Dienstag, 20. März 2018

Schmerz und Freude verflechten sich ständig im Leben der Mutter Gottes




Plinio Corrêa de Oliveira


Über die Schmerzen Mariens kann man grundsätzlich folgendes sagen: Es täuschen sich diejenigen, die meinen, sie hätte in ihrem Leben nur ein einziges großes Schmerzerlebnis gehabt und zwar während des Leidens und Sterbens ihres göttlichen Sohnes. Dies war in der Tat nicht ihre einzige schmerzliche Erfahrung, wenn es auch mit dem größten Schmerz verbunden war, den je ein Mensch auf der Welt empfunden hat, mit Ausnahme natürlich des unermesslichen Schmerzes Unseres Herrn Jesus Christus in seiner heiligen Menschheit. Dies war ein so gewaltiger Schmerz, der alle Schmerzen des Universums wiederholte und alles, was die Menschen gelitten haben seit dem Fall Adams und noch leiden werden bis zum letzten Moment, in dem es Menschen auf Erden geben wird.


Unser Herr Jesus Christus wurde vom Propheten Jesaja „vir dolorum“ (Schmerzensmann) genannt (Jes 53, 3). Die Passion war nicht ein isolierter Fall in seinem Leben, sondern der Gipfel einer Folge von großen Schmerzen, die begonnen haben im ersten Augenblick seiner Existenz und reichten bis zum Moment, in dem er unter einer Flut von Schmerzen das furchtbare „Consumatum est“ (es ist vollbracht) ausrief.


Maria, ist der Spiegel der Weisheit und der Gerechtigkeit. Sie widerspiegelt daher alles was ihrem Sohn Jesus Christus betrifft. So kann man behaupten, dass sie die „Mulier dolorum“, die Frau der Schmerzen war. Ihr ganzes Leben war durchströmt von Schmerzen. Es waren jedoch Schmerzen, die im Verhältnis standen zu der übergroßen Kraft, die sie aus der Gnade erhielt.

Weil von der göttlichen Vorsehung auferlegt, waren auch die stechendsten Schmerzen nicht solche, die alles durcheinander wirbeln, alles auf den Prüfstand stellen und die Seele verwüsten. Es waren sehr wohl übergroße Schmerzen, aber architektonische, weise und mit einer wunderbaren Selenruhe angenommen. Im äußersten Gram, bewahrte sie den Frieden. So kann man auch von der Muttergottes sagen, dass sie inmitten äußerster Bitterkeit in ihrer Seele den Frieden bewahrte.


In diesem Meer der Schmerzen war alles ausgeglichen, überdacht, mit unvergleichlicher Liebe getragen, ohne Emotionen, doch aber mit fast unendlichen Gefühlen. Ohne Panik doch mit viel Angstgefühl, viel Qual. Und in entsprechenden Augenblicken mit einem Schmerz, der alles zu zerreißen schien.


Maria war eine große Dulderin während ihres ganzen Lebens. Sie hatte aber auch Freuden im Laufe ihres Lebens. Alle Freuden der Welt – seit der Mensch im Paradies erschaffen wurde bis zum letzten Augenblick, in dem es Menschen auf Erden geben wird, alle zusammengezählt, sind nicht zu vergleichen mit den großen Freuden der heiligen Jungfrau. Schmerz und Freude waren ständig ineinander verflochten. Sie ertrug stets das Joch der größten Schmerzen, war aber zugleich getröstet von wunderbarsten Freuden.



Welche waren die Schmerzen der Muttergottes?


