Plinio Corrêa de Oliveira
Da so viel von Erneuerung die Rede ist, sei es in Politik,
Recht oder Volkswirtschaft, ist es an der Zeit, sich mit der grundlegenden
Erneuerung zu befassen, die Brasilien braucht: der Erneuerung des öffentlichen
Geistes.
Mit der Zerstörung der im Mittelalter von der Kirche
geschaffenen Einheit des Denkens nahm die Vielfalt religiöser und
philosophischer Strömungen allmählich so stark zu, dass im 20. Jahrhundert die
Anarchie im Bereich des intellektuellen Lebens vollständig siegte und sich von
dort wie eine Welle zerstörerischer Lava auf alle Institutionen, alle Nationen
und alle Kontinente ausbreitete.
Brasilien leidet so sehr unter den verheerenden Folgen
dieses Übels, dass es heute unmöglich ist, eine breite Denkströmung zu bilden,
die sich auf ein umfassendes Programm der nationalen Neuordnung konzentrieren
könnte.
Es ist üblich, dass radikal unvereinbare Ansichten von
derselben Person mit gleichem Eifer vertreten werden. Dazu gehören sozialistische
Konservative, Kommunisten, die Eigentum abschaffen und die Familie bewahren
wollen, sozialistische Liberale, liberale Reaktionäre usw.
Alle Gefühle, selbst die edelsten, werden von exotischen
Lehren in Frage gestellt, die stets mit Inbrunst akzeptiert werden.
Und solange dieses Chaos in der Welt des Denkens anhält,
wird es absolut unmöglich sein, eine dauerhafte Ordnung in Politik und
Wirtschaft zu etablieren.
Zu den in letzter Zeit am stärksten angegriffenen Gefühlen
gehört zweifellos der Patriotismus, dessen Bankrott die Führer des Kommunismus
und Sozialismus unermüdlich verkünden.
Die katholische Lehre wendet sich eindeutig gegen jede
intellektuelle Tendenz, die das patriotische Ideal untergräbt.
Damit dieses Ideal jedoch nicht durch die Angriffe seiner
Gegner untergraben wird, ist es unerlässlich, gegen das falsche Konzept des
Patriotismus vorzugehen, dass durch einen missverstandenen Nationalismus unter
uns verbreitet wurde. Bislang basierte unser Patriotismus in erster Linie auf
der natürlichen Schönheit, mit der die Vorsehung Brasilien geschmückt hat.
Unsere Dichter haben die Palmen unseres Landes, „wo die
Drossel singt“, die Dichte unserer Dschungel, die Schönheit unserer Küste und
den Reichtum unseres Bodens in den höchsten Tönen gepriesen.
Fragen wir einen Menschen durchschnittlicher Kultur, warum
er stolz darauf ist, Brasilianer zu sein, und sofort, in einem Ausbruch der
Begeisterung, werden wir eine endlose Liste von Verweisen auf unseren
indigoblauen Himmel, unsere Fauna, Flora usw. hören.
Selten, sehr selten, wird ein Hinweis auf die Intelligenz
unseres Volkes, sein ungewöhnliches musikalisches Flair, die brillanten
historischen Traditionen, die es ehren, und die großartige Zukunft, die die
Vorsehung für es bereithält, auftauchen.
Doch genau darin liegt der große Irrtum, in den uns ein
missverstandener Nationalismus geführt hat.
Es ist richtig, dass wir mit der natürlichen Schönheit
unserer Heimat stolz sein sollten. Viel mehr jedoch ehrt uns die Tatsache, dass
wir von einem Riesengeschlecht abstammen, das Dschungel rodete, Wilde
beherrschte und Bestien zähmte und auf einem von ihnen entdeckten Kontinent
eine Zivilisation begründete, die die Zukunft erblühen lassen wird.
Die erhabene Gestalt von Amador Bueno da Ribeira ehrt uns
mehr als die Guanabara-Bucht. Die Predigten von Pater Anchieta verleihen uns
mehr Glanz als die Wasserfälle von Paulo Afonso und Sete Quedas, und nicht die
ganze Majestät des Amazonas besitzt die strenge und sanfte Schönheit unseres
alten Familienlebens, das tief vom Geist des Glaubens durchdrungen und - bis zu
einem gewissen Grad - vor dem tödlichen Virus der Moderne bewahrt ist.
Die brasilianische Mentalität in ihren traditionellen und
nationalen Aspekten (denn in Brasilien Tradition, Nationalität und Katholisch
konzentrische Ideen sind) trägt den Keim einer großen Zivilisation in sich. Wir
sind noch nicht von der sentimentalen Gefühllosigkeit, der leichtfertigen,
selbstsüchtigen und vergnügungssüchtigen Nordamerikaner angesteckt worden. Die
Härte, Gier und der unerbittliche Egoismus, die die Welt überwältigen, haben
uns noch nicht heimgesucht. Und selbst in unseren Fehlern stecken Elemente
missverstandener Güte. So ist die berühmte „Sanftheit“, mit der wir – das muss
man zugeben – oft aus schuldhafter Toleranz den verwerflichsten Handlungen
nachgeben, nicht gerade eine Umarmung des Bösen, sondern die (gewiss
verwerfliche) Angst, jemandes Missfallen zu erregen.
Erzieht diese große Rasse in religiösen und katholischen
Prinzipien, und bald wird ein neues Brasilien erblühen, in dem, nachdem Fehler
beseitigt und gute Eigenschaften auf ihre wahren Grenzen zurückgeführt wurden,
die Geschichte die Entstehung einer großen Nation feiern wird. Und wenn
Südamerika das Zepter der Weltherrschaft schwingt, das Graf von Keyserling
richtig prophezeite, wird dieses Zepter von seinen Schwesterländern auf dem
Kontinent in die Hände Brasiliens gelegt werden, par droit de conquête et par droit de naissance.
Aus dem portugiesischen von „Patriotismo“ in Legionário vom
2. Oktober 1932.
Die deutsche Fassung dieses Artikels „Patriotismus“ ist
erstmals erschienen in www.p-c-o.blogspot.com
© Veröffentlichung dieser deutschen Fassung ist mit
Quellenangabe dieses Blogs gestattet.
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