1. Allseitige Freiheit und absolute Gleichheit:
törichte,
wenn nicht gar monströse Begriffe
In seinem Dekretschreiben vom 10. März 1791 an den
Kardinal de la Rochefoucauld und den Erzbischof von Aix-en-Provence über die
Grundzüge der Zivilverfassung für den Klerus nimmt Pius VI. wie folgt Stellung:
„So dekretiert diese Versammlung [die französische
Nationalversammlung] als unumstößliches Recht, daß der in Gesellschaft lebende
Mensch allseitige Freiheit genießt, daß diese somit auch nicht von der Religion
gestört werden darf, daß er vielmehr nach seinem Gutdünken über Themen, die die
Religion selbst angehen, seine Meinung äußern, sprechen, schreiben und sogar
veröffentlichen dürfe, was immer er wolle. Solcherlei Ungeheuerlichkeiten
sollen aus der Gleichheit der Menschen und aus der Freiheit der
Natur abgeleitet sein und herrühren. Kann. man sich aber etwas Törichteres
ausdenken. als die Festsetzung dieser Gleichheit und Freiheit unter allen, wenn
man bedenkt, daß damit die Vernunft außer acht gelassen wird, mit der die Natur
auf besondere Weise das Menschengeschlecht ausgestattet hat, um es so vom
restlichen Tierreich zu unterscheiden? Als Gott den Menschen schuf und ihn ins
Paradies versetzte, hat er ihm da nicht auch gleichzeitig die Todesstrafe
angekündigt, falls er vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse essen sollte? Hat
er mit dieser ersten Vorschrift nicht von vornherein der Freiheit des Menschen
Grenzen gesetzt? Hat er dem Menschen nicht etwa später, nachdem dieser sich
durch seinen Ungehorsam schuldig gemacht hatte, durch Moses eine noch größere
Anzahl von Geboten auferlegt? Zwar, beließ er ihm seinen freien Willen', um
sich so Gutes oder Böses verdienen zu können, doch dazu gab er ihm auch Gebote
und Vorschriften, damit diese ihn retteten, falls er sie zu beobachten gewillt
sei' (Sir 15, 15-16).
Wie steht es aber dann um diese Freiheit des Denkens und Handelns, die
die Dekrete der Nationalversammlung dem in Gesellschaft lebenden. Menschen als
unabänderliches Naturrecht zuerkennen? [...] Wenn man bedenkt, daß der Mensch
sich von Anfang an den älteren zu seiner Leitung aus Erziehung unterzuordnen
hat, damit er so sein Leben an Vernunft, Menschlichkeit und Religion ausrichten
kann, so ist diese hochgepriesene Gleichheit und Freiheit unter den Menschen
gewiß von Geburt eines jeden an null und nichtig. ,Ihr sollt ihm untertan
sein‘ (Röm 13,5). Damit sich also die Menschen zu einer zivilen Gesellschaft
zusammenfinden konnten, war es notwendig, eine Regierungsform zu finden, kraft
derer die Rechte der Freiheit durch Gesetze und die oberste Gewalt der
Regierenden abgegrenzt wurden. Daraus ergibt sich eine Tatsache, die der hl.
Augustinus in folgenden Worten beschreibt: ,Es gilt demnach als allgemeine
Übereinkunft der menschlichen Gesellschaft, daß den Königen Gehorsam zu leisten
ist‘ (Bekenntnisse, Buch III, Kap. VIII, op. ed. Maurin., Bd. I, S. 94). Darum
ist der Ursprung dieser Gewalt auch weniger in eitlem Gesellschaftsvertrag als
in Gott selbst, dem Urlieber alles Rechten und Gerechten, zu suchen.“ *)*) Pius VI. Pont. Max. Acta Typis S. Congregatione de Propaganda Fide, Rom, 1871, Bd. I, S. 70-71
in Plinio Corrêa de Oliveira: „Der Adel und die vergleichbaren traditionellen Eliten in den Ansprachen Papst Pius XII. an das Patriziat und den Adel Roms“, TFP Österreich, 2008, S. 209
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