Plinio Corrêa de Oliveira
Santo do Dia – 31.5.75
Ich schlage vor, dass ich ein Wort über das Weise und Unbefleckte
Herz Mariens sage.
Zunächst muss ich Sie daran erinnern, dass heute nicht das Fest des Unbefleckten Herzens Mariens ist. Wenn ich mich nicht irre, wäre heute das Fest Maria Königin. Wer kann es mir sagen? Nach dem Kalender von Paul VI. wäre heute das Maria Königin, und es ist nicht mehr – wurde das Fest verschoben oder abgesagt?
Nun, ich glaube jedoch, dass wir heute das Unbefleckte
Herz Mariens zu Recht gedenken können. Und das aus einem sehr einfachen Grund:
Unsere Liebe Frau verwirklicht ihre Herrschaft auf Erden unter anderem durch
ihr Unbeflecktes und Weises Herz. Und es gibt sogar eine sehr schöne Anrufung
Unserer Lieben Frau, Regina Cordium,
Unsere Liebe Frau, Königin der Herzen, die aus der Perspektive dieser beiden
Attribute Unserer Lieben Frau gesehen werden kann. Erstens, Unsere Liebe Frau,
Königin, und zweitens das Unbefleckte und Weise Herz Mariens.
Wie setzt sich das alles zusammen, wie wird das alles
gesehen und verstanden?
Wir wissen, dass Unsere Liebe Frau von Rechts wegen die
Königin des Himmels und der Erde ist. Sie ist aus zwei Gründen zu Recht so:
Erstens, weil sie die Königinmutter der gesamten Schöpfung ist, sie ist die
Mutter Gottes und sie hat daher in der Schöpfung eine ähnliche Situation wie
Königinmütter in Ländern mit einer monarchischen Struktur. Andererseits aber
auch, weil Gott Unserer Lieben Frau die wirksame Herrschaft über Himmel und
Erde gegeben hat. Unsere Liebe Frau befiehlt – weil Er ihr diese Macht
übergeben hat – Unsere Liebe Frau befiehlt über die Engel, Unsere Liebe Frau
befiehlt über die Heiligen, Unsere Liebe Frau befiehlt über alle Seelen, die im
Fegefeuer sind, Unsere Liebe Frau befiehlt über alle Menschen, die auf der Welt
sind. Sie herrscht sogar über die Seelen in der Hölle.
Alles unterliegt ihr ganz und gar durch den Willen
Gottes.
Eine Königinmutter ist nicht gerade eine regierende
Königin. Sie genießt die Ehre eines Königtums, ist aber nicht die amtierende
Königin. Königin Mary von England zum Beispiel ist Königinmutter. Sie war
Königin, Ehefrau – sie war nie regierende Königin, sie übte nie Königtum aus,
sie hatte die Ehre eines Königtums, sie war die Frau von König Georg VI., dann
starb der König, das Königtum ging auf ihre Tochter, Königin Elisabeth II.,
über und sie wurde die Königinmutter. Sie verbrachte ihr ganzes Leben daher
umgeben von den Ehren des Königshauses und nicht unter der Herrschaft des
Königshauses. Königin Elisabeth II. ist die amtierende Königin, denn in dem
geringen Maß an Macht, das eine Königin von England hat, regiert sie in
gewissem Maße. Sie ist also die amtierende Königin.
Die Muttergottes ist nicht nur die Königinmutter, weil
sie die Mutter unseres Herrn Jesus Christus ist, sondern sie ist auch die
regierende Königin, weil Gott ihr diese Macht anvertraut hat.
Nun, wie übt sie diese Macht aus, die sie rechtmäßig hat?
Wie setzt Sie diese rechtmäßige Macht, die Sie besitzt, in die Tat um?
Im Himmel übt Sie es auf zwei Arten aus: Erstens, weil
Sie das Befehlsrecht hat und weil alle Seelen im Himmel in der Gnade bestätigt
sind, tun sie nur den Willen Gottes. Es ist also sehr sicher, dass Unsere Liebe
Frau ihnen im Namen Gottes befiehlt, Sie hat also das Recht, zu befehligen, und
sie gehorchen.
