Dienstag, 3. März 2015

DIE GEGENREVOLUTIONÄRE BEDEUTUNG DES WERKES ZWEIER HEILIGEN

Plinio Corrêa de Oliveira schrieb folgenden Artikel für die katholische spanische Zeitschrift

“Cristiandad” - Barcelona - Nov. 1958
Wer die Geschichte mit den Augen des Glaubens betrachtet und in ihrem Lauf die Eingriffe der Vorsehung zu Gunsten der Heiligen Kirche herauszufinden weiß, wird die beeindruckende Übereinstimmung und Harmonie zweier Heiligen bemerken: des hl. Ludwig Maria Grignion von Montfort und der hl. Margareta Maria Alacoque.

Als sich die revolutionäre Krebsgeschwulst bildete

Beide lebten in Frankreich in einer höchst wichtigen Zeit der Weltgeschichte. Im tiefsten Grund der französischen Gesellschaft entwickelten sich weiterhin mit aller Kraft die Keime der ideologischen Bewegungen des 16. Jahrhunderts. Noch unauffällig verbreiteten sich wie ein unterirdischer reißender Wasserstrom die Tendenzen in Richtung Rationalismus, Laizismus und Liberalismus in den einflussreichsten Kreisen der Gesellschaft. Der langsame aber unerbittliche Untergang der Aristokratie und der Zünfte der Handwerker und Händler, und gleichzeitigem immer sichtbareren Aufstieg des Bürgertums, bereitete von Weitem schon die gesellschaftliche Form her, die die Revolution von 1789 hervorbringen würde.
Mit einem Wort, lange im Voraus aber seit ihrem Anfang mit einer Kraft ausgestattet, die sich bald als menschlich fast unaufhaltsam erweisen sollte, wuchs die Revolution wie ein Krebsgeschwür in den Eingeweiden eines noch gesunden Organismus.
Historische Prozesse wie dieser müssten vorzüglich in ihrem Keimstadium aufgehalten werden. Denn, wenn man seine Entwicklung zulässt, wird es immer schwerer sie abzuwürgen.

Der Eingriff der Vorsehung, um die Revolution zu vermeiden

So ist es wichtig hervorzuheben, dass genau in dem Moment, in dem eine Aktion zur Abwehr der Revolution am zweckmäßigsten und wirksamsten schien, die Vorsehung in Frankreich zwei Heilige mit einer eindeutigen und speziellen Aufgabe in diese Richtung hervorrief. Eine Aufgabe, die sich hauptsächlich und direkt an die „erstgeborene Tochter“ der Kirche richtete, aber indirekt der ganzen Welt zugute kommen würde. Denn einerseits hätte die Vernichtung „in ovo“ der revolutionären Keime in Frankreich die Katastrophen der Revolution für die ganze Welt verhindern können; andererseits würde ein hervorragender Sieg der Religion in einem führenden europäischen Land im 18. Jahrhundert unvorstellbare Auswirkungen in der religiösen und kulturellen Geschichte der Menschheit hervorbringen.
König Ludwig XIV. regierte von 1643 bis 1715. Die hl. Margareta Maria lebte von 1617 bis 1690. Der hl. Ludwig von Montfort wurde 1673 geboren und starb 1716. Wie man sieht, geschahen die Mission der heiligen Nonne im Orden der Schwestern der Heimsuchung, der das Herz Jesu seine Botschaft der Liebe offenbarte und die Predigten des großen Apostels, der die „wahre Andacht zur Heiligsten Jungfrau“ gelehrt hat in der gleichen Zeit der Regierung des Sonnenkönigs.

Der antirevolutionäre Sinn der Botschaft von Paray-le-Monial

Die Leser von „Cristiandad“ kennen sicher schon die Bitten, die Unser Herr über die hl. Margareta Ludwig XIV. zukommen ließ. Sie wissen, dass das Herz Jesu für Frankreich große Prüfungen voraussagte, aber auch versprach, sie verhindern zu können, wenn seine Bitten gehört werden würden. Sie wissen auch, da Ludwig XIV. den Bitten Unseres Herren nicht nachkommen wollte – vielleicht durch heute noch nicht bekannten Informationen und Machenschaften –, versprach Ludwig XVI. während seiner Gefangenschaft im Tempel, die Bitten Jesu zu erfüllen. Doch es war zu spät. Die Revolution ging ihren eingenommenen Kurs weiter, zu unser aller Unglück.
Wichtig ist aus diesen Fakten im Moment festzuhalten, dass vom Zentrum Frankreichs, von Paray-le-Monial aus, die Vorsehung im „Christlichsten Königreich“ einen Feuerherd der Frömmigkeit und ein Brennpunkt der sittlichen Erneuerung entzünden wollte, um die später eintretenden Katastrophen zu verhindern.
Im gleichen Sinn berief die Vorsehung im Westen Frankreichs eine weitere Bewegung.

Vorläufer und Patriarch der Gegenrevolution

So wie die hl. Margareta Maria, hatte auch der hl. Ludwig von Montfort keine Spur von persönlichen politischen Gedanken. Er sah für sein Vaterland und für die Kirche große Katastrophen voraus. Aber sein Blick richtete sich ausschließlich auf die tiefen Ebenen in denen sich diese Katastrophen vorbereiteten. Seine Schriften deuten eine religiöse und sittliche Krise von großem Ausmaß an, aus der, wie aus der Büchse der Pandora, jede Art von Übel hervortreten würde. Um diese Übel zu verhindern, sprach er seine flammenden Predigten, die von den Bauern des frommen Westens gierig gehört wurden. Es waren geistliche Lehren, die er in etlichen Werken zusammenfasste, von denen die „Abhandlung von der wahren Andacht zu Maria“, der „Rundbrief an die Freunde des Kreuzes“ und „Die Liebe zur ewigen Weisheit“ die wichtigsten waren.
Diese drei monumentalen – leider wenig bekannten – Werke gründlich analysiert, sind eine Widerlegung aller Irrlehren, aus denen das Monstrum der Französischen Revolution später geboren würde. Eine Revolution „sui generis“ (einzig in ihrer Art). Die Werke des hl. Ludwig hatten nicht vorrangig das Ziel die zweifelnden, sinnlichen, naturalistischen Geister zu überzeugen, dass sie im Irrtum waren. Seine wichtigste und größte Sorge war, die eifrigen und lauen Katholiken vor diesen Irrtümern zu warnen und zu bewahren. So bestand seine ganze Dialektik die Liebe zur Weisheit seinen Lesern einzuschärfen, um sie vor dem Laizismus oder der Lauheit zu schützen; die Liebe zum Kreuz den Menschen einzuschärfen, um sie gegen die Sinnlichkeit und die tosende Genusssucht einer unsittlichen und mondänen Epoche zu bewahren; und die Verehrung Mariens durch das „heilige Sklaventum“ den Menschen einzuschärfen, um sie vor den ständigen Arglisten eines echten verdeckten Kalvinismus, wie es der Jansenismus war, zu warnen.
In all seinen Werken ist die Dialektik die gleiche. Er zeigt mit Argumenten aus der Heiligen Schrift, der Tradition, der Kirchengeschichte und dem Leben der Heiligen, dass ein Katholik keinesfalls mit dem Zeitgeist paktieren darf, und dass jede Mittelstellung zwischen diesem Geist und dem Frömmigkeitsleben nichts weiter als ein gefährliches Blendwerk der Sinne oder des Teufels ist.

Maria in den Predigten des hl. Ludwig

In diesem gesamten System muss hervorgehoben werden, dass die Verehrung der Muttergottes, besonders als Königin des Weltalls, als Muter Gottes und der Menschen und als Mittlerin aller Gnaden eine absolut zentrale Rolle spielt. Durch diese Andacht kann der Gläubige die Weisheit und die Liebe zum Kreuz von Gott erhalten. Denn Maria ist das Mittel, durch das Jesus zu uns kam und durch das wir zu ihm gehen sollen. Je mehr wir mit Maria vereint sind, desto mehr werden wir mit Jesus vereint sein. Der Heilige Geist bildet Jesus in den marianischen Seelen, die intensiv, glühend und kindlich marianisch sind. Ohne Maria scheitern die größten Bemühungen zur persönlichen Heiligung. Mit ihr aber ist alles erreichbar, was unserer Schwachheit unerreichbar scheint, alle Wege werden frei, alle Türen öffnen sich, und unsere Kräfte, die wir aus dem Kanal der Gnaden schöpfen, vervielfältigen sich. Das wichtigste ist also, ein wahrer Verehrer Mariens zu sein.
Doch es gibt auch Fälschungen dieser Andacht. Der Heilige weist sie aus und warnt uns vor den Minimalisten und vor allem vor denen, die sich mit einer hohlen Andacht, die nur aus äußerlichen Formeln und Frömmigkeitsübungen besteht. Die vollkommene Andacht lehrt er uns: Sie besteht darin, dass wir Sklaven Mariens werden und ihr alle unsere geistlichen und zeitlichen Güter übergeben und alles für sie, mit ihr und in ihr tun.

Gegenrevolutionäre Früchte der Predigten des hl. Ludwig

Der hl. Ludwig war ein großer Verfolgter. Prälaten, Fürsten der Kirche, die Regierung bekämpften ihn heftig. Nur der Papst und einige wenige Bischöfe in Frankreich unterstützten ihn. In der Bretagne, im Poitou und Aunis konnte er frei predigen, was der Bevölkerung für Generationen zur Erhaltung des Glaubens zugute kam. Als während der Revolution die christliche Zivilisation Helden benötigte, um sie in Frankreich zu verteidigen, erhoben sie sich mehr oder weniger im ganzen „Christlichsten Reich“. Aber in einer gewissen Region griff das ganze Volk zu den Waffen und bauten eine massive, kompakte, ungestüme und unbeugsame Reaktion auf. Die „Chouans“, dessen Gedenken kein Katholik ohne eine tiefe und religiöse Ergriffenheit hervorrufen kann, waren die Enkel der Bauern, die vormals der hl. Ludwig in die wahre Andacht zu Maria eingeführt hatte. Wo der hl. Ludwig gepredigt hatte und angenommen wurde, bekam die gottlose und frevelhafte Revolution keine Chance, es bildete sich, im Gegenteil, ein Kreuzzug, eine Gegen-Revolution.
 
Die Bedeutung der hl. Margareta Maria und des hl. Ludwig von Montfort in der Gegenwart

Es ist unbedeutend nachzuforschen in welchem Maße die Bewegungen von Paray-le-Monial und der Vendée im 17. Jahrhundert sich gegenseitig kannten. Die Wichtigkeit beider beschränkte sich nicht auf jene Zeit. Als Kinder der Kirche in diesem tragischen 20. Jahrhundert können und müssen wir beide Bewegungen unter einer einzigen Perspektive sehen, und in dieser Einheit sie als einen  geistlichen Schatz betrachten.
Der wesentliche Zusammenhang ist heute so klar im Gewissen eines jeden Gläubigen, dass es garnicht nötig ist, speziell darauf hinzuweisen. Die Andacht zum Heiligsten Herzen Jesu ist der kostbarste, äußerste, zärtlichste Liebeserweis Unseres Erlösers uns gegenüber. Der Weg um zum Herzen Jesu zu kommen, ist die Mittlerin aller Gnaden. Und so geht man zum Herzen Jesu durch das Herz Mariens. Diese Andacht zum Herzen Mariens, die der hl. Antonius Maria Claret so sehr ins Licht setzte, scheint dem hl. Ludwig nicht bekannt gewesen zu sein. Aber es ist der Verbindungspunkt zwischen der Botschaft von Paray-le-Monial und der Verkündigung des marianischen Apostels der Vendée. Ein Verbindungspunkt, der, nebenbei gesagt, sehr in der Botschaft von Fatima hervorgehoben wurde.
Doch außer diesen grundsätzlichen Banden gibt es noch andere.
Wir können sie in einem raschen Überblick gut verstehen, wenn wir überlegen, was heute Frankreich und die christliche Zivilisation und die Welt sein könnten, wenn beide Bewegungen, Paray-le-Monial und die Vendée, in den 17. und 18. Jahrhundert siegreich hervorgegangen wären. An Stelle der Revolution mit all ihren abscheulichen Folgen, die uns bis hin zum gegenwärtigen Schlund mitgerissen haben, hätten wir ein Reich der Gerechtigkeit und des Friedens. „Opus justitiae pax“ liest man auf dem Wappen Pius XII. Ja, der Frieden Christi im Reiche Christi, von dem wir uns aber immer weiter entfernen.
So haben wir also die enorme Aktualität der Botschaft von Paray-le-Monial und das Werk des hl. Ludwig Maria hervorgehoben. Sie lehren uns, dass der Grund der Probleme, die die gegenwärtige Krise hervorgebracht hat, religiös und sittlich ist. Sie zeigen uns auch die übernatürlichen Mittel, durch die die weltweite Revolution unserer Tage, die die unverschämte und verderbliche Tochter der Französischen Revolution ist, erwürgt werden kann. Nur aus dem guten Gebrauch dieser Mittel können auf kultureller, sozialer und politischer Ebene die Reaktionen hervorkommen, um auf der Welt das Reich Christi durch das Reich Mariens vorzubereiten.

Plinio Corrêa de Oliveira

São Paulo, Oktober 1958


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