Mittwoch, 28. September 2022

Der Papst braucht eine Reform, nicht das Papsttum

 


Der Papst braucht Reformen, nicht das Papsttum

von José Antonio Ureta


     Wie der Titel des Buches „Der Diktator Papst“ von Henri Sire besagt, verhält sich Papst Franziskus wie ein echter Despot.

     Ende August (2022) hat er endlich ein Konsistorium der Kardinäle einberufen, aber in der Praxis hat er sie mundtot gemacht, indem er sie in Sprachgruppen aufgeteilt hat. Er gestattete nur einem Berichterstatter aus jeder Gruppe, in der Plenarsitzung zu sprechen, aber nur, um die Diskussion der Gruppe zusammenzufassen.

     Anfang September zwang er dem Malteserorden eine neue Verfassung auf, wobei er die internen Debatten über die Änderung seiner Statuten umging. Gleichzeitig setzte er die Ordensleitung ab und ernannte eine Interimsleitung, bis eine neue Leitung gemäß seiner Verfassung gewählt werde.

     Rein rechtlich gesehen hatte er vielleicht die Befugnis, beides zu tun. Die Kardinäle sind seine Berater, also kann er auf sie hören oder nicht. Was den Malteserorden anbelangt, so ist dieser trotz seiner weltlichen Souveränität im Wesentlichen ein religiöser Orden, so dass der Papst die Befugnis hat, in seine kanonische Strukturierung einzugreifen.

     Die katholische Kirche ist jedoch keine Regierungsstelle, die kalt durch Dekrete regiert wird. Sie ist vielmehr eine lebendige Realität, deren Verwaltungsgesetze als Gerüst dienen, das uralte Bräuche stützt, die ihre Anwendung beleben und glätten. Außerdem sind weder die Kardinäle noch die Ordensleute und Laien des Malteserordens Sklaven des Papstes, sondern Brüder und Söhne.

     Die alten Bräuche zu ignorieren, die die Beziehungen zwischen dem Papst und den Kardinälen sowie zwischen ihm und den Orden (oder den katholischen Bewegungen, denn der Malteserorden ist eine gemischte Einheit) regeln, ist gleichbedeutend, die Kirche mit jenem Dirigismus zu regieren, mit dem die Despoten der Aufklärung die organische mittelalterliche Monarchie beendet haben.

     Paradoxerweise wird dieser päpstliche Despotismus dazu benutzt, die Kirche zu egalisieren und zu demokratisieren. In einem Interview mit einem mexikanischen Fernsehsender im März 2015 erklärte Papst Franziskus: „Ich denke, dass dies [die Kurie] der letzte Hof ist, der in Europa übrig geblieben ist. Alle anderen sind demokratisiert worden.“(1)

     Durch die Ernennung von Kardinälen „aus der Peripherie“ zerstört Papst Franziskus effektiv das Kardinalskollegium, eine eminent elitäre Institution, deren Mitglieder seit Bonifatius VIII. (1294-1303) den protokollarischen Rang von „Kirchenfürsten“ innehaben. Mit seinem Eingreifen in den Malteserorden will Papst Franziskus eine aristokratische Institution abschaffen, die aus den Kreuzzügen hervorgegangen ist - zwei Fehlentwicklungen, für die die Kirche seiner Meinung nach Buße tun muss…

     Papst Franziskus will „eine Kirche mit einem amazonischen Gesicht“(2) - entsakralisiert, vulgär und verarmt nach dem „müßigen Leben“ der Eingeborenen des Amazonas. Letzteren wird ein eigener Ritus in der Kirche zugestanden, der den heidnischen Aberglauben der Vorfahren aufnimmt. Gleichzeitig werden die katholischen Gläubigen, die den traditionellen lateinischen Ritus lieben, wegen ihrer angeblichen Rückständigkeit (indietrismo) verfolgt.

     Papst Franziskus fühlt sich berechtigt, die kirchliche Lehre über den Ehebruch, den Voraussetzungen für den Kommunionempfang, die Todesstrafe und über den gerechten Krieg zu ändern, während er gleichzeitig Änderungen zur künstlichen Empfängnisverhütung und zu homosexuellen Beziehungen anstrebt. Sein diktatorisches Verhalten hat den sensus fidei von Millionen  Katholiken erschüttert und zu Recht Reaktionen und Widerstand von Dutzenden von Prälaten und Hunderten von Intellektuellen und Laienführern weltweit hervorgerufen. Ich habe meinerseits einen Artikel über das Motu proprio Traditionis custodes geschrieben, in dem es heißt: „Die Gläubigen haben das volle Recht, sich gegen liturgische Aggressionen zu verteidigen - auch wenn sie vom Papst kommen“(3).

     Einige Intellektuelle, die sich öffentlich gegen die lehrmäßigen Abweichungen und den Autoritätsmissbrauch von Papst Franziskus gewehrt haben, haben jedoch die Möglichkeit einer Neugestaltung des Papsttums per se angesprochen. Sie führen die Tyrannei des gegenwärtigen Papstes und die Passivität der überwältigenden Mehrheit der Hierarchie auf eine überhöhte Rolle des Papsttums im zwanzigsten Jahrhundert zurück. Ihrer Ansicht nach resultiert dieses so genannte Hyperpapsttum aus einem permanenten Ungleichgewicht, das durch die Verkündigung der Dogmen der päpstlichen Oberhoheit und Unfehlbarkeit durch das Erste Vatikanische Konzil ungewollt in das Leben der Kirche eingeführt wurde.(4)

     Einige argumentieren, dass die Überhöhung der päpstlichen Autorität im Mittelalter mit der Bestätigung der päpstlichen Macht im Pontifikat des heiligen Gregor VII (1073-1085) begann. Für sie sollte die Beziehung zwischen dem Papst und den Ortskirchen wieder so gestaltet werden, wie es im ersten Jahrtausend vor dem Schisma des Ostens (1054) der Fall war.

     Obwohl diese Autoren die Dogmen des Ersten Vatikanischen Konzils von der päpstlichen Oberhoheit und Unfehlbarkeit akzeptieren, halten sie es für notwendig, Missbräuche in ihrer Ausübung zu korrigieren und folglich auch, wie die Gläubigen das Papsttum sehen. So überprüfen sie wiederholt Beschwerden über eine angeblich übermäßige Einmischung der Päpste in die Wahl der Bischöfe und die Leitung der Ortskirchen, als ob die Nörgeleien legitim wären. Auf diese Weise wiederholen sie falsche Überzeugungen, die zuerst von orthodoxen Schismatikern und später von Anhängern des Gallikanismus geäußert wurden.

     Paradoxerweise deckt sich dieses irrige Vorgehen einiger Autoren aus dem Lager der Traditionalisten, die Ausübung des Papsttums neu zu bewerten, mit früheren Vorschlägen führender Progressisten. Es genügt, auf die bekannte Vorlesung des umstrittenen emeritierten Erzbischofs von San Francisco, John R. Quinn, aus dem Jahr 1996 in der Campion Hall in Oxford mit dem Titel „The Claims of the Primacy and the Costly Call to Unity“ (Die Ansprüche des Primats und der kostspielige Aufruf zur Einheit) hinzuweisen.(5)

     Es stimmt, die Beweggründe beider Strömungen sind sehr unterschiedlich. Mit ihrem Vorschlag, die Art und Weise, wie der Papst sein Amt ausübt, zu ändern, wollen die Progressisten den ökumenischen Traum des Zweiten Vatikanischen Konzils verwirklichen, alle Kirchen und christliche Konfessionen zu vereinen, ohne dass eine von ihnen eigentlichen zum Katholizismus konvertiert. Der Vorschlag dieser Traditionalisten zielt darauf ab, den Glauben und die traditionellen Riten der Kirche vor den konziliaren Neuerungen zu schützen, die Papst Franziskus manu militari durchsetzt.