Aber es ist auch wahr, dass sie Unserer Lieben Frau
gehorchen wollten, selbst wenn Gott es nicht angeordnet hätte. Und sie würden
es wollen, weil sie die Muttergottes so sehr lieben, weil sie all Ihre Tugenden
und Ihre Überlegenheit kennen. Da jede Überlegenheit einen Befehl verleiht,
selbst wenn es keinen solchen Befehl von Gott gäbe, bin ich sicher, dass alle
Engel und alle Heiligen im Himmel durch den Ausdruck eines sanften, schwachen
Willens Unserer Lieben Frau alle in diese Richtung sich bewegen würden.
Und es gibt eine Herrschaft, die die Herrschaft eines
Herzens über alle Herzen ist. In welchem Sinne ist das?
Das Herz, wie Sie wissen – das habe ich unzählige Male
gesagt – das Herz ist das physische Organ, das ein Symbol der Mentalität ist.
Das heißt, wie die Person die Dinge sieht und wie sie Dinge will.
Das Weise und Unbefleckte Herz Mariens ist Ausdruck der
Weisen und Unbefleckten Mentalität Unserer Lieben Frau. Und es drückt unter
anderem seine unbeschreibliche Güte, seine unbeschreibliche Süße, seine
unerschöpfliche Barmherzigkeit aus.
Aus all diesen Gründen lieben die Engel und Heiligen im
Himmel Unsere Liebe Frau mit all ihrer Kraft – weniger als Gott, aber sie lieben
Sie. Sie lieben so sehr, wie es ihnen zusteht Sie zu lieben. Und das Ergebnis
ist, dass diese Liebe so ist, dass Sie über sie herrscht – Ihr Herz über ihre
Herzen, das heißt Ihre Mentalität über die Mentalität der anderen. Das heißt,
ihre Art, die Dinge äußerst weise zu sehen, wäre für sie eine Regel der
Weisheit. Ihr Wille, höchstheilig, makellos, würde die Regel ihres Willens
sein, selbst wenn es keinen Befehl von Gott gäbe.
Es bedeutet einfach, dass Unsere Liebe Frau von Herz zu
Herz den Himmel beherrscht. Herrscht im Himmel und herrscht im Fegefeuer, denn
auch die Seelen, die im Fegefeuer sind, sündigen nicht mehr. Auch für sie ist
die Ankunft im Himmel bereits garantiert. Es besteht keine Gefahr, dass eine
Seele im Fegefeuer gegen das extreme Leid rebelliert, das sie dort erleiden.
Weil sie in der Gnade bestätigt wurden und in den Himmel kommen. Und deshalb
denken sie, wie die Muttergottes denkt: Sie wollen, was die Muttergottes will,
sie leben für die Muttergottes. Und aus diesem Grund empfinden sie eine
namenlose Freude, wenn die Muttergottes von Zeit zu Zeit im Fegefeuer
erscheint. Sie alle singen zufrieden aus ihren Qualen heraus. Und Sie nimmt
immer eine große Anzahl von Seelen mit in den Himmel. Und über diejenigen, die
Sie nicht in den Himmel bringt, lässt Sie ein Tau niederrieseln, der ihre
Leiden lindert, und die Hoffnung in den Himmel zu kommen vergrößert.
Aber auch von Herz zu Herz beherrscht und regiert Unsere
Liebe Frau diese Seelen. Sie herrscht nicht nur durch den Wille Gottes.
Wie geht es auf der Erde zu? Wir haben auf der Erde die
traurige Freiheit – die in Wirklichkeit eine Knechtschaft ist – die traurige
Freiheit, den Willen Gottes nicht zu tun. Mit anderen Worten: Unsere
Leidenschaften zerren uns. Sie sind Tyrannen, die uns oft dazu zwingen, Dinge
zu tun, die wir nicht tun wollen. Wegen unserer Sünde, zwingen sie uns, das zu
tun, was wir nicht wollen. Und sie geben uns damit die traurige Freiheit,
„Nein“ zu Gott zu sagen.
