von Plinio Correa de Oliveira
Der hl. Petrus sagt in seinem zweiten Brief, dass Häresie
schlimmer ist als Heidentum, das heißt, diejenigen, die zum Christentum
konvertierten und dann wieder in Häresie verfallen, „haben den geraden Weg
verlassen und sind in die Irre gegangen; so sind für sie die letzten Dinge
ärger geworden als die ersten. Denn besser wäre es für sie, sie hätten den Weg
der Gerechtigkeit nicht kennengelernt, als nach dem Erkennen sich wieder
abzuwenden von dem heiligen Auftrag, der ihnen anvertraut wurde.“ (Vgl. 2. Petr
15 Ff.)
Was man von einem bloß abgefallenen Gläubigen sagen kann,
kann auch von einem Volk oder von der Menschheit im Allgemeinen gesagt werden:
Der heidnische Staat, der zum Christentum konvertiert und dann in Häresie
verfällt, wird schlimmer sein als in seinem vormaligen heidnischen Zustand. Es
wäre für ihn „besser gewesen, den Weg der Gerechtigkeit nie gekannt zu haben um
ihm dann den Rücken zu kehren, nachdem er ihn erkannt hatte“.
Dies ist der Grund, warum Pius XI. in der Enzyklika „Divini
Redemptoris“ erklärt, dass die Menschheit heute in einen schlechteren Zustand
zu fallen droht als sie vor dem Kommen unseres göttlichen Erlösers war. Warum
dass? Weil nachdem sie die Wahrheit der Evangelien kennengelernt hat, haben die
Menschen sie schließlich wieder abgelehnt. So ist der gegenwärtige Zustand
daher schlimmer als der frühere, das heißt, der Abfall der modernen Nationen bedeutet
einen traurigeren und bedauerlicheren Zustand als den, den es gab, als die
Menschheit sich noch in der Dunkelheit des alten Heidentums herumtrieb.
Der heilige Thomas von Aquin macht deutlich, dass die
Häretiker vom wahren Glauben weiter entfernt sind als die Gottlosen und die
Dämonen selbst, weil sie sich nicht auf Gottes Autorität stützen, sondern auf
ihr eigenes Urteil. Und diese freie Entscheidung, dieser Liberalismus, diese
Rebellion gegen den ausdrücklichen Willen Gottes kennzeichnen die Haltung der
modernen Gesellschaft, die freiwillig dem heiligen Gebot den Rücken kehrt, das
sie von Gott durch Seine Kirche erhalten hat, sowie den Mitteln der Erlösung
die sie ihnen bietet.
* * *
Trotz der Meinung derjenigen, die behaupten, dass die
Menschheit dabei ist, sich von den Fesseln ihrer politischen, sozialen,
kulturellen und wirtschaftlichen Gefangenschaft zu befreien, ist die Wahrheit
für diejenigen, die keine Balken in den Augen haben, und für die, die nicht wie
ein Händler auf die Stimme der Kirche hören, klar, dass immer mehr die dunklen Farben
dieses Bildes stärker werden, vor dem Pius XI. fragte, ob wir nicht vor den für
das Kommen des Sohnes der Missetat (Satan) auf Erden vorhergesagten Zeiten stünden.
Im Gegensatz zu den Warnungen der letzten Päpste sehen
wir auf allen Seiten den Aberglauben an die rein menschlichen Mittel, die
Häresie der Werke, ausgenommen der Waffen, die die göttliche Vorsehung immer
als unverzichtbar für die Errettung der Menschheit anzeigte in Zeiten der Krise
und des Verfalls. In diesem Reich der Klugheit des Fleisches werden die Mittel,
die der Souveräne Herr aller Dinge den Menschen zur Verfügung gestellt hat, um
die Strafe des Himmels für die Schmach dieser Welt abzuwenden: - Gebet und Buße
- als unnötigen Schrott im Zeitalter der Atomenergie beiseite gelegt.
Dies ist die Botschaft der Erlösung die Gott, der Mittlerin
aller Gnaden in seinen letzten Offenbarungen an die Menschheit anvertraut hat.
In Lourdes und in Fatima hat uns die Heiligste Jungfrau nicht gebeten, große
soziale Erlösungswerke zu unternehmen, die von den Wundern der modernen Technik
gewirkt würden. Die selige Jungfrau empfahl uns in aller Einfachheit nur Gebet
und Buße, die gleichen Waffen, die der heilige Dominikus gegen die Übel seiner
Zeit einsetzte.
Damit die menschlichen Ressourcen, die auch Gaben Gottes
sind, in unseren Händen Früchte bringen, ist es notwendig, dass wir unsere
materiellen Werke durch dieses innere Leben der Gebete und Opfer unterbauen.
