Mittwoch, 16. April 2025

Der Seelenzustand der Apostel beim letzten Abendmahl



 von Plinio Corrêa de Oliveira

„Schließlich kam der Tag der Ungesäuerten Brote, in dem das Paschalamm zu schlachten war, und er schickte Petrus und Johannes weg und sprach: „Geht und bereitet uns das Pascha, damit wir es essen.“ Sie fragten ihn: „Wo sollen wir es bereiten?“ Er sagte zu ihnen: „Seht, wenn ihr hineinkommt in die Stadt, wird euch einer begegnen, der einen Wasserkrug trägt; folgt ihm in das Haus, in das er hineingeht, und sagt zu dem Herrn des Hauses: Der Meister lässt dir sagen: Wo ist die Herberge, in der ich mit meinen Jüngern das Pascha essen kann? Er wird euch ein großes Obergemach zeigen, versehen mit Polstern; dort bereitet es uns vor!“

Es ist erstaunlich, wie die Apostel äußerst vergesslich waren, was die Worte Jesu betrifft - und dies erscheint vor allem in der Haltung des hl. Petrus während der Passion. Jesus warnte den hl. Petrus, dass er Ihn dreimal verraten werde, bevor der Hahn krähen wird, und trotzdem erinnerte er sich daran, erst als er den Hahn krähen hörte. Das heißt, eine Art Blasiertheit (eitel und dabei innerlich Hohl) der Apostel gegenüber Ihm, wo er die Wunder tun konnte, die er tat, oder sagen konnte, was er sagte, sie haben sich nicht darum gekümmert, weil es nicht in ihre Seele eindrang.

Wir sehen in unzähligen solcher Abschnitte, in denen Jesus seine göttliche Kraft und sein Wissen behauptet, wie hier zum Beispiel, dass es nicht eine Abmachung war, sondern dass er bereits die Gemütslage dieses Mannes kannte; Er wusste, Er verstand bereits, was daraus werden würde und sandte ihn trotzdem ... Im Nachhinein bestätigte sich alles, was Jesus gesagt hatte: Sie fanden den Mann mit dem Wasserkrug, er war bereit ihnen das Gemach zu zeigen - wie unser Herr gesagt hatte.

Trotzdem beeindruckten diese Dinge die Apostel nicht. In der letzten Phase des Lebens Jesu - wenn es keinen Widerspruch im Ausdruck wäre - schienen sie in einer Art Delirium von Apathie gefallen zu sein. Das heißt, sie gehen vom Wunder zu Wunder, sehen zunehmend großartige Äußerungen und Taten… Aber bewegen sich nicht mit dem was sie erfahren und sehen, sie kümmern sich nicht darum und verharren bis zum Ende in ihrer Apathie. Sie befinden sich wie auf einer Art Rampe der Müßigkeit, auf der sie in die letzte Katastrophe gleiten, wegen der Haltung, die sie während der Passion Jesu eingenommen haben.

Hier fragen sie unseren Herrn was und wie sie es machen sollen und er sagt alles voraus, wie es ablaufen wird; Sie gehen und alles läuft ab, wie Jesus es vorausgesagt hat. Aber sie befinden sich in einem dieser Zustände von Schläfrigkeit, in der sie unseren Herrn betrachteten und zu sagten: Na ja, das tut Er, Er Prophezeit, Er tut auch Wunder, Er heilt, solche Dinge macht Er gern... Wunder, tut Er außergewöhnliche: Er hat sogar Menschen vom Tode auferweckt. Dazu ist Er fähig ... Er kann wunderbare Dinge tun, Er ist ein Wundertäter! Dann, ein Gähnen und es ist Schluss. Wir werden sehen, dass dies der Geisteszustand ist bis zum Schluss.

„Die Jünger gingen hin, fanden alles, wie er ihnen gesagt hatte und bereiteten das Pascha.“

„Und als die Stunde kam, ließ er sich zu Tisch nieder und die Apostel mit ihm. Er sagte zu ihnen: „Sehnlichst habe ich danach verlangt, dieses Pascha mit euch zu essen, bevor ich leide. Denn ich sage euch, ich werde nicht mehr davon essen, bis es seine Erfüllung findet im Reiche Gottes. Und er nahm einen Kelch, sprach das Dankgebet und sagte: „Nehmt teilt ihn unter euch! Denn ich sage euch: Ich werde nicht mehr trinken von der Frucht des Weinstocks, bis das Reich Gottes kommt.“

Ich bin kein Exeget. Ich spreche neben einem Meister in Israel*; Und ich hatte nie Zeit, Kommentare des Evangeliums zu lesen; Aber um die Dinge zu nehmen, wie sie einem Laien erscheinen, überrascht mich dies. Denn als Jesus den Aposteln sagte, „einer von euch wird mich verraten“, fragten die Apostel alle: „Bin ich es?“, „Bin ich es?“ Weil es das Persönchen eines jeden betraf. Aber als Jesus, über sich selbst, die bestürzteste Prophezeiung machte, gibt es keine Angabe, dass sie irgendwie reagiert haben. Jesus sagte etwas, das bedeutet „Ich werde sterben“, Er sagt etwas sehr Liebevolles: „Sehnlichst habe ich danach verlangt, dieses Pascha mit euch zu essen, bevor ich leide.“ Es wäre ja normal gewesen, dass sie etwas erwidert hätten: „Unsere Liebe ist auch groß zu Dir“; „Was für eine Güte, dass du dieses Pascha mit uns zu essen gewünscht hast!“, etwas, was ihre Liebe durchschimmern ließe.

Doch es herrscht stets eine Grabesstille, die ihre Gestalten wie ein Schatten durch diese Szenen begleitet. Jesus bringt seine Zuneigung zum Ausdruck und betont damit die Wichtigkeit der Tat, die er vollziehen wollte.

Dann sagt er, dass er sterben werde, „denn ich werde nicht mehr trinken von der Frucht des Weinstocks, bis das Reich Gottes kommt.“ Das bedeutet: Ich werde sterben. Auf der Seite der Apostel, schweigen. Man hat den Eindruck eines verdutzten Schweigens, eines müden Schweigens, eines schwindelerregenden und schläfrigen Schweigens. Solange es sie selbst nicht berührte, macht es ihnen nichts aus. Während dieser gesamten Zeit zeigen sich bei den Aposteln drei Reaktionen auf: Während des Abendmahls diese Haltungen, die sich nicht widersprechen; dann, auf dem Ölberg, die Schläfrigkeit; dritte Haltung: die Flucht.

Es sind drei Haltungen: Schweigen, schläfrige Müdigkeit und Flucht. Und sie sind so kohärent miteinander, dass wir einen Geisteszustand vermuten, der sich in den verschiedenen Szenen kohärent entfaltet. Und dann verstehen wir, die Einsamkeit und die Größe unseres Herrn und den Grund seiner Traurigkeit. Er sehnte sich danach, mit ihnen das Mahl zu essen; Denen, die mit Ihm das Mahl essen, beeindruckte das nicht besonders. Eine enorme Ausgießung seiner Liebe, aber diese Liebe fiel zu Boden; es war niemand da, der sie aufheben würde.

Wir werden an die Idee der Heiligen Therese (vom Kinde Jesu) erinnert, die sich selbst als Opfer der barmherzigen Liebe darbot. Es ist genau, diese Liebe, die liebt, die verlangt, die die Menschen begehrt, die die Menschen aber zurückweisen. Also muss jemand diese Liebe in sich selbst empfangen; jemand der dieser Liebe entspricht, der niemand entspricht; der diese Liebe in sich empfängt, bis er sozusagen vor Liebe zerbirst oder stirbt.

Angesichts dieser Szenen verstehen wir die Apostel. Ist das nicht sehr ähnlich der Lage der Gläubigen heute während der Karwoche? Und gehen wir ein wenig höher, es ist auch nicht sehr ähnlich der Schläfrigkeit der Karwoche ... Die Karwoche ist zu einer Abfolge von drei Tagen der Schläfrigkeit geworden. Wenn es nicht gerade drei Tage der Untreue sind: Wenn die Leute aufs Land gehen, ins Schwimmbad, an den Strand usw. usw. Es sind drei Tage der Schläfrigkeit in der Stadt. Und wenn man die Kirchen besucht, findet man meist eine Atmosphäre der Schläfrigkeit. Eine Schläfrigkeit, die manchmal – wenn D. Mayer uns erlaubt, den Blick kühn zum Presbyterium zu erheben – den Zelebranten selbst befällt. Es ist unser Herr, der die Menschen intensiv liebt, aber die Menschen nehmen eine Haltung der Gleichgültigkeit ein, die wir hier in dieser Szene sehen.

„Er sagt: Nehmt und teilt ihn unter euch! Denn ich sage euch: Ich werde nicht mehr trinken von der Frucht des Weinstocks, bis das Reich Gottes kommt.“

Hätte man nicht fragen können: Wann wird das Königreich Gottes kommen? Kommt es bald? Wird es noch länger dauern? Wie wird das sein? Es kann sein, dass sie gefragt haben und der Evangelist es nicht aufgezeichnet hat; aber es sieht nicht danach aus. Die ganze Szene vermittelt den Eindruck, dass es keine Neugier gab, die Lehre kennen zu wollen.

Er pflegte zu belehren. Es sind die Dinge, die er tut. Manchmal handelt es sich um etwas mysteriöse Lehren. Wir verstehen das nicht gut. Wir haben dass alles satt. Die Stadt Jerusalem, wie interessant, da draußen; all diese Feiern, die stattfinden werden. Kurz gesagt: tausendfacher weltlicher Geist und Gleichgültigkeit gegenüber unserem Herrn.

„Vor dem Tag des Passahfestes wusste Jesus, dass seine Stunde gekommen war, aus dieser Welt zum Vater zu gehen; und da er die Seinen, die in der Welt waren, liebte, liebte er sie bis zur Vollendung.“

Eine weitere Beteuerung - Angesichts dieser Gleichgültigkeit - der Liebe unseres Herrn. Trotz ihrer Gleichgültigkeit, liebte unser Herr sie bis zum Ende. Sehr schön ist der Ausdruck: „Da er die Seinen liebte, so liebte er sie bis zum Ende.“ Das heißt, er liebte sie bis zum Opfer des Kreuzes, bis zu allen Leiden, bis zu allen Formen der Barmherzigkeit, bis zu allen Formen der Vergebung; eine Liebe, die in sich selbst stimmig ist und so weit geht, wie sie gehen sollte. Zu dieser höchsten Logik der Liebe lädt uns unser Herr ein.

Er lädt uns ein, auch so zu sein und zu ihm sagen: „So wie wir Dich lieben, werden wir Dich bis zum Ende lieben.“ Deshalb sind wir bereit, Dir alles zu geben, wir sind bereit, für Dich auf alles zu verzichten, wir sind zu allen Opfern und Aufopferungen bereit, weil wir etwas zurückgeben möchten.

Wir sehen jedoch, dass diese Erwiderung seitens der Apostel in der gesamten Erzählung nicht erwähnt wird.

„Nach dem Abendmahl war es, als der Teufel dem Judas Iskariot, dem Sohn Simons, es bereits ins Herz geworfen hatte, ihn zu verraten -, er aber wusste, dass ihm der Vater alles in die Hände gegeben hatte und dass er von Gott ausgegangen sei und zu Gott zurückkehre -, da stand er auf vom Mahl, legte sein Obergewand ab, nahm ein Linnen und umgürtete sich. Dann goss er Wasser in das Becken und begann, die Füße der Jünger zu waschen und sie mit dem Linnen zu trocknen, mit dem er umgürtet war.“

Wir sehen hier die erste Äußerung der Liebe. Jesus hatte alle Macht bekommen; Er wollte damit beginnen, ihnen die Füße zu waschen und ihnen ihre Sünden zu vergeben. Und wir sehen gleichzeitig die Bestätigung des Werks des Teufels. Judas, ein Apostel, öffnete dem Teufel seine Seele und der Teufel drang in seine Seele ein. Und daher die Ruchlosigkeit dieser furchterregenden Absicht, unseren Herrn zu verraten. Das heißt, er wollte vom Teufel besessen sein; er öffnete seine Seele, der Teufel drang in ihn ein und er verrichtete das Werk eines Teufels. Unser Herr versuchte jedoch bis zum Schluss, Judas zu bewegen, Er versuchte, den teuflischen Einfluss auf Judas zu beenden, durch einen Akt der Großzügigkeit, den Judas sicherlich nicht annehmen wollte. Dann sehen wir etwas Bewegendes: Unser Herr kniet als letzte Geste, um Judas zu rühren, vor ihm nieder und wäscht ihm die Füße. Es wird gesagt, dass Jesus beim Waschen seiner Füße noch liebevoll seine Beine umarmt und damit eine besondere Zuneigung zum Ausdruck brachte. Aber er lehnte es ab. Er lehnte es ab.

*) Bei diesem Gespräch war Anwesend Bischof Antonio de Castro Meyer.

 

 

Aus dem portugiesischen von „Os apóstolos na última ceia“, Vortrag am 31. März 1969.

Die deutsche Fassung dieses Artikels „Der Seelenzustand der Apostel beim letzten Abendmahl“ ist erstmals erschienen in www.p-c-o.blogspot.com

© Veröffentlichung dieser deutschen Fassung ist mit Quellenangabe dieses Blogs gestattet.

Die majestätischste menschliche Figur, die je existierte



Das Grabtuch unseres Herrn Jesus Christus ist ein großes Laken, um einen großen Mann wie ihn einzuhüllen. Die Juden hüllten damit nach altem Gesetz die Leichen ein. Wenn ein Jude starb, wurde sein ganzer Körper in Leinenstreifen gewickelt und anschließend verhüllt: Die Leichen sonderten manchmal etwas ab, deshalb spricht man von einem (Sudarium - Schweißtuch) Leichentuch. Und diese Absonderungen waren auf dem Tuch nicht sichtbar.

Das heilige Grabtuch hat im Laufe der Geschichte viele Wege durchlaufen. Es gehörte, so hieß es, den Kaisern von Konstantinopel. Ich glaube, es gehörte der heiligen Helena, der Mutter von Kaiser Konstantin, dem großen Kaiser, der das Christentum, den Katholizismus aus den Katakomben befreite. Das Tuch ging von Hand zu Hand, und als die Türken im 15. Jahrhundert in Konstantinopel einmarschierten, floh jemand mit dem heiligen Grabtuch in den Westen. Anschließend ging es durch andere Hände und gelangte schließlich in den Besitz der Herzöge von Savoyen, dem Haus der früheren Könige Italiens, die bis etwa 1845 regierten.

Dieses Grabtuch, auf dem nichts zu sehen war, war in Turin, der Hauptstadt des Herzogtums Savoyen, ausgestellt. Und an Karfreitagen, also an ganz besonderen Tagen, wurde das Grabtuch enthüllt. Doch skeptische Geister hatten Schwierigkeiten, die Echtheit anzuerkennen, denn sie hatten keine Beweise, nichts. Es handelte sich lediglich um eine mündliche Übermittlung von einer Person zur anderen.

Als die Fotografie erfunden wurde, wenn ich mich nicht irre, Mitte des letzten (18.) Jahrhunderts, kam ein Fotograf aus Turin auf die Idee, dieses Grabtuch mit dem wunderschönen Reliquiar, das es enthielt, zu fotografieren. Und sein Erstaunen war riesengroß, als er auf der Platte, im fotografischen Klischee, diese Figur sah!

Dann kamen auch andere Fotografen, um Fotos zu machen, und alle hatten das gleiche Ergebnis. Dies erregte enorme Aufmerksamkeit. Und Menschen aus ganz Italien und später aus der ganzen Welt kamen, um Fotos zu machen und sie an die Gläubigen zu verteilen. Und genau das ist die Gestalt, die man sich von unserem Herrn Jesus Christus machen kann.

Doch es gibt auch einen doppelten Beweis: Er beweist, dass das Grabtuch ein echtes Grabtuch ist, und er beweist auch, dass unser Herr Jesus Christus existierte, dass er ein sterbliches Leben hatte und dass er genau die Physiognomie hatte, die man sich vorstellen konnte.

Es handelte sich daher um eine sehr wichtige und eindrucksvolle Bestätigung der katholischen Lehre. Anschließend baten sie den Erzbischof von Turin, unter dessen Autorität sich das Grabtuch befand, um Erlaubnis und fotografierten das gesamte Grabtuch. Dann wurde der ganze Tuch fotografiert und der gesamte Körper erschien!

Es gibt eine wissenschaftliche Erklärung. Das heißt, die Transsudation enthält bestimmte Salze, die mit bloßem Auge nicht sichtbar sind, mit sehr starken Linsen jedoch erkennbar sind. Daher wuchs natürlich auch die Verehrung für das Heilige Grabtuch enorm.

Hier sehen wir etwas Besonderes: Schauen Sie sich sein Gesicht an, versuchen Sie, sein Gesicht zu sehen, und Sie werden sehen, dass er eine Person ist, die eine außergewöhnliche Selbstbeherrschung hat. Und der unter dem Druck schrecklicher Qualen steht. Doch zu keinem Zeitpunkt verliert Er die Majestät Seiner Herrschaft über sich selbst. Die Beleidigungen, die gegen Ihn gerichtet werden, sind Ihm nicht gleichgültig, im Gegenteil: Es liegt eine gewisse Spur in seinem heiligen Mund, es liegt eine Strenge in seinem Blick – die erstaunlich ist, aber diese geschlossenen Augen sehen! Es ist, als ob sie etwas sehen. Sein Blick ist ein Blick der Missbilligung, denn seiner göttlichen Person wird eine grausame Beleidigung zugefügt. Und Gott kann nicht unempfindlich gegenüber dem sein, was ihm angetan wird, das wäre eine Unvollkommenheit.

Die majestätischste menschliche Gestalt, die es je gab, und zugleich eine Würde, eine außergewöhnliche Würde! Ein König mit einer Krone auf dem Kopf hätte nicht die Majestät, die Jesus hier hat. Er ist die majestätischste menschliche Gestalt, die es je gab. Kein Maler hätte sich das vorstellen können. Dieser Mensch besitzt zugleich Selbstbeherrschung und Frieden! …

Ein Prophet, ich glaube, es war der Prophet Jesaja, sagte von ihm: „Ecce in pace amaritudo mea amarissima“: Sieh, in Frieden ist meine sehr bittere Bitterkeit! Aber es gibt etwas Barmherziges, es gibt ein Licht der Güte. Gerechtigkeit. Und eine große und großartige Majestät.

Das ist es und es ist wunderbar. Das ist alles, was ich Ihnen insgesamt sagen möchte.

 

 

Aus dem Portugiesischen einer Gesprächsrunde am 21. April 1987

Widergabe der deutschen Übersetzung ist mit der Angabe dieses Blog erlaubt: www.p-c-o.blogspot.com


Dienstag, 15. April 2025

Anleitungen zum Gründonnerstag

 


Nun ein kurzes Wort dazu, wie man den Gründonnerstag begehen soll und die Kommunion empfangen sollte.

Die Kirche betrachtet die letzten Handlungen im Leben unseres Herrn Jesus Christus als ein Ganzes, von der Einsetzung der Heiligen Eucharistie beim letzten Abendmahl, bis zu seinem Tod und seiner Auferstehung. Sie bilden ein Ganzes, weil sie den Höhepunkt, den Gipfel der Vollkommenheit in seinem Leben darstellen. Als er sein irdisches Werk vollendete, setzte er das Heilige Messopfer und die Heilige Eucharistie ein und gab Unserer Lieben Frau, den Aposteln und den heiligen Frauen sowie allgemein den anwesenden Gläubigen die Erstkommunion.

Der Akt der Einsetzung der Eucharistie ist seinem Wesen nach ein festlicher Akt. Es ist ein Fest, weil es eine enorme Gnade ist, die Er der gesamten Menschheit gewährt. Es ist festlich, weil es in einer Zeremonie der alten jüdischen Tradition durchgeführt wurde, es ist die letzte und höchste aller Zeremonien der alten, zu Ende gehenden Synagoge, es ist die Zeremonie des Messopfers des Neuen Bundes, die Einsetzung der Heiligen Eucharistie. Es ist auch ein Akt der jüdischen Religion und Er feierte das Paschafest, das heißt den Durchzug der Juden durch das Rote Meer, das als das größte Wunder der jüdischen Religion galt und dass die Juden sehr feierlich und festlich feierten, weil es eine Befreiung war.

Dieser Durchzug der Juden durch das Rote Meer war ein symbolischer Vorläufer der Erlösung, die unser Herr Jesus Christus für die gesamte Menschheit vollbringen würde.

Das heißt, ein Symbol für das Opfer des Kreuzes. Das Rote Meer öffnete sich und die Juden zogen hindurch, während die Ägypter blieben. Durch den Tod unseres Herrn Jesus Christus wurde für uns, die Berufenen, der Weg zum Himmel geöffnet. Und diejenigen, die Nein gesagt haben, blieben, sie blieben im Heidentum, sie blieben in der Revolution, sie blieben im Unglauben und sie kommen in die Hölle, wenn sie den Erlösungsakt Jesu nicht annehmen.

So öffnete uns der Tod unseres Herrn Jesus Christus den Weg in den Himmel, so wie die Teilung des Roten Meeres dem auserwählten Volk, dem Vorboten der Katholiken, den Weg in das gelobte Land, nach Israel, dem Vorboten des Himmels, öffnete. Das ist der Gedanke.

* Beim letzten Abendmahl waren alle in Feierstimmung, außer Jesus

In dieser Zeremonie setzte unser Herr Jesus Christus das Heilige Messopfer ein, das eine Vorabfeier des Kreuzopfers war. Zwischen dem Kreuz und der Messe besteht eine enge Verbindung.

Er vollzog das Abendmahl sehr feierlich, teilte an alle Apostel die Kommunion aus, doch für Ihn war es ein Ereignis voller Trauer.

Voller Trauer, weil der Verräter mit am Tisch saß; weil er Anbetungshandlungen von Aposteln empfing, von denen er wusste, dass sie ihn verraten würden. Alle um ihn herum würden ihn verraten. Sogar der heilige Johannes, der diese Gebärde der innigsten Freundschaft zu Ihm vollzogen hatte, indem er seinen Kopf auf Seine Brust legte und Ihn fragte, wer denn es sei, der Ihn verraten würde, ist im entscheidenden Moment auch davongelaufen. Alle feierten also, außer Unser Herr Jesus Christus, der in dem Moment, als er den größten Beweis seiner Barmherzigkeit und seiner Liebe gab – nämlich durch die Einsetzung der heiligen Messe und der Eucharistie –, all die Schmach voraussah, der er ausgesetzt sein würde.

Die einzige vollkommene Freude, die er an diesem Tag empfand, war, als er Unserer Lieben Frau die Kommunion gab. In diesem Moment ja, denn Unsere Liebe Frau hat, wie Sie sich vorstellen können, die Eucharistie in vollkommenster Anbetung und Andacht empfangen, und von diesem Moment an verblieb die heilige Hostie, allem Anschein nach, für immer in Ihr. Von einer Kommunion zur anderen verblieben die heiligen Gestalten in Ihr, wie in einem lebendigen Tabernakel, wie zur Zeit der Menschwerdung, als Sie den Leib unseres Herrn Jesus Christus in sich trug.

Abgesehen davon kannte Jesus keine Freude, und im Leben hatte er keine andere Freude als den Anblick seiner Mutter, und dennoch verwandelte sich die Muttergottes aufgrund der Passion, die er erlitt, und des Mitleidens, das sie für Ihn empfand, in die Mutter der Schmerzen.

Nachdem die Allerheiligste Eucharistie eingesetzt worden war, geschah Folgendes Tragisches: Unser Herr verließ den erleuchteten, festlichen Abendmahlsaal und trat in die Nacht hinein. In diese schlecht beleuchteten Nächte, der alten Städte. Er durchquerte einen Teil der Stadt, verlässt mit den Aposteln die Stadt, wobei sie alle religiöse Hymnen rezitieren, die der Osterzeremonie eigen sind, und geht zum Ölgarten.

Im Ölgarten beginnt seine Passion. Zuerst beginnt das Leiden seiner Seele und dann das Leiden des Leibes. In dem Leiden der Seele sieht Er absolut alles voraus, was Ihm widerfahren wird, und Er akzeptiert Punkt für Punkt alle geistlichen Qualen Seiner Passion.

Durch das Leiden des Leibes übergibt er sich anschließend seinen Henkern und wird gefoltert, bis Er am Kreuz stirbt.

* Von Dr. Plinio empfohlene Trauerhaltungen für Gründonnerstag und Karfreitag

Morgen erinnert also die traditionelle Liturgie der Kirche an diese beiden Dinge: sie war festlich, das heißt, es gab die Gründonnerstagsmesse, in der der Priester weiße Gewänder trug, die ganze Kirche feierte. Aber gleichzeitig auch etwas Berührendes und sehr Beschwörendes, das neben dem Altar, ein besonderer Tabernakel, vorbereitet wurde.

