Plinio Corrêa de Oliveira
Die Kampagne gegen die [Einführung der] Ehescheidung
tobt im ganzen Land [Brasilien], Gott sei Dank, bis zu dem Zeitpunkt, an dem der akuteste
Moment der Krise als beendet betrachtet werden kann. Wir müssen jedoch wachsam
sein, denn während des gesamten Kampfes können wir immer noch bittere
Überraschungen erleben. Und auch nach dem Ende des Kampfes kann jederzeit
plötzlich wieder Gefahr auftauchen, indem Verteidiger der Ehescheidung mehr
oder weniger unvorhersehbare, in unserer Zeit fruchtbare Umstände ausnutzen, um
die Unauflöslichkeit des ehelichen Bundes abzuschaffen.
Es
ist daher angebracht, weiterhin Aufmerksamkeit zu erregen, Energien zu
mobilisieren, alle Mittel der Überzeugung für die richtigen Ziele einzusetzen.
Zu diesem letzten Punkt möchten wir einige Bemerkungen machen.
* * *
Wenn
wir einen Großen Teil der Arbeiten analysieren, die in dieser Kampagne gegen
die Ehescheidung geschrieben wurden, müssen wir feststellen, dass sie
einerseits für ihre Ernsthaftigkeit, ihre Klarheit, für die Redlichkeit ihrer
Argumentation Lob verdienen, dennoch zollen fast alle einem gewissen Akademismus
Tribut. Die Argumente, die sie vorbringen, wären gut, um rechtschaffene
Intellektuelle zu überzeugen. Aber sie sind in der Regel völlig unwirksam für
einen riesigen Bereich der öffentlichen Meinung, deren Präferenzen zwischen
Unauflöslichkeit und Scheidung schwanken, mit einer starken Neigung zu
letzterem. Und deshalb, nachdem er die überzeugendsten Argumente gehört hat,
die durch die Sprache der Zahlen (das beste Argument für oberflächliche Köpfe)
die Schädlichkeit der Scheidung für die Familie und das Land demonstriert
haben, und somit der Scheidungsbefürworter zu einem verlegenen und
gelangweiltes Schweigen gebracht wurde, stammelt er einige argumentationsfetzen
à la diable und nimmt schließlich die
ganze Diskussion wieder am Ausgangspunkt auf: „der unglückliche Ehemann kann
also sein leben nicht wieder aufbauen? Ist es fair, ihm das Recht zu nehmen,
sein Glück wieder aufzubauen?“ Wir alle, die wir gegen die Scheidung gekämpft
haben, wissen, wie häufig diese Einstellung vorkommt. Die klarsten,
prägnantesten, durchbohrendsten Argumente gleiten über solche Mentalitäten
hinweg, ohne sie zu erreichen. Wenn solche Befürworter der Scheidung einem
Hagel der Logik ausgesetzt werden, schrecken sie zurück. Sobald er aufhört,
erscheinen sie wieder, unversehrt. Eine wirksame Anti-Scheidungskampagne muss
diese Tatsache sehr ernst nehmen. Wenn sie Boden erobern will, muss sie erkennen,
dass die Zugangswege, die ihm ermöglichen, in Mentalitäten wie diese
einzudringen, noch nicht richtig bekannt und erforscht sind. Es ist unbedingt
erforderlich, dass wir unseren Blick auf die wahre Ursache dieses
Geisteszustands richten, um angemessene Argumente zu finden, um ihn zu
korrigieren.
* * *
Unter
diesen Umständen möchte ich über Romantik sprechen. In Lehrbüchern heißt es,
diese Schule sei bereits gestorben. Offensichtlich gilt dies, wenn es sich nun
um Literatur oder Kunst handelt. Aber gilt das auch, wenn es ums Leben geht? Sind
die Seins- und Gefühlsweisen, die die Romantik geschaffen hat, den mentalen und
affektiven Gewohnheiten unserer Zeitgenossen in der Tat völlig fremd? Stimmt
es, was die Ehe anbelangt, wirklich, dass die Einstellung des modernen Menschen
nicht unter romantischen Einflüssen leidet? Und welche Beziehung besteht
zwischen diesem Einfluss und dem Problem der Ehescheidung?
