5. Eine Philosophie, die der Kirche
bei weitem keinen Anlaß zur Freude gibt
In seinem
Apostolischen Schreiben Notre Charge Apostolique vom 25. August 1910, in dem er
die französische Bewegung der katholischen Linken Le Sillon von Marc Sagnier
verurteilt, analysiert der Heilige Pius X. den berühmten Dreisatz folgendermaßen:
„Die Bewegung
des ,Sillon‘ vertritt in anerkennenswerter Weise die Menschenwürde. Aber sie
versteht diese Würde im Sinne gewisser Philosophien, die der Kirche durchaus
nicht zum Ruhm gereichen. Das erste Element dieser Würde ist die Freiheit, die
so verstanden wird, daß jeder Mensch, außer in religiösen Dingen, autonom ist.
Aus diesen Grundprinzip zieht die ,Sillon-Bewegung‘ folgende Schlüsse: Heute steht das Volk unter
der Vormundschaft einer mit ihm nicht identischen Autorität; von ihr muß es
sieh befreien, das ist politische Emanzipation. Es steht in der Abhängigkeit von
Arbeitgebern, die seine Produktionsmittel in der Hand haben und es dadurch
ausbeuten, unterdrücken und erniedrigen; es muß ihr Joch abschütteln, das ist,
wirtschaftliche Emanzipation. Es ist schließlich beherrscht von der
sogenannten herrschenden Klasse, die aufgrund ihrer besseren intellektuellen
Bildung eine ungebührliche Vorrangstellung im Wirtschaftsleben besitzt; es muß
sich dieser Herrschaft entziehen, das ist, intellektuelle Emanzipation. Eine
Nivellierung unter diesen drei Gesichtspunkten wird die Gleichheit unter den
Menschen herbeiführen, und die Gleichheit ist die wahre menschliche
Gerechtigkeit. Eine politische und soziale Ordnung, die auf dieser doppelten
Basis der Freiheit und Gleichheit (zu denen sich bald noch die Brüderlichkeit
hinzugesellt) aufruft, das ist es, was sie Demokratie nennen. [...]
In der Politik
zunächst will die ,Sillon'-Bewegung die Autorität nicht abschaffen, sie hält
sie im Gegenteil für notwendig; aber sie will sie aufteilen oder, besser
gesagt, vervielfältigen, sodaß jeder Bürger eine Art König wird. [...]
In
entsprechender Weise gilt das Gleiche für die Wirtschaftsordnung. Die
Wirtschaftslenkung wird, dadurch, daß sie eitler einzigen Klasse genommen wird,
so gut vervielfältigt, daß jeder Arbeitnehmer eine Art Arbeitgeber wird. [...]
Und nun zum
wichtigsten Element, dem .sittlichen. l...l Der Enge seiner Privatinteressen
entrissen und zu den Höhen der Interessen seines Berufsstandes erhoben, und
höher noch zu den Interessen der gesamten Nation, ja der ganzen Menschen (den
der Horizont der ,Sillon' Bewegung endet nicht an den Grenzen des Vaterlandes,
er erstreckt sich über alle Menschen hin bis an die Grenzen der Erde), wird das
menschliche Herz, geweitet durch die Liebe zum allgemeinen Wohl, alle Berufskameraden,
alle Volksgenossen, alle Menschen umarmen. So wird die Größe und ideale Würde
des Menschen realisiert in dem berühmten Dreisatz: Freiheit, Gleichheit,
Brüderlichkeit. [...]
Das ist, kurz
zusammengefaßt, die Theorie, man könnte auch sagen der Traum der ,Sillon
Bewegung". 1)
Der hl. Papst Pius
X. folgt also ganz den Spuren seiner Vorgänger, die seit Pius VI. die von dem
Wahlspruch der Französischen Revolution eingegebenen Irrtümer verurteilt haben.
1) Utz - von Galen, XXIII, 241-243-244-245-247.
in Plinio Corrêa de Oliveira: „Der Adel und die
vergleichbaren traditionellen Eliten in den Ansprachen Papst Pius XII. an das
Patriziat und den Adel Roms“, TFP Österreich, 2008, S. 212-213
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