Wenn die Messe zu Ende war, ging der Priester ohne Schellenbegleitung zu dem Altar, auf dem sich der Tabernakel in Form eines Grabes befand, und schloss die heiligen Gestalten dort – im Grab ­– ein. Die Glocken läuteten schon nicht mehr, aber als Zeichen des Schmerzes rasselte die Klapper.

Das heißt, als das Fest vorüber war, betrat Jesus die Finsternis des Reiches des Todes und musste sich den Härten des Todes stellen. Aus diesem Grund war die Atmosphäre in der Kirche von Freude und Trauer geprägt, wobei diese Freude jedoch von einer Trauer überwältigt wurde, da die Flut der Trauer, die unseren Herrn überfallen würde, so groß war, dass die Freude offensichtlich getrübt wurde.

Dies ist die Geisteshaltung, mit der wir morgen leben müssen. Das heißt, wir müssen den morgigen Tag als einen heiligen Tag betrachten. Doch wir, die wir die Fortsetzer der Tradition und des wahren Geistes der Kirche sind, müssen ihn als heilig betrachten, so wie ich ihn als heilig betrachtete, als ich ein Junge war.

Als ich ein Junge war, verharrten Gründonnerstag, Karfreitag und Karsamstag bis Mittag in totaler Stille: Autos hupten nicht, die Züge pfiffen nicht; die Glocken läuteten nicht, es gab damals kein Radio, aber in den Privathäusern hatte fast jeder ein Musikinstrument, sei es ein Klavier, eine Geige oder etwas in der Art: Es wurde keine Musik gespielt, niemand sang, es gab keine Feiern, keine geselligen Zusammenkünfte.

 – denn erst am Mittag wurde das Halleluja angestimmt, es war die Auferstehung –

Die Leute, die am Gründonnerstag zur Kirche gingen, trugen noch festliche Kleidung. Nach der Messe, am Donnerstagnachmittag trugen alle den ganzen Freitag und Samstagmorgen bis zur Feier der Auferstehung schwarze Kleidung. Das heißt, alle waren in großer Trauer über den Tod unseres Herrn Jesus Christus. Eltern verboten ihren Kindern lautes Lachen und das Spielen.

Der Karfreitag war strenger Fasttag; alle fasteten, das damalige Fasten, war noch ein strenges Fasten. Alle gingen in die Kirche, um zu beten und um Vergebung für ihre Sünden zu bitten. Das heißt, eine Atmosphäre der Reue, eine Atmosphäre der Traurigkeit begann sich zu dieser Zeit auf der Welt breitzumachen.

Und das, meine Lieben, solltet ihr morgen am Gründonnerstag tun. Da ich es nicht zu spektakulär machen möchte, würde ich empfehlen, und vielleicht werde ich es nächstes Jahr empfehlen, denn wenn die eine Seite spektakulär wird, sollten auch wir Seite spektakulär werden. Ich würde empfehlen, dass an diesem Tag jeder eine schwarze Krawatte trägt und dass jeder ein Trauerflor über das Abzeichen der TFP anbringt, das den Löwen teilweise bedeckt, um unsere Teilnahme an der Trauer um Unseren Herrn Jesus Christus anzuzeigen und um zu zeigen, wie die Welt unserer Meinung nach die Dinge handhaben sollte, um gegen diesen unheiligen Gründonnerstag zu protestieren, der da draußen begangen wird.

Man sollte auch bedeutungslose Gespräche vermeiden, dumme Gespräche, sinnlose Gespräche, und nur reden, wenn es nötig ist.

Das perfekte Ideal – wenn Sie Gründonnerstag und Karfreitag ganz gut verbringen möchten, ich möchte Ihnen nichts aufzwingen, aber ich empfehle, ich schlage vor: Wer sich dazu geneigt fühlt,  - es würde Unserer Lieben Frau sicher große Freude bereiten –, wenn Sie, beginnend mit der Messe am Gründonnerstag, nach der Kommunion, am Donnerstag und Karfreitag völliges Schweigen bewahren würden, sodass Sie außer das unbedingt notwendige nicht sprechen und so tun, als ob Sie das Zeichen des Schweigens tragen würden.

Wie schön es ist im TFP-Hauptquartier: völlige Stille, Gruppen junger Männer gehen gemeinsam die Straße entlang, keiner spricht mit niemandem. Was für ein Wunder, was für eine Lehre, was für eine Erbauung! Wie ratsam wäre dies für alle. Daher wollte ich es nicht versäumen, Ihnen diese Empfehlung zu geben.

* Eine Möglichkeit, unseren Herrn zu trösten, besteht darin, unsere Kommunion am Gründonnerstag gut zu gestalten.

Welche ist die Einstellung zum spirituellen Leben? Die Haltung sollte folgende sein: Die Kirche lehrt eine sehr schöne Tatsache, und zwar diese: Als Unser Herr Jesus Christus die Eucharistie einsetzte, sah er, da er Gott ist, alle Kommunionen im Voraus, die bis zum Ende der Zeit in der Welt stattfinden würden. Und er freute sich über die gut durchgeführten Kommunionen. Doch Er war traurig über die lauwarmen Kommunionen und schauderte vor Entsetzen angesichts der sakrilegischen Kommunionen.

Deshalb sah er zum Zeitpunkt der Einsetzung der Heiligen Eucharistie alle meine Kommunionen und empfand damals Freude oder Trauer über meine Kommunionen. Wenn ich also heute die Kommunion gut empfange, vergrößere ich die Freude Unseres Herrn Jesus Christus bei der damaligen Einsetzung der Allerheiligsten Eucharistie, und wenn ich die Kommunion schlecht empfange, vergrößere ich seine Traurigkeit bei der damaligen Einsetzung der Allerheiligsten Eucharistie vor zweitausend Jahren.

Was würden wir tun, um Unseren Herrn in dem Moment zu trösten, als er die Eucharistie einsetzte? Wir können dies jetzt tun, indem wir uns auf eine gute Kommunion morgen vorbereiten.

Was ist eine gute Kommunion morgen? Es ist eine Kommunion, in der wir versuchen, uns an Seine Güte bei der Einsetzung der Allerheiligsten Eucharistie zu erinnern. Das heißt, er sagte: „Mein Leib ist wahrhaftig eine Speise, mein Blut ist wahrhaftig ein Trank“, und so wurde die Heilige Eucharistie eingesetzt. Es ist ein Akt äußerster Intimität mit einem Menschen, der größten Intimität, die man sich vorstellen kann. Wenn Er dies nicht veranlasst hätte, wäre uns die Möglichkeit einer solchen Sache nicht in den Sinn gekommen, denn so groß ist die Vertrautheit, die Er mit uns aufgebaut hat.

Wir müssen dafür dankbar sein, Ihn mit Ehrfurcht und Vertrauen empfangen, denn er betritt unsere geistige Wohnstätte, wie er jedes Haus in Palästina betreten hat. Er kam, um zu lehren, er kam, um zu heilen, er kam, um zu heiligen. Das hat er sein ganzes Leben lang getan.

Gut, bitten wir Ihn, uns zu lehren, bitten wir Ihn, uns zu heilen. Er heilt die Gebrechen der Seele viel mehr als die Gebrechen des Leibes, aber wir können ihn auch für die Gebrechen des Körpers, Krankheiten usw. bitten, dass er uns heile.

Anschließend, nach der Kommunion, bitten wir ihn um Vergebung für unsere Fehler und um eine Seelenhaltung, damit wir den Karfreitag gut begehen können.

Morgen Abend werde ich, so Gott will, mit Ihnen eine Meditation zum Karfreitag durchführen und wenn Sie möchten, können Sie diese am Karfreitag tagsüber anhören, um Ihren Geist zu nähren und einen Karfreitag voller Frömmigkeit zu verbringen.

* Wir müssen Unserer Lieben Frau für die Gnaden danken, die wir durch Sie erhalten haben, und Ihre Freude und Ihre Trauer teilen.

Natürlich kann alles, was ich hier sage, nur im Hinblick auf die Gottesmutter verstanden werden. Unsere Liebe Frau ist die Mittlerin aller Gnaden. Sie bat für uns um die Kommunionen, die wir empfingen. Sie bat für uns um die Gnade. Für mich bat sie um die Gnade, mit Ihnen sprechen zu dürfen, für Sie bat sie um die Gnade, mir an jenem Abend zuzuhören, als ich über Ihn und über Sie sprach.