     Dennoch ähneln sich beide Bewertungen der Leistung des Papsttums und auch die praktischen Vorschläge zur Korrektur. Beide Strömungen nehmen das erste Jahrtausend als Vorbild und Leitfaden. Sie fordern eine geringere Rolle der Kurie, eine Rückgabe der Autorität an die Ortsbischöfe, Änderungen bei der Wahl der Bischöfe, eine dezentralere Kirche und eine stärkere Anwendung des Subsidiaritätsprinzips. Sowohl die Progressisten als auch die neugallikanischen Traditionalisten hegen dieselbe Abneigung gegen das Papsttum als „vollständige und vollkommene Monarchie“ der Kirche.(6)

     Der Progressismus ist die pure Revolution innerhalb der Kirche. Daher ist es nicht verwunderlich, dass ihre Führer - angetrieben von ihren Idealen von „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“ - danach streben, die Attribute des Papstes so weit wie möglich zu reduzieren oder ihn dazu zu bringen, die Kirche in eine egalitäre Demokratie zu verwandeln. Seltsam ist jedoch, dass traditionalistische Autoren Meinungen verbreiten, die den gegenrevolutionären Grundsätzen zuwiderlaufen, und sich für eine Umgestaltung des Papsttums in etwas Ähnliches einsetzen, wie es die Progressisten vorschlagen. Unwissentlich verfallen sie vielleicht in den Fehler, den Joseph de Maistre anprangerte - ein Autor, den sie nicht mögen, weil er am Ursprung des Ultramontanismus des 19. Jahrhundert steht. Er warnte in weiser Voraussicht, dass die Gegenrevolution keine „gegensätzliche Revolution“ sein sollte, sondern vielmehr „das Gegenteil der Revolution“.(7)

     Es ist unbestreitbar das Verdienst dieser traditionalistischen Autoren, die Fehler und Missbräuche von Papst Franziskus anzuprangern. Sie machen jedoch denselben Fehler wie die Befürworter des Deutschen Synodalen Weges, die die traditionelle Struktur und Lehre der Kirche für den sexuellen Missbrauch durch Kleriker verantwortlich machen, obwohl sie die sündigen Kleriker beschuldigen sollten. Die Lösung für den sexuellen Missbrauch durch Kleriker, so behaupten sie, liegt in der Aufhebung des priesterlichen Zölibats und der hierarchischen Unterschiede zwischen Klerus und Laien. Ebenso behaupten neogallikanische Traditionalisten, die für eine Neuinterpretation des Papsttums eintreten, dass die zahlreichen Missbrauchsfälle eine Folge von Papst Franziskus’ und die Passivität von Bischöfen und Gläubigen ihnen gegenüber aus einer hypertrophierten päpstlichen Autorität und einem „Ultramontanismus“ resultieren, der unwissentlich durch die Dogmen der päpstlichen Oberhoheit und Unfehlbarkeit gefördert werden.

     Es ist doch allgemein bekannt, dass der sexuelle Missbrauch durch Kleriker nicht auf den priesterlichen Zölibat oder die hierarchische Struktur der Kirche zurückzuführen ist, sondern auf die verkommene Moral des Klerus. Das gilt insbesondere für diejenigen, die von Bischöfen trotz ihrer homosexuellen Orientierung in die Seminare gleichgültig aufgenommen und unklugerweise zu Priestern geweiht wurden.

     Ebenso sind die lehrmäßigen Abweichungen und der Missbrauch der Autorität von Papst Franziskus nicht auf die Hypertrophie der päpstlichen Autorität zurückzuführen, sondern auf seine modernistischen Überzeugungen und den diktatorischen Charakter, den Henri Sire in seinem genannten Buch anprangert. Die Passivität der Bischöfe und Gläubigen, die mit dem Papst nicht einverstanden sind, sich aber nicht trauen, ihm zu widersprechen, ist nicht auf eine verminderte Rolle im kirchlichen Leben zurückzuführen. Tatsächlich wurde ihre Rolle, zumindest in der Lehre, durch die dogmatische Konstitution Lumen gentium des Zweiten Vatikanischen Konzils gestärkt, die zwei Neuerungen einführte: die bischöfliche Kollegialität und die Vorstellung von der Kirche als dem Volk Gottes. In den meisten Fällen ist diese Passivität vielmehr auf Karrierismus, Feigheit, Angst, gegen den Strom zu schwimmen, und einen Mangel an übernatürlichem Geist zurückzuführen.

     Um die Krise des sexuellen Missbrauchs zu lösen, ist es nicht notwendig, die kirchliche Disziplin bezüglich des priesterlichen Zölibat oder die Lehre von der Überlegenheit des Klerus gegenüber den Laien zu ändern. Ebenso ist es nicht nötig um die heutige päpstliche Tyrannei zu bekämpfen, das Papsttum oder seine gewöhnlichen Formen der Ausübung des Petrusamtes neu zu definieren. Was wir brauchen, ist eine tiefgreifende Bekehrung des Papstes, der Bischöfe und der Gläubigen. Diese Bekehrung wird dem Papst helfen, wirklich als Stellvertreter Christi zu handeln, nicht als sein allmächtiger Ersatz. Ein bekehrtes Volk seinerseits, erfüllt von Glauben und Treue zur Tradition, wird die Stimme eines wahren Hirten zu unterscheiden wissen, von der eines Hirten, der die Herde zu eine Klippe führt,

     Wenn eine hypertrophierte päpstliche Autorität das Ergebnis einer übermäßigen Verehrung des Papsttums durch die Gläubigen wäre, dann wären die Ultramontanen und ihre Nachfolger nach dem Ersten Vatikanischen Konzil die entschiedensten Verteidiger päpstlicher Fehler und Missbräuche gewesen. Schließlich waren sie jedoch die Verfechter der Definition päpstlicher Vorrechte als Glaubensdogmen. Was jedoch geschah, war genau das Gegenteil, wie ich schon früher gezeigt habe.(8) Von der Zeit Leos XIII. bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil erhoben sich die Anhänger der ultramontanen Strömung gegen die Irrtümer des Papstes und den Missbrauch des Papsttums. Es waren liberale Katholiken - deren Partei diese dogmatischen Definitionen als „unangebracht“ erachtet hatte -, die versuchten, diese Irrtümer und Missbräuche allen Katholiken aufzuerlegen. Mit Kardinal Charles Lavigerie behaupteten solche liberalen Katholiken: „Die einzige Regel des Heils und des Lebens in der Kirche ist, mit dem Papst zu sein, mit dem lebenden Papst. Wer auch immer er sein mag.“

     Plinio Corrêa de Oliveira, der führende Gegenrevolutionär des zwanzigsten Jahrhunderts unter den Laien, gab ein leuchtendes Beispiel für ultramontane Treue. In einem erschütternden und demütigenden Moment drückte der brasilianische Katholikenführer seine Verehrung für das Papsttum in rührenden Worten aus. 1968 sammelten die TFP Brasiliens, Argentiniens, Chiles und Uruguays in den Straßen der wichtigsten Städte dieser Länder 2.038.112 Unterschriften für eine Petition, in der Papst Paul VI. aufgefordert wurde, gegen die kommunistische Unterwanderung der Kirche vorzugehen. Die mehreren tausend Bögen mit den Unterschriften (von denen einige mit Blut beschmiert waren, weil kommunistische Aktivisten junge Freiwillige der TFP angriffen hatten) wurden dem Staatssekretär des Vatikans übergeben. Der Heilige Stuhl bestätigte jedoch nicht einmal den Empfang. Im Gegensatz dazu brachte einige Wochen später eine Delegation progressistischer Priester ein kritisches Dokument in den Vatikan, und Paul VI. versprach rasch, ihre Forderungen zu prüfen. Der brasilianische TFP-Gründer nutzte seine wöchentliche Kolumne in „Folha de S. Paulo“, um das unwürdige Verhalten des Papstes zu beanstanden. Er stellte sich eine Korrespondenz von Jeroboam Cândido Guerreiro vor - einem imaginären protestantischen Leser:

     „Ist Ihnen nicht klar, Dr. Plinio, dass die Türen des Vatikans und das Herz des Papstes für alle Winde und Stimmen offen sind, außer für die ideologischen Winde, die aus der Ecke wehen, in der Sie sich befinden und den Setimmen, die ähnliche Dinge sagen wie Sie?

     Ehrlich gesagt bin ich erstaunt, wie leicht Sie in Ihren Artikeln so tun, als sähen Sie nichts von alledem und sich als glühender und unnachgiebiger Katholik zeigen, als wäre der heutige Papst nicht Montini, sondern Sarto („der Heilige“ Pius X.), der grimmige Ketzerhammer vom Anfang des Jahrhunderts.

     Ich schreibe dies nicht, um Sie zu demütigen, Dr. Plinio, aber die Wahrheit muss gesagt werden: Öffnen Sie ihr Ihre Augen. Es gibt auf der Welt niemanden, der vom Papsttum mehr abgelehnt wird als Sie und Ihre Artverwandten...

     Doch obwohl Ihnen die Tür vor der Nase zugeschlagen wurde, präsentieren Sie sich in der Öffentlichkeit als Papist, so fanatisch wie damals, als Sie als junges Mitglied der Marianischen Kongregation die Hymne brüllten: „Es lebe der Papst, Gott schütze ihn, den Hirten der heiligen Kirche!“...

