Freitag, 31. Mai 2024

Die Berufung des Deutschen Ordens

 


Paul Herzog von Oldenbourg

 Wir werden heute Nachmittag das Deutschordenmuseum im ehemaligen Sitz des Deutschmeisters des Deutschen Ordens, also des obersten Vertreters des Ordens im Reich nach dem Hochmeister, in Bad Mergentheim besuchen. Da der Orden eine Geschichte von 816 Jahren hat, die uns dort in knapp 90 Minuten präsentiert werden wird, jetzt eine kleine Einführung in die Geschichte bis zum markanten Jahr 1410 und einige Anmerkungen zum Selbstverständnis des Ordens bis dahin. Daraus läßt sich auch die Berufung dieses geistlichen Ritterordens ableiten, wenn ich auch in der wissenschaftlichen Aufarbeitung an keiner Stelle den Begriff Berufung gefunden habe. 

I. Staat und Kirche

Das große und herausragende Verdienst des Deutschen Ordens, um es gleich vorwegzunehmen, war der Aufbau einer christlichen Zivilisation, einer christlichen Gesellschaftsordnung in Preußen im Norden von Polen, im Nordosten des Deutschen Reiches gelegen, ein zuvor heidnisches Gebiete, zu dessen Missionierung und Befriedung der Orden herbeigerufen wurde, und dessen Ausbau zu einem der modernsten Staaten des Mittelalters. Das Wirken des Deutschen Ordens hat Auswirkungen bis heute. Großartige Burgen geben auch heute noch beeindruckendes Zeugnis vom Eifer, der Durchsetzungskraft und der Wehrhaftigkeit der Deutschordensritter in ihrem dreihundertjährigen Wirken zwischen Weichsel und Memel, in deren Schutz fast 100 Städte und über 1400 Dörfer gegründet wurden und das eine blühende Wirtschaft vorweisen konnte.

Wie kann das alles sein, fragt sich der aufgeklärte Mensch von heute. Da hat doch ausschließlich die Kirche regiert? Ja, der Orden war ein geistlicher Ritterorden und nur dem Papst verantwortlich. Ein schrecklicher Gedanke für ein Kind der Französischen Revolution...

Hören wir zu Beginn einige wenige Verlautbarungen des Heiligen Stuhls zur Einheit von Staat und Kirche aus neuerer Zeit, um zu zeigen, was schon immer die Lehre der Kirche hierzu war.

In der Enzyklika VEHEMENTER NOS vom hl. Pius X. aus dem Jahre 1906 anlässlich der Ereignisse des Vorjahres in Frankreich, als der brutale Bruch zwischen Kirche und Staat gesetzlich verankert wurde und der Kirche sämtliches Eigentum vom Staat geraubt wurde lesen wir:

„Daß der Staat von der Kirche getrennt sein muß, ist eine von Grund auf falsche These, ein höchst schädlicher Fehler. Gegründet auf das Prinzip, daß der Staat keinerlei religiösen Kult anzuerkennen hat, macht sie sich schuldig an einer Ungerechtigkeit gegenüber Gott, da der Schöpfer des Menschen ebenso der Gründer der menschlichen Gesellschaften ist, die Er beschützt wie Er auch uns selbst beschützt. Wir schulden Ihm deswegen nicht nur einen privaten Kult, sondern auch einen öffentlichen und gesellschaftlichen (?) Gottesdienst, zu Seiner höheren Ehre. Zudem ist diese These eine offensichtliche Verneinung der übernatürlichen Ordnung. Sie begrenzt das Wirken des Staates auf das Streben nach öffentlichen Wohlstand und das beschränkt nur auf dieses irdische Leben, das das ausschließliche kurzfristige Ziel von politischen Gesellschaften ist; und sie sorgt sich mit keinem Deut (unter dem Vorwand, daß ihr dies fremd sei) um ihr höchstes Ziel, die ewige Glückseligkeit des Menschen nachdem dieses kurze Leben sein Ende genommen haben wird. Da aber die gegenwärtige Ordnung weltlich und deswegen untergeordnet ist dem Erlangen der höchsten und absoluten Glückseligkeit des Menschen, darf die Staatsmacht dem nicht nur keine Hindernisse in den Weg stellen, sondern sie muss uns dabei helfend zur Seite stehen.“

Und weiter:

„Diese These fügt der Gesellschaft selbst großes Leid zu, da diese nicht gedeihen oder lange überleben kann, wenn in ihr der Religion kein Platz gelassen wird, die die höchste Regel und die souveräne Gebieterin ist für alle Fragen bezüglich der Rechte und Pflichten von Menschen.“

Papst Leo XIII. dazu:

„Menschliche Gesellschaften können nicht, ohne kriminell zu werden, handeln, als wenn Gott nicht existieren würde, oder sich weigern, sich mit Religion zu befassen, als wäre das etwas Fremdes oder von keinem Nutzen. Die Kirche, die Gott selbst als ihren Autor hat, vom aktiven Leben der Nation auszuschließen, von ihren Gesetzen, der Erziehung der Kinder, der Familie, heißt, einen großen und schädlichen Fehler zu begehen.“

Diese Anmerkungen stammen aus dem endenden 19. und beginnenden 20. Jh.

Im 12. und 13. Jh. ging die Kirche noch weiter. Innozenz III. (1198-1216) ist nicht nur Statthalter Petri, sondern Statthalter Christi (Vicarius Christi) von dem die weltlichen Herrscher ihre Reiche zu Lehen empfangen. Es wurde die bischöfliche Gewalt beseitigt, das Institut der Legaten wird errichtet und dadurch die Macht konzentriert auf Rom. Sizilien, England und Portugal werden lehnsabhängig. Innozenz IV. vollendet die päpstliche Universalkirche durch das Decretum Gratiani (Sammlung des kirchlichen Rechts). Dies bedeutet die Verselbständigung des päpstlichen Rechtes, das inklusive späterer Ergänzungen den „Corpus Iuris Canonici“ bildet.



II. Geschichte des Deutschen Ordens

Lassen Sie uns nun einen gerafften Blick auf die Geschichte des Ordens von seiner Gründung bis zum Beginn des 15. Jh. werfen.

Man schreibt das Jahr 1190. Wir befinden uns auf dem dritten Kreuzzug. Aus allen Ländern des Abendlandes sind Kreuzfahrerheere zu Wasser und zu Lande unterwegs, um sich Zugang zu den heiligen Stätten, die drei Jahre zuvor in islamische Hände gefallen sind, mit Waffengewalt zu erzwingen.

Schon fast 70 jährig setzt sich Friedrich I. Barbarossa, seiner universellen Stellung als  Kaiser, an die Spitze des gesamtabendländischen Unternehmens, legt das Kreuzfahrergelübde ab und  bricht mit seinem Heer von fast 16000 Mann Richtung Heiliges Land auf. Nach einem glänzenden Sieg bei Ikonion ertrinkt er am 10.6.1190, wahrscheinlich in Zusammenhang mit einem Herzversagen im Fluß Saleph in der Osttürkei. Unter der Leitung seines Sohnes, Herzog Friedrich von Schwaben, wird der Kreuzzug fortgesetzt, bis er sich in der Belagerung Akkons, einer Hafenstadt im Norden von Jerusalem, festbeißt.

Die zunehmende Zahl von Kranken und Verwundeten führt zur notdürftigen Errichtung eines Hospitals. Kaufleute aus Bremen und Lübeck, deren Schiffe vor der Küste ankern, stellen ihre Segel für Lazarettzelte zur Verfügung. Mit der Unterstützung des schwäbischen Herzogs wird so vor Akkon eine Hospitalbruderschaft gegründet, die an die Tradition eines älteren Hospitals der Deutschen in Jerusalem anknüpft. Dies betrachten wir heute als die Geburtsstunde des Deutschen Ordens. Seine Ausformung zum geistlichen Ritterorden erfolgte aber erst acht Jahre später auf Veranlassung des Bruders von Friedrich von Schwaben, Heinrich VI., Deutscher Kaiser und König, die 1199 mit der päpstlichen Anerkennung abgeschlossen wurde.

Die Ritter, die dem Orden beitraten, verpflichteten sich zu einem gemeinsamen Leben nach den Idealen klösterlicher Gemeinschaften unter Beachtung der Gebote von Armut, Keuschheit und Gehorsam. Doch nicht das kontemplative Leben sondern der bewaffnete Heidenkampf stand für den Ritterorden im Vordergrund.

Der Deutsche Orden war nur einer von zahlreichen Ritterorden, die unter dem Eindruck der zunehmenden äußeren Bedrohung des Abendlandes von Osten und den Kampf gegen die Moslems in Spanien und Süditalien entstanden waren.

Bereits zu Beginn des 12. Jh. wurden  die Orden der Johanniter, die ihre Hauptaufgabe in der Krankenpflege sahen, und der Templer, die besonders zum Pilgerschutz eingesetzt wurden, gegründet worden. Sie stellten gewissermaßen das stehende Heer im Königreich Jerusalem.

Der Deutsche Orden konnte sich also auf das Vorbild dieser beiden geistlichen Rittergemeinschaften berufen. So übernahm er auch Teile des Regelwerkes der beiden älteren Orden.

Die Entstehung der Ritterorden war keineswegs selbstverständlich. Die Verbindung der geistlichen Ideale mit dem Waffenhandwerk zu einer „militia Dei“, zu einem Gottesdienst mit bewehrter Hand, bedurfte einer geistigen Vorbereitung, an der der hl. Bernhard von Clairvaux maßgeblichen Anteil hatte. Mit seiner  Schrift  „De laude novae militiae“ („Vom Lobe der neuen Ritterschaft“) wurde er zum Wegbereiter des Templerordens. Er führt aus:

Wahrhaft unerschrocken und allseitig gesichert ist der Ritter, welcher so, wie er sich den Leib mit Eisen, den Geist mit dem Glauben panzert. Denn mit beiderlei Waffen gerüstet fürchtet er weder Dämon noch Mensch. Was soll auch im Leben und Sterben derjenige fürchten, dem Christus das Leben, und Sterben ein Gewinn bedeutet? Greift also unbesorgt an, ihr Ritter, und vertreibt furchtlosen Mutes die Feinde des Kreuzes Christi, in der Gewissheit, dass weder Tod noch Leben Euch von der Gnade Gottes scheiden können, die in Jesus Christus liegt.

Der hl. Bernhard war es auch, der zum zweiten Kreuzzug aufrief und darauf aufmerksam machte, daß Heiden nicht nur die heiligen Stätten Jerusalems bedrohten, sondern auch die Ostgrenzen der christlichen Länder. Nun war der Heidenkampf nicht mehr allein auf Palästina beschränkt.