Eine traurige Freiheit, die eine Sklaverei ist, denn,
wenn wir in unseren Leidenschaften frei wären, würden wir niemals „Nein“ zu
Gott sagen. Aber diese Leidenschaften existieren. Und wir müssen sie bekämpfen.
Letztlich gibt es also diese Knechtschaft: die Leidenschaften, die wir nur mit
der Gnade Unserer Lieben Frau abschütteln, begrenzen und sogar auslöschen
können. Ohne dies wären wir Sklaven unserer Fehler.
Und es gibt einen Kampf auf der Erde zwischen denen, die
Unserer Lieben Frau gehorchen, und denen, die es nicht tun. Unsere Liebe Frau
hat das Recht, von der ganzen Welt gehorcht zu werden. Und in diesem Sinne ist
sie „von Rechts wegen“ die Königin der ganzen Welt. Aber die Welt hat die
Möglichkeit – wenn auch nicht das Recht –, Unserer Lieben Frau nicht zu
gehorchen. Daher gehorchen viele Menschen Unserer Lieben Frau nicht.
Wie macht das weise und unbefleckte Herz Mariens seine
gesetzliche und unbestreitbare Autorität über alle wirksam? Es macht es auf
sehr einfache Weise effektiv. Unsere Liebe Frau berührt durch ihr Herz die
Herzen, sie berührt die Seelen und veranlasst die Seelen, ihr zu folgen, indem
sie sehr reiche Gnaden schenkt.
Das geschieht natürlich nicht automatisch. Ein Mensch
kann der Gnade widerstehen. Selbst einer sehr großen Gnade kann ein Mensch
widerstehen. Er sündigt, aber er kann auch widerstehen. Aber viele sündigen
nicht wegen der Fülle der Gnade, die sie bekommen. Und auf diese Weise dienen
sie Unserer Lieben Frau, indem sie reiche Gnaden empfangen. Aber wie sind diese
Gnaden? Es ist die Gnade, die Sie unseren Herzen schenkt, damit wir Ihr Herz
sehen können. Ihre Weisheit zu kennen und zu lieben, den makellosen Ton zu
kennen und zu lieben, der in Ihrer gesamten Person vorhanden ist. Und auf diese
Weise wird Ihr von uns gehorcht.
So ist Ihr Herz ein Zepter, mit dem sie alle regiert, die
Ihr in der Welt gehorchen.
Natürlich herrscht die Muttergottes auch über die Bösen.
Der Teufel gehorcht absolut. Und deshalb passieren in der Geschichte oft
beunruhigende Dinge zum Guten oder für diejenigen, die die Seite des Guten
verteidigen, letztlich, weil die Muttergottes es ihnen befohlen hat. Und in
diesem Sinne kann Sie auch befehlen. Aber es ist kein Befehl, der den freien
Willen erzwingt, mit dem eine Person „Ja“ zur Gnade Gottes sagt. Das nicht. Sie
erzwingt viel Anderes, aber in diesem Punkt erzwingt Sie nicht.
Mit anderen Worten: Unsere Liebe Frau hat eine Herrschaft
von Rechtswegen über alle. Das macht sie manchmal effektiv und niemand kann
widerstehen. Aber es ist oft nicht wegen ihrer Macht wirksam, sondern wegen der
Liebe, die sie vielen Seelen mitteilt.
Da sehen Sie den Grund, warum sich so viele Menschen
hingeben, so viele Menschen opfern, so viele Menschen kämpfen usw. usw. Der
Grund ist das weise und unbefleckte Herz Mariens.