     Haben Sie den Mut, der Öffentlichkeit Ihre heutige so widersprüchliche Position zu damals zu erklären.“

     In einem folgenden Artikel antwortet Plinio Corrêa de Oliveira auf diesen fiktiven Brief mit einer Hymne der Liebe zum Papsttum:

     „Ich stehe heute nicht mit der Begeisterung meiner frühen Jugend vor dem Heiligen Stuhl. Es ist eine noch größere, viel größere Begeisterung. Je mehr ich lebe, denke und Erfahrungen sammle, desto mehr verstehe und liebe ich den Papst und das Papsttum. Das wäre auch dann der Fall, wenn ich mich in der von Herrn Jeroboão Guerreiro geschilderten Situation befinden würde.

     Ich erinnere mich noch an den Katechismusunterricht, in dem mir das Papsttum erklärt wurde: seine göttliche Einrichtung, seine Befugnisse und seine Mission. Mein junges Herz (ich war damals etwa neun Jahre alt) war von Bewunderung, Begeisterung und Betörung erfüllt. Ich hatte das Ideal gefunden, dem ich mein ganzes Leben widmen würde. Von da an bis heute ist meine Liebe zu diesem Ideal nur noch gewachsen. Und ich bete zur Muttergottes, dass sie sie in mir bis zu meinem letzten Atemzug ständig verstärke. Möge der letzte Akt meines Verstandes ein Akt des Glaubensbekenntnisses an das Papsttum sein. Ich möchte, dass mein letzter Akt der Liebe ein Akt der Liebe zum Papsttum sei, denn so werde ich im Frieden der Auserwählten sterben, in tiefer Verbundenheit mit Maria, meiner Mutter, und durch sie mit Jesus, meinem Gott, meinem König und meinem höchstgütigsten Erlöser.

     Meine Liebe zum Papsttum, Herr Guerreiro, ist nicht abstrakt. Sie beinhaltet eine besondere Liebe für die unantastbare Person des Papstes gestern, heute und morgen. Es ist eine Liebe der Verehrung und des Gehorsams.

     Ich bestehe darauf: Es ist eine Liebe zum Gehorsam. Ich will jeder Lehre dieses Papstes und der seiner Vorgänger und Nachfolger das volle Maß an Gehorsam schenken, das die Lehre der Kirche mir vorschreibt, indem ich das für unfehlbar halte, was als unfehlbar lehrt, und als fehlbar, was sie als fehlbar lehrt. Ich will den Anordnungen dieses oder irgendeines Papstes in vollem Umfang gehorchen, wie die Kirche es mir vorschreibt. Das heißt, dass ich niemals meinen Willen oder die Macht irgendeiner irdischen Autorität über sie stelle und den Gehorsam gegenüber einem päpstlichen Befehl nur dann verweigere, wenn er Sündhaftes beinhaltet. In diesem Extremfall muss man, wie der Apostel Paulus und alle katholischen Moraltheologen lehren, stattdessen dem Willen Gottes gehorchen.

     Das ist es, was ich im Katechismusunterricht gelernt habe. Das ist es, was ich in den Abhandlungen gelesen habe, die ich studiert habe. So ist es wie ich denke, fühle und bin mit ganzem Herzen bin.“(9)

     Plinio Corrêa de Oliveiras Liebe zum Papsttum zeigt seine große Wertschätzung für das päpstliche Zeremoniell. Bei einem Treffen mit jüngeren Mitgliedern der brasilianischen TFP im Januar 1976 wurde der Film Vatican City Under Pius XII. (Vatikanstadt unter Pius XII.) gezeigt. Er zeigte Papst Pacelli mit der Tiara, die er auf der sedia gestatoria trug, umgeben von Flabelli und der päpstlichen Garde. Nach der Vorführung improvisierte Dr. Plinio folgende Erklärung des päpstlichen Pomps:

     „All diese Szenen ergeben sich direkt aus dem, was uns die Theologie über das Papsttum lehrt, und aus den weisen Lehren der Kirche, wie das Leben zu organisieren ist.

     Das Papsttum ist die höchste Institution der Erde. Es ist höher als jede weltliche Macht, weil das, was den Geist betrifft, mehr wert ist als das, was die Materie betrifft. Was das Übernatürliche betrifft, ist mehr wert als das, was das Natürliche betrifft. Und der Papst hat universale Macht über alle Völker überall, während alle anderen Souveränitäten in der Welt begrenzt sind. Es gibt keinen König oder Präsidenten der Welt, aber der Papst ist der Hirte der ganzen Welt und hat die Jurisdiktion über die Seelen auf dem ganzen Erdball. Er ist der Repräsentant der höchsten übernatürlichen Macht - der Macht Gottes auf Erden - und es obliegt ihm, die der katholischen Kirche eigene transzendente Macht des Lehrens, Leitens und Heiligens in höchstem Maße auszuüben. Er ist der höchste Hierarch der gesamten Kirche und muss daher auch von den außergewöhnlichsten Ehrerbietungen umgeben sein, die einem Menschen zuteil werden können.

     Aus all dem folgt, dass das Leben um den Papst herum so organisiert sein muss, dass es drei Ideen entspricht: Respekt, Liebe und Stärke. Respekt: Der Papst muss verehrt werden. Liebe: Da der Papst der Stellvertreter Christi auf Erden ist, muss sich die ganze Liebe der Menschheit zu unserem Herrn Jesus Christus unmittelbar auf den Papst, seinen Stellvertreter auf Erden, beziehen. Stärke: Der Papst ist ein Hirte, und kein Hirte kann schwach sein, denn er muss die Schafe verteidigen und daher Gewalt gegen die Wölfe anwenden; die Macht, die Schafe zu führen, ist Teil der Macht, die Wölfe zu bekämpfen.

     So sieht man um den Pontifex herum religiösen Prunk und gleichzeitig väterliche und sichtbare Gewalt, repräsentiert durch die drei päpstlichen Wachen, die die vatikanischen Paläste verteidigen: die Schweizergarde, die Palastgarde und die Nobelgarde (bestehend aus Mitgliedern des römischen Patriziats, die abwechselnd unentgeltlich in der Garde dienten). Sie garantierten die Unversehrtheit des Pontifex und die Sicherheit der kolossalen Kunstschätze des Vatikans und kontrollierten den enormen Menschenstrom. Aber ihre Hauptbedeutung besteht darin, dass der Papst das Recht und die Pflicht hat, zur Verteidigung des Glaubens Gewalt anzuwenden. Und in diesen Wachen, deren Uniformen so weit von den Kreuzzügen entfernt sind, steckt eine Reminiszenz an die Kreuzzüge.

     Die Kirche hat die Dinge klug organisiert, so dass jeder, der den Papst besuchen wollte, seine Hingabe und Liebe in höchstem Maße und seinen Respekt und seine Furcht im Angesicht der Stärke zeigen konnte. Der Besuch des Petersdoms und des Vatikanpalastes war eine geistliche Übung, aus der die Gläubigen mit einer größeren seelischen Verbundenheit mit dem Papst hervorgingen als zuvor.

     Achten Sie auf die Gesichter der Menschen, wenn sie mit dem Papst sprechen, vor allem aber, wenn er weitergeht. Es ist fast das Gesicht von jemandem, der gerade die Heilige Kommunion empfangen hat. Jemand empfängt nur ein kurzes Wort vom Pontifex, aber was für ein Wort! Das Timbre der Stimme des Papstes, sein Lächeln, die Temperatur seiner Hand, wie er sie geschüttelt hat oder nicht, und die Unwägbarkeiten, die den Papst umgeben, wird er für immer behalten. Das alles behält der Mensch ein Leben lang und sogar bis zum Tod.

