Die Schmerzensreiche Gottesmutter
und die Schmerzen der Kirche heute
Zum Thema Schmerzen Mariens gäbe es viele Kommentare, denn der Schmerz ist
ja eines der Höhepunkte im Leben Mariens. Man könnte sagen, so wie die Passion
Unseres Herrn in der Erfüllung Seines Erlösungswerkes der Höhepunkt Seines
Lebens darstellte, so war auch für Maria, in Ihrer Eigenschaft als
Miterlöserin, das Mit-Leiden mit Jesus während der Passion der Höhepunkt Ihres
Lebens. In diesem Zusammenhang werden wir einiges über die Schmerzen der
Heiligen Katholischen Kirche betrachten.
Alles, was wir von und über Jesus und Maria sagen, können wir auch von der
Kirche sagen. Wir können also behaupten, dass Jesus in Seiner Passion für alle
Schicksalsschläge, die die Heilige Kirche im Laufe der Jahrhunderte trafen,
gelitten hat. Er sah die gegenwärtige Krise der Kirche, Er kannte den
erbärmlichen Zustand der Kirche heute; und dieser Zustand entriss Ihm viel
stöhnen, verursachten viele Schmerzen,
und Er sah die relative Vergeblichkeit Seines vergossenen Blutes. Viele
Menschen würden nämlich die Erlösung, die Er ihnen bringen wollte, verschmähen. Eine große Zahl Menschen würde
sich in die Hölle stürzen; eine große Zahl Menschen würde, in unserer Zeit,
eines der kostbarsten Früchte Seines Erlöserleidens und -sterbens vernichten
wollen: Die Heilige Katholische Kirche. Und sie würden sie auf die schlimmste
Weise vernichten wollen: Von Innen her.
Das heißt, Hände von Freunden, Hände von Kindern, Hände von Priestern
nehmen es auf sich, das zu tun, was der schlimmsten Ruchlosigkeit im Laufe von
Jahrhunderten nicht gelungen ist. Diesen Schmerz der Kirche sah Jesus von der
Höhe des Kreuzes. Dieser Schmerz entriss Ihm viel Stöhnen und Ächzen. Maria
nahm von all dem auch Kenntnis, Sie sah auch alles, und Ihr Zustand wird sehr
deutlich dargestellt in den sieben Schwertern, die Ihre Seele durchdringen. Die
Gottesmutter litt um diesen Zustand.
Warum litten beide, Jesus und Maria, im Hinblick auf die Kirche? Sie litten, weil
das Meisterwerk Gottes in der Ordnung der Gnade, nicht die Einsetzung der
Eucharistie oder die Einsetzung dieses oder jenes Sakraments war, sondern die
Gründung der Katholischen Kirche, denn sie ist der Schrein, in dem all diese
Juwelen enthalten sind. Auch die Unfehlbarkeit der Kirche ist eines dieser
Juwelen in diesem Schrein, der die Katholische Kirche ist.
Unter diesen Umständen bedeutet die Absicht, die Katholische Kirche zu
zerstören, das feindseligste, abscheulichste und höchst teuflischste
Unternehmen gegen das Werk der Erlösung. Und das schlimmste ist, zu merken,
dass der Ruchlosigkeit bewusst wurde, dass dieses Werk der Zerstörung nur durch
geweihte Hände durchgeführt werden kann. Es sind die Machenschaften einer
Verschwörung geweihter Hände, um dieses Werk zu vollbringen. Davon zeugt die
Unterwanderung der Seminare, die Unterwanderung der höchsten Grade der
Hierarchie. Diese Verschwörung wurde übrigens von einem heiligen Papst
enthüllt, – der hl. Papst Pius X., der annehmbar nicht eines natürlichen Todes
gestorben ist –, doch die Verschwörung ging und geht weiter und kommt wie eine
steigende Flut bis zum heutigen Stand der Dinge.
Es ist die Wiederholung des Gottesmordes. Man will im Rahmen des Möglichen
Gott nochmals töten, indem man den Mystischen Leib Christi zerstören will, und
das, wie der hl. Pis X. in seine Enzyklika „Pascendi Dominici gregis“ schreibt,
mittels einer internen Verschwörung, bei der geweihte Hände mit am Werk sind.
Teuflischer könnte dieses Vorhaben nicht sein. Nach der Erlösung hätte man
nichts Teuflischeres in Gang bringen können als das, und dieser Versuch könnte
eigentlich nicht weiter gehen, als zu dem Punkt, zu dem er heute gekommen ist.