Genau genommen, fing sie an zu leiden bevor sie wusste, dass sie die Mutter Gottes sein würde. Da sie ohne Erbsünde empfangen wurde, hatte sie eine tiefe Kenntnis von allem was in der Welt geschah. Sie hatte einen dermaßen großen Eifer für den Ruhm und die Ehre Gottes, dass sie Tausend Leben hingeben würde, um nur eine Todsünde zu verhindern. Es schmerzte sie jedoch, zu sehen, wie die ganze Menschheit träge in der Sünde verharrte. Mehr noch, sie wusste um die Sünden, die zum Anlass der Ankunft des Messias und die nachdem bis zum Ende der Welt begangen würden. Wir können uns garnicht vorstellen, welche Qual diese Sünden ihr bereiteten. Der hl. Ignatius von Loyola pflegte zu sagen, wenn er sein ganzes Leben leiden müsste, um zu verhindern, dass eine einzige Todsünde auf der Welt begangen würde, sähe er diese Leiden für gut angebracht, dermaßen ist eine Todsünde ein unergründliches Übel.


Wenn aber dieser Heilige so dachte, was muss Unsere Liebe Frau empfunden haben, neben der, der größte Heilige weniger als ein Tropfen Wasser im Vergleich zu allen Meeren ist? Die Heiligkeit Mariens kann mit garnichts verglichen werden. Das Unverhältnis zwischen die Heiligkeit Mariens und der Heiligkeit aller Engel und Heiligen gemeinsam ist für uns unvorstellbar. Was waren dann diese Leiden für sie?


Dann erhielt sie die erhabene Botschaft, sie würde die Mutter des menschgewordenen Wortes sein. Wir können uns die Freude vorstellen, mit der sie den fleischgewordenen Gott anbetete, im ersten Augenblick, in dem sie ihn durch den Heiligen Geist empfing. Doch ebenso können wir uns den Schmerz vorstellen, als sie an die unbeschreiblichen Leiden dachte, die ihr göttlicher Sohn  durchstehen würde.


Von seiner Kindheit an bis zu seinem Tod am Kreuze.


Maria erfährt die Schmerzen der Kindheit Jesu, dann den Schmerz der Trennung, als er sein öffentliches Leben beginnt. Später kommen dann die von Ihm gewirkten Wunder, seine Erfolge – es ist eine Zeit der Freude. Doch schon bald macht sich die Undankbarkeit der Menschen bemerkbar. Die dunklen Wolken der Ungerechtigkeiten ziehen auf und führen ihn zur Kreuzigung. Maria leidet unter all dem. Zum Beispiel, als sie sah, wie er Opfer der allgegenwärtigen Undankbarkeit wurde.


Während des Leidensweges sah sie alles was ihr Sohne gelitten hat, und litt mit ihm jeden Schritt dieses Weges. Wenn es Heilige gab, die in Ohnmacht fielen, als sie erfahren durften, was Unser Herr während der Passion gelitten hat, wie können wir einschätzen, was für Unsere Liebe Frau die kleinste Episode der Passion bedeutete?


Als sie dann ihren Sohn hoch am Kreuze sah, erreichen die Schmerzen das Unsagbare. Sie schwankt zwischen zwei Alternativen: einerseits wünscht sie seinen Tod herbei, um dem Leiden eine Ende zu bereiten. Andererseits, dass sein Leben sich verlängere, weil jede Mutter will, dass das Leben ihres Kindes sich verlängere. Doch hier kommt ihr auch der Gedanke, dass er so mehr leiden würde und es der Erlösung der armen Sünder zugute komme. Sie schließt sich der Passion ihres Sohnes an, an die Verlängerung seines Leidens und bestärkt den Vorsatz, der Aufopferung ihres Sohnes zuzustimmen.


Sie nimmt das Kreuzesopfer an für die Erlösung der Seelen.


So dringend wünschte sich die Allerseligste Jungfrau die Erlösung unserer Seelen, dass sie dem all dem Leiden zustimmte, das ihr Sohn für die Seele eines jeden von uns ertrug. Sie liebt jede einzelne Seele dermaßen, dass, wenn es auch nur eine einzige Seele gäbe, die durch diesen Leidensweg gerettet werden müsste, sie dem schmerzhaften Leidensweg ihres Sohnes noch einmal zustimmen würde, um diese Seele zu retten.

Stellen wir uns vor, Maria sähe alle Folter und Qual, die ihr Sohn auf sich nehmen muss. Zum Beispiel die Dornenkrönung. Sie sieht, wie die Dornen in den Kopf eindringen und nervliche Verletzungen verursachen, die seinen ganzen heiligen Körper erzittern lassen; wie ein Dorn sein Auge verletzt; am Kreuz, die vom Rumpf ausgerenkten Arme; der fürchterliche Durst; das Blut das aus den Wunden am ganzen Körper sickerte; das hohe Fieber; der wegen der Schmerzen sich windende Körper.

Sie wusste, dass dies alles geschehen würde, sie ermaß alles und dennoch, sie nahm alles an. Sie wollte, dass es so sei. Sie war wie ein Opfernder, wie ein Priester, der das göttliche Opfer auf dem Kalvarienberg darbrachte. Sie wollte, dass alles so sei, wie es war, denn, wenn das der Preis ist, eine Seele zu retten, so wollte sie, dass ihr Sohn alles litt was er zu leiden hatte.



Hier sehen wir die Größe Unserer Lieben Frau. Nicht nur in der Unermesslichkeit der Schmerzen, die sie auf sich nahm, sondern, dass sie gewünscht hat das zu leiden, was sie gelitten hat. Sie wollte, dass ihr Sohn dieses furchtbare und wunderbare Opfer bringe aus liebe zu einem jeden von uns. Weil Gott seinen eingeborenen Sohn aus liebe zu und opfern wollte.


Habe ich eine Vorstellung meiner Undankbarkeit?

Die Karwoche nähert sich. Es ist angebracht darüber nachzudenken. Es möge sich ein jeder allein vor einem Kruzifix hinknien, oder vor einer Statue der schmerzhaften Mutter, und die ganze Welt vergessen und in der Gegenwart Gottes sich diese Frage stellen: Bin ich mir bewusst, was meine Erlösung gekostet hat? Habe ich eine Vorstellung, was die Gnaden, die ich bekommen habe, gekostet haben? Kann ich mir vorstellen, dass Jesus am Kreuz namentlich an alle Menschen gedacht hat, seit dem Anfang der Welt bis zu ihrem Ende? Dass ich also in seinem göttlichen Geist gegenwärtig war, mit Barmherzigkeits-, Güte- und Heilsgedanken?



Er sah meine Seele, er sah meine Person. Er liebte mein von ihm geschaffenes Sein und opferte sich aus Liebe zu mir auf, weil er mein Heil wollte. Kann ich mir vorstellen, dass meine Erlösung all das gekostet hat? Weiß ich wie und warum ich dieser Zuwendung nicht entsprochen habe? Weiß ich um mein Undankbarkeit? Wieviel Sünden habe ich begangen, oft durch Unvorsichtigkeit, weil ich einfach die Gelegenheit nicht meiden wollte, weil ich nicht einen kleinen Akt der Abtötung bringen wollte! Als ich sündigte, nahm ich das Blut Christi und warf es in die Gosse. Blut, das für mich vergossen wurde und trotzdem begab ich mich in die Lage verdammt zu erden. Doch Gott duldete mich noch in diesem Leben, ertrug mich noch und wartete auf mich mit neuen noch größeren Gnaden, als die ich erhalten hatte.

Und wieder einmal befinde ich mich in der Karwoche: eine neue Gelegenheit Gnaden zu bekommen. Die Seite des Herrn ist offen, aus ihr strömt mir Barmherzigkeit entgegen und ruft mich zur Reue, zur Buße, zur wunderbaren Versöhnung mit ihm. Es strömen Güte und Liebherzigkeit, wie ich es mir nie habe vorstellen können. Meine erste Sorge in der Karwoche soll sein, an meine Seele zu denken. Jedoch ohne Furcht, ohne Panik, denn Gott ist der Vater der Barmherzigkeit und Maria ist Mutter und Kanal aller Barmherzigkeiten. Ernsthaft darüber nachdenken, gründlich darüber nachdenken. Ich stelle mich vor dem Blut Christi, dass da fließt und bewerte, was aus diesem Blut gemacht habe.