Dann müssen Sie durch Sie um alles bitten, was ich gerade erwähnt habe. Danken Sie Ihr, dass Sie das für uns erlangt hat. Nehmen Sie teil an Ihrer Freude, als Sie sah, dass die Eucharistie eingesetzt wurde, nehmen Sie teil an ihrem Schmerz, wenn sie in Betracht ziehen, dass viele Kommunionen schlecht eingenommen wurden.

Und damit beginnen Sie die Karwoche in einer Atmosphäre der Besinnung. Dies ist also sehr zu empfehlen. Besonders nach der Kommunion sollten Sie eine Atmosphäre völliger Sammlung aufrechterhalten.

Ich spreche nach der Kommunion. Es ist äußerst ratsam, dass Sie zur Messe gehen und die Kommunion empfangen, denn am Tag der Einführung der Messe ist es angebracht, dass wir der Messe beiwohnen, das ist mehr als vernünftig. Der Mittelpunkt des katholischen Gottesdienstes ist die heilige Messe. Daher ist es angemessen, dass wir der ersten Messe beiwohnen, in Gemeinschaft mit Unserer Lieben Frau, die ebenfalls an der ersten Messe teilnahm.

Dies sind die Empfehlungen, die ich Ihnen zu Beginn dieser Karwoche gebe.

Sie wissen, dass wir uns auf die Weihe der Gruppe an Unsere Liebe Frau am 13. Mai vorbereiten. Bitten wir in dieser Karwoche unseren Herrn Jesus Christus und Unsere Liebe Frau, uns vorzubereiten, damit diese Weihe vollkommen sei und wir uns auf diese Weise heiligen können.

Damit, meine Lieben, schließe ich, möge Ihnen die Gottesmutter helfen.

 

 

Aus dem portugiesischen von „Anleitungen zu Gründonnerstag“ am 18. April 1973

Die deutsche Fassung dieses Vortages ist erstmals erschienen in www.p-c-o.blogspot.com

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Bild: Das letzteAbendmahl. Sakramentskapelle der Liebfrauenkirche in Frankfurt. Foto BHofschulte

 

Montag, 14. April 2025

Der Kreuzweg: XII. Station




Plinio Corrêa de Oliveira

O Legionário vom 10. April 1938

Nachdem ich die erschöpfenden Aufgaben eines ganzen Tages voller Kampf und Arbeit erledigt hatte, beschloss ich, einer Anbetungsandacht des Allerheiligsten beizuwohnen. Ich hatte noch eine ganze Stunde vor mir. Aber ich beschloss, so schnell wie möglich zur Kirche zu gehen und dort auf den Beginn der liturgischen Feierlichkeiten zu warten.

Ich ging hinein. Die Umgebung entsprach genau meinen Erwartungen. Zwei blasse elektrische Lampen, die in einem Seitenschiff brannten, verbreiteten ein ungleichmäßiges und launisches Licht über den riesigen Körper des Tempels, das die unerwarteten Schatten der dicken Säulen des Gebäudes auf dem Steinboden und den schlicht dekorierten Wänden zeichnete. Von der Straße aus warfen die Straßenlaternen gerade genug Licht auf die Fenster, um die Rubine und Saphire in den Buntglasverglasungen zum Leuchten zu bringen, ohne jedoch die erhabene Dunkelheit der Kirche zu beeinträchtigen. Das Hupen der Autos, die Stimmen der Kinder, die die Zeitungen zum Verkauf anboten, der wirre Lärm des Verkehrs, all das Stöhnen der Großstadt, die sich bereits in den letzten Stunden des Tages unter der Last der fast erledigten täglichen Aufgaben beugte, hallte im Inneren der Kirche wider, veredelt durch die magischen und verwandelnden Kunstgriffe eines Echos, das ihm eine ernste Note des Übernatürlichen verlieh.

Ich dachte, ich wäre allein, aber nach einer Weile bemerkte ich, dass jemand im rechten Kirchenschiff den Kreuzweg beendete. Und ich bemerkte auch, dass es ein junger katholischer Journalist und damit ein Kollege von mir war.

Er kam immer näher und erreichte die 12. Station, wo ich am Fuße eines Kruzifixes sein leises Gebet hörte. Hier ist es:

„Hier bin ich, Herr, an der Station, wo wir deinen Tod am Kreuz betrachten.

„Dies ist die Station, in der die Fülle Deiner Liebe gedacht wird. In dieser Station führten Hass und Bosheit das schreckliche Verbrechen, das im Sanhedrin geplant und durch die Feigheit von Caesars Statthalter vollendet worden war, zu Ende ging und die größte Monstrosität, zu der die Menschheit fähig war begangen wurde.

„Selbst leblose Wesen wurden von Entsetzen erschüttert. Die Sonne verfinsterte sich. Der Vorhang des Tempels zerriss. Die Eingeweide der Erde stöhnten und erschütterten die Welt mit einem fieberhaften Erdbeben. Selbst die Gräber spalteten ihre jahrhundertealten Platten, und die Leichen der Toten, die vielleicht seit Jahrtausenden schliefen, wurden aus ihrem Schlaf gerissen und durchquerten Jerusalem voller Schreck, denn selbst die Gerechten erhoben sich unter furchtbarem Protest aus ihren Grabstätten.

„Und doch gab es Menschenherzen, die nicht rührten.

„Genau diese Stunde des Schmerzes und der völligen Verlassenheit hast Du für größten erweise Deiner Barmherzigkeit erwählt.

Und Deine Liebe, die in einem Wunder der Nächstenliebe die erlesenste menschliche Bosheit besiegte, breitete sich dann unwiderstehlich über diejenigen aus, die Dich am meisten hassten.

Mit zärtlichem Blick hast du einen Dieb besiegt, der als gut galt, nicht so sehr wegen seiner Güte als wegen Deiner. In der Ferne suchte Deine Gnade die untreuen Freunde, die Dich gnadenlos den Henkern ausgeliefert hatten, den feigen Statthalter, der Dich der Wut der kriminellen Menge ausgeliefert hatte, den treulosen Sanhedrin, der deinen Tod geplant hatte, und, Herr, mehr noch, während du die Qualen deines Leidens erlittest, suchte deine Gnade ein letztes Mal den Sohn des Verderbens, der dich mit einem Kuss verraten hatte!

„Deshalb, Herr, werde ich in dieser Station nicht für mich selbst beten, noch für die, die ich liebe, und auch nicht für die, die Dich lieben.

„Erlaube mir, Herr, Dich um Gnade für diejenigen zu bitten, die Dich am meisten beleidigen.

„Schau nicht auf den Hass, der ihre Herzen erfüllt. Schau stattdessen auf die Liebe, die Deine Gnade in die Herzen der Gerechten gießt, die Liebe, die Deine Gnade in ihnen für die Verfolger Deiner Heiligen Kirche weckt.

„Du, Herr, der Du meine Nieren und mein Herz durchforschst, hast unzählige Male die Sünde und das Elend in mir gesehen. Aber du hast auch gesehen, dass ich nie, an keinem einzigen Tag meines Lebens, aufgehört habe, deine Feinde zu lieben, diese erbitterten Feinde, die sich, rasend vor Hass auf dich, auch mir, deinem Diener, zuwandten und mir das Böse antun wollten, das sie Dir antun würden, wenn sie könnten.

„Du weißt, Herr, mit welcher Inbrunst ich ihnen alles Gute gewünscht und mit welcher Liebe ich mir stets ihre Bekehrung gewünscht habe. Wenn ich sie verletzt habe, geschah es, um sie zu heilen. Wenn ich sie verärgert habe, geschah es, um sie zu retten; wenn ich sie getadelt habe, geschah es, um sie wiederzubeleben. Doch sie haben mir Gutes mit Bösem vergolten. Doch du weißt, dass ich nicht aufgehört habe und nicht aufhören werde, sie zu lieben und ihnen Gutes zu tun, selbst wenn ich mein Leben riskiere.

„Sieh, Herr, auf die Genugtuungen, die in deinem Namen die heiligen Jungfrauen und die Gottgeweihten Männer in den Klöstern darbieten. Schau dir die Gebete der Heiligen an, die im Himmel von der Wonne Deiner ewigen Liebe berauscht werden. Schau, Herr, auf das Herz Deiner Heiligsten Mutter, dieses Meisterwerk Deiner Macht und Deiner Barmherzigkeit, das, neben Dir im Reich der Herrlichkeit, nicht aufhört, für Deine Feinde zu beten, mit einer Liebe, die umso eindringlicher ist, je weiter sie sich von Dir entfernen.

„Aber, Herr, noch mehr! Schau auf Dich selbst, schau auf das kostbare Blut, mit dem Du die Straßen des sündigen Jerusalems gesalbt hast und das Du heute im erhabenen Opfer unserer Altäre darbringst. Herr, rette durch Dein eigenes Blut Deine Feinde!

„Sieh, Herr, auf jene, die sich unterwürfig niederwerfen und menschliche Götzen anbeten, obwohl Du allein Gott bist. Sieh auf die Menschen voller Stolz, die Deine Altäre zerstören wollen, um der Menschheit die Anbetung Deiner Geschöpfe aufzuzwingen, die Deinen Namen lästern und Dein Gesetz mit Füßen treten.

„Schau, Herr, auf jene, die behaupten, es gäbe keinen Gott, die Zerstörung der Familie und die Untergrabung aller göttlichen und menschlichen Institutionen predigen und die durch Demagogie in den Wahnsinn getriebenen Massen mit teuflischer Wut erfüllen.

„Schau, o Herr, auf diejenigen, die durch Häresie oder Schisma von Dir getrennt sind; schau auch auf jene unglücklichen Katholiken, die zum Leib der Kirche gehören, in denen Deine Gnade aber nicht mehr herrscht. Schau besonders auf diejenigen, die Dir dienen wollen, indem sie sich selbst dienen, und die ihre Augen vor dem katholischen Sinn verschließen und nach den Lehren suchen, die ihren Ambitionen am meisten entsprechen, anstatt nach denen zu suchen, die am besten mit dem Gedankengut Deines Stellvertreters auf Erden übereinstimmen.

„Herr, möge Deine Barmherzigkeit auch die Gefängnisse derer durchdringen, die in Brasilien eingesperrt sind, weil sie 1935 den Verrat begingen, gegen Dich zu den Waffen zu greifen und mitten in der Nacht zu morden und zu rebellieren. Und möge Deine Gnade ihnen dort jene Worte des ewigen Lebens zusprechen, mit denen Du die Samariterin bekehrtest, Maria Magdalena verwandeltest und das wilde Herz des reuigen Diebes, der an Deiner Seite starb, sanftmütig wie ein Lamm machtest...“

Plötzlich durchbrach ein Glockenschlag die Stille und die Kirche wurde mit Lichtern erfüllt.

Überrascht stand mein Kollege abrupt auf und absolvierte eilig die letzten Stationen.

 

 

 

Aus dem portugiesischen von „XII Estação“ in „Legionário“ vom 10. April 1938.

Die deutsche Fassung dieses Artikels „XII. Station“ ist erstmals erschienen in www.p-c-o.blogspot.com

© Veröffentlichung dieser deutschen Fassung ist mit Quellenangabe dieses Blogs gestattet.



Samstag, 12. April 2025

„Lieber rot als tot“ vs. „Lieber tot als rot“

 


„Unsere Liebe Frau von Fatima: Prophezeiungen der Tragödie oder der Hoffnung für Amerika und die Welt“? wurde erstmals 1967 in Brasilien unter dem Titel „Simples relato do que se passou em fatima, quando Nossa Senhora aparceu“ veröffentlicht. Dort hat es bis heute dreiundzwanzig Auflagen erreicht. Das Buch hatte auch eine portugiesische Ausgabe in Portugal. Es erreichte zwanzig Auflagen in der gesamten spanischsprachigen Welt und in fünf Auflagen Italien. Es wurde in Zeitschriften der englischsprachigen Welt wie Crusade for a Chrisian Civilization (New York) und in TFP Newsletter (Johannesburg) veröffentlicht. Ich bin sicher, dass die vorliegende erweiterte Ausgabe auch erfolgreich sein wird.

Diese Arbeit von Herrn Antonio Augusto Borelli ist das Ergebnis einer umfassenden Untersuchung verschiedener Quellen, die er sorgfältig analysiert. Es ist eine intelligente, artikulierte und vollendete Zusammenfassung aller Ereignisse, die im Mittelpunkt der Botschaft von Fatima stehen, begleitet von einer durchdringenden und vernünftigen Interpretation ihrer verschiedenen Aspekte.

Die amerikanische TFP hat mich gebeten, das Vorwort in dieser englischen Ausgabe zu schreiben, die gemeinsam mit Herrn John R. Spann sorgfältig verfasst wurde.

Bei der Zusage dieser freundlichen Einladung schien es mir, dass für den zeitgenössischen Menschen nichts von größerem Interesse sein könnte – insbesondere für den amerikanischen Leser -, als zu zeigen, wie der Inhalt der Fatima -Botschaft das Thema Krieg und Frieden anspricht, insbesondere wenn sie vom Standpunkt des grausamen Dilemmas „Eher rot als tot“ betrachtet wird. Das werde ich hier versuchen.

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Es ist kristallklar für eine große Mehrheit unserer Zeitgenossen, dass dies das grundlegende Dilemma ist, mit dem wir alle konfrontiert werden.

Im Jahr 1917, einige Monate vor der Machtübernahme des Kommunismus in Russland und achtundzwanzig Jahren, bevor die erste Atombombe in Hiroshima explodierte, präsentierte die Botschaft von Fatima die Lösung der Göttlichen Vorsehung für dieses großartige Problem mit übernatürlicher Klarheit. Unsere Lieben Frau gab durch die drei kleinen Hirten in der Mulde von Iria unkomplizierte Richtlinien für diese schwerwiegende Angelegenheit.

Zunächst spricht Ihre Botschaft von den Irrtümern Russlands

und zeigt die Mittel an, um ihre Ausbreitung zu vermeiden. Sie weist auf den Kommunismus hin, als die große Strafe, die die Menschheit treffen wird, aufgrund ihrer religiösen und moralischen Dekadenz. Der Kommunismus erscheint also eindeutig die Geißel der göttlichen Vorsehung zu sein, um die Nationen zu züchtigen, insbesondere die westliche Welt. Doch die Menschheit kann diese Bestrafung vermeiden, wenn sie den Sumpf von Unglauben und Freizügigkeit verlassen, und zum Bekenntnis des wahren Glaubens und der Übung der christlichen Moral zurückkehren.

Genauer gesagt, würde eine große Anzahl von persönlichen Bekehrungen, laut der Botschaft, nicht ausreichen, um dem Willen unserer Lieben Frau nachzukommen. Es ist notwendig, dass jede Nation als Ganzes, insbesondere im Westen, der durch Unglaube und Freizügigkeit verseucht ist, sich bis zu den letzten Konsequenzen bekehrt und den ewigen moralischen Vorschriften des Evangeliums folgen.

Die Botschaft der Muttergottes ist also nicht darauf beschränkt, auf die Gefahr hinzuweisen; sie sagt uns auch, wie wir die Strafe vermeiden können: nicht durch Sterben noch viel weniger, indem wir kommunistisch werden, sondern durch Erfüllung des Willens Gottes und der Beachtung der Botschaft seiner und unser aller Mutter. Vergessen wir nicht, dass eine der Bedingungen hierfür die Weihe Russlands an das Unbefleckte Herz Mariens ist, in den von Ihr geforderten Bedingungen.

Doch die Botschaft geht noch weiter. Sie warnt, dass die Gerechtigkeit Gottes nicht länger zurückgehalten wird, wenn ihrer nicht entsprochen wird. „Wenn sie auf meine Botschaft hören, wird Russland sich bekehren und es wird Frieden herrschen. Wenn nicht, wird es seine Irrtümer über die ganze Welt verbreiten und es wir zu Kriegen und Verfolgungen der Kirche kommen. Die Guten werden gemartert werden; der Heilige Vater wird viel zu leiden haben, mehrere Nationen werden vernichtet werden; doch am Ende wird mein Unbeflecktes Herz triumphieren.“

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Es muss darauf hingewiesen werden, dass die Botschaft nicht besagt, dass die Geißel des Kommunismus ohne Kampf aus der Welt gespült wird, sei es blutig oder unblutig, indem wir lediglich das tut, was die Königin des Himmels und der Erde beantragte, um den Zorn Gottes zu beschwichtigen. Die Botschaft schlägt vielmehr bewundernswerte Interventionen der göttlichen Vorsehung bei menschlichen Ereignissen vor, die den Sieg über die kommunistische Geißel sicherstellen. Gleichzeitig hinterlässt es eine offene Tür zur Hypothese, dass die Menschen möglicherweise diesem Kampf durch heldenhafte Teilnahme an den großen Schlachten beitragen müssen, in denen die souveräne und die entscheidende Hilfe der Jungfrau den Sieg entscheiden wird. In der Tat schließt die Botschaft die Möglichkeit eines endgültigen Sieges des Kommunismus aus. Wenn die Menschen den Aufruf der Jungfrau beachten, wird für sie der Kommunismus ohne Züchtigung besiegt. Wenn Ihre Bitten nicht beachtet werden, wird der Kommunismus die Strafe sein, aber am Ende wird er besiegt werden.

