6. Die revolutionären Grundsätze von 1789
beinhalteten
die Summe aller Lehren der falschen Propheten
Benedikt XV. hielt aus Anlaß der Veröffentlichung des Dekrets über die Heldenhaftigkeit der
Tugenden des Seligen Marcelin Champagnat (1) am 11. Juli 1920 eine Ansprache,
aus der wir folgende Auszüge wiedergeben:
„Man braucht
sich ja nur den Anfang des 19. Jahrhunderts anzuschauen, um sofort zu erkennen,
daß in Frankreich viele falsche Propheten auftauchten, die von hier aus versuchten,
überall den schädlichen Einfluß ihrer perversen Lehren zu verbreiten. Es waren
Propheten, die sich als Rächer der Volksrechte aufspielten und ein Zeitalter
der Freiheit, Brüderlichkeit und Gleichheit ankündigten. Wer sah denn nicht
sogleich, daß sie nur als Schafe verkleidet waren — ,in vestimentis ovium‘?
Doch die von
diesen Propheten verkündete Freiheit öffnete nicht die Tore zum Guten sondern
zum Bösen; die von ihnen gepredigte Brüderlichkeit grüßte Gott nicht als
einzigen Vater aller Brüder; und die von ihnen angepriesene Gleichheit stützte
sich nicht auf den gleichen Ursprung oder die gemeinsame Erlösung und auch
nicht auf das Ziel, das für alle Menschen dasselbe ist. Es waren Propheten, die
eine Gleichheit, die die von Gott in der Gesellschaft gewollten
Klassenunterschiede aufhob; es waren Propheten, die die Menschen Brüder
nannten, um ihnen den Gedanken gegenseitiger Unterordnung zu nehmen; es waren
Propheten, die die Freiheit verkündeten, das Böse zu tun, das Licht Dunkelheit
zu nennen, das Falsche mit dem Wahren zu verwechseln und das erstere dem
letzteren vorzuziehen, dem Irrtum und dem Laster die Rechte und Gründe der
Gerechtigkeit und der Wahrheit zu opfern.
Eine französische 2 Euro-Münze mit dem eingeprägten Wahlspruch der Französischen Revolution |
Wen wundert es
da, daß gegen diese falschen Propheten das schreckliche Wort erklingen mußte: ,Hütet euch vor ihnen!‘, attendite a falsis prophetis.
Marcelin
Champagnat hat dieses Wort vernommen, und er verstand auch, daß es nicht nur
ihm galt; deshalb wollte er zum Echo dieses Wortes unter den Kindern des Volkes
werden, denn er sah sehr wohl, daß. gerade diese wegen ihrer eigenen
Unerfahrenheit und infolge der Unkenntnis ihrer Eltern in Religionsfragen den
Grundsätzen von 1789 am leichtesten zum Opfer fielen. ...
,Attendite a
falsis prophetis‘: das waren die Worte dessen, der dem Strom der Irrtümer und
Laster Einhalt gebieten wollte, der sich in folge der Französischen Revolution
über die ganze Erde zu ergießen drohte. ,Attendite a falsis prophetis‘: das
waren die Worte, die den Auftrag deutlich machen, den Marcelin Champagnats zum
seinigen machte, und diese Worte dürfen nicht in Vergessenheit geraten, wenn
man seift Leben studieren will.
Es ist nicht
uninteressant, daß Marcelin Champagnat, geboren 1789, dazu bestimmt war, die
praktische Umsetzung eben der Grundsätze zu bekämpfen, die mit der Zahl seines
Geburtsjahres bezeichnet wurden und eine traurige, schmerzliche Berühmtheit
erlangen sollten.
Um sein Werk zu
rechtfertigen, hätte es genügt, das heutige Tagesevangelium weiterzulesen, denn
ein einfacher Blick auf die Wunden, die die 89er Grundsätze in den Schoß der
bürgerlichen und religiösen Gesellschaft gerissen haben, würden zeigen, in
welchem Maße jene Grundsätze die Summe aller Lehren der falschen Propheten
beinhalteten: ,a fructibus eorum cognoscetis eos‘...
Zum Wachstum der
Häuser der Kleinen Brüder Marias [Maristen-Brüder] und zur Orientierung der
dort lebenden jungen Menschen trug ohne Zweifel die Gottesmutter durch ein Bild
bei, das zuerst erschien, dann wieder verschwand und schließlich wiedergefunden
wurde. Wahrhaft wundervoll war jenes erste Aufblühen der Gemeinschaft, und es
läßt sich nur durch das ununterbrochene, außerordentliche Anwachsen erklären,
das weniger als fünfzig Jahre nach der Gründung bereits fünftausend Brüder der
neuen Institution hunderttausend über den ganzen Erdkreis zerstreuten Jungen
heilsame Erziehung zukommen ließen.
Hätte der
ehrwürdige Champagnat in prophetischem Licht diesen außerordentlichen Erfolg
vorausgesehen, würde er sicherlich die übergroße Anzahl von Jungen bedauert
haben, die weiterhin im Schatten des Todes und in der Dunkelheit des Unwissens
verblieben waren, und mehr noch hätte er es bedauert, daß er nicht noch besser
die unheilvolle Entwicklung des schädlichen, durch. die Französische Revolution
verbreiteten Samens hat aufhalten können. Ein Gefühl tiefster Dankbarkeit Gott
gegenüber für das von der Kongregation getane Gute hätte ihn jedoch auch zu der
Feststellung veranlaßt, daß so, wie sich aus den schlimmen Früchten der Leinre
einiger zeitgenössischer Propheten deren Falschheit ableiten lässt, auch das
Heranreifen guter Früchte aus seinem Schaffen auf dessen Güte schließen läßt. ,Igitur ex fructibus eorum cognoscetis eos‘“. 2)
1) Der Selige Marcelin Joseph Benedikt Champagnat,
Gründer der Maristen-Schulbrüder, geboren am 20. Mai 1759 und gestorben am 6.
Juni 1840, wurde von Pius XII. am 2y. Mai 1955 seliggesprochen.
2) L’Osservatore Romano, 12.-13.7.1920, 2. Aufl.
in Plinio Corrêa de Oliveira: „Der Adel und die
vergleichbaren traditionellen Eliten in den Ansprachen Papst Pius XII. an das
Patriziat und den Adel Roms“, TFP Österreich, 2008, S. 213-214
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen