Donnerstag, 26. März 2020

Christliche Abtötung, Lebensprinzip der Zivilisation



Zwei sehr unterschiedliche Nachrichten, deren Natur den Themen der Frömmigkeit sehr fremd ist, werden als Ausgangspunkt für unseren Artikel über die Karwoche dienen. Die erste betrifft „Rock and Roll“ in Schweden. Und die andere handelt von einem kollektiven Hirtenbrief des Schweizer Episkopats, der mit dem hohen Grad des Wohlstands zusammenhängt, den die Schweizer Republik erreicht hat.
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Die französische Zeitschrift „La Vie Catholique Illustrée“ veröffentlichte in ihrer Ausgabe vom vergangenen 20. Januar (1957), folgende Meldung unter dem Titel „Jugend in Lederblouson“: „Schweden - eine Oase des Wohlbefindens und der Behaglichkeit - ist beunruhigt. Die Jugend gibt ihm Anlass zur Sorge. Eine Jugend in Lederjacke, bis zu Delirium begeistert von „Rock and Roll“, ist bereit für billige Aufruhr, Zerstörung und Grausamkeit. Worüber beklagt sich diese Jugend? Was fehlt ihr? In materieller Hinsicht fehlt ihr nichts. Aber gerade aus diesem Grund hat sie keine Erwartungen, keine Hoffnungen, letztendlich nichts weiter, wofür sie kämpfen sollte.
Aber vor allem auf der geistigen Ebene besteht ein riesiges Vakuum: Es gibt keinen Glauben mehr, keine Hoffnung. Es betrifft vor allem die Seele der schwedischen Jugend.“
Diese Meldung macht uns nachdenklich. Viele Soziologen versuchen die religiöse und moralische Krise unserer Zeit durch Elend, Unsicherheit, tiefgreifende psychische Auswirkungen dieser chaotischen Situation, durch ein Übermaß an Arbeit, verarmte Persönlichkeiten und unterwühlt von Leiden aller Art zu erklären.
Jetzt kommt uns die bestürzende Nachricht, dass die moralische Krise der schwedischen Jugend - die sich in keiner Weise von der anderer Länder in unserer normierten, standardisierten, homogenisierten Welt unterscheidet - nicht auf Armut, sondern auf Überfluss zurückzuführen ist. Wo sind wir eigentlich?
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In unserer letzten Ausgabe kommentierten wir einen Hirtenbrief des Schweizer Episkopats, anlässlich des Erntedankfests der am 16. September herauskam und in der renommierten französischen Zeitschrift „Marchons“ der priesterlichen Christ König Pfarrkooperatoren veröffentlicht wurde (Oktober 1956). Über dieses sehr wichtige Dokument möchten auch wir einige Kommentare abgeben.
Da das „Erntedankfest“ Gott unseren Dank für alle erhaltenen Wohltaten ausdrücken soll, ist es verständlich, dass es unsere Aufmerksamkeit hauptsächlich auf die günstigen Aspekte der Situation lenkt, in der wir uns befinden.
Das Schweizer Episkopat zeigte eine erbauliche Ernsthaftigkeit des Geistes und beschränkte sich nicht nur darauf der Vorsehung für die vielen Gefälligkeiten zu danken, mit denen Sie diese Nation beschenkt hatte, sondern ging auch mit seltenem Mut auf die Gefahren ein, die derselbe Wohlstand für ihre Gläubigen schon jetzt mit sich bringt und bringen wird.
Und nichts ist logischer. Der authentische Ausdruck unserer Anerkennung Gottes besteht genau darin, Seine Gaben richtig zu nutzen. Ihm für seine Wohltaten zu danken, ohne diese zu Seiner größeren Ehre zu gebrauchen, wäre typisches und ausgeprägtes Pharisäertum!
Die blühende Situation in der Schweiz wird von den Prälaten folgendermaßen beschrieben: „In unserem Land läuft alles gut zum Besten; der Wohlstand entwickelt sich dank der hohen Konjunktur, die, wie es scheint, sich dauerhaft unter uns niedergelassen hat; überall herrscht Ordnung, und wir sind nicht weit davon zu glauben, dass unser Staat einer der weisesten und am besten regierten der Welt ist. Die Feierlichkeiten und die Demonstrationen der Freude, die fast ununterbrochen stattfinden, spiegeln ein mehr oder weniger allgemeines Wohlergehen wider und sind ein zweifelloser Hinweis eines relativ hohen Lebensstandards.“ Das ist sicherlich ein Bild, das keiner von uns sich wagen würde zu sagen, dass es auch für die brasilianische Realität gilt!