Unter diesen Umständen bin ich sicher, dass das Fest Maria
Königin, das Fest Ihres Herzens ist. Was übrigens in Fátima geschrieben steht:
Unsere Liebe Frau sagte: „Am Ende wird
Mein Unbeflecktes Herz triumphieren.“ Triumph bedeutet herrschen. Das Herz
Unserer Lieben Frau ist ein königliches Herz. Wenn ich das Unbefleckte Herz
Mariens darstellen könnte, würde ich es gerne mit einer Krone darüber
darstellen, um den königlichen Charakter des Unbefleckten und Weisen Herzens
Mariens deutlich zu machen.
Das Fest hat daher allen Grund, - auch wenn es das Fest Maria
Königin ist - das Unbefleckte Herz Mariens mit allem Grund zu verehren.
Auf welche Art und Weise? Indem wir diese Bitte zu
unserer eigenen machen: Bilde mein Herz nach Deinem Herzen. „Nach Deinem“
bedeutet nicht vage vergleichbar, nein. Es bedeutet, in allem, was in den
Plänen der Vorsehung vorgesehen ist, mit Deinem Herzen übereinzustimmen. „Mach mich weise mit einer Weisheit, die
Teilhabe an Deiner Weisheit ist; mach mich rein mit einer Reinheit, die
Teilhabe an Deiner Reinheit ist.“ Und weise und rein: Es ist notwendig,
gegenrevolutionär zu sein.
Warum? Weil die Revolution der Gipfel der Torheit und
Unreinheit ist. Sie ist das Gegenteil, auf skandalöser Weise, aber das direkte Gegenteil
von Weisheit und Reinheit. Vor allem von der unbefleckten Reinheit Unserer
Lieben Frau. Also das Weise und Unbefleckte Herz Mariens ist die Muttergottes
der Gegenrevolution. Und es ist wodurch die Revolution Unsere Liebe Frau am
meisten hasst, und wodurch wir, Kinder der Gegenrevolution, uns am stärksten
als Ihre Kinder bezeichnen
Sie verstehen, wie viele Gründe es für uns gibt, die
letzten Minuten dieses Festes zu nutzen, um Gnaden für uns selbst zu bitten.
Vor allem aber, dass Sie diese Wandlung vollziehe, durch die unser Herz von ihr
ergriffen wird. Damit wir sagen können: „Meine
Mutter, ich bin nicht stark genug, mich Dir hinzugeben: Beherrsche mich. Tritt ein
in meine Seele mit solchen Gnaden, dass ich praktisch keinen Widerstand leisten
werde. Diese Tür, meine Mutter, die ich aus Elend nicht öffne, brich sie auf.
Dahinter erwarte ich Dich mit meinem Lächeln, meiner Anerkennung und meiner
Dankbarkeit.“
Dies ist ein schönes Gebet für das heutige Fest.
(Frage: Könnten Sie
diesen Gedanken, wie die Muttergottes diese vollständige Herrschaft erlangt,
näher erläutern?)
Ich finde Ihre Bitte sehr gut. Besonders, da ich merke,
dass ich, da ich sehr müde bin, und in der Zusammenfassung nicht die nötige
Klarheit erreicht habe. Ich habe keinen Fehler gemacht, aber nicht mit der
nötigen Klarheit ausgedrückt. Wenn Sie mir also nächsten Freitag eine kurze
Nachricht schreiben, kann ich dies, so Gott will, ausführlicher ausführen.
(Herr Celso: weil
diese Angelegenheit mit der höheren Stufe des Gehorsam zusammenhängt)
In der Tat. Daran besteht kein Zweifel.
* * *
[Anmerkung: Das
Folgende, obwohl es sich auf demselben Tonband befindet, scheint aus einer
anderen Versammlung zu stammen, da sich der Tonfall von Dr. Plinio ändert. Möglicherweise
handelt es sich um einen Aufnahmefehler.]