„Quae utilitas in sanguine meo?“


 Jesus stellte diese Frage und die war einer seines größten Schmerzes: „Quae utilitas in sanguine meo?“ Letztendlich, was nützt mein vergossenes Blut? Er dachte an so viele Seelen, die sein Blut mit Füssen treten würden. Aus Leichtsinnigkeit, Stumpfsinnigkeit, wegen einer Kleinigkeit, einer Bagatelle. Wegen das Lachen einer Magd, wie im Falle des hl. Petrus. Für 30 Silberlinge, wie Judas. Aus Trägheit, weil sie schlafen wollten, wie die anderen Apostel. Aus Angst, Opportunismus, Sinnlichkeit, wegen wie viel Dinge würden die Seelen ihn ablehnen! Unser Herr hatte unsere Zeit im Auge, die Muttergottes auch. Er sah alle Verrate unserer Zeit, alle Verlassenheit, alles Leid, welches priesterliche Seelen ihm zufügten. Wenn die Sünden irgendeines Menschen den Herren soviel haben Leiden lassen, wie viel mehr litt er um die Sünden der Mitglieder der heiligen Kirche?


In seinen Psalmen erhebt der Prophet David diese Klage gegen einen, der ihn beleidigt hat: „Denn würde mein Feind mich schmähen, ich könnte es ertragen, und würde mein Gegner sich gegen mich erheben, ich könnte mich bergen vor ihm. Du aber, mein Gefährte, mein Vertrauter und Bekannter, die wir zusammen süße Gemeinschaft erlebten, zum Gotteshause wallten im Festgedränge!“ (Ps 55, 13-15)


Alles, was in unserer Zeit geschieht, hat Jesus damals schon gesehen. Doch Er sah es auch mit Liebe. Als Frucht dieses unendlich kostbaren Blutes würde eine besondere Gnade keimen für einige, die genauso schlecht sind wie andere, – und des öfteren gar noch schlechter –, die aber durch diese besondere Gnade berufen wurden, treu zu sein in der Stunde der Untreue, damit sie unter dem Kreuz stehen, wie der hl. Johannes, auf der Seite der Rechtgläubigkeit, der wahren Lehre, in der Stunde, in der alle sie verlassen. Es sind die, die das Martyrium der Kirche verstehen. Die die Tragödie der von Modernismus und Progressismus in ihrem Innern zersetzten Kirche sehen und wie sie ihren schlimmsten Feinden ausgeliefert ist. Diese von Gott auserwählten wurden berufen für ihre Kirche – den Leib Christi – zu kämpfen, Ihren Schmerz zu verstehen, darüber zu meditieren und diesen Schmerz zu teilen und zu leben, damit sie auch „Menschen der Schmerzen“ werden.

Der Schmerz der Heiligen, Kirche in unseren Tagen, muss ein Schmerz sein, mit dem wir am Morgen aufwachen und am Abend einschlafen. Ein Schmerz, der uns auch im tiefsten Schlaf nicht verlässt.

Die Heilige, Römische, Katholische und Apostolische Kirche, von Jesus Christus gegründet, vom Himmel herniedergestiegen aus dem Himmel von Gott her, wie eine vollendete Stadt (vgl. Offb 21,2)… Was haben sie aus ihr gemacht?!...

Nun gut! Dieser Schmerz ist dermaßen groß, dass er mich hindert weiterzusprechen. Bitte wir der Gottesmuter, sie möge uns diesen Schmerz bis ins tiefste unserer Herzen spüren lassen.


(„Santo do Dia“ vom 17.3.1967)

Keine Kommentare: