Scheinbare „Utopien“, glänzende
Wirklichkeiten
Unsere feste Überzeugung des universalen Triumphes der
Katholischen Kirche und einer bevorstehenden Wiederherstellung der christlichen
Ordnung, könnte in Vielen einen – klaren oder unbewussten – Einwand aufkommen
lassen: Wenn wir den enormen Verfall der Gegenwart betrachten, sind diese
Hoffnungen nicht ein utopischer Traum, eine Phantasie, die sich nicht
verwirklichen lassen?
Die Heilige Jungfrau hat in Fatima den Triumph ihres
Unbefleckten Herzens versprochen. Plinio Corrêa de Oliveira erwähnte diese
Schwierigkeit und bemerkte, dass eine zunehmende Zahl von Intellektuellen
verschiedener Disziplinen – Soziologen, Philosophen, Politikwissenschaftler -,
der Meinung ist, dass Utopien, also nicht realisierbare Vorstellungen, für die
Menschen wichtig sind. Ein utopienloses Volk, sagen sie, hinterlässt keine
Spuren in der Weltgeschichte. Es ist „gesünder“ für ein Volk hinter nicht zu
verwirklichenden Utopien her zu gehen, als konkreten aber sterilen
Realisierungen nachzueifern. Diese These sprach ihn an, fügte aber noch hinzu:
„Eine Utopie hört auf Utopie zu sein im Hinblick auf das Übernatürliche, also
auf das Wunder und die Gnade. Ohne die Gnade wäre sie eine bittere Vorstellung.
Doch wir begeistern uns für solche Vorstellungen, wie z.B. für das Reich
Mariens, für den in Fatima versprochenen Triumph ihres Herzens, stellen jedoch
auch eine gewisse Unwahrscheinlichkeit dieses Triumphes fest. Doch mit der
Gnade wird die ,Utopie‘ zur Wirklichkeit.“
Die Gelegenheit, in der dieser Gedanke einer
verwirklichten Utopie am sichtbarsten und spürbarsten im Leben der Kirche und
der Christenheit ist, ist die Heilige Nacht. In dieser über aller heiligsten
Nacht ist nicht nur etwas Unerwartetes geschehen, sondern etwas total
Undenkbares:
„Es ist als wenn durch die Allmacht Gottes etwas durchaus
Unmögliches möglich geworden ist, und vom Himmel ein Gnadenstrom herabgeflossen
ist, der all das, was wir für unmöglich hielten, nun wunderbare Wirklichkeit wurde.
Warum? – Weil ,aparuit Salvator Noster Domini Nostri Jesu
Christi‘. Der Erlöser, der in einer Jungfrau Fleisch geworden ist und als
Gott-Mensch geboren wird, und der Welt die Rettung von Sünde und Tod brachte,
ist eine kühnste Wirklichkeit, als jedwede Utopie sich hätte vorstellen können.
Doch sie wurde Wirklichkeit durch die Gnade, das Wunder und durch die Macht
Gottes“, erklärt de Oliveira.
„Diejenigen, die denken, die konkrete und fühlbare
Realität sei das einzig Wirkliche, merken nicht, dass sie die Realität
vermindern, und dass sie ihre besten Seiten übersehen. Sie denken in gottlosen
Maßstäben, als wenn Gott nicht existierte.
Wenn man jedoch einen tatsächlichen Glauben hat, ist
alles anderes. Die angeblichen Utopien werden zu prachtvollen Wirklichkeiten.
Hiermit möchte einigen unter uns helfen ihre eigenen
Kriterien zu korrigieren; sie müssen verstehen, dass man immer in Hinblick auf
eine von Gott geschaffene Welt denken muss, eine Welt, die sich nach Gott hin
richtet und Der von sich aus, durch Seine Engel und Heiligen aktiv im
Weltgeschehen einwirkt.
Deshalb machen die außerordentlichsten Erhebungen des
glaubenden Geistes die Wirklichkeiten möglich. Der größte Trost des
menschlichen Lebens ist nicht den Traum eines neuen Wagens in Erfüllung gehen
zu sehen oder etwas anderes erreicht zu haben, sondern die Verwirklichung
seiner ,Utopien‘ zu erfahren.
Der Geist der Utopie im guten und echten Sinn des Wortes
ist in Wirklichkeit der Geist des katholischen Glaubens.“[*]
Dies ist der Zusammenhang zwischen Weihnachten und
Fatima. Die tausendjährige Verheißung über das Kommen eines Erlösers wurde
Wirklichkeit am Heiligen Abend und übertraf die kühnsten Erwartungen aller
glaubenden Menschen. Die Verheißung einer Zeit der Erhöhung der Kirche, wie sie
in Fatima vorausgesagt wurde, wird auch in einer Form Wirklichkeit werden, die
alle unsere prächtigen und wunderbaren Vorstellungen und Erwartungen
übertreffen wird.
[*] Freie Übersetzung einer Bandaufnahme eines Vortrages
von Plinio Correa de Oliveira am 12. Oktober 1989.
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