Lassen wir aber Brasilien beiseite und behalten die Schweiz im Auge.
In demselben Hirtenbrief sagt das Ehrwürdige Helvetische Episkopat: „Es gibt einen Gedanken, der in den Reden und Schriften des Heiligen Vaters häufig vorkommt: die tragische Situation der modernen Welt! Erst kürzlich, Anfang Juli, als er zu 25.000 Pilgern im Petersdom sprach, bekräftigte er energisch: Wir haben die Welt wiederholt gewarnt, sich am Rande des Abgrunds aufzuhalten. Diese Gefahr muss besonders ernst sein, wenn sich der Heilige Vater so stark ausdrückt. Es ist uns nicht erlaubt in diesem Warnruf eine banale Figur der Rhetorik zu erkennen“.
Diese Worte des erhabenen Stellvertreters Christi mit der Lage in der Schweiz konfrontierend, fragen die Bischöfe: „Wäre der Heilige Vater mit seinen ernsten Mahnungen vielleicht nicht ein Spaßverderber in der Schweizer Gemeinschaft?“
Dies ist ein Problem, das hier mit Kraft und Mut direkt angesprochen werden soll...
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Die vorgeschlagene Lösung ist ebenfalls deutlich und stark. Die Schweizer Bischöfe erkennen zunächst an, dass die Situation in ihrer Heimat außerordentlich gut ist, und sehen darin ein Geschenk Gottes, da materieller Wohlstand an sich und notwendigerweise keine Teufelsfalle ist. Sie erinnern jedoch daran, dass einige Vorbehalte zu machen wären, insbesondere im Hinblick auf die Konzentration des Reichtums. Dieses Thema, in das sich so viele vertiefen, verlieren und wahnsinnig werden, trübt jedoch nicht ihre Vision von „etwas viel Wichtigerem“. Und es ist dies: „Bringt uns der Wohlstand näher zu Gott?“
Von einem Thema zum anderen kommen wir also zum Mittelpunkt der Angelegenheit.
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Wir können die Schweizer Hierarchie leider nicht in all der großartigen Entwicklung, die sie dem Thema gibt, begleiten. Legen  wir jedoch einige der Fakten und Prinzipien fest, die sie anführt:
1) – „Während ein gewisser Überfluss uns helfen sollte, tugendhaft zu leben, führt uns der Wohlstand, den wir genießen, in Wirklichkeit direkt zum Materialismus. Dies ist die Gefahr! Das nicht zu erkennen, würde für uns bedeuten in einer falschen Sicherheit einzuschlafen, und so in den Abgrund zu rennen.“
2) – „Unter uns würde niemand es wagen, Gott offen zu leugnen und die Existenz der Materie als die einzige Realität zu behaupten.“ Doch „ist der Glaube an einen vergütenden Gott, der Richter über die Lebenden und die Toten ist, die Grundlage unseres Lebens, die treibende Kraft unserer Tätigkeit?“ Inspiriert die Furcht Gottes „immer noch unser öffentliches und privates Leben?“ Das Episkopat bringt das mit offensichtlichem Bedauern in Zweifel.
3) – „Der höchste Gedanke des modernen Menschen besteht darin, sich so bequem wie möglich in seinem irdischen Zuhause niederzulassen; er würde wünschen, dass es nicht nur mit dem Notwendigen, sondern auch mit dem Überflüssigen versorgt wäre, von allem was den Charme und das Vergnügen des Lebens ausmacht.“
4) – „Diese moderne, eindeutig materialistische Tendenz, die den Menschen dazu bringt, irdische Güter unter Ausschluss ewiger Güter zu suchen, ist energisch zu verurteilen. Dieser Trend ist die Wurzel der tiefgreifenden Unordnung, unter der unsere orientierungslose und unglückliche Generation leidet.“
5) - Mit diesen Worten denkt das Episkopat „besonders an das dem Geld hinterher rennen, das für viele zum höchsten Ziel des Lebens geworden ist, dem Götzen, dem alles geopfert wird und der von sich aus, alles rechtfertigt.“
6) – Die Bischöfe beziehen sich auch auf „das hecheln nach Vergnügen und Freuden, das buchstäblich so viele Unglückliche blind macht“, „auf so viele Übertretungen der Gebote Gottes“, so zahlreich, „dass man manchmal versucht wäre, dass trotz des äußeren Glanzes, das christliche Leben in Bälde nur noch eine reine Fassade darstellt.“
Wir wiederholen, dass wir Leider nicht das gesamte großartige Dokument hier wiedergeben können und nicht einmal den großartigen Teil, in dem es die Geistlichen Übungen und andere Mittel vorschlägt, um das Problem zu lösen.
