VI.
KAPITEL
DAS
BIBLISCHE VORBILD DER GANZHINGABE: REBEKKA UND JAKOB
Kommentare von Plinio Correa de Oliveira
In den Absätzen 184 bis 212 deutet der hl. Ludwig die Person des Jakob im Lichte der Andacht zur Muttergottes.
Die Geschichte Jakobs
Der
alte Isaac war blind, er hatte zwei Söhne: Esau und Jakob.
Esau
war ein Mann, dessen Persönlichkeit aus der biblischen Beschreibung hervorgeht:
sehr Stark, Jäger, weilte wenig zu Hause. Er war dermaßen behaart, dass er Hand
und Nacken mit einem Ziegenfall überzog, als er vor seinen Vater treten sollte;
als der Vater ihn berührte, dachte er, es wäre tatsächlich Esau. Dieser
verbreitete auch einen gewissen Duft, denn als Jakob, angetan mit den Kleidern
seines Bruders, sich dem Vater näherte, sagte dieser: „Fürwahr, meines Sohnes Geruch ist wie des Feldes Geruch, das der Herr
gesegnet hat!“ (Gen 27, 27) Er war eine primitiver Typ, unmäßigen und
primitiven Begierden und Esslust ausgesetzt.
Das
zeigt sich besonders an seinem Verhalten bezüglich des Linsentellers, den Rebekka
für ihren Liebling Jakob bereitet hatte. Esau kam erschöpft nach Hause, sah den
Linsenteller und bat ihn zu essen. Jakob sagte, er könne ihn haben, wenn er ihm
sein Erstgeburtsrecht verkaufe. Esau, trotzdem er von der Jagd kam, verschlang
sofort den Linsenteller mit gefräßigem Appetit und verzichtete so auf sein
Erstgeburtsrecht. Er war also ein Mensch großer Begierde, kräftig, stark und
überfüllt von allen unkontrollierten Naturkräften.
Da
sich Isaak schon sehr alt fühlte und schon nicht mehr sehen konnte, beschloss
er Esau den Segen des Erstgeborenen zu geben, bevor er sterbe. Er sagte ihm, er
solle ihm ein Wildbret jagen und es vorzubereiten, wie er es gern hatte. Er
wolle ihn essen und ihn dann segnen.
Rebekka
aber hatte zugehört, während Isaak sprach. Als Esau gegangen war, rief sie
Jakob, den sie liebte, und sagte ihm er solle zwei Ziegenböckchen bringen, sie
wolle sie für Issak zubereiten. Als der Braten fertig war, ging Jakob in den
Kleidern Esaus und den Ziegenfellen an Hand und Nacken zu seinem Vater. Isaak
zweifelte, dass es Esau sei. Als er ihn aber berührte, meinte er, es sei
wirklich Esau und gab ihm den Segen. Als Esau zurückkam und die Situation
wahrnahm, protestierte er heftig, doch es war nichts mehr zu machen. Als Isaak
von dem Streich erfuhr, wollte er nicht mehr – und das ist geheimnisvoll – den
Segen von Jakob zurücknehmen. Esau bat dann wenigsten um einen übrig
gebliebenen Segen, der ihm gewährt wurde.
Wie
sich der hl. Ludwig ausdrückt, bekam Jakob den Segen des Himmels und Esau den Segen
der Erde.
Deutung der Geschichte
Jakobs
Diese
beiden biblischen Figuren stehen für den hl. Ludwig bildlich als Symbol für die
Auserwählten und der Verdammten, der von Gott Bevorzugten und nicht
Bevorzugten.
Esau, Abbild der Verdammten – Esau stellt den Menschen
reich an natürlichen unkontrollierten Begabungen dar. Er ist von der Art derer,
die sich nicht selbst regieren und beherrschen können, in denen die Kräfte der
Natur, der Wünsche, der Begierden ihn wie ein reißender Strom mitschleift und
er alles ergreift, was er begehrt, geleitet von den niederen Instinkten. Esau
Jagd, weil er Lust auf Jagen hat; sieht einen Linsenteller und will ihn essen,
und tauscht ihn unsinnigerweise mit seinem Erstgeburtsrecht aus. Ständig lässt
er sich leiten von seinen Instinkten und Gelüsten.
Jakob, Abbild der Erwählten – Jakob ist von der Art de
guten Kindes, der in der Welt als ein Frömmler angesehen wird. Immer zu Hause,
ist er der Mutter zugetan, die eine besondere Vorliebe für ihn hegte, als ihr
jüngeres Kind. Von Natur aus ist er schwach, aber doch einer, der sich selbst
zügeln kann, bei dem die Vernunft, der gesunde Verstand und das Gleichgewicht
aller inneren Kräfte ihn zu einem ehrbaren und einsichtigen Leben führen.
Deshalb richtet sich die Vorliebe der Mutter auf ihn und nicht auf den älteren
Bruder.
Das
erste Merkmal, das den Auserwählten auszeichnet ist die Sorge sich selbst
regieren. Er lässt sich nicht von seinen Begierden und Wünschen leiten, sondern
von seiner Vernunft und seinem Willen. Er will das, was ihm die Vernunft zeigt,
was er willen soll und tut nur das, was er weiß, dass er tun soll. Er ist kein
Mensch der ungeordneten Impulse und auch nicht der reinen Instinkte, auch nicht
einer, der mit dem Strom schwimmt. Er steht von sich selbst aufrecht und lässt
sich leiten und regieren durch seine Vernunft.
Zweitens,
wird er von seiner Mutter geliebt, er ist ihr Lieblingssohn. Er ihr gegenüber
sehr gefällig und hat Worte für sie, die ihr Wohlwollen anziehen. Deshalb liebt
sie ihn vorzüglich.