* * *
[...] Die Muttergottes kann auf unzählige Arten in das
Leben eines Menschen eingreifen und ihn retten. Manche dieser Einwirkungen sind
keine direkten Handlungen der Muttergottes auf die Seele, sondern indirekte. So
kann es beispielsweise vorkommen, dass die Muttergottes sieht, dass sich jemand
in sehr schlechter Gesellschaft befindet. Die Muttergottes sieht, dass
derjenige, der von dieser schlechten Gesellschaft verführt wird, diese nicht
verlassen wird. Sie schenkt ihm Gnaden, damit er sie verlässt, aber er verlässt
sie nicht. Das heißt, es handelt sich um göttliche Hilfe, die wir jedoch nicht
direkt als übernatürliche Hilfe bezeichnen können, die in der Seele des
Betroffenen wirkt. Vielmehr beseitigt sie Hindernisse, die der Heiligung des
Betroffenen entgegenstehen könnten.
Oder die Muttergottes kann auf andere Weise wirken: Sie
bewirkt beispielsweise, dass die Person x, der sie besonders gnädig sein möchte,
aus irgendeinem Grund in eine andere Stadt zieht, weil der Vater dieser Person
eine hervorragende Stelle antritt und ebenfalls dorthin zieht. Der schlechte
Umgang verschwindet. Auf diese Weise beseitigt die Muttergottes einen äußeren
Umstand, der die Person zum Bösen verleiten könnte.
Sie kann die Person auch in die Nähe guter Gesellschaft
bringen. Doch dann wirkt bereits etwas Übernatürliches auf die Seele der
Person. Das heißt, gute Gesellschaft ist eine Gelegenheit für die Person,
Gnaden zu empfangen. Und die Zunahme der Gnaden kann die Kraft der Person
stärken und ihr helfen, zu widerstehen.
Nun kommen wir zur Frage der Gnade. Jeder Mensch besitzt
genug Gnade zu seiner Errettung. Dies ist ein Glaubensgegenstand, es ist ein
Versprechen unseres Herrn im Evangelium: Niemandem
wird es jemals an Gnade zur Errettung mangeln, und niemand wird jemals
Versuchungen ausgesetzt sein, die größer sind als die Gnade, die er empfängt.
Was oft geschieht, ist, dass die Versuchung größer
erscheint als die Gnade, die die Person in diesem Moment besitzt. Doch wer
betet, wird siegen, denn er empfängt sofort die Gnaden, die nötig sind, um der
Versuchung zu widerstehen. So kommt es nie vor, dass ein Dämon einen Menschen
angreift, ohne dass dieser in diesem Moment die Gnade besitzt, zu widerstehen
und zu beten. Die Gnade zum Beten fehlt niemals. Durch das Gebet kann der
Mensch den Widerstand verlängern und ihn schließlich siegreich machen.
Durch die Gnaden, die die Muttergottes sendet, manchmal
auch unabhängig vom Gebet – so groß ist ihre Güte –, kann sie die Gnade siegen
lassen.
Nun kann es auch geschehen, dass bei manchen Seelen, die
die Muttergottes nach ihrem Plan vollkommen retten will, die gewährten Gnaden
so beschaffen sind, dass sie, da sie den Grad der Bosheit und Güte des Menschen
kennt, bereits weiß, dass der Mensch durch diese Gnaden gewiss gerettet werden
wird. Sie weiß also bereits, dass der Mensch auf diese Gnade reagieren und
gerettet werden wird.
Nun, es mag sein, dass sie selbst hartnäckigsten Seelen
eine so große Gnade schenkt, dass diese Seele, trotz all ihrer Bosheit und
ihres Starrsinns, nachgibt. Das heißt, es gibt Gnaden, die in diesem Sinne des
Wortes – sie sind sehr selten – als unwiderstehliche Gnaden bezeichnet werden
können. Die wohl bekannteste davon ist die des heiligen Paulus, als er auf dem
Weg nach Damaskus vom Pferd stürzte. Eine Stimme sprach zu ihm: Warum
widerstehst du dem Stachel? Das heißt, warum widerstehst du einer Gnade, die
wie ein unaufhörlich wehender Wind ist? Und deshalb erblindete er, stürzte vom
Pferd, wurde getauft, bekehrte sich usw. Und Er schenkte, wie Sie wissen, eine
feurige Seele dem Apostel der Heiden.
