Plinio Corrêa de Oliveira
Das Echo der zeitlich sehr entfernten Worte, die der hl. Remigius sprach, als er Chlodwig, den
ersten christlichen König taufte, möchte ich, lieber Leser, auffangen und Dir
zu Ohren bringen: „Verbrenne, was Du
angebet und bete an, was Du verbrannt hast“. Ja, verbrenne den Egoismus,
den Zweifel, die Schlaftrunkenheit und angeregt durch die Liebe Gottes, liebe
und diene und kämpfe für den Glauben, für die Kirche und die christliche
Zivilisation. Opfere Dich auf. Entsage Dir selbst.
Wie? – So wie es in allen Jahrhunderten diejenigen getan
haben, die für Jesus Christus den „guten
Kampf“ gekämpft haben (2 Tim 4,7)
Und ausgezeichneter wirst Du es vollbringen können, wenn Du
die vom hl. Ludwig Maria Grignon von Montfort selbst verfasste und
gerechtfertigte Methode anwendest. Es ist die „Sklavenschaft aus Liebe“ zur Heiligsten Jungfrau.
„Sklavenschaft“ ... Ein grobes und fremdes Wort, vor
allem für moderne Ohren, die allzeit gewohnt sind über Unabhängigkeit und Freiheit
zu hören und mehr und mehr geneigt sind zur großen Anarchie, die, wie ein
Totenkopf mit einer Sichel in der Hand, die Menschen auf der Ausgangsschwelle
des 20. Jahrhunderts mit seinem finsteren Lächeln erwartet.
Es gibt aber eine Sklavenschaft, die befreit und eine
Freiheit, die versklavt.
Früher sagte man von einem Menschen, der seinen
Verpflichtungen nachkam, er sei ein „Sklave
seiner Pflichten“ (A.d.Ü.: so die übliche Art in Brasilien. Im Deutschen
entsprechend „pflichttreu“). Doch in der Tat war es ein Mensch, der sich auf
dem Höhepunkt seiner Freiheit befand. Durch einen ganz persönlichen Akt
verstand er, welche ihm zustehende Wege er gehen musste und fasste mit
männlicher Entschlossenheit den Vorsatz sie aufzunehmen. Er überwältigte die bösen
Leidenschaften, die versuchten ihn zu blenden, seinen Willen zu schwächen um
damit seinen frei gewählten Weg zu versperren. Der Mensch, der diesen hohen
Sieg erreicht hatte, schreitete mit sicherem Schritt dem entsprechenden Ziel
entgegen. Er war frei.
„Sklave“ war im Gegensatz jener, der sich von
seinen ungeordneten Leidenschaften mitreißen ließ in eine Richtung, mit der
seine Vernunft nicht einverstanden war und auch sein Wille nicht bevorzugte.
Diese echten Besiegten nannte man „Lastersklaven“.
Weil sie sich dem Laster versklavten, „befreiten“
sie sich vom gesunden Reich der Vernunft.
Diese Begriffe von Freiheit und Sklaventum behandelte Papst
Leo XIII. mit seinem eigenartigen meisterhaften Glanz in der Enzyklika „Libertas praestantissimum“.
Heute hat sich alles umgekehrt. Als Muster eines „freien“
Menschen haben wir den Hippie, der mit einer Bombe in der Hand nach seinem
Gutdünken den Terror verbreitet. Doch umgekehrt, wird als zaghaft, unfrei
derjenige gehalten, der im Gehorsam der Gebote Gottes und der Menschen lebt.
Nach heutiger Perspektive ist derjenige „frei“, dem das Gesetz erlaubt die Drogen zu kaufen, die er will,
sie gebraucht wie es ihm gefällt und um letztlich... sich ihnen zu versklaven.
Tyrannisch und versklavend aber wird das Gesetz angesehen, das dem Bürger
untersagt sich den Drogen zu versklaven.
Versklavung ist auch aus dieser schielenden Perspektive der
Umkehrung der Werte, das in vollem Bewusstsein und in voller Freiheit
geleistete religiöse Ordensgelübde, nach dem sich der Mönch in den Dienst der
höchsten christlichen Idealen stellt, unter Ausschluss jeglicher Rückkehr. Um
diese freie Entscheidung gegen die Tyrannei seiner eigenen Schwäche zu
schützen, unterwirft sich der Mönch in diesem Akt der Autorität seiner
wachenden Oberen. Wer sich so bindet, um sich frei zu halten von seinen
schlechten Begierden, setzt sich heute aus, als ein niederträchtiger Sklave
bezeichnet zu werden. So als ob der Obere ihm eine Last auflegen würde, die
seinen Willen einschränken soll. Im Gegenteil, der Obere dient als Handlauf den
höheren Seelen, die frei und unerschrocken anstreben bis zur letzten Stufe die
Treppe der höchsten Ideale aufzusteigen, ohne der gefährlichen Höhenangst
nachzugeben.
Kurz, für einige ist frei, wer mit benebelter Vernunft und gebrochenem
Willen, angetrieben vom Wahnsinn der Sinne, die Fähigkeit hat, auf dem Toboggan
der schlechten Sitten wollüstig herunterzugleiten. „Sklave“ ist aber der, der
seiner eigenen Vernunft dient, mit der Kraft des Willens die eigenen Begierden
besiegt, den göttlichen und menschlichen Gesetzen gehorcht und die Regeln der
Ordnung anwendet.
Vor allem ist unter dieser Perspektive ein „Sklave“, derjenige, der sich, um seine
Freiheit voll zu garantieren, entscheidet, frei sich Autoritäten zu
unterwerfen, die ihn dorthin führen, wohin er ankommen will. So weit führt uns
die gegenwärtige von Freudismus durchtränkte Meinung!
Mit einer ganz anderen Perspektive entwarf der hl. Ludwig
Grignion von Montfort die „Sklavenschaft
aus Liebe“ zur Mutter Gottes. Sie eignet sich für jedes Alter und jeden
Lebensstand: Laien, Priester, Ordensleute usw.
Was macht das Wort „Liebe“,
das so überraschenderweise an das Wort „Sklaventum“
geknüpft wird, da ja dieses den Gedanken einer brutalen Herrschaft eines
Starken über einen Schwachen, des Egoisten über den Armen, den er ausbeutet,
hervorruft? „Liebe“ ist, in der
Philosophie, der Akt durch welchen der Wille in Freiheit etwas haben will. So
werden im gewöhnlichen Sprachgebrauch „wollen“
und „lieben“ im gleichen Sinn
benutzt. „Sklaventum aus Liebe“ ist
der edelste Höhepunkt des Aktes, durch den jemand sich aus freien Stücken einem
Ideal oder einer Sache widmet. Oder auch sich an einen anderen bindet.
Die heilige Zuneigung und die Pflichten des Ehebundes
besitzen etwas, was bindet, verbindet und adelt. Im Spanischen nennt man
Handschellen „esposas“ (A.d.Ü.: Was
auf Portugiesisch „Ehegattin“ bedeutet). Der Vergleich bringt uns zum Lächeln.
Den Befürwortern der Ehescheidung mag er schaudern lassen, denn er gibt einen
Hinweis auf die Unauflöslichkeit der Ehe. Im Portugiesischen sprechen wir vom „Band“ oder eher wörtlich von den „Ketten“ der Ehe.
Viel bindender als der Stand der Ehe ist jedoch der des
Priesters, und in einem gewissen Sinn noch mehr ist es der Stand der
Ordensperson. Je höher der frei gewählte Stand, desto stärker ist das Band und
echter die Freiheit.
So empfiehlt der hl. Ludwig Grignion, der Gläubige solle
sich freiwillig als „Sklave der Liebe“
der Heiligen Jungfrau weihen, indem er ihr in der Eigenschaft eines Sklaven seinen
Leib und seine Seele, seine inneren und äußeren Güter und selbst den Wert aller
seiner vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen guten Handlungen weiht, und
Ihr alles Recht und volle Gewalt überlässt über sich und all sein Eigentum ohne
Ausnahme nach Ihrem Wohlgefallen, zur größeren Ehre Gottes in der Zeit und in
der Ewigkeit (vgl. „Weihegebet zur
vollkommenen Hingabe an Jesus durch Maria“). Maria, als erhabene Mutter,
erwirkt im Tausch für ihre „Liebessklaven“
die Gnaden Gottes, die ihren Verstand erhöht zum klaren Verständnis der
höchsten Glaubenssätze, die ihren Willen engelhafte Kraft verleiht um sich frei
von jeglichem Ballast in die Höhen dieser Ideale aufzuschwingen und alle
inneren und äußeren Hindernisse besiegen, die sich ihnen entgegenstellen.
Doch könnte jemand fragen, wie kann ein Mönch diese
durchscheinende und engelhafte Freiheit üben, da er ja durch sein Gelübde der
Autorität eines Oberen unterworfen ist?
Nichts einfacher als dies. Mönch ist man durch einen Ruf
Gottes („Berufung“). Es ist also Gottes Wille, dass ein Ordensmann seinen
Oberen gehorcht. Der Wille Gottes ist der Wille Mariens. Wann immer also der
Ordensmann sich Maria geweiht hat als ihren „Sklaven
aus Liebe“, gehorcht er als Mariensklave seinem Oberen. Die Stimme des Oberen
ist für ihn auf Erden, sozusagen die Stimme der Muttergottes selbst.
Der hl. Ludwig Grignion ruft alle Menschen dermaßen
vorsichtig auf zu diesen Gipfeln des „Liebssklaventums“,
sodass dieses viel Raum lässt für wichtige Nuancen. Sein „Sklaventum aus Liebe“, das von so großer Bedeutung ist für
Menschen, die sich durch Gelübde an einen Religionsorden gebunden haben, kann
gleichsam von Weltpriestern und Laien praktiziert werden. Denn im Gegensatz zu
den Ordensgelübden, die für eine gewisse Zeit oder für das ganze Leben
verpflichtend sind, kann der „Sklave aus
Liebe“ zu jeder Zeit diesen erhabenen Zustand verlassen, ohne damit eine
Sünde zu begehen. Während der Ungehorsam einer Ordensperson gegenüber der
Ordensregel sündhaft ist, begeht der Laie „Sklave“
keine Sünde, wenn er der edelmütigen Hingabe widerspricht.
So verbleibt also der Laie in der Eigenschaft eines „Sklaven“ durch einen freien Akt, den er
implizit oder explizit täglich, oder besser, jeden Moment wiederholt.
Für alle Gläubigen ist also das „Sklaventum aus Liebe“ diese engelhafte und höchste Freiheit, mit
der Maria sie an der Schwelle zum 21. Jahrhundert erwartet: lächelnd,
anziehend, sie einladend in ihr Reich, gemäß ihrem Versprechen in Fatima: „Am Ende wird mein Unbeflecktes Herz
triumphieren!“
Komm also, lieber Leser, bekehre Dich und gehe mit mir, mit
allen „Sklaven aus Liebe“ zu Maria,
in Richtung dieses Reiches der höchstgeordneten Freiheit und der höchstfreien
Ordnung, zu dem Dich die Sklavin (ancilla) des Herrn, die Königin des Himmels
einladet.
Umgehe die Schwelle in der der Teufel wartet, wie ein
schaurig lachender Totenkopf, in der Hand die Sichel der extrem versklavenden
Freiheit und der extrem freiheitlichen Versklavung, das heißt, der Anarchie.
Vom Verfasser nicht revidierte freie Übersetzung aus dem
portugiesischen Original in „Folha de São Paulo“, 20. September 1980.
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