In jeder der beiden Hypothesen wird die Muttergottes die Siegerin sein.

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Wir müssen darauf hinweisen, dass aus der Sicht der Botschaft von Fatima wird die angedrohte Strafe nicht hauptsächlich durch Waffen verhindert, wie mächtig sie auch sein mögen. Ein hohes Maß an Abschreckung durch starke westliche Abwehrkräfte kann ein legitimes und notwendiges Mittel sein, um Krieg zu verhindern. Unsere Liebe Frau beschreibt jedoch die Verbreitung des Kommunismus als eine Bestrafung, die sich aus den Sünden der Menschen ergibt. Diese Bestrafung wird nicht vermieden, wenn die Menschen sich nicht bekehren.

Eines der Mittel, mit denen die Züchtigung auf unbußfertige Menschen verhindert werden könnte, wäre durchaus die Verbreitung eines bedingungslosen Anti-Bewaffnung Zustandes aus rein emotionalen und damit kurzsichtigen Charakters sein. Dies würde vermehrt Angriffe durch einen immer mehr bewaffneten Gegner veranlassen.

Aber wohlgemerkt, Krieg ist keineswegs die bevorzugte Art der göttlichen Vorsehung, die kommunistische Geißel zu verhindern. Die göttlichen Mittel sind die Bekehrung der Menschen, gemäß der Botschaft und die Bekehrung Russlands. Die göttliche Vorsehung könnte möglicherweise einen Krieg nutzen, um den Boden für seine Bekehrung vorzubereiten. Dies wird jedoch in der Botschaft nicht erwähnt. Auf jeden Fall wird ein bloßer militärischer Sieg über Russland das Problem weder lösen noch die Menschen von der rot-oder tot-Alternative abhalten. Gott will mehr; Er will Russland bekehren. Und es geht nicht um die Frage, dass er dafür keinen Krieg braucht. Wenn der Westen sich bekehrt, scheint es wahrscheinlicher, dass Russland durch friedliche, überzeugende religiöse Mittel sich bekehren wird. Wahrhaftig verspricht die Botschaft die Bekehrung Russlands zum katholischen Glauben mit der entsprechenden, antikommunistischen Position, wie sie von der gesamten katholischen Hierarchie zu dem Zeitpunkt gehalten wurde, als die Fatima -Botschaft den Menschen gegeben wurde.

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Welche Beziehung gibt es zwischen dieser echten Bekehrung und der Vernichtung der kommunistischen Gefahr? Die Antwort ist offensichtlich. Der Schwerpunkt der kommunistischen Propaganda in der Welt liegt im Kreml. Die Bekehrung Russlands würde ihn vernichten.

Darüber hinaus würde sich ein bekehrtes Russland leicht und ganz sich dem Westen öffnen. Das würde allen Menschen ermöglichen, den Abgrund von spirituellen und materiellen Übeln tiefer und objektiver kennenzulernen, in dem Russland und seine Satelliten unter dem kommunistischen Regime für Jahrzehnte geworfen wurden. Dies würde die Augen der Völker des Westens für die Unwahrheiten der kommunistischen Propaganda weiter öffnen und sie dagegen schützen.

Noch einmal bestehe ich: In der Fatima-Perspektive ist die Bekehrung des Westens eine Voraussetzung für die Bekehrung Russlands. Darüber hinaus würde sich die Abscheu des Westens gegen den Kommunismus aus einer aufrichtigen und tiefgreifenden Bekehrung ergeben, was offensichtlich das ist, was die heiligste Jungfrau will.

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Fatima sagt uns nichts über China, Vietnam, Kambodscha oder das Unglück der anderen Nationen unter dem kommunistischen Joch. Dennoch ist es angemessen anzunehmen, dass Unsere Liebe Frau, die einen bekehrten Westen vor dem Krieg wundersam schützen würde, diese großen Nationen nicht auch mit den gleichen Gnaden der Bekehrung bedenken würde. Außerdem würden die Regime der osteuropäischen Satelliten Russlands keine Chance haben, ihren aktuellen Status in einem bekehrten Europa aufrechtzuerhalten.

In Bezug auf die anderen Völker gibt uns die christliche Tugend der Hoffnung, oder, ich würde ehr sagen, dass sie uns die Gewissheit auferlegt, dass ihnen die Mittel gegeben werden, ihre Ketten zu brechen und den wahren Glauben zu erkennen und zu praktizieren.

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Zweifellos werden diese Überlegungen in einigen Köpfen eine skeptische und verächtliche Haltung provozieren. Menschen ohne Glauben und ihresgleichen – die Kleingläubigen – werden lächeln und diese Überlegungen als beunruhigende und kindliche Vereinfachung der gegenwärtigen Probleme betrachten, die den Westen zum Kommunismus und vielleicht zum Krieg führen. Sie werden es lächerlich und vielleicht sogar verrückt erachten, die Lösung dieser Probleme in der einfältigen Botschaft an drei analphabetischen Hirtenkinder zu suchen.

Ich leugne nicht die unentwirrbare Komplexität der zeitgenössischen Probleme. Im Gegenteil, ich denke, ihre Komplexität ist so, dass sie menschlich unüberwindbar erscheinen. Dies umso mehr, da die Forschung und Debatten von Menschen ohne Glauben oder mit wenig Glauben, die versuchen, diese Probleme zu lösen, sie nur noch komplizierter machen.

Argumentieren die oberflächlich? Ich denke mit Sicherheit, dass da Oberflächlichkeit herrscht, nicht in unserem Lager, sondern in dem der Skeptiker. In der Tat sehe ich, dass sie größtenteils eine zutiefst ignorante, immer a priori und oberflächliche Vorstellung haben, was Religion ist, ihrer Rolle im Leben der Gesellschaft und des Einzelnen und ihres unersetzlichen und kräftigen Potenzials zur Lösung der Probleme, die sie erfolglos versuchen, zu lösen.

Dies ist nicht der Ort, dieses umfangreiche Thema zu vertiefen. Doch ich kann dem Wunsch nicht widerstehen, skeptischen Lesern einen Blick wie durch ein Schlüsselloch auf diesen weiten Horizont der Vorzüge der Religion zu ermöglichen.

Der heilige Augustinus beschreibt eine wahrhaft christliche Gesellschaft, den Gottesstaat, mit den sich daraus ergebenden Vorteilen für den Staat. „Ein Heer, das aus Soldaten besteht, die nach der Lehre Jesu Christi ausgebildet werden; Statthalter, Ehemänner und Ehefrauen, Eltern und Kinder, Herren und Diener, Könige und Richter, Steuerzahler und Steuereintreiber, wie es die christliche Religion den Menschen gelehrt hat, wie sie sein sollen. Und dann mögen sie (die Heiden) es wagen zu sagen, dass dies dem Wohl des Staates abträglich sei; vielmehr mögen sie nicht länger zögern zu bekennen, dass diese Lehre, wenn sie befolgt würde, die Rettung des Staates wäre.“ (Brief 138 2:15)

Aufgrund der unglücklichen Dynamik der gefallenen menschlichen Natur und des Wirkens des Teufels und seiner irdischen Agenten wächst die Neigung des Menschen, im Widerspruch zum Glauben zu stehen und zu handeln, in dem Maße, wie er sich von ihm entfernt. Das ist die katholische Lehre. Je größer die Distanz, desto größer die Übertretungen – etwas, das an Newtons Gesetz erinnert, was übrigens durch die Erfahrung bestätigt wird, insbesondere in unseren Tagen.

Wenn eine Gesellschaft, getrieben von derselben Dynamik des Unglaubens und der Korruption, die Prinzipien, auf denen der von Augustinus beschriebene Gottesstaat beruht, völlig übertritt, welche politische, soziale oder wirtschaftliche Schule könnte ihren endgültigen Zusammenbruch ohne die Hilfe der Religion verhindern?

Wenn die Menschen nicht zu diesen rettenden Prinzipien zurückkehren, wird nichts Einzelpersonen und Gesellschaften vor einem globalen Verfall unbestimmten Ausmaßes bewahren, der umso erschreckender wird, je länger der Prozess der Degeneration anhält und je tiefer er eindringt.

Nichts wäre gerechter, als wenn Menschen oder Nationen, die von diesem Verfall weniger betroffen sind, die Angriffe stärker betroffener Menschen und Nationen abwehren, indem sie sich in einer friedliebenden Haltung der Wachsamkeit und Abschreckung wappnen, wenn auch in der Bereitschaft zu einer energischen und siegreichen Verteidigung.

Doch allein dadurch werden sie den schädlichen Gärungsprozess des modernen Neuheidentums, der sich in ihren tiefsten Fasern festgesetzt hat, nicht beseitigen. Dies liegt implizit in der gesamten Botschaft von Fatima.

Angesichts dieser Überlegung kann man einen weiteren Aspekt der Züchtigung besser erkennen: ihren reinigenden, regenerierenden und neuordnenden Charakter. Indem sie einen endlosen Prozess individueller und kollektiver Erniedrigung unterbricht, der die größten Risiken für die Rettung unzähliger Seelen birgt, bewirkt die Züchtigung eine Kehrtwende, öffnet den Menschen die Augen für die Schwere ihrer Sünden, erhebt sie zu höchster Reue und Besserung und schenkt ihnen schließlich wahren Frieden.

Ach, wie viele werden umkommen! Aber sie werden bessere Bedingungen haben, um in der Gnade Gottes zu sterben, so wie es der heilige Petrus über die in der Sintflut Verstorbenen schrieb. (S. 1. Petrus 3,20.)

Sterben! Welch ein Schmerz! Doch edle Seelen wissen, dass der Tod nicht unbedingt das größere Übel ist. Judas Makkabäer gab der Nachwelt darin ein Beispiel, als er ausrief: „Es ist besser für uns, im Kampf zu sterben, als die Übel unseres Volkes und der Heiligen zu sehen.“ (1. Makkabäer 3,59)

Heutzutage ist es besser zu sterben, als rot zu werden.

Aber noch besser ist es zu leben. Ja, das übernatürliche Leben der Gnade auf dieser Erde zu leben, um später ewig in der Herrlichkeit Gottes zu leben.

*      *     *

Ich glaube nicht, dass diese letzten Überlegungen im veröffentlichten Teil der Botschaft ausdrücklich erwähnt werden. Dennoch sind sie selbstverständlich und für unvoreingenommene und aufrichtige Menschen leicht verständlich.

Die Botschaft beschreibt, wie Gott die Sünden einer hartnäckig reuelosen Menschheit bestrafen wird. Tatsächlich hallt die Botschaft seit sieben Jahrzehnten um die Welt, ohne dass es ihr gelungen wäre, die Menschen zu bekehren. Insbesondere Katholiken, auf deren Gebete, Buße und Besserung die Jungfrau Maria ganz besonders zählt, um die Auswirkungen des Zorns ihres göttlichen Sohnes abzuwenden und ihre Herrschaft herbeizuführen, konnten sie nicht bekehren. Die Botschaft sagt nichts darüber, wie Gott den Gerechten – denen, die sich entschieden haben, den Verheißungen Unserer Lieben Frau zu folgen – in den schrecklichen Tagen der Strafe beistehen wird, noch sagt sie, was in diesem Fall von ihnen erwartet wird.

Offensichtlich beziehe ich mich hier nur auf den veröffentlichten Teil der Botschaft. Mir sind keine absolut zweifelsfreien Vermutungen über den Inhalt des geheimen Teils bekannt. Nur der Heilige Stuhl weiß es…

Ich möchte hier die Trauer und Ratlosigkeit unzähliger Gläubiger unter den glühendsten Fatima-Anhängern zum Ausdruck bringen, die befürchten, dass den Menschen die Möglichkeit verwehrt bleibt, den unveröffentlichten Teil der Botschaft zu erfahren, selbst wenn er die Gerechten ermutigen und die Abtrünnigen zur Reue führen könnte. Es ist unvorstellbar, dass die Mutter der Barmherzigkeit, die allen Menschen mit ihrer Botschaft so gern hilft, es versäumt, besondere Worte der Zuneigung, Ermutigung und Hoffnung an diejenigen zu richten, denen sie die beschwerliche und glorreiche Aufgabe auferlegt, ihr in dieser schrecklichen Lage treu zu bleiben.

Nichts hindert uns an der Vermutung, dass solche Worte im noch unveröffentlichten Teil des Geheimnisses von Fatima enthalten sein könnten.

*     *      *

Diese letzte Überlegung lenkte mich von meinem eigentlichen Gedankengang ab. Mir bleibt nur noch wenig zu sagen.

Wenn wir die Hypothese der Strafe genauer untersuchen, können wir feststellen, dass der Kontext der Botschaft uns zu der Annahme veranlasst, dass sie mindestens zweifacher Natur sein wird. Sie könnte aus (1.) Kriegen bestehen, die nicht nur Konflikte zwischen Nationen, sondern auch Bürgerkriege umfassen, und (2.) Naturkatastrophen.

Werden diese mörderischen Kriege einen ideologischen Charakter haben? Werden es Konflikte zwischen Gläubigen und Ungläubigen aller Art sein (offene oder verschleierte Ketzer oder Schismatiker, nichtchristliche Gruppen, Atheisten usw.)? Oder werden es Kriege ohne offizielle ideologische Konnotation sein, wie der Deutsch-Französische Konflikt von 1870 oder der Erste Weltkrieg?

Der Unterschied zwischen Kriegen und Naturkatastrophen schien 1917, als die Botschaft den Menschen übermittelt wurde, sehr klar. Damals schien es für den Menschen unmöglich, Katastrophen zu provozieren, die als Folge göttlicher Gerechtigkeit auf die Elemente der Natur wahrgenommen wurden.

Tatsächlich gilt diese Unterscheidung weiterhin, allerdings mit der Einschränkung, dass die Menschen die Möglichkeit erlangt haben, durch Atomfusion Kataklysmen unermesslichen Ausmaßes zu provozieren, ohne gleichzeitig die Macht zu besitzen, sie aufzuhalten. Folglich würde eine zukünftige Atomkatastrophe eines durch Sünde hervorgerufenen Krieges allein die kosmischen Strafen hervorrufen, auf die die Botschaft anspielt. Es ist aber auch möglich, dass zu den Auswirkungen einer atomaren Hekatombe weitere von Gott bestimmte Naturkatastrophen hinzukommen.

*      *      *

Eine Anmerkung bleibt noch zu machen. Aus Fatima-Sicht liegt die wahre Garantie gegen die Katastrophe, die die Zukunft für die Menschen bereithalten könnte, viel weniger – und in gewissem Sinne überhaupt nicht – in Abrüstungspolitik, Friedensverträgen usw. als vielmehr in ihrer Bekehrung. Mit anderen Worten: Die Strafe wird kommen, wenn sie sich nicht bekehren, egal wie sehr sie versuchen, sie mit anderen Mitteln zu vermeiden.

Sollten sie sich jedoch bessern, wird Gott ihnen nicht nur die Fülle seines rachsüchtigen Zorns nehmen, sondern ihnen auch alle Voraussetzungen für die Wahrung eines wahren und dauerhaften Friedens gewähren. Dies wird der Friede Christi im Reiche Christi sein. Genauer gesagt: der Friede Mariens im Reiche Mariens.

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Ich hoffe, diese Überlegungen, die die Botschaft der Heiligen Jungfrau auf aktuelle Probleme beziehen, werden dem Leser helfen, den größtmöglichen Nutzen aus dieser zeitgemäßen Zusammenfassung über Fatima zu ziehen.



Aus dem englischen „Better Red than dead“ vs. „Better dead than Red“

Die deutsche Fassung dieses Artikels „Lieber rot als tot“ vs. „Lieber tot als rot ist erstmals erschienen in www.p-c-o.blogspot.com

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