     Ich habe es selbst erlebt. Ich nahm mehrere Gegenstände mit, um sie von Pius XII. segnen zu lassen, darunter einige Kerzen, die in der Via della Conciliazione verkauft wurden. Sie waren wunderschön gearbeitet, mit Reliefs, Figuren, usw. Er segnete sie. Als ich ins Hotel zurückkehrte, dachte ich: „Wenn ich sterbe, möchte ich die vom Stellvertreter Christi gesegnete Kerze in der Hand halten. Auf diese Weise werde ich mit dem Stuhl von Rom verbunden bleiben, bis ich bewusstlos bin, zwischen Leben und Tod schwebe und mein Verstand keinen Gedanken mehr äußert. Meine Hand wird sich an diese Kerze klammern, die das repräsentiert, was ich auf der Erde am meisten liebe: den Papst, mit dem alles auf der Erde der Liebe würdig ist, ohne den nichts der Liebe würdig ist, sondern nur Verachtung, gezeichnet von der Erbsünde und unter der Herrschaft des Teufels“.(10)

     Eine oberflächliche oder voreingenommene Person würde aus diesen Liebesbekundungen für das Papsttum ableiten, dass Plinio Corrêa de Oliveira ein Opfer der „Papolatrie“ (Papstanbeter) war, jemand, der nicht in der Lage ist, die Lehren und Gesten des Papstes objektiv zu analysieren, geschweige denn, sich gegen ihre Durchsetzung zu wehren. Das wäre ein großer Irrtum, denn Dr. Plinios Bewunderung für das Papsttum war ein deutlicher Ausdruck der Liebe zur Heiligen Kirche und, kurz gesagt, zu unserem Herrn Jesus Christus. Wenn also der amtierende Papst etwas lehrte oder tat, was der ewigen Lehre und dem Handeln der Kirche zuwiderlief, veranlasste ihn eben diese Liebe zu Gott, sich dem mit den schnellsten und schärfsten Reaktionen entgegenzustellen.

     Bereits 1965, fünf Jahre bevor er die obige imaginäre Antwort an Jeroboam Guerreiro schrieb, verfolgte Plinio Corrêa de Oliveira aufmerksam die Studien von Arnaldo Xavier da Silveira über die theologische Hypothese eines häretischen Papstes. Er nahm an einem dreitägigen Symposium teil, bei dem er zusammen mit den Bischöfen Geraldo de Proença Sigaud und Antônio de Castro Mayer über dieses Thema diskutierte.

     Seit Oktober 1969, neun Monate vor dem genannten Folha-Artikel, hatte er die Studien von Xavier da Silveira über den Novus Ordo Missae von Paul VI. verfolgt und an zwei Symposien in Anwesenheit von Bischof Mayer teilgenommen. Sie führten zu dem Buch, in dem er zu dem Schluss kam, dass die Neue Messe für einen gebildeten Katholiken aus Gewissensgründen unannehmbar sei.

     Sechs Monate vor seinem Folha's Jeroboam-Artikel, in dem er das Papsttum lobte, hatte Plinio Corrêa de Oliveira in derselben Tageszeitung einen weiteren Artikel mit dem Titel „Das Recht zu wissen“ geschrieben.(11) Darin informierte er die brasilianische Öffentlichkeit über einen Brief der Kardinäle Ottaviani und Bacci an Paul VI., die Autoren von „A Brief Critical Study of the New Order of Mass“ (Eine kurze kritische Studie über den Novus Ordo Missae), sowie über einen an Pater Annibale Bugnini gerichteten Brief der Vereinigung der Priester und Ordensleute von St. Antonius Maria Claret (die 6.000 Priester umfasst). Der Brief der Vereinigung schloss wie folgt: „Wir katholischen Priester können keine Messe feiern, von der Herr Thurian von der Gemeinschaft von Taizé erklärt hat, dass er sie feiern kann, ohne aufzuhören Protestant zu sein. Der Gehorsam kann uns niemals eine Häresie aufzwingen“.

     Ebenso bezeichnend ist, dass Plinio Corrêa de Oliveira fast zwei Jahre vor seinen begeisterten Kommentaren zum Film Vatican City Under Pius XII. schrieb: „The Vatican Policy of Détente with Communist Governments-Should the TFPs Stand Down? Or Should They Resist?“ (Die Entspannungspolitik des Vatikans mit den kommunistischen Regierungen – Soll die TFP schweigen oder Widerstand leisten?)(12) Das Dokument enthüllte die fehlgeleitete Politik, die heute von Papst Franziskus in seinem verbrecherischen Abkommen mit Rotchina fortgesetzt wird, das die Untergrundkirche in China den Launen von Xi Jing Pin unterwirft. Die an Paul VI. gerichtete Widerstandserklärung der TFP wurde als bezahlte Anzeige in 37 brasilianischen Zeitungen und 14 weiteren in anderen Ländern der Welt veröffentlicht. Sie verkündete dem Papst: „Unsere Seele gehört Euch, unser Leben gehört Euch. Befehlt uns zu tun, was Ihr wollt. Befehlt uns nur nicht, angesichts des angreifenden Roten Wolfs nichts zu tun. Dagegen wehrt sich unser Gewissen.“

     Plinio Corrêa de Oliveira erinnerte an diesen Absatz im ersten einer Serie von zwei Artikeln im Dezember 1983 und Januar 1984. Die Artikel trugen die Titel „Luther, auf keinen Fall!“(13) und „Luther denkt er wär’ göttlich“(14) und reagierten auf den wohlwollenden Brief Johannes Pauls II. an Kardinal Johannes Willebrands, den Verantwortlichen für die Ökumene im Vatikan, zum 500. Geburtstag Luthers, mit dem Datum des 31. Oktober, dem Jahrestag seiner Revolution. Noch heftiger war die Reaktion von Plinio Corrêa de Oliveira auf die Teilnahme von Johannes Paul II. an einem feierlichen Akt der Liebe und Verehrung für den Ketzer in einem protestantischen Tempel in Rom: „Schwindelerregend, erschreckend, stöhnte mein katholisches Herz darüber. Aber mein Glaube und meine Verehrung für das Papsttum verdoppelten sich.“(15)

     Im Januar 1977, als er eine Aktualisierung seines Werkes Revolution und Gegenrevolution schrieb, gab Dr. Plinio mit der gleichen Klarheit und dem gleichen Mut eine äußerst kritische Einschätzung des Zweiten Vatikanischen Konzils:

     „Das Zweite Vatikanische Konzil hat mit der Taktik des Aggiornamento (über die man zumindest sagen kann, dass sie in der Theorie anfechtbar ist und sich in der Praxis als ruinös erweist) versucht, Bienen, Wespen und Raubvögel zu verscheuchen. Aber sein Schweigen über den Kommunismus hat den Wölfen volle Freiheit gelassen. Das Werk dieses Konzils kann weder in die Geschichte noch in das Buch des Lebens als wirksam pastoral eingeschrieben werden.

     Es ist schmerzlich, dies zu sagen. Aber in diesem Sinne ist das Zweite Vatikanische Konzil nachweislich eine der größten Katastrophen, wenn nicht die größte in der Geschichte der Kirche“.(16)

     Ich könnte noch viele weitere Beispiele des Widerstands anführen, aber das würde den Rahmen dieses Aufsatzes sprengen. Die angeführten Beispiele reichen aus, um zu zeigen, dass Plinio Corrêa de Oliveira, unbeugsamer ultramontaner Verteidiger der Attribute des Stellvertreters Christi auf Erden ist, jedoch dem Zweiten Vatikanischen Konzil, Paul VI. und Johannes Paul II. und ihren irrigen Lehren und Handlungen entschiedenen Widerstand leistete - vielleicht sogar schon vor der Geburt einiger dieser traditionalistischen Autoren, die eine Neuinterpretation des Papsttums fordern. Er tat dies mit Nachdruck, weil sein legitimer Widerstand aus seiner tiefen Verehrung für das Papsttum entsprang.

     Manch einer mag sich fragen: Wie können wir uns aus dieser Sackgasse befreien, wenn es inakzeptabel ist, das Papsttum neu zu besetzen oder zu ändern, wie es ausgeübt wird, selbst im Angesicht der Missbräuche von Papst Franziskus?

     In meinem 2018 erschienenen Buch, Papst Franziskus' „Paradigmenwechsel“: Fortdauer oder Bruch mit der Mission der Kirche“ erwähnte ich Plinio Corrêa de Oliveiras 1976 vorgeschlagene Schlussfolgerung zum Buch der chilenischen TFP, Die Kirche des Schweigens in Chile. Es geht darum, die Autorität anzuerkennen, die Papst Franziskus und die Diözesanbischöfe haben, aber das alltägliche Zusammenleben mit den zerstörerischen Prälaten zu unterbrechen, so wie eine Ehefrau und ihre Kinder das Zusammenleben unter demselben Dach mit einem missbrauchenden Ehemann und Vater unterbrechen können, ohne die ehelichen und kindlichen Bande zu brechen.(17)

     Schließlich glaube ich, dass das, was ich vor vier Jahren geschrieben habe, heute noch mehr Gültigkeit hat. Ich wiederhole es daher am Ende dieses Aufsatzes:

     „In der gegenwärtigen Verwirrung, die sich sehr bald zu verschärfen droht, ist eines sicher: Die Katholiken, die ihrer Taufe treu sind, werden niemals das heilige Band der Liebe, der Verehrung und des Gehorsams zerreißen, das sie mit dem Nachfolger Petri und den Nachfolgern der Apostel verbindet. Das gilt selbst dann, wenn diese sie schließlich bei ihrem Versuch, die Kirche zu zerstören, unterdrücken sollten. Wenn diese Prälaten ihre Macht missbrauchen und versuchen, die Gläubigen zu zwingen, ihre Abweichungen zu akzeptieren, und sie für ihre Treue zum Evangelium und für ihren legitimen Widerstand gegen die missbräuchliche Autorität verurteilen, dann sind es diese Hirten und nicht die Gläubigen, die für den Bruch und seine Folgen vor Gott, dem Recht der Kirche und der Geschichte verantwortlich sind. Der heilige Athanasius ist ein typisches Beispiel dafür. Obwohl er ein Opfer des Machtmissbrauchs war, bleibt er für immer ein Stern am Firmament der Kirche.“(18)

     Wenn die göttliche Vorsehung beschließt, der apokalyptischen Krise, die die heilige Kirche durchmacht, ein Ende zu setzen, und ein heiliger Papst kommt, um sie zu regieren, wie es von zahlreichen Heiligen und privilegierten Seelen prophezeit wurde, werden die Flecken, die das Papsttum jetzt entstellen, in demselben übernatürlichen Glanz erstrahlen wie die Wunden der Passion am auferstandenen Leib unseres göttlichen Erlösers. In dieser heiligen Stunde werden die heiligen Hände des Nachfolgers Petri vor allem jene segnen, die sich in den heutigen Tagen des Aufruhrs mit untreuen Päpsten wie die guten Söhne Noahs(19) verhalten haben. Indem sie am sensus fidei festhielten, steigerten sie ihre Verehrung für das Papsttum, ohne in die Falle zu tappen, vorzugeben, durch menschliche Hände das zu reformieren, was göttliche Hände errichtet haben: „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen“ (Mt 16,18).

     Ja, in der Tat! Der Papst braucht eine Reform, nicht das Papsttum.

 

 

Aus dem Englischen übersetzt mit Hilfe von Deepl-Übersetzer (kostenlose Version) von „The Pope Needs Reform, Not the Papacy“ in https://www.tfp.org/the-pope-needs-reform-not-the-papacy/ vom 19. September 2022

Diese deutsche Fassung „Der Papst braucht eine Reform, nicht das Papsttum“ erschien erstmals in
www.p-c-o.blogspot.com

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Photo Credit:  © Anatolijs Laicans – stock.adobe.com


Anmerkungen:

     1. “Pope Francis Speaks With Mexican Television,” America, Mar. 13, 2015, //www.americamagazine.org/content/all-things/pope-francis-speaks-mexican-television.

     2. Pope Francis, apostolic exhortation Querida Amazonia (Feb. 2, 2020), no. 61, //www.vatican.va/content/francesco/en/apost_exhortations/documents/papa-francesco_esortazione-ap_20200202_querida-amazonia.html.

     3. José Antonio Ureta, “The Faithful Are Fully Entitled to Defend Themselves Against Liturgical Aggression—Even When It Comes From the Pope,” TFP.org, July 25, 2021, //www.tfp.org/the-faithful-are-fully-entitled-to-defend-themselves-against-liturgical-aggression-even-when-it-comes-from-the-pope/.

     4. See First Vatican Council, First Dogmatic Constitution on the Church of Christ, (Jul 18, 1870), CCEL.org, //www.ccel.org/ccel/schaff/creeds2.v.ii.i.html.

     5. John R. Quinn, “The Claims of the Primacy and the Costly Call to Unity,” (June 29, 1996), CatholicCulture.org, //www.catholicculture.org/culture/library/view.cfm?recnum=5301.

     6. Louis Billot, Tractatus de Ecclesia Christi (Rome: Aedes Universitatis Gregorianae, 1927) 1:535.

     7. Joseph de Maistre, Considérations sur la France, in Œuvres, ed. Pierre Glaudes (Paris: Robert Laffont, 2007), p. 276.

     8. José Antonio Ureta, “Leo XIII: The First Liberal Pope Who Went Beyond His Authority,” OnePeterFive.com, Oct. 19, 2021, //onepeterfive.com/leo-xiii-first-liberal-pope-who-went-beyond-his-authority/.

     9. Plinio Corrêa de Oliveira, “A perfeita alegria,” Folha de S. Paulo, Jul. 12, 1970, //www.pliniocorreadeoliveira.info/1970_236_CAT_A_perfeita_alegria.htm.

     10. “Saint of the Day,” Jan. 10, 1976, adapted for this essay from spoken to written style.

     11. Plinio Corrêa de Oliveira, “O direito de saber,” Folha de S. Paulo, Jan. 25, 1970, //www.pliniocorreadeoliveira.info/FSP_700125_direito_de_saber.htm#.YyCy4D3MKUk.

     12. “The Vatican Policy of Détente with Communist Governments—Should the TFPs Stand Down? Or Should They Resist?” TFP.org, //www.tfp.org/vatican-policy-detente-communist-governments-tfps-stand-resist/.

     13. Plinio Corrêa de Oliveira, “Luther, Absolutely Not!” TFP.org, //www.tfp.org/luther-absolutely-not/.

     14. Plinio Corrêa de Oliveira, “Luther Thought He Was Divine!” TFP.org, //www.tfp.org/luther-thought-he-was-divine/.

     15. Corrêa de Oliveira, “Luther, Absolutely Not!”

     16. Plinio Corrêa de Oliveira, Revolution and Counter-Revolution (York, Penn.: The American Society for the Defense of Tradition, Family, Property, 1993), 145.

     17. See José Antonio Ureta, Pope Francis’s “Paradigm Shift”: Continuity or Rupture in the Mission of the Church? trans. José Aloisio Schelini (Spring Grove, Penn.: The American Society for the Defense of Tradition, Family, and Property, 2018), 166-71, //www.tfp.org/pope-franciss-paradigm-shift-continuity-or-rupture-in-the-mission-of-the-church-an-assessment-of-his-pontificates-first-five-years/.

     18. Ureta, Pope Francis’s “Paradigm Shift,” 170-71.

     19. Siehe Gen. 9:20—27.

Sonntag, 25. September 2022

Der heilige Kasimir, wahrscheinlich Sühneopfer für Polen

 


      Heute ist das Fest des Heiligen Kasimir, Bekenner. Er war der Sohn von König Kasimir IV. von Polen und lebte am Hof seiner Eltern. Er zeichnete sich durch Eifer, Verbreitung des Glaubens und Reinheit aus. Er starb im Alter von fünfundzwanzig Jahren, im fünfzehnten Jahrhundert.

      Zum heiligen Kasimir können wir uns fragen, welchen Sinn der frühe Tod eines jungen Mannes haben soll, der zum König berufen zu sein schien. Im Alter von fünfundzwanzig Jahren starb er als Heiliger und war fähig, König eines heiligen Reiches zu sein. Wie können wir die Pläne der Vorsehung auf diese Weise erklären?

      Es ist ganz einfach. Gott tut nichts, was nicht sinnvoll ist. Die Bedeutung dieser Aussage kann nur zwischen zwei Hypothesen schwanken: Erstens, Polen hat diesen König zur Strafe nicht verdient und Gott hat seinen König vorzeitig genommen. Wir dürfen nicht vergessen, dass schlechte Könige oft Strafen für schlechte Völker sind. Und dass man sogar vom Standpunkt der Vorsehung aus sagen kann, dass der böse König, der böse Bischof, der böse Papst oft nicht so sehr die Ursache für die Schlechtigkeit des Volkes sind als vielmehr die Frucht der Schlechtigkeit des Volkes; und dass Gott deshalb oft heilige Päpste, heilige Könige, heilige Bischöfe vorzeitig von der Regierung entfernt, um das Volk zu bestrafen. Betrachten wir zum Beispiel die lange Regierungszeit von Leo XIII. und dann die rasche - so rasche und doch so fruchtbare und außergewöhnliche - Regierungszeit des heiligen Pius X. Da haben Sie das große Geheimnis der Geschichte vor Augen.

      Eine andere Hypothese ist, dass Gott beschlossen hat, das Leben des hl. Kasimir als Sühneopfer für Polen zu verwenden. Polen verhielt sich damals nicht gut, und so wie Gott die heilige Theresia vom Kinde Jesu als Sühneopfer der barmherzigen Liebe erwählt hat, könnte er auch den heiligen Kasimir durch Seine Gerechtigkeit oder durch Seine Barmherzigkeit als Sühneopfer für das Königreich Polen erwählt haben. Dies sind Hypothesen, die uns jedoch zeigen, dass es in der Geschichte nichts gibt, was nicht der göttlichen Weisheit unterliegt, und dass selbst die unergründlichsten Tatsachen letztlich eine Erklärung in der Weisheit Gottes finden müssen.

 


Plinio Correa de Oliveira, Vortrag „Heiliger des Tages“: „Der hl. Kasimir, wahrscheinlich Sühneopfer“ am 4. März 1969.

Aus dem Portugiesischen übersetzt mit DeepL-Übersetzer (kostenlose Version). Der Originaltext ist die Abschrift der Aufzeichnung des Vortrags, die vom Urheber nicht revidiert wurde.

© Nachdruck oder Veröffentlichung ist mit Quellenangabe dieses Blogs gestattet.

Diese deutsche Fassung erschien erstmals in www.p-c-o.blogspot.com

Mittwoch, 14. September 2022

Beharrlichkeit im täglichen Gebet des Rosenkranzes

 

    Meine Lieben! Heute stelle ich mal eine Frage zum Gesprächsthema: Wer hat heute noch nicht das Gebet des Rosenkranzes beendet? Zwei. Ich schlage vor, dass diese sich zurückziehen und den Rosenkranz vervollständigen, damit es für sie nachher nicht zu spät wird.

     Hieraus können wir eine Folgerung ziehen:

     Wir geben den wichtigsten Dingen, einen Ehrenplatz! Und ein Ehrenplatz für uns ist unsere Verbindung zur Muttergottes.

     Stellen Sie sich einen Mann vor, der ins Meer gefallen ist, hält sich aber an ein Seil, das am Schiff befestigt ist, sonst würde er verloren gehen. Nun frage ich: Welche Bedeutung misst der Mann diesem Seil bei? Es besteht keine Gefahr, dass er Ruhe verliert, er achtet aber nicht auf die Sonne, noch auf die Fische, noch auf das Schiff... Er achtet nur auf das Seil!

     Die Gottesmutter ist unser Seil zu unserem Herrn Jesus Christus! Wir wissen genau, dass sie die Mittlerin aller Gnaden ist. Das heißt, dass wir alles, worum wir bitten, nur und immer durch sie erhalten. Alles, was unser Herr gibt, gibt er durch sie. Theologen gewöhnen zu sagen, das, was alle Heiligen im Himmel ohne sie erbitten, würden sie nicht erhalten, sie allein aber erhält alles auch ohne das zutun aller Heiligen. So mächtig ist die Rolle ihrer Bitte, ihres Gebets.

     Deshalb trägt sie eine sehr schöne Bezeichnung: Mediatrix - Mediatrix ist diejenige, die in der Mitte oder dazwischen steht, die vermittelt, die als Mittlerin fungiert – Mediatrix Omnipotens, das heißt, Allmächtige Fürsprecherin. Sie selbst ist nicht allmächtig, nur Gott ist allmächtig. Aber ihre Gebete sind allmächtig, denn Gott gibt ihr alles, worum sie bittet.

     Und so gibt es für uns nichts Wichtigeres, als unsere Verbindung zu ihr ständig auf dem neuesten Stand zu halten. Und dazu gehört das tägliche Gebet des Rosenkranzes.

     Jemand könnte sagen: „Aber Herr Dr. Plinio, Sie drücken sich schlecht aus. Denn die Kommunion ist notwendigerweise wichtiger als der Rosenkranz“. Ja, in der Tat, wenn man es genau betrachtet, ist es das auch. Wenn ich aber die Heilige Kommunion empfange und keine Andacht zur Muttergottes habe, werde ich die wahre Andacht zur Muttergottes und selbst zum Allerheiligsten Sakrament nicht erlangen. Aber wenn ich die Muttergottes verehre und die heilige Kommunion aus irgendwelchen Gründen nicht empfangen kann, werde ich die heilige Kommunion sobald empfangen können!

     So steht Gott, der Herr, zwar unendlich hoch über der Gottesmutter, aber der Weg um Ihn zu erreichen, ist die Gottesmutter.

     Und deshalb rate ich sehr dazu, den Rosenkranz zu einer bestimmten Stunde des Tages zu beten. Dass wir zu dieser bestimmten Tageszeit alles stehen und liegen lassen und den Rosenkranz beten. Mein Rat ist, dass wir in Bezug auf den Rosenkranz gute Zahler sein sollten, und nicht nachlässige Zahler. Ein säumiger Zahler zahlt heute ein bisschen, in zwei Wochen wieder ein bisschen, in einem Monat wieder ein bisschen, und selbst dann bittet er um einen Aufschub, ich weiß nicht was, usw. usw.

     Wir sollten mit der Gottesmutter nicht so umgehen: über den ganzen Tag lang Rosenkranzteile in den Himmel tropfen lasen. Das Schöne ist das Gegenteil: den Rosenkranz zu beginnen und ihn dann zu beenden! Das ist das Schöne, das ist das Perfekte. Obwohl mein Leben sehr ausgefüllt ist, mache ich das jeden Tag. Jeden Tag! Jedenfalls wissen Sie, dass ich jeden Tag, wenn ich nicht gerade erkältet bin - das ist meine chronische Krankheit -, mich mit dem Auto ausfahren lasse, um den Rosenkranz zu beten. Und wenn ich nicht rausgehe, weil ich nicht rausgehen kann, bete ich den Rosenkranz zu Hause, sobald ich meine Mittagsruhe beendet habe, was auch immer passiert.

     Ich würde gerne wissen, dass meine Kinder das Gleiche tun! Aber Sie haben einen enormen Vorteil! Ihr lebt in Häusern, in denen das Allerheiligste Sakrament vorhanden ist. Es gibt keinen besseren Ort, um den Rosenkranz zu beten, als vor dem Allerheiligsten Sakrament. Am besten ist es also, vor dem Allerheiligsten zu beten.

     Dies ist jedoch keine Verpflichtung. Es gibt bestimmte Tage, an denen man es vorzieht, den Rosenkranz im Gehen zu beten; oder man zieht es vor, den Rosenkranz vor einem Bild der Muttergottes zu beten, oder auf irgendeiner anderen Art. Wir müssen mit der heiligen Freiheit der Kinder Gottes handeln, wir dürfen uns nicht wie an einer Leine führen. Wir sollten ... mit einer gewissen Gütigkeit uns selbst gegenüber handeln, mit einer gewissen Freiheit. Aber ich ziehe es vor, wann immer möglich, vor das Allerheiligste Sakrament zu gehen und zu beten.


     So ist es nun, heute habe ich die Frage gestellt und Sie haben mir die Antwort gegeben. Am Ende werde ich einen Kommentar zu der Antwort machen. Der Kommentar ist folgender: Ich bin mir sehr sicher, dass alle, die den Rosenkranz noch nicht gebetet haben, sich nicht bettfertig machen und dann im Bett den Rosenkranz beten werden... Sie wissen, was das Ergebnis ist, nicht wahr? Man fängt an zu schlafen, und im besten Fall wacht man um 5, 6 Uhr morgens auf, um ein weiteres Stück des Rosenkranzes zu beten, und man träufelt den Rosenkranz in der Nacht ab, so wie man ihn tagsüber abgetropft hat. Das ist nicht gut.

      Man sollte, im Gegenteil, den Rosenkranz beten, bevor man sich auszieht. Beten im Schlafanzug ist auch nicht gut. Vor einer Königin trägt man keinen Schlafanzug! Tragt den Habit! Sie haben so einen schönen Habit! Stellt euch eurer Königin vor, gekleidet in der Tracht ihrer Armee. Das ist doch viel schöner. Sie erhört uns besser. Und zwar bevor ihr in eure Zelle geht, bevor ihr das Gesicht wäscht, bevor ihr irgendetwas tut, betet den Rosenkranz zu ende.

     Wenn Sie wollen, können Sie hier drinnen eine Weile bleiben; die Kapelle ist wohl schon geschlossen, glaube ich. Bleibt hier und geht drinnen auf und ab, geht ein bisschen im Hof spazieren, was immer ihr wollt. Aber, aber, aber, betet den Rosenkranz! Und betet ihn noch heute vollständig, wer ihn unglücklicherweise noch nicht vollständig gebetet hat.

     Jemand würde sagen: „Herr Dr. Plinio, aber es wäre viel freundlicher, wenn Sie sagen würden, dass Sie uns den fehlenden Teil des Rosenkranzes erlassen ...“. Nein, nein... Ich werde einem Sohn, der darauf angewiesen ist, nach dem Seil zu greifen, nicht sagen: „Mein Sohn, heute bist du müde, greife nicht nach dem Seil, lass dich treiben!“. Das ist keine Freundlichkeit.

