In diesen Tagen erreicht
die Fastenzeit ihren Höhepunkt, denn jetzt gedenkt die Kirche der unsäglichen
Schmach, der sich der Gottmensch aus Liebe zu uns freiwillig ausgesetzt hat.
Dieses Zusammentreffen frohlockender Aussichten und schmerzlicher
Feierlichkeiten lässt uns gleichzeitig an den Triumph und an die Demütigung
Unseres Herrn Jesus Christus denken. Es ist dies ein nützliches Thema für
unsere Betrachtungen während der Karwoche, das auch fruchtbare Gedanken
hervorruft, wie sie für unsere Zeit sicher äußerst gelegen kommen.
Wenn wir uns das Leben
Unseres Herrn genau ansehen, werden wir kaum auf etwas stoßen, das nicht eine
höchst angebrachte, unerschütterliche Bewunderung auslösen könnte. Als
Lehrmeister hat er die Wahrheit in ihrer ganzen Fülle gelehrt. Als Vorbild hat
er das Gute in seiner ganzen Vollkommenheit ausgeübt. Als Hirte hat er keine
Mühe und weder Milde noch strenge Zurechtweisungen gescheut, um seine Schafe zu
retten, und schließlich hat er für sie sogar sein Blut bis zum letzten Tropfen
vergossen. Er hat seine göttliche Sendung mit unglaublichen Wundern bewiesen
und die Seelen mit zahllosen geistlichen und zeitlichen Wohltaten überschüttet.
Um seine Fürsorge auf alle Menschen aller Zeiten auszudehnen, hat er dieses
Wunder aller Wunder, die heilige katholische Kirche gestiftet. Und innerhalb
der heiligen Kirche hat er seine Gegenwart auf zweierlei Weise fortdauern
lassen: Wahrhaft und wirklich im heiligsten Altarsakrament und außerdem durch
das Lehramt in der Person seines Stellvertreters auf Erden. Der menschliche
Geist wäre nie in der Lage gewesen, eine derartige Fülle an Gnaden und
Wohltaten zu ersinnen.
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Aus diesem Grunde wird der
Herr geliebt. Darin kommt eine besondere Form der Verehrung zum Ausdruck. Und
Unser Herr hat diese wie kaum ein anderer genossen. Das Volk drängte sich
derart um ihn, dass die Apostel ihn schützen mussten. Wenn er lehrte, folgte
ihm die Menge in die Wüste hinaus, ohne an Bedeckung und Nahrung zu denken. Und
bei seinem Einzug in Jerusalem bereitete ihm das Volk einen wahrhaft
großartigen Triumphzug. Das alles ist Ausdruck großer Liebe und Anhänglichkeit.
Und doch gab es noch innigere Liebe. Als der scheinbare Misserfolg des Leidens und
Sterbens einen mysteriösen Schleier über die Sendung Unseres Herrn sinken ließ
und ihn endgültig zu widerlegen schien, gab es Seelen, die nicht aufhörten, an
ihn zu glauben und ihn zu lieben. Für eine gewissen Veronika, einige heilige
Frauen und einen jungfräulichen Apostel war dies nicht das Ende ihrer Liebe zu
ihm. Vor allem aber stand da die heilige Jungfrau Maria, die unaufhörlich in
einer derart heftigen und vollkommenen Liebe entbrannte, wie Himmel und Erde es
ihr niemals gleichtun könnten. Es waren dies Seelen, die in ihrer Liebe auch
dann noch fortfuhren, als in dem Augenblick unsagbarer Schmerzen das Grab
verschlossen wurde und die Schatten und das Schweigen des Todes auf den
blutlosen Leib herniedersanken, als das Ende von allem gekommen schien.
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Wie ist es aber zu
erklären, dass derselbe Jesus so großen Hass auslöste? Denn es ist nicht zu
leugnen, dass er gehasst wurde. Die Juden hassten ihn mit einem schamvollen,
verzehrenden, schändlichen Hass, wie ihn nur die Hölle hervorbringen kann. Von
Hass getrieben suchten sie ihn lange auszuspionieren, um eine mögliche Schuld
an ihm zu finden, die sie als Waffe gegen ihn einsetzen könnten. Das beweist,
dass sie ihn nicht wegen eines Makels hassten, den sie ihm irrtümlich
zugeschrieben hätten. Warum also hassten sie ihn dann? Wenn es nicht wegen
etwas Bösem war, das ihm ja nicht anhaftete und das sie umsonst bei ihm
suchten, warum also? Es konnte nur wegen des Guten gewesen sein... Welch tiefes
Geheimnis der menschlichen Bosheit! Es war ein verschämter Hass, der sich unter
dem Mantel der Liebenswürdigkeit verbarg, weil sie in Wirklichkeit keinen
ehrlichen Grund dafür hatten, ihm ihren Hass zu erklären. In dem Maße, in dem
sich der Sendungsauftrag Jesu seiner Erfüllung näherte, wuchs auch der Hass der
Juden an und näherte sich des dröhnenden Ausbruchs. Da sie ihm nichts anhaben
konnten, gingen sie zu Verleumdungen über. Davon machten sie denn auch
reichlichen Gebrauch. Auf diesem Gebiet verfügten sie über alle möglichen
Mittel: Geld, Beziehungen zu den Römern, Prestige religiöser Ämter. Und doch
ist die Verleumdungskampagne großenteils gescheitert. Sie vermochten zwar
einige Neider zu überzeugen und den Zweifel in die Gemüter einiger plumpen,
stumpfen Geister zu gießen, die sich der Sucht hingaben, an sich, an den
andern, an allem und allen zu zweifeln. Es stellte sich schließlich als
unmöglich heraus, die wunderbare Wirkung der Gegenwart, des Wortes und Handelns
Unseres Herrn mit Verleumdungen zu erschüttern. So reifte der entscheidende
Plan heran, ihn durch eine Niederlage zu widerlegen, die ihn in den Augen aller
verächtlich erscheinen lassen und ihn aus der Welt der Lebenden entfernen
sollte. Der Rest ist bekannt. Der Satan schlich sich bei dem abscheulichsten
aller Menschen ein, der ihn verkaufte und mit einem Kuss verriet. Ein noch mehr
in seiner Seele als im Körper verderbter, unschlüssiger, lascher, eitler
Prokonsul übergab ihn schließlich in die Hände seiner Feinde. Nun ergoss sich
über ihn der ganze Hass der Synagoge, mit dem die Pharisäer letztlich doch die
Menge anzustecken vermochten.
Was für ein Hass, und was
für ein Balsam! Da standen und schrien sie, unter ihnen auch so mancher Blinde
und Geheilte, so mancher einst Besessene — so viele Seelen, denen der Sohn
Gottes die Ruhe geschenkt hatte!
Doch wer weiß, was sie
fühlten? Als sie seine Wohltaten empfingen, fühlten sie sich vielleicht
insgeheim gedemütigt und minderwertig. Als sie seine Lehren empfingen, überkam
sie vielleicht unbewusst ein Gefühl der Auflehnung, das unmerklich ihre Bewunderung
untergrub: Warum war er nur so streng, warum verlangte er so viele Opfer? Ihn
nun „unterlegen“ zu sehen, musste wie eine Befreiung wirken – es war der
Triumph alles Verdrängten, aller Gemeinheit, allen Neides, die Essenz aller
Niedertracht. Der große Aufstand der ruchlosen, boshaften Pharisäer und der
ihnen Gleichgesinnten in allen Volksschichten. Sie alle bildeten nun eine
gemeinsame Front mit denen, die heimlich und vielleicht sogar unbewusst eine
Abneigung nährten, sowie mit all den Lauen und Halbherzigen. Das Ergebnis von
all dem war der Gottesmord, das größte Verbrechen aller Zeiten.
Freie Übersetzung von „Ecce positus est hic in ruinam et in resurrectionem multorum in Israel“ (Portugiesisch) von Plinio Corrêa de Oliveira in Catolicismo Nr. 52 – April 1955
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