So war es König Andreas von Ungarn, der dem Deutschen Orden schon im zweiten Jahr seines Bestehens ein solches Ziel zu. Ihn ärgerten an den Grenzen seines Reiches, im sogen. Burgenland, die heidnischen Kumanen. Sie zu bekämpfen und zu missionieren rief er den Deutschen Orden 1199 auf und dieser bewältigte seine Aufgabe glänzend.

Ausgehend von sechs schnell errichteten Burgen, die Grundlage für die spätere Bezeichnung Siebenbürgen, unterwarf der Orden innerhalb von 25 Jahren die Kumanen, siedelten dort Deutsche an und gliederte das Gebiet in den ungarischen Interessenbereich ein.

Doch daraufhin vertrieben 1225 aufgebrachte ungarische Fürsten den Orden mit Waffengewalt, da sie um ihre Macht fürchteten. Dies war dem Hochmeister, es war schon der nicht unumstrittene aber wichtigste von allen, Hermann von Salza, eine Lehre. Nie wieder wollte er den Orden zum Erfüllungsgehilfen für die territorialen Ansprüche eines Königs oder eines anderen Territorialherrn machen. Fortan versuchte insbesondere Hermann von Salza immer ein ausgewogenes Verhältnis zur Krone zu halten, was ihn aber nicht daran hinderte, sich dann doch eng mit ihr einzulassen, als deutlich wurde, dass die Macht des Ordens schon so groß war, dass der Kaiser auf sie angewiesen war und der Orden daraus Vorteil schlagen konnte. 

Schon seit 1212, als sich Friedrich II., Sohn von Heinrich VI. und Enkel von Barbarossa, anschickte die deutsche Königskrone zu erlangen, begann sich eine Symbiose zwischen dem Orden und dem Kaiser herauszubilden. Wie schon sein Vater Heinrich VI. es geplant hatte, sollte der Orden zur Sicherung seiner Macht auch über Deutschland hinaus beitragen. Dies wurde abgesichert durch reichliche Stiftungen im süddeutschen Raum.

Gleichzeitig betrieb Hermann von Salza die Gleichstellung des Ordens mit den beiden anderen großen und älteren Orden, denn hier gab es verschiedentlich Streit. Ein Punkt war das Tragen des weißen Ordensmantels mit dem schwarzen Kreuz, was die Templer, die das rote Kreuz trugen, nicht wollten. 1218 sprach Papst Honorius III. darüber ein Machtwort, erlaubte den Ordensmantel und stellte den Orden auch unter seine alleinige Jurisdiktion. In den Jahren darauf  folgte eine Privilegienwelle, die den Orden unter anderem von der Gerichtsbarkeit der Bischöfe ausnahm und das Almosensammeln regelte.

In Analogie zum Papst stellt Friedrich II. Bestätigungsdiplome für Schenkungen und Schutzprivilegien aus.

Auch wenn der 5. Kreuzzug gegen Ägypten für die Christen ein Misserfolg war, so waren es doch die Ritter des Deutschen Ordens, die durch ihre Tapferkeit die deutschen Teilnehmer beeindruckten. Allein am 29. August 1219 fielen bei der Belagerung Damiettes 30 Ritterbrüder.

Viele deutsche Herzöge, Markgrafen, Grafen und Edelfreie übertrugen daraufhin dem Orden in den folgenden Jahren reichlichen Besitz. Aber auch französische Teilnehmer des Zuges stifteten Besitz, der die Basis für die Ballei Frankreich wurde.

Noch im selben Jahr des Rauswurfes aus Ungarn, 1225, erhielt der Orden, unter der Führung von Hermann von Salza, ein Angebot vom polnischen Teilherrscher Herzog Konrad von Masowien, der an seiner Nordgrenze Probleme mit Übergriffen der heidnischen und schwer bis gar nicht bekehrbaren Pruzzen hatte. Der Orden sollte ihm bei der Befriedung und Missionierung dieses Volkes helfen, nachdem, und das soll gerade in Hinblick auf den immer wiederkehrenden Vorwurf der gewaltsamen Unterwerfung ganzer Völker besonders betont werden, in den Jahren und Jahrzehnten zuvor etliche Missionare in diesem Bestreben ihr Leben gelassen haben.

In der Goldenen Bulle von Rimini1226 bestätigte Kaiser Friedrich II. dem Deutschen Orden das Gebiet, das ihm Konrad von Masowien in Aussicht stellte, und jedes weitere von dort aus zu erobernde Land. An Preußen schloß sich Litauen und Livland, allesamt heidnisch, an. Der Hochmeister und seine Nachfolger sollte innerhalb dieses Gebietes Gerichtsbarkeit und Herrschergewalt ausüben wie ein Reichsfürst innerhalb der Grenzen des Heiligen Römischen Reiches.

Von 1230 stammt der Vertrag des Ordens mit Konrad von Masowien, der im Sinne der Goldbulle von Rimini dem Orden das Kulmerland und alle zukünftigen Eroberungen im Prussenland überließ und auf alle Rechte daran verzichtete.

Schließlich gab auch der Papst in seiner Bulle von Rieti 1234 sein Einverständnis zu Eroberung der Preußen.