Und in Anbetracht dieser himmlischen Bitte hat der Papst der Katholischen
Aktion in der Enzyklika „Caritate Christi Compulsi“ vom 3. Mai 1932, nachdem er
dargelegt hat, wie wir zur Verteidigung der Christenheit die legitimen uns zur
Verfügung menschlichen Mittel einsetzen sollten, sich so über die Notwendigkeit
der übernatürlichen Mittel ausgedrückt:
* * *
„Gegenüber diesem satanischen Religionshass, der an das
Geheimnis der Bosheit erinnert, von dem der heilige Paulus spricht, reichen die
menschlichen Mittel und die Maßnahmen der Menschen nicht aus, und Wir
vermeinen, ehrwürdige Brüder, Unserem Apostolischen Amte Abbruch zu tun,
wollten Wir der Menschheit nicht jene wunderbaren Geheimnisse des Lichtes nahe
legen, die allein in sich die Kraft bergen, die entfesselten Gewalten der
Finsternis zu überwältigen. Als der Herr aus dem Glanze des Tabor
herniederstieg und den vom Teufel gepeinigten Knaben heilte, den die Jünger
nicht zu heilen vermocht hatten, gab er ihnen auf die demütige Frage: Warum
konnten wir ihn nicht austreiben? mit den denkwürdigen Worten Auskunft: Diese
Art von bösen Geistern wird nicht anders als durch Gebet und Fasten
ausgetrieben.
Ehrwürdige Brüder, Uns scheint, diese göttlichen Worte
seien geradezu bestimmt für die Missstände unserer Zeit, die einzig mittels
Gebet und Buße beschworen werden können.
Unserer Bestimmung als wesentlich beschränkte und von
einem höheren Sein absolut abhängige Wesen bewusst, wollen Wir also vor allem
zum Gebete Zuflucht nehmen. Wir wissen aus dem Glauben, wie viel die Macht des
schlichten, vertrauensvollen, beharrlichen Gebetes vermag. Keinem anderen
frommen Werke wurden jemals von dem Allmächtigen so große, so allgemeine, so
feierliche Versprechungen gegeben wie dem Gebete: Bittet, und es wird euch
gegeben werden, suchet und ihr werdet finden, klopfet an, und es wird euch
aufgetan werden. Wahrlich, wahrlich sage ich euch, was ihr in meinem Namen vom
Vater begehren werdet, das wird er euch geben.“
* * *
„Dem Gebete muss sich aber die Buße beigesellen, der
Geist der Bußgesinnung und die Ausübung der christlichen Buße. So lehrt es uns
der göttliche Meister, dessen erste Predigt ja gerade die Buße betraf: Jesus begann
zu predigen und zu sagen: Tuet Buße! Dasselbe lehrt uns auch die gesamte
christliche Überlieferung, die ganze Kirchengeschichte: die Gläubigen haben in
den großen Bedrängnissen, in den großen Wirren der Christenheit, wenn die
Notwendigkeit der Hilfe Gottes besonders groß und dringlich war, sei es spontan
oder häufiger noch auf Einladung und nach dem Beispiel ihrer Oberhirten, zu den
beiden kräftigsten Waffen des geistlichen Lebens gegriffen, zum Gebet und zur
Buße. Dank diesem heiligen Triebe, von dem sich das christliche Volk, solange
es nicht von Verführern zum Aberglauben verleitet ist, sozusagen unbewusst
leiten lässt, und der gar nichts anderes ist als jener Sinn Christi, von dem
der Apostel spricht, haben die Gläubigen in ähnlichen Lagen stets das Bedürfnis
gefühlt, ihre Seelen von der Sünde zu reinigen, und haben deshalb stets sich
bemüht, tiefe Reue zu erwecken, das heilige Bußsakrament zu empfangen und auch
durch äußere Bußwerke der göttlichen Gerechtigkeit Sühne zu leisten.
Wir wissen es wohl, und mit Euch, ehrwürdige Brüder,
beklagen Wir es, dass in unseren Tagen der Gedanke und sogar der Name der Sühne
und der Buße bei manchen zu einem großen Teile die Kraft verloren haben,
großmütige Gesinnungen und heldenhafte Tatkraft zu wecken, wie das zu anderen
Zeiten der Fall war, da sie in den Augen des gläubigen Menschen mit dem
heiligen Merkmal Christi und seiner Heiligen gesiegelt erschienen. Es fehlt
nicht an Leuten, welche die äußeren Bußübungen als veraltete Dinge abschaffen
möchten, um nicht gar vom heutigen sogenannten freien oder «autonomen Menschen»
zu sprechen, der jede Buße als etwas Sklavisches stolz verachtet. Und das nimmt
Uns nicht wunder, denn je mehr der Glaube an Gott dahinschwindet, umso mehr
wird, der Begriff von einer Erbsünde und einer ursprünglichen Auflehnung des
Menschen gegen Gott verwischt und ausgehöhlt, und noch mehr geht die Einsicht
von der Notwendigkeit der Buße und der Sühneleistung verloren.