Lassen Sie uns zunächst einige Arten von „Helden“ und „Heldinnen“ der
Romantik erwähnen. Den „Held“ der „zarten“ Art könnte man sich als jungen Mann
(nichts ist unromantischer als die 50er Jahre!) vorstellen, schlank, blass, mit
regelmäßigen Gesichtszügen, großen melancholischen Augen, die sich vage am
Horizont verlieren, mit einer poetisch zerzausten Frisur und Kleidung, eine sich
hebende Brust, vor glühendem, undefiniertem, quälendem Streben nach
vollkommenem gefühlsmäßigem Glück. Doch er ist ein missverstandener. In
unerforschten Winkeln seiner Persönlichkeit gibt es erhabene Horizonte, es gibt
unsagbare Sehnsüchte, die um das Verständnis einer „Schwesterseele“ bitten,
suchen, flehen. Es muss in der weiten Welt ein Wesen geben, das dazu gemacht
ist, ihn zu verstehen. Er sucht es, denn so wird er sein Glück finden ... und
wandert traurig durchs Leben, bis er es findet.
Der romantische Held der „schrecklichen“ Art, zeigt
etwas anders im Äußeren, ist aber moralisch identisch mit dem gerade
beschriebenen Vorbild: überschwänglich vor Männlichkeit, athletischer
Körperbau, etwas düstere Schönheit, nach dem Stil irgendeiner Figur von Wagner,
großes Vermögen, große gesellschaftliche Situation, immenser Einfluss, er hat alles,
was das Leben bieten kann ... aber (und darin liegt die „Romantik“ des Bildes) hat
eine Wunde im Herzen: eine brennende Zuneigung, eine enorme Enttäuschung, eine Überzeugungskraft
so schwer und so kalt wie ein Grabstein, dass er niemals auf Erden die
affektive Entsprechung finden wird, von der sein Herz träumt.
Symmetrisch
entstand die Figur der „Heldin“, von der es uns nicht schwer fallen wird, zwei
charakteristische Vorbilder hervorzurufen. Eine ist vom Typ „Mignon“. Sie ist
ein Liebesding von Zärtlichkeit für Leib und Seele. Der kleinste Schmerz bringt
sie zum Weinen, jeder Seelenkratzer lässt sie leiden. Naiv wie ein Kind, trägt
sie in ihrem Herzen den immensen Wunsch, sich hinzugeben und von jemandem
geliebt zu werden. Sie braucht Schutz, denn sie ist total zerbrechlich und dies
spiegelt sich in der Süße ihres Blickes wider, in den harmonischen Tonlagen ihrer
Stimme, in der Feinheit ihrer Gesichtszüge, in der exquisiten Zartheit ihres gesamten
Gemüts. Ein anderes Modell wäre die Heldin der „großen“ Art. Atemberaubende
Schönheit, die Größe und Haltung einer Königin, das natürliche Zentrum aller
Aufmerksamkeit, aller Huldigungen, aller Hingabe, eine dominierende und verhängnisvolle
Präsenz. Im Herzen natürlich ein verborgenes Zucken, ein tiefer Nachgeschmack,
ein großer verborgener Schmerz. Es ist die Bitterkeit einer vergangenen
Enttäuschung, die ängstliche und hoffnungslose Suche nach jemandem, der sie wirklich
versteht. Zu ihren Füßen stöhnen Dichter, Herzöge, Millionäre nutzlos. Ihr gleichgültiger,
hochmütiger, tiefer und trauriger Blick sucht das ganzes Leben lang in der
Ferne nach dem, war sie niemals finden wird: Es ist das Glück einer großen
Zuneigung, nach den „höchsten“ und quälenden Bestrebungen, die ihre Seele in
ein geheimes und unaufhörliches Blutvergießen bringen.
* * *
Die
Leser werden vielleicht schmunzeln. Scheint es nicht ganz wahr zu sein, dass dies
alles vorbei ist? Wer den jungen Mann – oder die junge Frau – aus dieser Zeit
der Geschwindigkeit, des Sports und der Vitamine in seinem knallbunten Auto
vorbeifahren sieht, denkt nicht, dass wir von Romantik noch weit entfernt sind?
Der junge Mann ist robust, fröhlich, wirkt gut im Leben verankert, voller
praktischem Sinn und Siegeswillen. Die junge Frau ist ungezwungen,
unternehmungslustig, utilitaristisch, oft jähzornig. Auch sie ist fröhlich,
fühlt sich wohl und will das Leben „genießen“. Was hat sie mit der weinerlichen
Dame gemeinsam, die unsere Großeltern bewegt hat?
Wir
leugnen nicht, dass der moderne Utilitarismus ein Klima viel größerer Toleranz
gegenüber Ehen geschaffen hat, die von zynischen finanziellen Motiven
inspiriert sind. Wir leugnen nicht, dass Kalkulationen über Karriere, soziale
Stellung heute viel häufiger als früher in Ehen einfließen. Doch wer von den
zahlreichen konkreten Beispielen, die diesbezüglich präsentiert werden könnten,
absolut verallgemeinern will, irrt. Bei allem Utilitarismus bleibt der Raum,
der dem „Gefühl“ vorbehalten ist, sehr beträchtlich. Und wenn wir dieses
„Gefühl“ analysieren, werden wir sehen, dass es nichts als eine sehr
oberflächliche Anpassung der alten romantischen Themen ist.
