Wenn in allen Epochen der Geschichte der Christenheit das
Weihnachtsfest eine freudige und ruhige Lichtung im normalen und arbeitsamen
Lauf des täglichen Lebens aufschlägt, so hat die weihnachtliche Ruhe in unserer
Zeit eine besondere Bedeutung, denn sie steht für ein großes und universelles
„sursum corda“, das einer stürmischen und leidenden Menschheit zugerufen wird,
die schleunigst in den Chaos einer vollständigen sittlichen und
gesellschaftlichen Auflösung versinkt.
Unser Zeitalter kommt einem dunklen Tal zwischen zwei
Gipfeln gleich: Die vergangene Zivilisation, von der wir abgefallen sind durch
aufeinander folgende Katastrophen, die mit der Reformation begonnen haben und
in den Links- und Rechtstotalitarismen ihren Höhepunkt erreichten, und die
künftige Zivilisation, der wir entgegen schreiten mit Kämpfen und
Verdrießlichkeiten, die kontinuierlich unseren Weg mit Kreuzen säumen.
Gerade weil wir die letzten Minuten einer Welt erleben,
die im Sterben liegt, und die Vorboten einer neuen Welt, die im Kommen ist, hat
die Botschaft von Weihnachten für uns eine besonders tiefe Bedeutung, die wir
heute betrachten wollen.
* * *
In einem anderen Teil unserer heutigen Ausgabe bringen
wir eine Zusammenfassung der Wünsche, die die vorchristliche Menschheit hegte
in der Erwartung eines Erlösers. Das auserwählte Volk erwartete diese Erlösung
durch einen Messias, der aus dem Stamme Davids geboren werden sollte, gemäß
einem wahren und unleugbaren göttlichen Versprechen. Alle anderen Völker der
Erde, wenn sie auch nicht die göttlichen Botschaften durch die Propheten
bekommen haben, behielten aber doch die Erinnerung des Versprechens für das
Kommen eines Erlösers, das Gott Adam und Eva gemacht hatte, als sie aus dem
Paradies vertrieben wurden. Deshalb bewahrten sie auch, mal mehr mal weniger
genau, die überlieferte Hoffnung, dass ein Erlöser die leidende und sündige
Menschheit erneuern würde.
Diese Hoffnung erreichte ihren Höhepunkt zu der Zeit als
Jesus geboren wurde. Wie ein bekannter Historiker sagte, fühlte sich die ganze
Menschheit alt und verbraucht. Die angewandten politischen und
gesellschaftlichen Formeln entsprachen schon nicht mehr den Wünschen und der
Sichtweise der Menschen dieser Zeit. Ein großer Wunsch nach Reformen durchschüttelte
viele Völker. Der Klassenkampf kochte seit nicht langer Zeit in Griechenland,
in Italien, in Phönizien und anderen Ländern mehr. Die politische Organisation
nahm mehr und mehr die Züge eines Unterdrückungsapparats an. Rom hatte die
Grenzen seines Reiches über die ganze Welt ausgedehnt und die Ewige Stadt war
damals nicht die Königin sondern die
Tyrannin der ganzen Menschheit geworden, der sie mit den ungerechtesten Abgaben
nötigte, um die Orgien der römischen Patrizier zu unterhalten. In allen Ländern
war der Kontrast zwischen Reichtum und Elend offensichtlich. Einerseits lebten
die Reichsten in einem ungezügelten Prunk und Luxus. Andererseits bevölkerten
die zahllosen Arbeitslosen viele Stadtteile der Großstädte mit verheerenden
Folgen. Letztlich, als düsterer Hintergrund dieses Bildes, waren da die Millionen von Sklaven, die,
angekettet in Schiffskellern oder wie Zugtiere an Transportwagen und Pflügen
angespannt, unter der Gewalt einer Unterdrückung stöhnten, die kein Ende zu
haben schien. Ein maßloser korrupter Sittenverfall breitete sich über das ganze
Reich aus und zog alle politischen Institutionen in den Ruin. In den Reihen der
hohen Aristokratie vermehrten sich die Skandale, die sich dann über alle
Schichten der Gesellschaft erstreckten. Kaiser Augustus versuchte umsonst gegen
diesen zunehmenden Verfall anzugehen. Die von ihm erlassenen reaktionären
Gesetze zeigten keine Wirkung. Die widernatürlichsten Abartigkeiten vermehrten
sich im Schoße seiner eigenen Familie. Die ganze Welt spürte, dass eine
unausweichliche, tiefe Krise die Gesellschaft in einen unvermeidlichen
Zusammenbruch führen würde.
* * *
Als die Welt in diesem Zustand weilte und Staatsmänner
und Sittenlehrer ernsthaft über so viele und unlösbare Probleme diskutierten,
erstrahlte mitten in einer finsteren Nacht in einem Stall zu Bethlehem die
Rettung der Welt. Es kann sein, dass im gleichen Moment, in dem der Erlöser
geboren wurde, der hochmütige römische Kaiser in seinem Palast dem bitteren
Grübeln über den kläglichen Ausgang seiner moralisierenden Politik ausgeliefert
war. Es kann sein, dass in der nahen Umgebung des kaiserlichen Palastes bis
tief in die Nacht einige dieser wüsten Orgien abliefen, die für den
obligatorischen Tratsch der nächsten Tage häufige Nahrung lieferte. Weder die
einen noch die anderen, weder der geniale Kaiser noch die Sibariten, die die
Gesellschaft korrumpierten, hatten eine Ahnung, was in diesem Moment in
Bethlehem geschah.