Doch Herman von Salza wartete nicht auf die Antwort des Papstes sondern errichtete von 1231 an die Burgen Thorn, Kulm, Marienwerder, Rheden und Elbing, von wo aus der Orden in bewährter Form die Eroberung des Stammesgebietes der Preußen begann.

Nach hundert Jahren zähen Ringens auch mit der Unterstützung von Reichsfürsten und anderen Königen war die Eroberung Preußens 1330 abgeschlossen. Burgen wurden überall gebaut, fast 100 Städte und über 1400 Dörfer  waren gegründet, Deutsche Siedler aus dem Reichsgebiet sorgten für die innere Kolonisation und trugen zur Stärkung der wirtschaftlichen Grundlagen im Ordensgebiet bei.

Das wichtigste aber war: Der Deutsche Orden hatte etwas geschaffen, was es so in Europa noch nicht gab, ein flächendeckendes Staatsgebilde, in dem es außer des Herrschaft des Ordens keine fremden Rechte gab. Dies gestattete in ganz anderem Maß den Aufbau einer effektiven Verwaltung als dies in den landesherrlichen Territorien des Reichsgebietes möglich war. Insofern bietet das Deutsche Ordensland im 14. Jh. das Bild eines der modernsten Staaten dieser Zeit.

Ein weiteres Merkmal ließ das Ordensland als einen frühen modernen Staat erscheinen. Seit 1309, nach dem Fall von Akkon 1291, das eine der letzten verbleibenden Bastionen im Heiligen Land nach dem abermaligen Fall von Jerusalem 1244 war, und der vorübergehenden Residenz in Venedig, gab sich der Orden mit der Marienburg einen festen Hauptsitz. Dies war nicht so selbstverständlich wie es sich anhört. Da der Orden im ganzen Reichsgebiet und im Heiligen Land Besitzungen hatte, wäre eine Zentrale auch in Hessen, Thüringen oder Franken denkbar gewesen.

Daß der Sitz ins Ordensland selbst verlegt wurde, geschah auch deswegen, da die Deutschordensherren in diesen Jahren mitansehen mussten, wie ihren Brüdern vom Templerorden in einer Absprache zwischen dem König von Frankreich und dem von diesem eingesetzten Papst Klemens V., dem ersten der französischen Päpste, der Garaus gemacht wurde. Der Templerorden war in Frankreich zu einer bedeutenden politischen und wirtschaftlichen Macht geworden. Jetzt wurden in erniedrigenden Ketzerprozessen seine führenden Männer des Teufelspaktes angeklagt, gefoltert und hingerichtet. 1312 wurde der Orden der Templer endgültig aufgehoben, sein Vermögen zwischen dem Papst und dem König aufgeteilt. Es war also sicherlich von großem Vorteil, ein eigenständiges Staatsgebiet, frei von der Oberaufsicht des Königs zu besitzen.

Die Machtfülle des Deutschen Ordens wäre nicht vollständig beschrieben, wenn wir nicht ihre wirtschaftlichen Grundlagen zumindest andeuten. Der überall in Europa gerühmte Glanz und Reichtum des Landes resultierte aus den weitverzweigten Handelsbeziehungen, die der Orden als Mitglied der Hanse bis Schottland und Flandern, auf der anderen Seite bis in die Ebenen der Ukraine und nach Nowgorod unterhielt. Säulen des Reichtums waren die reichen Getreideernten, die via Marienburg das Ordensland verließen, und der Bernsteinhandel, der über Königsberg die flandrischen Paternoster- und Rosenkranzmacher mit Rohware versorgte. Das Bernsteinmonopol war eine der Goldgruben des Deutschen Ordens.

Die größte Ausdehnung erreicht das Ordensland im Jahre 1404.

Als einen tiefen Einschnitt muß die Schlacht von Tannenberg 1410 gesehen werden, die der Orden gegen seine christlichen Brüder aus Polen und Litauen führte. Sie steht am Ende eines langen Prozesses und markiert den Wendepunkt in der Geschichte des Ordens.

Die Litauer waren das letzte heidnische Volk im Nordosten. Im Westen Polen und der Orden, im Osten die orthodoxen Russen. Da sich der Deutsche Orden dem Heidenkampf verschrieben hatte, sah er es auch als seine Aufgabe an, mitzuhelfen, die Litauer zu bekehren, zumal es immer wieder Streitigkeiten um den litauischen Meerszugang einerseits und der Landverbindung zwischen Preußen und Livland, das ja ebenfalls vom Deutschen Orden beherrscht wurde, andererseits.

Aber die Litauer waren noch zäher als die Preußen und so blieben alle Bemühungen, die Bekehrung auch mit Waffengewalt zu unterstützen, ohne Erfolg.

1386 jedoch bekehrte sich der litauische Fürst Jagiello und heiratete die Tochter des polnischen Königs und bildet die Union mit Polen. Der Orden gerät in die Umklammerung und verliert seine Missionsaufgabe, anerkennt aber nicht die Bekehrung Jagiellos und stürzt sich in die Schlacht, die letztendlich im 2. Frieden von Thorn praktisch zur Unterwerfung des Ordenslandes unter die polnische Krone führt.

III. Zum Selbstverständnis des Ordens

Kommen wir nun zum Selbstverständnis des Ordens, wie und als was hat er sich selbst gesehen?

Der Deutsche Orden war der jüngste der großen Ritterorden und übernahm neben der Regel der Johanniter vor allem die der Templer. Er musste sich also nicht erst neu definieren, die Idee des geistlichen Ritterordens gab es schon und der schloß er sich an.

Noch im 10. und Anfang des 11. Jh. gab es die Idee einer Verbindung von adlig-ritterlicher und monastischer Vorstellungen noch nicht.

Es gab das Rittertum. Um 1090 stellt Bonizo von Sutri deren Ideale im Kodex Liber de vita christiana (...) auf: Ergebenheit gegenüber dem Herrn, Verzicht auf Beute, Hingabe des Lebens für den Herrn, Kampf für das Wohl der res publica (öffentliche Sache, Gemeinwohl), Kampf gegen die Ketzer, Schutz der Armen, Witwen und Waisen, Einhaltung der dem Herrn gelobten Treue.

Wie kann aber Mönchtum und Kriegertum, Kontemplation im Kloster und Heidenkampf miteinander verbunden werden? Wer in ein Kloster eintreten wollte, konnte kein Krieger sein. Nur aus den besonderen Bedingungen des Heiligen Landes ist es zu erklären, dass dort Mönche doch zum Schwert griffen. Dort lag dieser Gedanke gewissermaßen in der Luft und so waren die Kanoniker anfangs in die Verteidigung Jerusalems aktiv mit einbezogen. Aus ihnen entstand aber noch kein Ritterorden.

Schließlich, unter der Mitwirkung des hl. Bernhard von Clairvaux  entstand der erste vom Papst unterstützte und genehmigte Ritterorden: Die Templer.

Der hl. Bernhard sprach von einer nova militia, einem novum militiae genus und erklärte sie zur Speerspitze des Heils im Hause Davids. Die militia bekämpft körperlich die Feinde Christi und spirituell die Dämonen und vereinigt so beides, nämlich Rittertum und Mönchtum. Die nova militia unterscheidet sich von der gewöhnlichen militia, denn der miles christi tötet Heiden und dient damit Christus. Wird er selbst erschlagen, so ist ihm das ewige Leben gewiß. Der neue miles schützt Jerusalem, die civitas Domini, und bewahrt den Christen den Zugang zu den heiligen Stätten. Die nova militia unterscheidet sich von den weltlichen Rittern auch in der Lebensform. Ihre Mitglieder leben in Zucht und Gehorsam, ohne Eigentum und in Keuschheit, erfüllen also damit die Gelübde des Mönchtums. Der hl. Bernhard schilderte die milites als Mönchsritter und verglich sie mit den Machabäern des alten Testaments.

Die Makkbäer, wir erinnern uns: 165 v. Chr. Führte Judas mit dem Beinamen Makkabäus (von aramäisch Makkaba, der Hammer) einen Aufstand gegen die seleukidische Herrschaft über Judäa an. Nach seinem militärischen Sieg zog er in Jerusalem ein, ließ den entweihten Tempel reinigen und einen neuen Altar errichten und weihen. Judäa war dann 100 Jahre frei, bis Pompeius 65 v. Chr. Jerusalem einnahm.

Die Makkabäer, wir erinnern uns: 165 v. Chr. führte Judas mit dem Beinamen Makkabäus (von aramäisch Makkaba, der Hammer) einen Aufstand gegen die seleukidische Herrschaft über Judäa an. Nach seinem militärischen Sieg zog er in Jerusalem ein, ließ den entweihten Tempel reinigen und einen neuen Altar errichten und weihen. Judäa war dann 100 Jahre frei, bis Pompeius 65 v. Chr. Jerusalem einnahm.

Über die Regel der Templer und der Johanniter ist dieses auch zum Selbstverständnis der Deutschordensritter geworden. Und seit der Teilnahme am 5. Kreuzzug nach Ägypten, wo sie besondere Tapferkeit bewiesen haben, wurden sie in zunehmenden Maße als adlethae Christi und novi Machabei bezeichnet..

Dies wurde dann auch in den Prolog zu den Regeln aufgenommen, womit sich der Orden in die Reihe der Kämpfer gegen die Feinde des Glaubens sah, besonders eben der Machabäer.

Wer waren diese neue Machabäer? Der Hochmeister konnte nur eine militaris et religiosa persona sein, also ein ritterbürtiges, ein adeliges Ordensmitglied, was dann beschränkt wurde, so daß kein Priesterbruder dieses Amt übernehmen konnte, die auch, wenn auch weniger häufig, aus adeligem Hause kamen. Der ideale Ordensbruder war, wie in den Statuten nachzulesen, jung, gesund, waffengewandt und möglichst von Adel, zu dem auch das städtische Patriziat zählte.

Das Selbstverständnis des Adels war, daß er zum Kampf mit Waffen und zur Herrschaftsausübung geboren  war. Solche Männer, die sich wie selbstverständlich zutrauten, Herrschaft auszuüben, benötigte der Orden natürlich zur Verwaltung der Länder besonders im Baltikum, aber auch in Palästina und im begrenztem Maße auch in den Balleien, in denen sich die einzelnen Komturen zu eigenständigen kleineren Territorien entwickelten.

Den Priesterbrüdern war ihres Amtes wegen besondere Ehre zu erweisen und sie waren bevorzugt mit allem Nötigen zu versorgen.

Der Prolog weist die Priesterbrüder an, die Ritterbrüder zur Einhaltung der Regeln, zur Feier der Gottesdienste und zum Empfang der Sakramente anzuhalten und im Falle des Krieges zu tapferen Kriegern zu ermahnen. Es wird zwar nicht direkt von einem Mönchsrittertum gesprochen, doch sind die mönchischen und ritterlichen  Ideale fester Bestandteile der Statuten.

So hatte jeder, die Ritterbrüder wie auch jedes andere Mitglied des Ordens die drei Mönchsgelübde Keuschheit, Armut und Gehorsam zu geloben. Sie hatten die klösterliche Stundengebete zu verrichten und waren verpflichtet zum Kampf gegen die Heiden, Ungläubige und überhaupt gegen alle Feinde des wahren Glaubens, so auch die Schismatiker in  Rußland.

Hinzu kam der Spitaldienst, die Sorge für Kranke und Bedürftige. Diese Tradition hat der Orden nie verleugnet, obwohl diese Aufgabe im Laufe der Zeit immer mehr in den Hintergrund getreten ist.

Durch Lesungen während der Mahlzeiten bekam der Bruder eine Vorstellung von der Bedeutung seines Ordens, seiner besonderen Stellung in der Christenheit und seiner Aufgabe in der Welt. Hier bekam er auch Anschluß an die Tradition des Ordens. Es war ja nicht nur die besondere Tracht, das gemeinsame Wohnen, die Ehelosigkeit, die den Ritter von den weltlichen Standesgenossen unterschied, sondern auch das durch die Statuten, Chroniken und andere Werke vermittelte Bewusstsein seiner Sonderstellung und seiner Aufgabe, nämlich des Heidenkampfes als miles Christi oder novus Machabaeus, natürlich auch des Spitaldienstes, der aber in Preußen und auch im heiligen Land in den Hindergrund getreten war.

Es ist zu betonen, dass der normale Ritterbruder diese Vorlesungen passiv verfolgte, nicht wie der Mönch, der sich literarisch bildete. Anstelle des eigenen Lesens traten das Kriegshandwerk und dessen Vorbereitung und der Spitaldienst.

Diese beiden Säulen der Aktivität spiegeln sich auch wieder in der Wahl der Patrone des Ordens. Der hl. Georg und die hl. Elisabeth von Thüringen, Tochter von König Andreas von Ungarn, der den Deutschen Orden noch wenige Jahre zuvor aus dem Land hat werfen lassen.

In den Balleien gab es mehrere Elisabeth-Spitäler und Elisabeth Kirchen. Hochmeister Konrad von Thüringen hatte großen Anteil an der Heiligsprechung seiner Schwägerin, die sich, nachdem ihr Gatte auf dem Weg ins heilige Land starb, ganz den Armen zuwand und ein Hospital in Marburg gründete. Nach ihrem Tod baute der Deutsche Orden ihr zu Ehren die erste gotische Kirche in Deutschland, die auch Vorbild für den Kölner Dom war. Heute ist sie leider protestantisch und das Grab der Heiligen ist leer.

Der hl. Georg, der Schlachtenhelfer, wurde vorzüglich in Preußen verehrt, was auf die andauernden kämpferischen Aktivitäten zurückzuführen ist, während in den Balleien eher der Spitaldienst und damit die hl. Elisabeth im Vordergrund stand.

In Livland genoß zudem der hl. Mauritius, der Anführer der Thebäischen Legion, eine besondere Verehrung.

Allen voran aber stand der Orden natürlich unter dem Schutz der Mutter Gottes, unter deren Schutz sich nicht nur alle Ritterorden sondern auch schon die Benediktiner, die Zisterzienser, Prämonstratenser und die nachfolgenden Bettelorden stellten. Es ist zu beobachten, dass die  Marienverehrung im Adel während der Kreuzzüge zugenommen hat und deutet auch auf den kämpferischen Charakter, der der Muttergottes zugesprochen wurde. Dies zeigt sich dann auch in der Benennung dreier wichtiger Burgen nach der Namenspatronin, nämlich der Marienburgen in Preußen, Livland und Siebenbürgen. Die preußische Marienburg verfügte über eine acht Meter hohe Marienstatue in der westlichen Außenmauer der Kirche. Der Legende nach erblindete der polnische Kanonier, der versuchte, während der Belagerung der Burg nach der Niederlage bei Tannenberg 1410, die Muttergottes ins Visier zu nehmen. Den zweiten Weltkrieg hat die Statue nicht mehr überstanden.

Der Chronist Peter von Dusburg berichtet im 14. Jh. davon, daß die Muttergottes wankelmütigen Brüdern im Traum erschien und ihnen den rechten Weg wies, sie sagte Verwundeten und Sterbenden als Preis für ihren Einsatz im Kampf das ewige Leben zu, sie heilte Wunden, half in der Schlacht und überzeugte heidnische Preußen, daß sie sich bekehrten. Von Siegfried von Feuchtwangen (Hochmeister von 1303-1311) ist überleifert, daß er in schwieriger Zeit den Orden verpflichtete, zusätzliche Ave Marias und Salve Reginas zu beten, damit Unheil vom Orden abgewendet würde.

In der livländischen Reimchronik kann man dann auch deutlich nachlesen, daß sich der Orden als Werkzeug Gottes in der Verbreitung und der Sicherung des Glaubens unter dem sicheren Schutz der Mutter Gottes gesehen hat.

