größte Martyrium. Ihr Mann, dem sie alle Gefühle einer vorbildlichen katholischen Ehefrau widmete, wurde nachdem er Zielscheibe der grausamsten Beleidigungen wurde, schließlich in einen für die Zukunft glorreichen Tod gezerrt, der dann aber absolut deprimierend wirkte. Von ihrem Gefängnis im Tempel aus hörte Marie Antoinette sicherlich den Trommelschlag, der verkündete, dass der Nationalkonvent im Namen der Gleichheit den unschuldigen Vertreter des Königshauses vernichtete; im Namen der Freiheit hinderte man das Volk, das er sehr geliebt hatte, daran, sich am Grab von ihm zu verabschieden; und im Namen der Brüderlichkeit würde man ihm das Leben auf die Guillotine nehmen.

Aber, meine Herren, es war die Mutter, die in Marie Antoinette die schrecklichsten Folterungen erlitt. Als der Konvent beschlossen hatte, Marie Antoinette von ihrem Sohn zu trennen, kämpfte sie zwei Stunden lang, indem sie den Körper des unschuldigen kleinen Prinzen mit ihrem Körper bedeckte, gegen den brutalen Schuster Simon und seine finstere Bande und ließ ihren Sohn erst los, als ihr völlig die Kraft zum Widerstand verließ. Lang waren die Monate der Trennung. Allein, furchtbar allein, gefangen in einem schrecklichen Raum im Tempelgefängnis, war für die unglückliche Frau ihr Gebet ihr einziger und tatsächlich mächtiger Trost. Bis heute bewahrt Frankreich ihr Messbuch, auf dem zweifellos die bitteren Tränen dieser Mutter niederflossen, die auf dem Höhepunkt des Unglücks und der Verlassenheit immer Gott für die Hilflosigkeit danken konnte, in der sie sich befand.

Schließlich wurde sie vom Comité de Salut Public angeklagt, weil sie ihr Land verraten hatte, weil sie eine neue Katharina von Medici sei, weil sie eine schlechte Ehefrau und Mutter war und vor allem aus dem weniger nachvollziehbaren Grund, sich den ketzerischen Ansprüchen eines bestimmten geheimen Gemeinnützigen Vereins zu widersetzen, der keineswegs unbekannt ist.



Der herrliche Schrei des Herzens einer Mutter löst ein Delirium der Begeisterung aus

Im Prozess erreichte ihr Leiden den Höhepunkt. Ihr vom Alkohol misshandelter Sohn wurde zu einem echten kleinen Tier, dessen einziges und beständiges Gefühl Angst war. Man stelle sich die Szene vor: Auf einem Podium sitzen die Henker, die im Prozess sich selbst Richter nennen. Auf einer Reihe von Bänken spielten ein halbes Dutzend ekelhafte, nach Alkohol riechender Personen die Rolle der Geschworenen. Die Königin, abgemagert, in einem langen schwarzen Kleid, mit völlig weißen Haaren, alt in ihrem niedergeschlagenen und traurigen noch jungem Alter, betritt mit der ganzen Majestät ihrer Dekadenz, immer noch selbstbewusst, immer noch schön und immer würdevoll und unbesiegbar, diesen Käfig, in dem ihr Ruf und ihr Mutterherz von den seelenlosesten Bestien der französischen Geschichte zerrissen wird.

Das Verhör beginnt brutal, hinterhältig, pervers. Die Königin antwortet entweder würdevoll oder sie schweigt und weist mit ihrem Schweigen die Schande bestimmter Anschuldigungen zurück. Dann wird der Kronprinz der Throne von Frankreich und Navarra in den Raum eingeführt. In groben Holzschuhen, mit einer phrygischen Mütze auf dem Kopf, mit dem brutalen und traurigen Aussehen von jemandem, der schon lange alle Schrecken der Barbarei eines Henkers wie Simon ertragen musste, und mit dem idiotischen Gesichtsausdruck eingefleischter Alkoholiker, mit einer weinerlichen Stimme, wirft er der Mutter die größten Beleidigungen entgegen.

Dies, meine Herren, ist der Höhepunkt des Leidens. Die Szene ist an sich schon schrecklich und bedarf keines Kommentars. Ich sage Ihnen nur, dass die Königin mit einem großartigen Ausruf aus dem Herzen einer Mutter, die von den schrecklichsten Schmerzen geplagt ist, in der Beredsamkeit ihrer Halluzination, im Schrecken ihres dantesken Leidens, einen Appell an alle anwesenden Mütter richtet, indem sie fragt, ob sie den Beleidigungen des Jungen glauben. Und als ob die menschliche Natur tief in den Herzen dieser Megären, die lange Zeit unterdrückt war, schließlich explodierte, und es gab einen Schauer von Applaus und ein Delirium der Begeisterung im Raum. Die Leute, die zum Gericht gekommen waren, um den Verlauf des Verfahrens mit Spannung zu verfolgen, waren plötzlich unglaublich begeistert von ihrem Opfer, und Marie Antoinette erhielt auf der Anklagebank, auf dem Höhepunkt ihrer Schande, gewaltige und aufrichtige Ovationen von ihren Peinigern. Was kann ich, meine Herren, zu diesem historischen Schritt sagen?


Hinrichtung von Marie Antoinette in Paris auf dem Platz der Revolution
heute genannt Place de la Concorde

Sie liebte Gott mehr im Leiden als in der Fülle der Freuden

Schließlich kam der Tod. Gott hatte in seiner unermesslichen Güte im Himmel einen würdigen Ort für sie bereitet, die so viel gelitten hatte, und Ihn mehr liebte, als Er ihr Kummer schickte, als in der Fülle ihrer Freuden. Am 16. Oktober 1793 endete ihr langes Martyrium unter der Guillotine, deren Klinge, kriminell und barmherzig zugleich, den Faden ihrer außergewöhnlichen Existenz durchschnitt.

So endete die königliche Märtyrerin, dessen Geschichte einem zarten und palastartigen Menuett ähnelt, dessen harmonische Töne abrupt vom schrecklichen Brüllen einer schrecklichen revolutionären Farandola übertönt wurden.

Plinio Corrêa de Oliveira

 

 

Aus dem Portugiesischen mit Hilfe von Google Übersetzer von „Maria Antonieta, Arquiduqueza d’Áustria, Rainha de França e Viuva Capeto“ in https://www.pliniocorreadeoliveira.info/DIS_290821_maria_antonieta_1o_discurso.htm

Die deutsche Übersetzung „Marie Antoinette, Erzherzogin von Österreich, Königin von Frankreich und Witwe Capet“ erschien erstmals in www.p-c-o.blogspot.com

Nachdruck oder Veröffentlichung ist mit Quellenangabe dieses Blogs gestattet.

Lesen Sie auch https://der-adel.info 

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Zur Ehrung dieser Ehrwürdigen Königin gebe ich in der Folge ihren Abschiedsbrief  an Mme. Elisabeth (Schwester des Königs Ludwig XVI.) wieder.

Abschiedsbrief von Marie Antoinette de Bourbon vom 16.10.1793.

Folgendes ist der Inhalt dieses bewundernswerten Testaments, welches in jeder Beziehung dem Ludwigs XVI. würdig zur Seite steht:


„An Dich, meine Schwester, schreibe ich zum letzten Male. Ich bin verurteilt worden, nicht, eines schmachvollen Todes zu sterben - denn der gebührt nur den Verbrechern - sondern Deinen Bruder wiederzusehen.

Ich hoffe, dieselbe Festigkeit wie er zu zeigen.

Es tut mir schmerzlich leid, meine armen Kinder verlassen zu müssen; Du weißt, dass ich nur für sie und für Dich lebte.

Du hast in Deiner Freundschaft alles geopfert, um bei uns zu leben; in welcher Lage lasse ich Dich! Aus der Verteidigungsrede beim Prozess habe ich erst erfahren, dass meine Tochter von Dir getrennt ist.

Ach, das arme Kind! Ich wage nicht, ihm zu schreiben, denn es würde meinen Brief nicht erhalten; ich weiß nicht einmal, ob derselbe Dir zugehen wird.

Nimm meinen Segen für sie!

Ich hoffe, dass sie sich eines Tages, wenn sie erwachsen sein werden, wieder mit Dir vereinigen und Deine zärtliche Sorgfalt in Frieden genießen können; mögen sie stets der Lehre gedenken, die ich ihnen immer einzuflößen suchte, dass ihre Freundschaft und ihr gegenseitiges Vertrauen ihr einziges Glück ausmachen; möge meine Tochter eingedenk sein, dass sie, durch ihr reiferes Alter befähigt, ihren Bruder mit allen Ratschlägen beistehen soll, welche ihre Erfahrung und ihre Freundschaft ihr einflössen; mögen beide bedenken, in welche Lage sie auch kommen, dass sie nur durch Eintracht wahrhaft glücklich sein können. Möchten sie sich doch an uns ein Beispiel nehmen!

Wie viel Trost hat uns wahre Freundschaft im Unglück gewährt; und des Glücks genießt man doppelt, wenn man es mit einem Freund teilen kann; wo kann man zärtlichere und treuere Freunde finden als im Schoß der eigenen Familie? Mein Sohn soll niemals die letzten Worte seines unglücklichen Vaters, die ich ihm ausdrücklich wiederhole, vergessen: Er trachte niemals danach, unseren Tod zu rächen.

Ich habe nun noch von einer Sache zu sprechen, die meinem Herzen peinlich ist; ich weiß wie viel Mühe Dir dieses Kind machen muss! Verzeihe ihm teure Schwester, bedenke sein zartes Alter. Wie leicht ist es einem Kind einzureden, was man will und was es selber nicht versteht! Hoffentlich wird dereinst ein Tag kommen, wo er Deine Güte und Zärtlichkeit für ihn und seine Schwester besser zu würdigen wissen wird.

Es bleibt mir noch übrig, Dir meine letzten Gedanken anzuvertrauen.

Ich wollte Dir beim Beginn des Prozesses schreiben; aber abgesehen davon, dass man mich nicht schreiben ließ, war der Verlauf so schnell, dass ich auch keine Zeit dazu gehabt haben würde.

Ich sterbe in der römisch-katholischen apostolischen Religion, in welcher ich mit meinen Brüdern erzogen wurde und zu welcher ich mich stets bekannte; ich habe keinen anderen geistlichen Trost zu erwarten, denn ich weiß nicht, ob überhaupt noch Priester dieser Religion vorhanden sind und ob sie sich nicht großem Gefahren aussetzen würden, wenn sie den Ort, wo ich mich befinde, zu betreten wagten; ich bitte aufrichtig Gott um Verzeihung für alle Fehler, die ich bei meinen Lebzeiten begangen habe.

Ich hoffe, dass er in seiner Güte meine Seele in seinen barmherzigen Schutz aufnehmen werde; ich verzeihe allen meinen Feinden das Übel, das sie mir zugefügt haben. Ich bitte alle diejenigen, die ich kenne, und Dich, meine Schwester, im besonderen um Verzeihung für alle Mühe, die ich Euch ohne meinen Willen verursacht habe. Ich sage meinen Tanten und allen meinen Geschwistern Lebewohl.

Ich hatte Freunde, und der Gedanke, von ihnen und ihrer Liebe für immer getrennt zu werden, verursacht mir großes Leid in meinem Tode; mögen sie hierdurch wenigstens erfahren, dass ich bis zu meinem letzten Augenblick an sie dachte!

Lebe wohl, meine gute und zärtliche Schwester; o möchte dieser Brief zu Dir gelangen! Denke immer an mich! Ich umarme Dich von ganzen Herzen ebenso wie jene armen, geliebten Kinder.

Mein Gott, wie herzzerreißend ist es, sie auf immer verlassen zu müssen! Lebe wohl! Lebe wohl!

Ich darf mich jetzt nur mit meinen geistlichen Pflichten beschäftigen; da ich nicht über meine Handlungen frei verfügen kann, so wird man mir vielleicht einen Priester zuführen; aber ich erkläre hiermit, dass ich demselben nicht ein Wort sagen und ihn wie ein durchaus fremdes Wesen behandeln werde.“

Als dieser Brief beendigt war, küsste die Königin alle Seiten desselben, faltete ihn zusammen und gab ihn an Bault, mit der Bitte, ihn Madame Elisabeth zuzustellen.


Quelle:

Henry Sanson, Tagebücher der Henker von Paris 1685-1847, Verlag Gustav Kiepenheuer, Potsdam, 1924, S. 414-417

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