Einmal sagte Dom Mayer im Gespräch darüber Folgendes:
Diese Gnade zwingt den Menschen niemals. Es steht außer Frage, dass die Anziehungskraft
so überwältigend ist, dass niemand ihr widerstehen kann. Was bedeutet das? Dem
Menschen wird einerseits so deutlich, dass er dem folgen muss, was die Gnade
verlangt; andererseits fühlt er sich so stark dazu hingezogen, so geneigt, dem
zu folgen, was die Gnade verlangt, dass er es mit Sicherheit tun wird. Er ist
nicht dazu verpflichtet, aber er wird es mit Sicherheit tun.
Um dies noch besser zu verstehen, müssen wir Folgendes
bedenken: Eine Seele, die völlig frei von natürlichen oder außernatürlichen
Versuchungen ist – und ich bin der Ansicht, dass die beiden Versuchungen
gewöhnlich zusammen auftreten, in folgendem Sinne: Wenn eine natürliche
Versuchung auftritt, tritt immer auch eine außernatürliche auf (umgekehrt gilt
dies nicht ganz, aber wenn eine natürliche Versuchung auftritt, tritt immer
auch eine außernatürliche auf) –, nun, es kann geschehen, dass eine Seele, die
frei von Versuchungen ist, notwendigerweise, wenn sie vollkommen aufrichtig
ist, Wahrheit und Irrtum, Gut und Böse erkennt und dafür Gnade empfängt. Und
durch ihre freie Bewegung folgt sie dem, was die Gnade fordert.
Woraus besteht die Freiheit des Menschen? Sie besteht
nicht darin, das Gegenteil von Gottes Willen zu tun, sondern darin, dass ihn
keine Hindernisse daran hindern, Gottes Willen, das Gebot seiner Vernunft und
das natürliche Verlangen seines Willens zu tun.
Das ist die Freiheit des Menschen. Der Mensch ist frei,
wenn er gemäß Gottes Willen, gemäß dem Gebot seiner Vernunft – was Gottes Wille
ist, wenn er gerecht ist – und gemäß seinem Verlangen handeln kann, was
ebenfalls Gottes Wille ist, wenn er gerecht ist.
So besteht die Freiheit des Menschen im Dienst Gottes und
im Gehorsam ihm gegenüber.
Seine Freiheit kann durch Versuchung eingeschränkt
werden. Versuchung kann den Willen des Menschen einschränken – nicht aufheben
–, aber sie kann ihn schwächen, weil sie dazu neigt, den Menschen dazu zu
verleiten, die Wahrheit nicht zu erkennen, das Gute nicht zu wollen und sich
daher gegen Gott aufzulehnen. Versuchung ist es, die die Freiheit des Menschen
begrenzt. Sie ist nicht das, was dem Menschen Freiheit verleiht.
Nun, so betrachtet, ist es offensichtlich, dass der
Mensch, der durch Gnade von der Sünde befreit wird, aus der Knechtschaft der
Sünde erlöst und zu seiner Freiheit zurückgeführt wird. Und dass jede Gnade
unsere Freiheit mehrt, anstatt sie einzuschränken. Dies erscheint mir
unerlässlich, um die Rolle des freien Willens vor Gott zu verstehen.
Nehmen wir zum Beispiel eine Seele im Himmel an, die in
der Gnade gefestigt ist. Sie sündigt nicht mehr. Ist sie freier oder weniger
frei als auf Erden? Viel freier. Denn sie folgt ihren vollkommenen,
tiefgründigen, authentischen Regungen und wird von keiner Versuchung
eingeschränkt. Die Versuchung ist es, die den Einzelnen von der Freiheit das
Gute zu tun, abhält.
Ich weiß nicht, ob ich mich verständlich ausgedrückt habe?
Wenn jemand eine Frage hat, stehe ich zur Verfügung.
Ansonsten ist unser Treffen beendet.
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