Viele Siegel im gesamten Orden trugen das Bild der Muttergottes, die Ritterbrüder in Livland führten in der Schlacht ein Banner, das Maria mit dem Christuskind auf dem Arm zeigte. Auch der preußische Ordenszweig hatte ein Marienbanner, es war der Banner einer übergeordneten Einheit.

Schon von Anfang an, also von 1192, noch vor der Erhebung zum Ritterorden, stellte sich die Spitalbrüderschaft unter den Schutz der Himmelskönigin und nannte sich das Hospitale novum sanctae Mariae.

Die Gottesmutter war also stets spiritueller Bezugspunkt der Ordensangehörigen  und wichtiger Ansatzpunkt zur Identifikation des gesamten Ordens.

Man kann sagen, daß der Deutsche Orden immer ein Marienorden gewesen ist.

Daneben findet sich im Titel des Ordens ein weiteres Identifikationsmerkmal von hoher Bedeutung. Nämlich Jerusalem!.

Der Orden nannte sich hospitalis sanctae Mariae Teutonicorum in Jerusalem oder ordo fratrum hospitalis sanctae Mariae Theutonicorum Jerosolimitanorum. Jerusalem gehörte immer zum vollen Titel und ist auch nach dem Verlust des Heiligen Landes niemals aufgegeben worden.

Die Wissenschaft streitet sich darüber, warum Jerusalem, wenn doch die Gründung in Akkon war. Doch Jerusalem war keine Stadt wie jede andere. Sie ist die heilige Stadt schlechthin, das irdische Abbild des himmlischen Jerusalem, also der Kirche. In und beim historischen Jerusalem hatte Christus mit seiner Mutter gelebt und gelitten, hier hat Christus sein Leben für uns gegeben zu unserer Rettung. Jerusalem war das Ziel der ersten Pilgerscharen und auch der ersten Kreuzzüge in den Orient, auch noch des 3. Kreuzzuges, während dessen die Anfänge des Ordens vor Akkon gelegt worden waren.

Schon durch die Namensgebung wird das Ziel der Berufung deutlich: Jerusalem, die heilige Stadt, das Heilige Grab, die von den Ungläubigen zurückzuerobern, zu verteidigen und zu schützen es letztendlich galt, denn dafür waren sie ja gegründet worden, dafür sind die Ritter eingetreten, dafür haben sie der Welt entsagt und sämtlichen Annehmlichkeiten eines höfischen Lebens den Rücken gekehrt.

Auch die beiden anderen großen Orden, die Johanniter und die Templer, führten Jerusalem im Namen. Sie hatten Häuser in der Stadt und dort auch ihre Hauptniederlassungen. Sie führten Jerusalem auch nach der Einnahme der Stadt durch Saladin weiter im Namen. Der Anspruch wurde auch hier nicht einfach aufgegeben. 

Zum Schluß soll herausgestellt werden, daß der Deutsche Orden in erster Linie ein Ritterorden, in zweiter Linie ein Spitalorden gewesen ist. Den Anspruch eines Missionsordens hatte der Deutsche Orden nie. Die erste Aufgabe war es im Kampf den Muslimen die heiligen Stätten wieder zu entreißen. Dazu war er berufen. Dies war seine Berufung. Wie die anderen Kreuzzugteilnehmer widmete der Orden sich auch der Eroberung und der Sicherung der heiligen Stätten. Erst in zweiter Linie bekämpfte er die Heiden an der Ostgrenze des Abendlandes, was ja auch zwischen 1230 und 1291 parallel geschah, um dort die Mission zu ermöglichen und abzusichern. Die Mission selbst überließ der Orden den Dominikanern und den Franziskanern.

Sie werden häufig den Einwand hören, daß die Symbiose von Mönch und Ritter, so wie es dem hl. Bernhard von Clairvaux vorschwebte, nicht funktioniert habe. Die Ritter wären nie richtige Mönche gewesen, das Mönchsrittertum sei von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen.

Natürlich konnten die Ritter nicht Kanoniker sein, natürlich verbrachten sie ihre Zeit nicht mit Studium und Meditation, aber das sollten sie doch auch gar nicht. Ihre Aufgabe war der gottgeweihte Heidenkampf unter Entsagung der Welt, der gleichen Entsagung, die ein Mönch eingeht, wenn er sich für ein klösterliches Leben berufen fühlt.

Die Schlagkraft und Unerschrockenheit der Ritterorden wird vielfach von ihren Feinden selbst bezeugt. Hundertschaften von Sarazenen flohen, wenn sie ein Grüppchen Ritter erspähten, da sie wussten, daß sie im Kampf nicht weichen würden. Sie waren fest verwurzelt im Glauben, Angst schien ihnen fremd, denn ihr Vertrauen war mächtig, gestärkt durch das klösterliche Leben und die Sakramente.

Wiederholen wir nochmals den hl. Bernhard und fühlen wir uns angesprochen und aufgerufen zur Verteidigung und Schutz christlichen Zivilisation heute, hier und jetzt, da die Revolution unsere Gesellschaften in unbändiger Wut auf alles Heilige und Gute in das Verderben werfen will und selbst die Kirche im Innersten bedroht wird:

Wahrhaft unerschrocken und allseitig gesichert ist der Ritter, welcher so, wie er sich den Leib mit Eisen, den Geist mit dem Glauben panzert. Denn mit beiderlei Waffen gerüstet fürchtet er weder Dämon noch Mensch. Was soll auch im Leben und Sterben derjenige fürchten, dem Christus das Leben, und Sterben ein Gewinn bedeutet? Greift also unbesorgt an, ihr Ritter, und vertreibt furchtlosen Mutes die Feinde des Kreuzes Christi, in der Gewißheit, daß weder Tod noch Leben Euch von der Gnade Gottes scheiden können, die in Jesus Christus liegt.“

IV - Warum ist der Deutsche Orden gefallen?

Prof. Plinio Corrêa de Oliveira erklärt in „Revolution und Gegenrevolution“: „Im vierzehnten Jahrhundert können wir im christlichen Europa einen Mentalitätswandel beobachten, der im Laufe des fünfzehnten Jahrhunderts immer deutlicher wird. Der Wunsch nach irdischen Freuden verwandelt sich in Verlangen. Die Vergnügungen werden immer häufiger und üppiger. Die Menschen kümmern sich immer mehr darum. In Kleidung, Manieren, Sprache, Literatur und Kunst führt die wachsende Sehnsucht nach einem Leben voller Freuden der Fantasie und der Sinne zu fortschreitenden Manifestationen von Sinnlichkeit und Sanftheit. Der Ernst und die Strenge der Antike schwinden langsam. Alles tendiert zum Fröhlichen, Anmutigen, Frivolen. Die Herzen lösen sich allmählich von der Liebe zum Opfer, von der wahren Hingabe an das Kreuz und vom Streben nach Heiligkeit und ewigem Leben. Die Kavallerie, zu anderen Zeiten einer der höchsten Ausdrucksformen christlicher Sparmaßnahmen, wird verliebt und sentimental, die Liebesliteratur dringt in alle Länder ein, die Exzesse des Luxus und die daraus resultierende Profitgier erstrecken sich auf alle sozialen Schichten.

 Im 14. Jahrhundert zeichnete sich im christlichen Europa eine Mentalitätsänderung ab, die dann im Verlauf des 15. Jahrhunderts immer deutlichere Züge annahm. Das Streben nach irdischen Freuden wuchs zu einer wahren Gier. Die Vergnügungsveranstaltungen wurden immer häufiger und prunkvoller, und die Menschen schenkten ihnen immer mehr Aufmerksamkeit. Der wachsende Hang zu einem lust- und phantasievollen Leben des Genusses führte in Kleidung, Sitten, Sprache, Literatur und Kunst zu immer deutlicheren Anzeichen von Sinnlichkeit und Verweichlichung. Ernst und Strenge früherer Zeiten verschwanden zusehends. Alles gewann einen ausgelassenen, verspielten und festlichen Charakter. Die Herzen wendeten sich nach und nach von der Opferfreudigkeit, von der wahren Kreuzesverehrung und dem Streben nach Heiligkeit und nach dem ewigen Leben ab. Das Rittertum – einst Höhepunkt christlicher Zucht – neigte zu Amouren und Gefühlsduselei. Die Minnedichtung eroberte die Länder, übertriebener Luxus und eine damit einhergehende Gewinnsucht waren in allen Schichten der Gesellschaft zu finden.

Dieser weltliche Geist drang leider auch in den Deutschen Orden ein. Es bildeten sich zwei Fraktionen heraus: Während die eine ihre Mission fortsetzen und immer weiter nach Osten vordringen wollte, um weitere Gebiete für die Kirche zu erobern, wollte die andere das preußische „Paradies“ genießen, verführt von dem immensen Reichtum, den der Orden angehäuft hatte. Leider setzte sich diese zweite Fraktion mit der Zeit durch. Daher kam es zu einer ganzen Reihe politischer Schritte zur Festigung seiner Macht, die zwangsläufig dazu führten, dass der Orden mit dem litauisch-polnischen Königreich zusammenstieß. Während die gutmütigen Germanen die Vereinigung von Preußen, Litauern und Polen befürworteten, um das schismatische Russland wieder in die Hand zu nehmen, provozierte die politisch-weltliche Fraktion einen Krieg zwischen christlichen Ländern. Und hier ist die Katastrophe von Tannenberg von 1410, die von vielen als göttliche Strafe interpretiert wurde, die jedoch nicht zur Bekehrung führte. Im Jahr 1525 kam es dann zum endgültigen Abfall vom Glauben.

Ich schließe mit der Feststellung, dass das „klösterliche-Krieger-Ideal“ nicht tot ist. Heute wird der Kampf gegen die Revolution nicht mit den damaligen Kriegsmitteln geführt. Aber das Ideal ist dasselbe. Wir müssen das Christentum heute so verteidigen, wie es die Jerusalemer, Templer und Deutschen Ritter im Mittelalter verteidigten. Gott, unser Herr und unsere Liebe Frau, werden uns helfen.


(Leicht gekürzter Vortrag von Herzog Paul von Oldenburg an der TFP-Sommerakademie in Kleinheubach, Deutschland, 28. Juli 2006.)

Foto 1: Herzog Paul Oldendenburg bei der Präsentation des Buches über den Adel von Plinio Correa de Oliveira in Wien am 30. November 2010

Foto 2: Deutschordensmuseum, Foto Besserer, Lauda-Königshofen

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