Gehen wir auf das Bild ein, das uns die Schweizer Bischöfe vorgestellt haben. Eine moralische Krise, die genau aus einem Wohlstand heraus entstand, den die Menschen missbrauchten, in dem sie den Blick auf die Erde richteten und folglich eine schreckliche Leere in der Seele verursachten. In Schweden ist das durchaus der Fall... und in Brasilien ist dies zunehmend der Fall.
Denn unser armes Land, voller Elend, Übel und Krisen, leidet geistig unter dem Übel des Wohlhabenden! Wir sind nicht reich, aber unsere moralische Gefahr ist genau die der Schweiz und Schwedens. Wir haben — es gibt seltene, ehrenwerte Ausnahmen — das Geld zu unsrem Gott gemacht. Wir kümmern uns nur um Vergnügungen und Freuden. Wir leben, als wäre die Erde unser einziges Zuhause. Und deshalb sind wir bereit für „Rock and Roll“ und all die psychischen oder moralischen Störungen, von dem er ein Symbol ist. Oder, andererseits ist „Rock and Roll“ für uns schon etwas zurückgebliebenes. Deshalb fand er in Brasilien nicht einmal die Explosion der Begeisterung von tausend perversen ausgebrochenen Instinkten, die in anderen Ländern ausgelöst wurde. Denn ihm sind hier der Frevo, der Candomblé, die Macumba vorausgegangen.
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Was hat das mit der Karwoche zu tun? Alles! Gehen wir zur konkreten Tatsache. Der zeitgenössische Mensch sieht sich dem Bild einer materiellen Zivilisation gegenüber, die ihn betört. Die Wolkenkratzer, die großen asphaltierten Alleen, die funkelnden leuchtenden Werbeschilder, die Schaufenster, die großen Kinos, die Ballsäle, die Nachtclubs, die Autos, die Flugzeuge, alles fasziniert ihn, zieht ihn an und erfüllt vollständig seine Begierden.
Natürlich gibt es in all dieser Pracht unzählige Leiden, es kochen Verzweiflungen, es schäumen Aufstände. All dies bleibt jedoch im Bereich der sogenannten Marginalien. Es gibt zwar zahlreiche Ausnahmesituationen, die jedoch in keiner Weise die mentale Einstellung der Mehrheit widerspiegeln. Schlecht ernährt, schlecht geschlafen, schlecht gekleidet, unvollkommen medizinisch versorgt, bestehen die Bewohner großer Städte darauf, in ihnen zu verbleiben, um in der alltäglichen Pracht ihrer glänzenden Existenz zu leben. Der Beweis dafür ist der Unwille, ins Landesinnere zu ziehen, wo doch der Lebensrhythmus so viel friedlicher und gesünder ist. Auf der anderen Seite bedauern diejenigen vom Land meist ihre Situation und beneiden diejenigen der Großstadt. Und die Landbewohner ziehen in großen Mengen in die Städte.
Mit einem Wort, die materielle Pracht unserer Zivilisation weckt im modernen Menschen den Wunsch, das Leben zu genießen; jede Anstrengung, sich von dieser Haltung zu lösen, erscheint vergeblich.
Es geht aber genau darum: sich loszulösen. Und das nicht nur, weil diese Art von irdischem Glück für die große Mehrheit der Völker unerreichbar ist, sondern weil es, wenn sie erreicht wird, Barbaren hervorbringt. Schmerz ist im mentalen Panorama des Menschen notwendig, und dies unter allen Aspekten: Moralischer Schmerz, physischer Schmerz, Unsicherheit, Armut, Tod, alles, was den Menschen zum Stöhnen oder Weinen bringt. Es ist nicht so, dass wir denken, das Leben sei nur Schmerz. Aber ohne Schmerz ist das Leben kein Leben. Es ist Vulgarität, es ist Egoismus, es ist Niedrigkeit der Seele, es ist Schande.
Es liegt daher nicht in der Organisation einer Gesellschaft, ausschließlich gütige und erträgliche Existenzbedingungen zu schaffen. Es geht hauptsächlich darum, den Menschen erkennen zu lassen, dass der Schmerz trotz allem bestehen wird. Dass er eine zentrale Rolle in unserem Leben spielt. Und dass unser Leben nicht so viel wert ist, wegen das, was wir genossen haben, sondern wegen des vielen, das wir gelitten haben. Wegen des hohen moralischen Inhalts, der der Art und Weise innewohnt, wie wir gelitten haben.
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Nach all dem gesagten, wenn wir einerseits der Überzeugung sind, Dinge von größter Bedeutung gesagt zu haben, können wir andererseits uns nicht dem Gefühl entziehen, dass alles hohle Worte sind, eine Ansammlung gemeinsamer Orte mehr als allgemein bekannt, die aber nicht mitreißen, nicht überzeugen, nutzlos sind.
Und so ist es ziemlich genau. Niemals wird die Menschheit von sich aus diese Wahrheiten annehmen. Und die Menschen unserer Zeit noch weniger als jeder anderen.
Da unsere Generation ohne diese Wahrheit verloren geht und sogar auf der zeitlichen Ebene verloren geht, sieht man für sie kein Heilmittel und keine Rettung. Der Eisenring ist geschlossen. Die Zivilisation erzeugt den Wunsch nach Genuss, ist er befriedigt, erzeugt er die Barbarei. Also, oder bleibt der Mensch in der Barbarei oder er verlässt sie. Wenn er sie verlässt, ist es, um sich zu zivilisieren. Und wenn er zivilisiert ist, kehrt er zur Barbarei zurück. Und was für eine Barbarei! Des „Rock and Roll“ und der Wasserstoffbombe!
Wie kann man dem entkommen?
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Herr Jesus Christus, all diese Überlegungen führen mich zu den Füßen Deines Kreuzes. Mann der Schmerzen, in Deiner Seele und an Deinem Leib hast Du alles gelitten, was einem Menschen möglich ist, zu leiden.
Ich betrachte Deinen Leichnam, der vom Kreuz herabgenommen wurde, Deine Menschlichkeit wie vernichtet und Dein unendlich kostbares Blut, das während Deines Leidenswegs vergossen wurde.
Solange die Welt Welt ist, wirst Du den Schmerz am Horizont unserer Seelen darstellen. Schmerz, mit allem, was er an Adel, an Stärke, an Ernst, an Süße und an Erhabenes hat. Der Schmerz, erhoben aus dem einfachen Umfang philosophischer Überlegungen zum unendlichen Firmament des Glaubens. Der Schmerz, verstanden in seiner theologischen Bedeutung als notwendiges Sühneopfer und als unverzichtbares Mittel zur Heiligung.
Durch die unendlichen Verdienste Deines kostbaren Blutes gib unserem Geist die notwendige Klarheit, um die Rolle des Schmerzes zu verstehen, und unserem Willen die erforderliche Kraft, um ihn von ganzem Herzen zu lieben.
Nur durch das Verstehen der Rolle des Schmerzes und des Geheimnisses des Kreuzes, kann die Menschheit sich aus der enormen Krise retten, in der sie versinkt, und vor der ewigen Pein, die auf diejenigen wartet, die bis zum letzten Moment Deiner Einladung verschlossen blieben, mit Dir den Weg der Schmerzen zu gehen.
Heiligste Maria, Mutter der Schmerzen, vermehre auf Erden die Seelen, die das Kreuz lieben.
Dies ist die unbezahlbare Gnade, um die wir in der Abenddämmerung unserer Zivilisation in dieser Karwoche Dich bitten.


Aus dem Portugiesischen mit Hilfe von Google-Übersetzer in
„Catolicismo“, Nr. 76, April 1957
© Nachdruck oder Veröffentlichung ist mit Quellenangabe dieses Blogs gestattet.

„Christliche Abtötung...“ erschien erstmals in deutscher Sprache in www.p-c-o.blogspot.com


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