     Lasst uns also alle gemeinsam den Rosenkranz beten, ich habe meinen schon gebetet, die große Mehrheit hat ihn schon gebetet.... Es sind nur noch einige wenige, die ihn noch zu beten haben. Betet, und betet für uns.

     Ich habe bereits beim Mittagessen gesagt, dass wir vorsichtig sein müssen. Beten wir also alle zusammen drei Ave Maria, damit die Gottesmutter es denen, die noch nicht alles gebetet haben, leicht macht, den Rest des Rosenkranzes zu beten! Und sie möge uns die Gewohnheit geben, jeden Tag vor Einbruch der Nacht den Rosenkranz komplett gebetet zu haben.

Lasst uns also zusammen beten.

     (Es werden 3 Ave Maria gebetet)

     Regina Sacratissimi Rosarii, ora pro nobis.

     (Königin des heiligsten Rosenkranzes, bitte für uns.)

 

 

Aus dem Portugiesischen übersetzt mit Hilfe von Deepl-Übersetzer (kostenlose Version) von „Insistência em rezar o Rosário diariamente“ in einer Gesprächsrunde mit jüngeren Mitgliedern.

Diese deutsche Fassung „Beharrlichkeit im täglichen Gebet des Rosenkranzes“ erschien erstmals in  www.p-c-o.blogspot.com

© Nachdruck oder Veröffentlichung ist mit Quellenangabe dieses Blogs gestattet.

Dienstag, 13. September 2022

Leidenschaft für die Wahrheit

 

      Im Folgenden geben wir einen Brief von Plinio Corrêa de Oliveira mit Ratschlägen zum geistigen Leben an einen jungen Mitarbeiter wieder. Diese Ratschläge können mutatis mutandis für alle nützlich sein, die für die Verteidigung der Wahrheit kämpfen.



Mein Lieber Freund,

      ich habe den Brief, den Du mir geschickt hast, mit großer Anteilnahme gelesen.

      Nimm es mir nicht übel, wenn ich dir sage, dass ich mir ein Lächeln nicht verkneifen konnte, als ich las, dass du ein Mann wie ich werden wolltest. Ich versichere Dir in aller Aufrichtigkeit, dass Du davon nichts haben werdest, ganz im Gegenteil. Wenn ich Dir etwas Gutes wünschen kann, dann, dass dies nicht geschieht. Außerdem hat jeder von uns eine einzigartige und unverwechselbare Persönlichkeit und ist von Gott berufen, sein eigenes Ideal der Vollkommenheit zu erreichen. Von uns wird die Treue zur Wahrheit verlangt, die in uns ist, und dies ist für uns alle der einzige Weg, die Wahrheit zu erlangen.

Nur die Leidenschaft für die Wahrheit rechtfertigt die Existenz von Philosophen und Schriftstellern

      Apropos Wahrheit: Hier kommen wir zum entscheidenden Punkt all dessen, was Du mir in Deinem Brief mitteilst. Die Welt ist voll von Philosophen und Schriftstellern, aber es gibt nur eine Sache, die ihre Existenz rechtfertigt: die Leidenschaft für die Wahrheit. Ohne diese Leidenschaft sind Bücher und Philosophien nichts als Eitelkeiten, sehr gefährliche Eitelkeiten, die das Feuer auf der Erde entzünden und die Flammen der Hölle anfachen.

      Wer die Leidenschaft für die Wahrheit hat, ist bereit, sich ohne jede Einschränkung zu entäußern. Er wird die verführerischsten Ideen, die raffiniertesten Systeme, die tiefsten und leuchtendsten Erklärungen, die wertvollsten Intuitionen, die höchsten Befriedigungen der Intelligenz und schließlich die fesselndsten Formulierungen und die ästhetisch glücklichsten Bilder opfern, um streng die Wahrheit zu suchen und zu offenbaren, nur die Wahrheit, die für unseren menschlichen Zustand immer schwer ist, weil sie wesentlich transzendent ist.

Wer die Leidenschaft für die Wahrheit besitzt, setzt sich der Antipathie der Menschen aus

      Und nicht nur das. Die Wahrheit wurde nie von den Menschen hochgeschätzt, sie wird in unseren Tagen geradezu verachtet. Die Wahrheit ist eine und unveränderlich, aber die Menschen lieben das bunte Spektakel der aufeinanderfolgenden Scheinbilder; die Wahrheit ist ewig, aber die Menschen folgen den Moden; die Wahrheit ist ernst, und die Menschen sind frivol; die Wahrheit weist auf die Pflicht hin, während die Menschen Vergnügungen suchen; schließlich ist die Wahrheit hart, und die Menschen haben kein Schneid.

      Wer also die Leidenschaft für die Wahrheit hat, setzt sich notwendigerweise der Antipathie der Menschen aus, aber er wird die Wahrheit den zeitlichen Gütern, der Karriere, dem Ruhm und dem eigenen Ansehen vorziehen. Er wird von denjenigen verfolgt und angeklagt werden, die die Wahrheit prostituieren, indem sie sie zu einem einfachen Instrument ihrer Einbildung und Gier machen.

      Aber das ist noch nicht alles. Die Leidenschaft für die Wahrheit kann ihn dazu bringen, jahrelang zu schweigen, während andere sich mit ihren literarischen und philosophischen Werken vor den Augen der Öffentlichkeit und der Kritik profilieren. Er wird jedoch schweigen, bis der einzige Grund auftaucht, der ihn dazu bringt, sich zu offenbaren: um Zeugnis für die Wahrheit zu geben.

      Angesichts dessen, was ich soeben gesagt habe, könntest Du erwidern, dass ich nicht den Weg der Philosophie, sondern den der Heiligkeit aufgezeigt habe. So ist es. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass die geistliche Vollkommenheit für diejenigen, die die Berufung zu philosophischen Studien haben, Leidenschaft für die Wahrheit heißt. Für uns Katholiken ist die Wahrheit nicht nur eine erkenntnistheoretische oder metaphysische Frage, sondern sie ist die zweite Person der Heiligsten Dreifaltigkeit, das Wort Gottes, das Fleisch geworden ist, um uns zu erlösen.

      Und nun, da wir an diesem Punkt angelangt sind, können wir die Schlussfolgerungen ableiten, um die speziellen Fragen zu beantworten, die Du mir in Deinem Brief vorgeschlagen hast.

Das intellektuelle Leben ist eng mit dem geistlichen Leben verbunden und hängt von ihm ab

      Die erste ist, dass es keinen Unterschied zwischen Deinem geistlichen Leben und Deinem intellektuellen Leben geben darf. Da Du sagst, dass Du in allem den Willen Gottes tun willst, und du glaubst, dass du eine Berufung für philosophische Studien hast, dann mach dir keine Sorgen über die Zukunft oder darüber, wie du deinen Lebensunterhalt verdienen wirst: Erfülle deine Pflichten gewissenhaft und hoffe auf die Vorsehung. Hab Vertrauen, Gott vergisst diejenigen nicht, die ihm dienen.

      Aber Er prüft normalerweise das Vertrauen seiner Diener. Wenn Dir dies widerfährt, fühle Dich nicht im Stich gelassen: Dies sind die normalen Wege der Vorsehung. Wenn alles verloren oder gefährdet scheint, kommt die Lösung. Erwarte aber keine endgültigen Lösungen. Es wird immer ein gewisser Spielraum für Unsicherheit und Risiko bleiben. Das ist auch notwendig, denn Gott will, dass wir nur auf ihn vertrauen und nicht auf menschliche Machenschaften.

      Andererseits dürfen wir die Tatsache nicht aus den Augen verlieren, dass wir in dieser Welt im Exil leben und dass das gegenwärtige Leben provisorisch und unsicher ist. Es gibt also keine endgültigen Situationen auf dieser Erde, und wir sollten sie auch nicht anstreben. Wir müssen aus dem Glauben leben, und der Glaube ist notwendigerweise verborgen, da sein Gegenstand für die natürliche Vernunft unsichtbar und unzugänglich ist. Der heilige Petrus, der auf dem stürmischen Meer wandelte, ist das Bild für das christliche Leben. Ich weiß, dass dieser Weg schwierig ist. Es ist der schmale Weg des Heils, den unser Herr aufgezeigt hat. Es gibt keinen anderen.