Doch es war nicht im Kaiserpalast, nicht in den
aristokratischen Orgien, nicht in den Verschwörertreffen, wo sich das Schicksal
der Welt entschied. Die Gesellschaft der Zukunft, die aus der vollkommenen und
vollständigen Lösung der lebenswichtigsten Probleme der damaligen Zeit
hervorging, wurde in Bethlehem geboren. Die Welt empfing aus den jungfräulichen
Händen Mariens den Messias, der durch sein Blut die Welt erlösen und sie mit
seinem Evangelium neu organisieren würde.
* * *
Welche vorrangige Lehre können wir hieraus ziehen?
So wie für die Menschheit in der Zeit des Augustus die Lösung
der verstricktesten sozialen und politischen Probleme nicht gefunden wurde als
nur in Christus allein, so müssen wir in unsere Zeit nur in die katholischen
Kirche, den mystischen Leib Unseres Herrn Jesus Christus, unsere Hoffnungen
setzen.
Es kann sein, dass in der unbewussten Nachahmung der
Vigil des Augustus am Heiligen Abend viele moderne „Kaiser“ (welch ein
Unterschied zwischen dem Format des authentischen Augustus und seiner modernen
Faksimiles!) diesen Heiligen Abend gebeugt über ihrem Arbeitstisch grübelnd
verbrachten, um Mittel zu finden, um ihr leidendes Land aus der Klemme der
Krise zu holen, gleichgültig gegenüber der Frömmigkeit der Massen, die in den
Kirchen beteten. Es kann sein, dass in dieser selben Nacht ausschweifende
Orgien in vielen Palästen (nicht mehr die Paläste der römischen Aristokratie,
sondern moderne „dancings“, Paläste, die die moderne Welt zu Ehren ihrer
eigenen Korruption errichtet) in die Stille der Nacht den Klang der profanen
Musik des „Revéillon“ hinausdröhnen. Es kann sein, dass etliche Verschwörer in
der Stille der Nacht eine Revolution oder ein Krieg aushecken, während das Volk
die Geburt des Friedensfürsten feiert.
Trotz alledem wird die Erlösung nicht von den neuen
Kaisern, von den Verschwörern unserer Tage und noch weniger von der
Gesellschaft, die sich in den „dancings“ verdirbt, kommen. Als Katholiken
müssen wir die Erlösung, die Rettung, nur von dem erwarten, der heute Christus
auf Erden vertritt. Es ist auf Pius XI. und nur auf ihn auf dieser Erde, auf
den wir unseren Blick richten müssen.
* * *
Es gibt aber noch eine weitere Überlegung von höchster
Zweckmäßigkeit. Alle Theologen sind sich einig, dass die Erlösung der Welt in
der damaligen Zeit erstrahlte, nur durch die allmächtigen Bitten der Jungfrau
Maria; Sie erreichte die Vorwegnahme der Geburt des Messias. Niemand kann
sagen, wie viel Jahre oder Jahrhunderte die Erlösung noch auf sich hätte warten
lassen, ohne die Fürbitten Mariens.
Die Neuordnung der Welt kam nicht von denen, die zur Zeit
des Augustus auf den öffentlichen Plätzen oder in politischen Kreisen
gegeneinander aufwiegelten. Die Neuordnung kam durch die demütigen Gebete der
Jungfrau Maria, völlig unerkannt von ihren Zeitgenossen, in einem Leben der
Betrachtung und der Einsamkeit in dem kleinen Ort, wo sie durch göttliche
Fügung geboren wurde.
Ohne das aktive Leben herabsetzen zu wollen, muss man
doch hervorheben, dass durch das Gebet und die Betrachtung der Zeitpunkt der
Erlösung vorweggenommen wurde. Und was der Genius des Augustus, die Klugheit
aller großen Politiker, aller großen Generäle, Finanzexperten und Verwalter
seinerzeit der Welt nicht geben konnten, bewirkte Gott durch die Heiligste
Jungfrau. Nicht diejenigen, die am meisten studiert hatten, die am meisten
aktiv waren, konnten der Welt diese Wohltat erweisen, sondern die, die am
meisten und am innisgten gebetet hat.
* * *
Wenn die heutige Welt sich aus dem Chaos befreien will,
muss sie sich zuallererst der Kirche zuwenden.
Es ist mit einer milden und doch strengen Lektion, mit
der wir diese kurze Weihnachtsbetrachtung beenden.
Es wird vor allem von den Kämpfern der Katholischen
Aktion und den auserwählten Seelen, die Gott im priesterlichen oder religiösen
Stand zu einem aktiven oder einem Leben des Gebets berufen hat, auf menschlicher
Ebene abhängen, ob die Einrichtung der sozialen Herrschaft Unseres Herrn Jesus
Christus vorweggenommen oder verzögert wird.
Was wir als Laien, die wir für die Kirche kämpfen, im
Bewusstsein der Größe dieser Aufgabe tun müssen, ist, an der Krippe des
Christkindes ein Gebet sprechen:
„Domine, adveniat regnum tuum“.
„Herr, es komme Dein Reich“, dass wir es in uns
verwirklichen, um es dann, mit Deiner Hilfe auch um uns verwirklichen.
(Freie Übersetzung des Originals, das im „Legionário“, Nr. 328, 25.12.1938 erschienen ist.)
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