Freitag, 29. Dezember 2017

Et vocabitur Princeps Pacis, cujus Regni non erit finis

Plinio Corrêa de Oliveira 
In einer geschichtlichen Perspektive gesehen, stellt das Weihnachtsfest den ersten Lebenstag der christlichen Zivilisation dar. Noch war es zwar ein aufkeimendes, erst an seinem Anfang stehendes Leben, vergleichbar der aufgehenden Sonne, doch dieses Leben barg bereits all die unvergleichlich reichen Bestandteile der herrlichen Reife seiner Bestimmung in sich.

Denn, wenn wir bedenken, dass sich alle Reichtümer der christlichen Zivilisation in unserem Herrn Jesus Christus als ihrer einzigen, unendlich vollkommenen Quelle enthalten sind, und dass sich das Licht, das für die Menschen in Bethlehem zu strahlen begann, immer weiter erstrecken sollte, bis es die ganze Welt erleuchtete und die Gesinnungen verwandelte, Sitten aufhob und neue begründete, allen Kulturen einen neuen Geist einflößte, alle Zivilisationen auf eine höhere Stufe erhob, dann kann man auch sagen, dass der erste Tag Christi auf Erden von Anfang an der erste Tag eines neuen Zeitalters war.

Wer hätte das geahnt? Es gibt kein schwächeres Menschenwesen als ein Kind, keine ärmlichere Wohnstatt als eine Grotte, keine rohere Wiege als eine Krippe. Und doch wird dieses Kind in dieser Grotte, in dieser Krippe den Lauf der Geschichte verändern.

Und was für eine Veränderung!
Die schwierigste von allen, denn es ging nicht einfach darum, den Lauf der Dinge in der Richtung zu beschleunigen, die sie genommen hatten, sondern die Menschen auf den Weg zu leiten, der ihren Neigungen am deutlichsten entgegenstand, auf den Weg der Strenge, des Opfers, des Kreuzes. Es handelte sich darum, eine durch Aberglauben, religiösen Synkretismus und totale Skepsis verrottete Welt auf den Weg des Glaubens zu führen, eine Menschheit zur Gerechtigkeit zu bewegen, die allen möglichen Formen der Bosheit verfallen war: der despotischen Herrschaft des Starken über den Schwachen, der Massen über die Eliten und der Plutokratie, die die Fehler der bereits genannten in sich vereint, über die Masse. Es sollte eine Welt zur Entsagung angehalten werden, die sich allein dem Vergnügen in allen seinen Formen hingab. Es ging darum, der Reinheit in einer Welt Raum zu schaffen, in der alle Laster

bekannt, geübt und gut geheißen wurden. Natürlich musste diese Aufgabe unlösbar erscheinen, und dennoch hat sie das göttliche Kind vom ersten Augenblick seines Erscheinens auf Erden an in Angriff genommen, und weder der Hass eines Herodes, noch die Gewalt der römischen Herrschaft und die Macht der menschlichen Leidenschaften vermochten es aufzuhalten.


Zweitausend Jahre nach der Geburt Christi scheint es, dass wir wieder zum Ausgangspunkt zurückgekommen sind. Die Anbetung des Geldes, die Vergöttlichung der Massen, die grundlose Sucht nach den eitelsten Vergnügungen, die despotische Herrschaft der brutalen Gewalt, der religiöse Synkretismus, der Skeptizismus, alles in allem, das Neuheidentum in all seinen Erscheinungen hat sich wieder über die ganze Welt verbreitet.


Er käme einer Gotteslästerung gleich, wer hier behaupten wollte, dass dieses höllengleiche Durcheinander von Korruption, Revolte, Gewalt, das wir vor uns haben, die christliche Kultur, das Reich Christi auf Erden sei. Nur hier und da überlebt der eine oder andere große Umriss der ehemaligen Christenheit verletzt in der heutigen Welt. Doch in ihrer vollständigen und globalen Wirklichkeit existiert die Christenheit nicht mehr, und von dem großen Licht, das in Bethlehem zu leuchten anfing, erleuchten nur einige wenige Strahlen die Gesetze, die Sitten, die Institutionen und die Kultur des 20. Jahrhunderts. Wie ist es dazu gekommen? Hat das Wirken Jesu Christi – genauso gegenwärtig in unseren Tabernakeln, wie damals in der Krippe in Bethlehem – an Wirksamkeit verloren? Keinesfalls!

Wenn die Ursache nicht bei Ihm ist und bei Ihm nicht sein kann, dann ist sicherlich bei den Menschen zu suchen. Jesus kam in eine äußerst dekadenten Welt, doch dann fand Er und nach Ihm die Heilige Kirche Seelen, die sich der Verkündigung des Evangeliums öffneten. Heute wird das Evangelium in der ganzen Welt gepredigt. Doch die Zahl derjenigen, die hartnäckig sich weigern, das Wort Gottes zu hören, wird erschreckend immer größer. Ebenso derer, die durch ihre Gedanken oder Sitten sich am entgegengesetzten Pol der Kirche befinden. „Lux in tenebris lucet, et tenebrae eam non comprehenderunt“.

Das und nur das ist der Grund des Verfalls der christlichen Kultur auf der Welt. Denn, wenn der Mensch nicht Katholisch ist und es nicht sein will, wie kann die Zivilisation, die seine Hände hervorbringen soll, christlich sein?

Es ist erstaunlich, dass so viele Menschen sich fragen, welches der Grund der titanischen Krise ist, in der sich die Welt herumschlägt. Man braucht sich doch nur vorzustellen, die Menschheit würde die Gebote Gottes befolgen, um zu verstehen, dass die Krise sich auflösen würde. Das Problem liegt also an uns, an unserem freien Willen. Es liegt an unserem Verstand, der sich der Wahrheit verschließt; an unserem Willen, der von den Trieben beansprucht, sich dem Guten verweigert. Die Umkehr des Menschen ist heute die wichtigste und unerlässlichste zu vollziehende Reform. Mit ihr wäre alles gelöst. Ohne sie, werden alle Mühen nutzlos sein.
Dies ist die große Wahrheit, die man zu Weihnachten betrachten sollte. Es reicht nicht, dass wir uns vor dem Jesuskind verneigen unter den Klängen liturgischer Musik, eingestimmt in die Freude der Gläubigen. Jeder von uns muss sich um seine eigene Umkehr kümmern, und auch um die Umkehr des Nächsten, damit die gegenwärtige Krise eine Lösung finde, damit das Licht, das in der Krippe leuchtet, freien Lauf bekommt, um über die ganze Welt erstrahlt.

 Doch wie soll man das erreichen? Wo sind die Kinos, Rundfunksender, Zeitungen, Organisationen? Wo sind unsere Atombomben, Trompetenstöße, Heere? Wo sind unsere Banken, unsere Schätze, unsere Vermögen? Wie, gegen die ganze Welt kämpfen?

Diese Frage ist naiv. Unser Sieg kommt im Wesentlichen und vor allem von Unserem Herrn Jesus Christus. Banken, Radios, Kinos, Organisationen sind wichtig und gut und wir haben die Pflicht sie für die Ausbreitung des Reiches Gottes einzusetzen. Aber nichts von dem ist absolut notwendig. Mit anderen Worten, wenn die katholische Sache mit diesen Mitteln nicht rechnen kann, nicht aus Nachlässigkeit oder durch Mangel an unsere Großherzigkeit, aber ohne eigenes Verschulden, wird der göttliche Heiland das Notwendige tun, damit wir auch ohne alldem siegen. Das Beispiel geben uns die ersten Jahrhunderte der Kirche: Ist sie nicht siegreich aus allen Schwierigkeiten und Verfolgungen hervorgegangen, trotz aller Mächte der Welt, die sich gegen sie verbündet hatten?

Vertrauen in Unserem Herrn Jesus Christus, vertrauen in das Übernatürliche, das ist die kostbare Lehre, die uns Weihnachten erteilt.

 Beenden wir diese Betrachtungen nicht ohne noch eine Lehre wie milden Honig hieraus zu schöpfen. Ja, wir haben gesündigt. Ja, enorm sind die Schwierigkeiten auf diesem Rückweg, beim Aufsteigen. Ja, unsere Vergehen, unsere Treulosigkeit rufen den Zorn Gottes auf uns herab. Doch an der Krippe haben wir die gütigste Mittlerin. Sie ist nicht Richterin sondern Fürsprecherin, die für uns jedes Mitleid, jede Zärtlichkeit, jede Nachsicht einer vollendeten Mutter hat.


Mit dem Blick auf Maria, mit ihr vereint, bitten wir durch sie an diesem Weihnachten um die einzig wirklich wesentliche Gnade: Das Reich Christi komme in uns und um uns.
Alles andere wird uns dazugegeben.

(Freie Übersetzung aus „Catolicismo“, Dezember 1952)

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