Unsere Ära der Demokratie lässt keine herausragenden und
außergewöhnlichen Charaktere mehr zu. Der „Held“ ist heute ein „populärer Typ“
und das Mädchen ein „Glamour-Girl“. Ein „populärer Typ“ wie tausende natürlich
und ein „Glamour-Girl“ ebenfalls wie tausende. Die mechanische Natur der
heutigen Existenz zwingt sie dazu in Tagträumen und endlosen Ausschweifungen zu
verbringen, und weniger fleißig zu sein als ihre Vorfahren. All dies umschreibt
auf verschiedene Weise den Spielraum fantasievoller und sentimentaler Ergüsse. Aber
trotz all dieser Vorbehalte, wenn es um Liebe geht, ist es dieselbe süße
Sentimentalität, dieselben vagen Sehnsüchte, dieselben Missverständnisse,
dieselben Affinitäten, dieselben Schocks, dieselben Krisen, dieselbe Sehnsucht
nach affektivem Glück ohne Ende und die gleiche chronische Bedenklichkeit all
dieser „Glücklichkeiten“. Wir wollen hier keine psychologische Studie über die
mehr oder weniger zweitklassige literarische und künstlerische Produktion
machen, die um die Welt wandert und die wirklich den Geist der Massen formt. Es
genügt unserem Leser, ein wenig Sinn für die Realität zu haben, die ihn
jederzeit umgibt, um zu erkennen, wie recht unsere Beobachtungen sind.
Tatsächlich baut die überwiegende Mehrheit der Ehen, die aus Zuneigung
geschlossen werden, heutzutage auf Gefühlen auf, die von romantischer
Sentimentalität durchtränkt sind.
* * *
Und
hier ist das Problem. Wenn manche Ehen aus Interesse geschlossen werden, andere
aus Zuneigung, und wenn diejenigen, die aus Zuneigung geschlossen werden, im
Allgemeinen unter dem Einfluss der Romantik geschlossen werden, hängt die Frage
nach der Stabilität des ehelichen Zusammenlebens davon ab, inwieweit Interesse
oder Romantik kann Ehepartner dazu bringen, sich gegenseitig zu ertragen.
Reden
wir nicht über das Interesse. Die Sache ist sehr klar. Reden wir über Romantik.
Lassen Sie uns zunächst betonen, dass die Romantik ihrem Wesen nach
frivol ist. Sie nimmt bereitwillig die größten Tugenden der „Heldin“ oder des
„Helden“ an. Aber im Grunde wiegen diese Tugenden als Überlebensfaktor
gegenseitiger Zuneigung sehr wenig in die Waagschale. In der Tat verzeiht
Sentimentalität ohne große Schwierigkeiten echte moralische Mängel,
Undankbarkeit, Ungerechtigkeit und sogar Verrat. Aber sie verzeiht keine
Kleinigkeiten. Dass also – um auf das offene Fleisch der Realität zu kommen, ist
nützlich ein Beispiel anzuführen – ein lächerliches Schlafschnarchen,
Mundgeruch, kurz jedes andere kleine menschliche Elend, ein romantisches Gefühl
unwiderruflich töten kann … was den schwerwiegendsten Reklamationsgründen
widerstehen würde. Nun ist der Alltag ein Geflecht von Nebensächlichkeiten, und
es gibt keinen Menschen, der sie im intimen Kontakt nicht mehr oder weniger
schwer ertragen kann. Aus diesem Grund ist es üblich geworden, über die
Enttäuschungen nach den Flitterwochen zu sprechen. „Nach dieser Zeit“, sagte
mir einmal jemand, „hat mich meine Frau nicht enttäuscht, sondern mich mit
Enttäuschungen erfüllt“. Und da die Romantik ihrem Wesen und ihrer Definition
nach aus Illusionen besteht, aus unkontrollierten und hypothetischen
Zuneigungen zu Menschen, die nur in der Welt der Chimären möglich wären, ist
die Folge, dass in kurzer Zeit die Gefühle, die die einzige psychologische
Grundlage für die Stabilität des Zusammenlebens waren, lösen sich auf.
* * *
Natürlich geht eine Person unter diesen Bedingungen den Dingen nicht auf
den Grund, erkennt nicht, was an ihren Wünschen im Wesentlichen nicht
realisierbar ist, und denkt einfach, dass sie einen Fehler gemacht hat. Sie
versteht also, dass sie immer noch in anderen das Glück finden kann, das ihr
die Ehe nicht gegeben hat. Gewöhnt, einzig und allein für das eigene Glück zu
leben, gewöhnt, das Glück einzig und allein in der Befriedigung sentimentaler
Tagträume verwirklicht zu sehen, wird ein solcher Mensch sein Leben
hoffnungslos zerstört sehen, wenn er es nicht auf andere Weise befriedigt. Und
er wird das Leben all der zahlreichen anderen Menschen, die demselben
„Missverständnis“ verfallen sind, als ebenso zerstört beurteilen. Daher wird
die Scheidung absolut so notwendig erscheinen wie Luft, Brot oder Wasser.
Welchen
Eindruck würde auf einen Menschen in dieser Verfassung ein ernsthaftes Argument
gegen die Scheidung machen, verstärkt durch die kalte Sprache der Statistik?
Sie ist es gewohnt, eher zu schwafeln als zu denken, und hasst alle Argumente,
besonders wenn sie ernst sind. Die Sprache der Zahlen kommt einem in solchen
Dingen lächerlich vor. Mit ihr über Soziologie in Bezug auf Ehe und Liebe zu
sprechen, erscheint ihm ebenso schockierend wie mit einem Dichter, der sich
darüber amüsiert, die Schönheit einer Blume zu bewundern, über die
technischsten Themen der Botanik zu sprechen.
Es
versteht sich daher, dass die Anti-Scheidungs-Kampagne, die in all ihren
Argumenten äußerst konsequent ist, das falsche Ziel trifft, indem sie versucht,
mit Argumenten, die auf der Moral oder dem Wohl des Landes basieren, Menschen
zu überzeugen, denen es einzig und allein darum geht, individuelles Glück in
einer Welt der Träume und Schimären zu erreichen.
* * *
Und
hier kommen wir zum Ende. Letztlich ist Romantik nur Egoismus. Der Romantiker
sucht nur sein eigenes Glück und begreift Liebe nur in dem Maße, in dem der
„Andere“ ein adäquates Instrument ist, um ihn glücklich zu machen. Er begehrt
dieses affektive Glück so ausschließlich, dass er, wenn er seinem Gefühl freien
Lauf lässt, alle moralischen Schranken überspringt, alle Annehmlichkeiten des
Gemeinwohls aufgibt und seine Instinkte brutal befriedigt. Und auf Egoismus kann
nichts aufgebaut werden ... die Familie noch weniger als alles andere.
Es
ist daher notwendig, eine gewaltige antiromantische Offensive zu starten, um
den wesentlichen Unterschied aufzuzeigen, der von der christlichen
Nächstenliebe ausgeht, die alle aus dem Übernatürlichen, dem gesunden
Menschenverstand, dem Seelengleichgewicht, dem Triumph über die Unruhen der
Vorstellungskraft und der die Sinne, ganz aus Frömmigkeit und Askese,
schließlich bis hin zur sinnlichen, selbstsüchtigen Liebe, die aus
ungezügelter, romantischer Sentimentalität besteht, und immer noch so in Mode
ist. Es ist falsch, sich vorzustellen, dass echte christliche Ehegatten die
Helden der Romantik sind, denen es durch einen glücklichen Zufall gelungen ist,
eine authentische Ehe nach dem kanonischen Recht als Vorstufe zur Befriedigung
ihrer Leidenschaften zu schließen, die aber denselben Zustand des Geistes, den
gleichen Egoismus, die gleiche Verewigung jeder Abenteuerlust bis hin ins
Brautbett tragen.
Solange die sentimental-romantische Auffassung implizit oder explizit
die Mentalität der Brautpaare beeinflusst, wird jede Ehe bedenklich sein, da
sie auf dem im Wesentlichen klebrigen, schwankenden, vulkanischen Boden des
menschlichen Egoismus errichtet wurde.
* * *
Es
wird allgemein gesagt, dass die Familie das Fundament der Gesellschaft ist. Ehen,
die aus selbstsüchtiger und romantischer Sentimentalität entstehen, sind das
Fundament der Stadt des Teufels, in der die Selbstliebe des Menschen bis zur
Gottvergessenheit getrieben wird. Ehen, die aus der Liebe Gottes und der
übernatürlich heiligen Nächstenliebe bis hin zur Selbstvergessenheit entstehen,
sind das einzigartige Fundament der Stadt Gottes.
Aus dem Portugiesischen mit Hilfe von
Google-Übersetzer aus Catolicismo Nr. 10 – Oktober 1951 – „Divórcio e
romantismo“
Diese deutsche Fassung von „Ehescheidung
und Romantik“ erschien erstmals in www.p-c-o.blogspot.com
© Nachdruck der
deutschen Fassung ist mit Quellenangabe dieses Blogs gestattet.
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