Freude und Trauer im Lichte von Weihnachten
Stellen wir uns
diesen Mann, diesen Erz-Menschen, vor, wie er in einer Krippe liegt, und wir
erhalten eine blasse, unvollkommene, unheilbar blasse und unheilbar
unvollkommene Vorstellung vom Gotteskind, geboren von der Jungfrau Maria, das
in einer Krippe in Bethlehem weinte und lächelte.
Und warum? Weil
in Wahrheit er all dies war, ja, er war all dies, und das Flehen der
Kreuzfahrer und die Barmherzigkeit all der Heiligen, die im Laufe der
Geschichte geistliche und weltliche Werke der Nächstenliebe predigten, all dies
entsprang aus ihm, all dies war in seiner Seele auf eine Weise unvorstellbar,
bevor es sich in den Seelen der Heiligen widerspiegelte, deren Namen uns beim
Aussprechen mit Ehrfurcht und Respekt erfüllen – allein schon beim Aussprechen
der Namen des heiligen Franz von Assisi, des heiligen Benedikt…
Denken wir an all
dies, so bekommen wir eine vage Ahnung davon, was all dies unser Herr war: Es
waren alles Funken unseres Herrn, Funken von so großer Schönheit, dass wir sie
angesichts seines Antlitzes nicht einmal annähernd beschreiben können, Funken von
so geringer Größe, dass sie unbedeutend erscheinen, und erst dann verstehen
wir, was die Vollkommenheit unseres Herrn war.
Doch Gott wollte
es – und darin liegt der Zauber von Weihnachten –, dass wir erkennen, in
welchem Maße dieser Gottmensch alle möglichen Schönheiten des Menschen in sich vereinte. Gott wollte, dass
die Weihnachtsbetrachtung eines jeden Menschen dort beginnt, wo dieser Erz-Mensch
im Kleinen göttlich groß war. Und jenen,
dessen Größe wir eben noch besungen haben, indem wir sagten, der
Himmel sei zu klein, um ihn zu fassen, betrachten wir nun in einer Krippe,
schwach, anvertraut dem Eifer der Menschen – Maria, Josef –,
der Anbetung der Heiligen Drei Könige, der Anbetung der Hirten, dem Atem der
Tiere, der ihn in jener kalten Winternacht wärmte. Das heißt: Er, der die Sonne
erschaffen hat, wurde nicht von der Sonne selbst, sondern vom Atem der Tiere
gewärmt.
Eine
unvergessliche Lektion für uns: So klein, um die Größe all dessen zu zeigen,
was klein ist, um zu zeigen, dass alles, was geboren wird, alles, was keimt,
dass sich alles von einem bestimmten Punkt aus entwickelt, warum nicht die
Größe historischer Epochen in dem Moment, in dem sie aus dem Kampf, aus dem
heiligen Zorn, aus den unversöhnlichen Gegensätzen einer kleinen Gruppe von
Menschen geboren werden. Darin liegt die Schönheit und Erhabenheit all dessen,
was keimt.
…
Wir beten vor der
Krippe, knien vor ihr und betrachten das Jesuskind, dass es uns unermessliche
Ehrfurcht schenke, eine heilige Ehrfurcht, die von Zärtlichkeit und Mitgefühl
begleitet wird. Diese Verschmelzung von Ehrfurcht und Mitgefühl – die auf den
ersten Blick unvereinbar scheinen – durchdringt das Stille Nacht von Anfang bis
Ende.
Wenn wir das Stille
Nacht singen hören, haben wir den Eindruck, in das Weise und Unbefleckte
Herz Mariens einzutreten und ihr eigenes Lied zu vernehmen: „Mein Sohn, mein
Gott, so jung, so klein, so groß und so liebenswert! Wie ich dich anbete, wie
ich dich bemitleide! Wie ich dich achte, dich beschütze! Wie ich dich liebe!“
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