Wir können also sagen, dass, nach dem Tod Unseres Herrn Jesus Christus und
nach dem Sieg, den der Teufel – unter gewissen Aspekten – mit dem Tod Christi
errungen hat, wir den größten Sieg Satans seither miterleben. Ein Triumph, der
schon eine Vorhersage und Vorschau seines Triumphes vor dem Ende der Zeiten
ist.
So wie die Muttergottes wegen all dem gelitten hat, müssen auch wir mit Ihr
leiden. Am Gedenktag Ihrer Schmerzen, den die Kirche in der Nähe der Passionstage
gelegt hat, um uns auf das Leiden und Sterben Unseres Herrn vorzubereiten,
sollten wir die Muttergottes um folgendes bitten: Wir alle sind ständig in
Gefahr uns ausschließlich um die Sorgen und Kleinigkeiten unseres täglichen
Lebens zu kümmern, wenn diese auch der Aufrechterhaltung unserer kleinen Werke
im Apostolat gewidmet sind. Jeder baut sich damit sein kleines persönliches
Leben auf: Man organisiert den Tagesablauf, dieser ist immer gut ausgefüllt,
alles dreht sich um die eigenen Interessen. Doch es fehlt der Blick auf den
Hintergrund und wir verlieren die Sicht dessen, was wichtiger ist.
Das Wichtigste für mein Leben als Katholik ist nicht, was ich heute oder
morgen tun werde, sondern im Geiste die Passion, die die Heilige Katholische
Kirche leidet, begleiten. Das Wichtigste ist, den ganzen Tag zu bluten mit dem
Gedanken an die undenkbare und unheimliche Gewalt, die der Kirche angetan wird.
Den ganzen Tag muss der Hintergrund unserer Tätigkeiten sein: Tun, beten,
leiden für die Kirche, mit ihr leiden. Alles, was ich mache und tue, Kleines
wie Großes, sollen letztendlich meiner Mutter, der Kirche helfen und trösten in
ihrem Schmerz.
Deshalb soll an diesem Gedenktag Ihrer Schmerzen, die Muttergottes uns
diese Bitte nahelegen, die Sie über Jahrhunderte und in allen Ländern zu den an
Ihr vorübergehenden spricht: „O Ihr alle, die Ihr des Weges zieht, haltet und
seht, ob ein Schmerz sei ähnlich meinem Schmerz!“ Und verstehen, das nicht die
Gottesmutter so zu uns spricht, sondern die Katholische Kirche. Es gibt in der
heutigen Welt nichts, was so verachtet, so verraten, so verfolgt, von so viel
Hass getroffen wird, wie die Katholische Kirche. Es ist die Kirche, die uns
heute zuruft: „O Ihr alle, die Ihr des Weges zieht, haltet und seht, ob ein
Schmerz sei ähnlich meinem Schmerz!“
Wahrlich gibt es heutzutage keinen größeren Schmerz, als den der Heiligen
Kirche. Selbst die Marter der Zeit des Protestantismus, in den Tagen der
Französischen Revolution, zur Zeit des Falls von Byzanz, der Völkerwanderung,
der Christenverfolgung im römischen Reich oder was auch immer, haben keinen
Vergleichswert mit dem Schmerz, den die Kirche heute leidet.
Zur Vorbereitung auf das Gedenken an die Schmerzen Mariens und auf das
Leiden Christi, denken wir intensiv an die Kirche und verinnerlichen wir, wie
in der Kirche sich die Passion Jesu Christi wiederholt. Wie machen wir das? Halten wir inne. Stellen wir diese ständige, verzehrende Geschäftigkeit mit uns selbst ein,
„halten und sehen, ob ein Schmerz sei ähnlich“ dem Schmerz der Katholischen
Kirche. Bitten wir die Muttergottes, Ihr Schwert des Schmerzens möge unsere
Herzen durchdringen.
Die Schmerzensschwerter der Gottesmutter müssen unsere
Seele durchdringen, damit wir mit der Kirche in diesen schrecklichen Tagen
leiden können.
Also dann, „haltet und seht, haltet und betrachtet, erwägt und prüfet, ob
es einen Schmerz gibt gleich meinem Schmerz“, ist die Einladung dieses Fests
der Schmerzen Mariens und dieser wirklich kreuzigende Karwoche, die uns
bevorsteht.
Dieser
Text ist übernommen aus einem informellen Vortrag von Professor Plinio Corrêa
de Oliveira, den er am 7. April 1965 hielt. Er wurde frei übersetzt und
angepasst für die Veröffentlichung ohne seine Überarbeitung.
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