Zuletzt,
er erhält von Gott eine Rolle, die ihm auf den ersten Blick gar nicht zusteht.
Das Abbild Jakobs bezogen
auf die Sklaven Mariens
Der
hl. Ludwig wendet diese Eigenschaften auf diejenigen an, die die Weihe an Maria
als Sklaven vollziehen.
Ein
Mensch ist tatsächlich ein Gegenrevolutionär wenn er sich durch die Vernunft
leiten lässt. Er ist ein Mensch der sich nach Prinzipien, Normen, Maximen
orientiert und ein vernünftiges und logisches Verhalten hat.
Er
wird kein gegenrevolutionär sein in dem Maße, in dem er sich von dem reißenden
Strom der Spontaneität leiten lässt; wenn er nur das tun will, was ihm im
Moment angenehm scheint und auf einer Art, die ihm am angenehmsten ist; wenn er
alles tun will, worauf er im Moment Lust hat; wenn er ohne ernsthaften Gründen
mit jedem Menschen oberflächlich sympathisiert, ohne sich zu fragen ob sie es verdienen oder nicht. Solch ein Mensch kann niemals in den Reihen der von Maria
auserwählten sein. Die Voraussetzung ihr anzugehören ist vor allem die Kontrolle, die Beherrschung,
die Unterwerfung des niederen Teils des Menschen durch den höheren Teil, ohne
dem nichts zu machen ist.
Es
gibt also zwei Eigenschaften Jakobs, die sich hervorheben in den Auserwählten
und den Sklaven Mariens. Sie geben sich nicht der Unordnung ihre Begierden hin
wie Esau, erheben aber Prinzipien zum Grundsatz ihres Lebens. Des Weiteren
setzt ihre Haltung eine besondere Andacht zur Muttergottes voraus. Die
Tatsache, dass wir uns von der Muttergottes besonders geliebt wissen und sie
besonders auch lieben, führt zu einer großen Andacht, großem Eifer und Hingabe
und ständiger Zuflucht zu ihr. Finden wir diese zwei Eigenschaften, so haben
wir einen Auserwählten, einen Jakob. Finden wir sie nicht, haben wir einen
Esau.
Die Neigung zum Esau und
die Prädestination
Wenn
wir von den Auserwählten reden, ist damit nicht gemeint, dass jemand, der eine
große Neigung hat, ein Esau zu sein, nicht berufen ist Jakob zu sein. Es ergibt
sich fast das Gegenteil. Im geistlichen Leben werden die schönsten Kämpfe
gewonnen gegen die vorherrschenden Fehler. Haben wir entdeckt, sind wir von
Unserem Herrn Jesus Christus aufgerufen hervorragend in der Übung der
entgegengesetzten Tugend zu sein. Wir müssen also unseren vorherrschenden
Fehler kennen, um die entgegengesetzte Tugend zu üben. Diese ist unsere
vorherrschende Tugend.
Was
den Auserwählten auszeichnet, ist nicht dies oder jene Temperament, sondern den
notwendigen Gnaden entsprochen zu haben, um diese Dinge zu sehen, um eine
besondere Andacht zur Muttergottes zu haben und zu verstehen welche Pflicht zu
erfüllen ist und beherzt diesen Weg gehen.
„Mein Kind, gib mir dein
Herz“
Der
entscheidende Punkt, mit dem der hl. Ludwig seine Abhandlung beendet ist
dieser: Es gibt diejenigen, die einfach dahinleben, und andere, die gegen ihren
schlechten Grund kämpfen. Es zwei grundverschiedene geistliche Familien. Wenn
wir auf der Linie unseres Heils, unserer Auserwählung sein wollen, müssen wir
der zweiten Familie angehören. Es der Kampf gegen diesen verhängnisvollen
laissez faire, laissez passer, durch welchen sich die Seele genüsslich in
den Wasser der Fantasie und der „Spontaneität“ treiben lässt. Das ist der
Kreuzpunkt.
Wenn
wir bereit sind diesen Kampf mutig durchzuführen, gibt es nichts, was uns nicht
versprochen wird. Wenn nicht, wird alles verloren sein, wir werden keine Kinder
der Verheißung sein; die Tore des Himmels werden für uns verschlossen bleiben. In
diesem Sinn heißt es, dass der Himmel verschlossen ist, für die die ihn nicht
offen haben wollen. Es gibt niemanden, für den der Himmel sich nicht öffnet,
wenn er der Gnade Gottes entspricht, die niemanden im Laufe seines Lebens
fehlen wird.
Der
entscheidende Punkt, der die Kinder des Lichtes von den Kindern dr Finsternis
trennt ist: sich genüsslich von der Strömung tragen lassen oder gegen den Strom
zu schwimmen.
Alles
hängt von unserer inneren Haltung ab. Unser Herr bittet uns um das edelste, was
er bitten kann, aber auch um das schwierigste was es gibt.
Es
gibt ein Bild Unseres Herrn mit dem Herzen in der Hand und sagt dem vor ihn
knienden: „Kind, gib mir dein Herz“. Er will uns unter sein Gesetz leiten und
regieren. Wir sollen uns ganz ihm hingeben. Es ist schwer aber herrlich, wie
alles was schwer ist und zu ihm führt. Es hat die Herrlichkeit des Kreuzes.
Wir
haben eine Patronin, die uns auf herrlicher Weise lehrt, wie man trotz der
Schwäche diese Seelenkraft erreicht: die hl. Theresia vom Kinde Jesu. Wenn wir
ihren „kleinen Weg“ gehen, erreichen wir bestimmt einen großen Grad der
Vollkommenheit in der Tugend. Das ist ihr süßes und mildes Versprechen.
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