Vermeidung einer Trennung zwischen Denken und Leben

      Zweitens musst Du, was Dein Studium betrifft, sorgfältig jede Trennung zwischen Denken und Leben vermeiden. Die Philosophie kann nicht wie jemand behandelt werden, der ein geometrisches Theorem löst. Mit anderen Worten: Der Philosoph kann sich nicht bequem „außerhalb“ der Philosophie positionieren und sie mit Eleganz und Distanz aufbauen. Im Gegenteil, er, sein Leben, sein Schicksal, das Schicksal der Menschheit, sind in den Verlauf der philosophischen Fragen verwickelt. Der Philosoph selbst muss das erste philosophische Problem sein, um das es geht, denn durch sein Wesen aus Fleisch und Blut steht der Philosoph mit seinen Füßen in der Wirklichkeit.

      Daher muss der Philosoph nicht nur über eine scharfe und entwickelte Intelligenz verfügen, sondern es ist unabdingbar, dass er eine reiche, kraftvolle und starke Persönlichkeit hat, in der die ganze Wirklichkeit weithin widerhallen kann. Um diese Stärke und Tiefe der Persönlichkeit zu erreichen, scheint es mir nützlich zu sein, dass Du neben den eigentlichen philosophischen Studien, über die ich später sprechen werde, Deinen Geist im Kontakt mit den großen Werken kultivierst, in denen bestimmte grundlegende Eigenschaften der menschlichen Seele zum Ausdruck kommen und deren häufiger Besuch eine unübertreffliche Erweiterung des Blicks auf alle Probleme bewirkt. Virgil, Dante, Shakespeare, die französischen Klassiker, sind in diesem Sinne zu verstehen. Nicht, dass sie untadelig wären, wohlgemerkt. Aber in ihnen allen fließt der herrliche Atem, der den Menschen groß macht.

      Ich sage auch nicht, dass Du solche Werke systematisch studieren solltest. Weit gefehlt. Es geht nicht darum, zu studieren, eine Aufgabe zu erfüllen, sondern zu genießen, zu verkosten. Wähle unter ihnen diejenige aus, die Dir am besten gefallen. Du kannst auch variieren, indem Du mal bei einer Passage des einen, mal bei einer Passage des anderen Textes eine Pause einlegst. Die Freiheit ist vollständig. Wichtig ist es, dass sie im Original gelesen werden.

      Es ist nicht nur die Lektüre großer literarischer Werke, die zum angestrebten Ziel führt, sondern auch die Betrachtung großer Gemälde und das Hören der Musik großer Meister wie Bach oder Händel. Bei alledem muss jedoch jeder seiner eigenen Neigung folgen, und ich möchte hier eher vorschlagen als beeinflussen.

Der hl. Thomas ist klarer als viele seiner Kommentatoren

      Um nun zu Deinen Studien zu kommen, muss ich sagen, dass ich die Unzufriedenheit und Verwirrung, die einige zeitgenössische Autoren, die sich als Thomisten ausgeben, bei Dir hervorgerufen haben, voll und ganz verstehe. Diese Autoren sind weder echte Philosophen noch Thomisten, und das Beste, was Du tun kannst, ist, sie vorerst beiseite zu lassen. Sie können Deinen Verstand nur verwirren und Dich auf gefährliche Pfade führen.

      Was Maritain betrifft, so ist er nur ein Vulgärwissenschaftler mit literarischen Qualitäten, aber ohne wissenschaftliche Seriosität. Diejenigen, die ihm folgen, sind oberflächliche Mentalitäten, die sich von seinen lyrisch-metaphysischen Formeln befriedigen und einlullen lassen, die einer genaueren Analyse nicht standhalten, weil sie bald die Ungenauigkeiten, Zweifel und Zweideutigkeiten offenbaren, mit denen sie beladen sind. Als ich in Deinem Alter war, gestehe ich, dass ich mich verführen ließ, weil sie meine Empfindsamkeit anregten. Aber Gott schenkte mir die Gnade, rechtzeitig zu erkennen, welches Gift sie enthielten.

      Wenn man mit den wirklichen Philosophen in Berührung kommt, schämt man sich für das müßige, inkonsequente, alberne und anmaßende Geschwätz gewisser pseudothomistischer Philosophen unserer Tage, die nichts anderes tun, als den Thomismus zu entstellen, indem sie ihn an die neuesten Moden anpassen (die sie nicht einmal verstehen), während sie die tiefsten Gedanken des heiligen Thomas mit der offenkundigsten Inkompetenz übersehen.

      Gehe direkt zur Quelle. Versuche, dich mit den Texten des heiligen Thomas vertraut zu machen. Keine Angst, der Doctor Angelicus ist klarer als nicht wenige seiner Kommentatoren. Alles hängt davon ab, sich an seinen Stil und vor allem an seine Disziplin zu gewöhnen. Dies wird jedoch nicht schwierig sein, vorausgesetzt, wir haben Einsatz und Demut.

      Für den Anfang empfehle ich Dir die Prima aus der Summa und das De Veritate. Lasse in der Prima die Fragen 2, 23 und 24 weg. Was das De Veritate betrifft, so gehe vorerst nicht über Frage 3 hinaus. Beginne nicht mit einem systematischen Studium, sondern tue das, was ich in Bezug auf die klassischen Werke empfohlen habe. Denke daran, dass es noch nicht darum geht, den heiligen Thomas zu lernen, sondern mit ihm vertraut zu werden. Wenn also ein Text Deiner Intelligenz einen größeren Widerstand entgegensetzt, bestehe nicht darauf, sondern suche nach einem anderen, der einfacher ist.

      Und nun möchte ich eine noch wichtigere Feststellung machen: Meditation und Reflexion sind mehr wert als Lesen. Versuche also, die Dinge so weit wie möglich selbst zu lösen, anstatt nach vorgefertigten Lösungen zu suchen. Halte Dich vor allem ausschließlich an die Texte des heiligen Thomas und lese nicht die Erläuterungen am Ende der Seite. Wenn Du Dich auf diese Weise an den Geist des heiligen Thomas gewöhnt hast, können wir an etwas anderes denken.

Authentisches geistliches Leben: die einzige Nahrung der Intelligenz

      Schließlich kommen wir zur letzten Schlussfolgerung, die von größtem Gewicht ist. Der wahre Philosoph ist nur möglich, wenn er sein Denken und seine Persönlichkeit von einem authentischen spirituellen Leben nährt. Mir scheint, dass die beste Grundlage immer noch die Exerzitien des heiligen Ignatius sind, mit der natürlichen Ergänzung der Nachfolge Christi. Gemäß der Orientierung, die ich meinen Vorschlägen gegeben habe, solltest Du vorzugsweise nur Originaltexte suchen, und zwar nur die Texte, keine Kommentare. Da die katholische Frömmigkeit grundsätzlich marianisch inspiriert ist, solltest Du stets die hervorragenden Werke des heiligen Ludwig Maria Grignion von Montfort zur Hand haben, und zwar möglichst alle.

Der Teufel fischt in den trüben Gewässern der Nervosität

      Ich denke also, dass ich die Schwierigkeiten, die Du mir in Deinem Brief dargelegt hast, nach bestem Wissen und Gewissen beantwortet habe, nachdem ich Gott um das Licht für eine so verantwortungsvolle Aufgabe gebeten habe. Du wirst in dieser meiner Antwort sicherlich viele Mängel finden: das ist der Teil des Menschen. Aber Gott wird die Unzulänglichkeiten ausgleichen, wenn man sich vertrauensvoll an ihn wendet.

      Sei zunächst einmal ruhig und gelassen. Ich glaube, in Deinem Brief eine gewisse Aufregung erkannt zu haben. Versuche, Dich nicht aufzuregen. Die Nervosität ist das trübe Gewässer, in dem der Teufel fischt, und er ist ein Meister darin, die Nerven zu reizen und das Gewissen zu quälen, indem er durch Einbildungen, Einflüsterungen, Anstiftungen, aber auch durch direkte Einwirkung auf den Körper, in welchem er körperliche Empfindungen wie Unbehagen, Angst, Widerwillen, Herzklopfen und anderes hervorruft. Lasse Dich von all dem nicht beeindrucken. Schau geradeaus, zu den Herzen Jesu und Mariens, und gehe zuversichtlich über die stürmischen Wellen.

      Und hier stehen wir, meine Freunde und ich, zu Deiner Verfügung für alles, was Du brauchst. Mache keine Umstände. Und vergesse mich nicht in Deinen Gebeten.

Dein in Jesus und Maria,

 


 Aus dem Portugiesischen übersetzt mit Hilfe von Deel-Übersetzer (kostenlose Version) von
 „Conselhos sobre vida intelectual“ in https://pliniocorreadeoliveira.info/OUT_001960_conselhosvidaintelectual.htm#.YyB-e2zMLIU

Diese deutsche Fassung „Leidenschaft für die Wahrheit“ erschien erstmals in  www.p-c-o.blogspot.com

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