Wir aber ehrwürdige Brüder, haben aus oberhirtlicher
Amtspflicht diese Begriffe und diese Auffassung reinzuhalten und sie ihrer
wahren Bedeutung, in ihrem ursprünglichen Adel und mehr noch in ihrer Ausübung
für das christliche Leben zu erhalten.
* * *
Das
verlangt auch die Verteidigung Gottes und der Religion selbst, die Wir übernommen
haben. Denn die Buße ist ihrer Natur nach eine Anerkennung und
Wiederherstellung der sittlichen Weltordnung, die auf dem ewigen Gesetz, das
heißt auf Gott selbst, beruht. Wer Gott für die Sünde Genugtuung leistet,
anerkennt damit ohne weiteres die Heiligkeit der höchsten Sittengesetze, ihre
innere verpflichtende Macht und die Notwendigkeit einer Genugtuung gegenüber
ihrer Verletzung.
Es
ist sicher einer der gefährlichsten Irrtümer unserer Zeit, die Moral von der
Religion trennen zu wollen, wodurch man der Gesetzgebung jede Grundlage
wegnimmt. Diese Geistesverirrung konnte vielleicht unbeachtet bleiben und
weniger gefährlich erscheinen, solange sie sich auf wenige beschränkte und der
Gottesglaube noch allgemeines Gut der Menschheit war, und man ihn stillschweigend
auch bei denjenigen noch voraussetzte, die ihn nicht mehr öffentlich bekannten.
Heute aber, da die Gottlosigkeit sich in den Volksmassen
verbreitet, werden die furchtbaren Folgen, dieses Irrtums täglich greifbarer
und treten mehr und mehr zutage. An Stelle der Sittengebote, die zugleich mit
dem Gottesglauben verblassen, tritt die rohe Gewalt, die jedes Recht mit Füßen
tritt. Die alte Zuverlässigkeit und Ehrenhaftigkeit im Handeln, wie auch die
Rechtlichkeit im wechselseitigen Verkehr, die doch sogar von den Rednern und
Dichtern des Heidentums gar sehr verherrlicht wurde, treten ihren Platz den
gewissenlosen Spekulationen ab, sowohl in den eigenen wie in fremden
Angelegenheiten. Und wie kann ein Vertrag noch aufrecht erhalten werden, und
welchen Wert kann ein Abkommen noch haben, wo jede Gewissens-Garantie fehlt?
Und wie kann man von Gewissens-Garantie sprechen, wo jeder Gottesglaube, jede
Gottesfurcht abhanden gekommen ist? Ist diese Grundlage zerstört, so fällt auch
jedes Sittengesetz dahin, und es gibt keinerlei Mittel mehr, das den
schrittweisen, aber unausweichlichen Untergang der Völker, der Familien, des
Staates, der menschlichen Zivilisation selber aufzuhalten vermöchte.
* * *
Die Buße ist somit gleichsam eine wohltätige Waffe,
welche in die Hand tapferer Soldaten Christi gelegt ist, die für die
Verteidigung und die Wiederaufrichtung der sittlichen Weltordnung kämpfen
wollen. Gerade das ist eine Waffe, die alle Missstände an der Wurzel fasst,
nämlich, an der Begierlichkeit nach vergänglichen Reichtümern und zügellosen
Lebensfreuden. Mittels freiwilliger Sühnopfer, mittels des Verzichtes auf
Freuden, selbst wenn er schmerzlich empfunden wird, mittels der verschiedenen
Bußübungen, überwältigt der wackere Christ die niederen Leidenschaften, die ihn
zur Verletzung der sittlichen Ordnung verleiten wollen. Sind der Eifer für
Gottes Gebote und die brüderliche Nächstenliebe in ihm so groß, wie sie es sein
sollen, dann beschränkt er seine Bußübungen nicht nur auf sich und seine
eigenen Sünden, sondern er opfert sie auch auf zur Sühne für die Sünden anderer
nach dem großen Vorbilde der Heiligen, die sich häufig zur Sühne der Sünden
ihrer Zeit zum Opfer darbrachten. Ja, sie folgen dabei dem göttlichen Erlöser
selber nach, der sich zum Gotteslamm machte, das die Sünden der Welt
hinwegnimmt.“
Freie Übersetzung des Artikels “O espírito surdo e mudo”
von Plinio Corrêa de Oliveira in der Wochenzeitung “O Legionário“ Nr. 734, vom
1. September 1946.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen