Paul Herzog von Oldenbourg
I. Staat und Kirche
Das große und herausragende Verdienst des
Deutschen Ordens, um es gleich vorwegzunehmen, war der Aufbau einer
christlichen Zivilisation, einer christlichen Gesellschaftsordnung in Preußen
im Norden von Polen, im Nordosten des Deutschen Reiches gelegen, ein zuvor
heidnisches Gebiete, zu dessen Missionierung und Befriedung der Orden
herbeigerufen wurde, und dessen Ausbau zu einem der modernsten Staaten des
Mittelalters. Das Wirken des Deutschen Ordens hat Auswirkungen bis heute.
Großartige Burgen geben auch heute noch beeindruckendes Zeugnis vom Eifer, der
Durchsetzungskraft und der Wehrhaftigkeit der Deutschordensritter in ihrem
dreihundertjährigen Wirken zwischen Weichsel und Memel, in deren Schutz fast
100 Städte und über 1400 Dörfer gegründet wurden und das eine blühende Wirtschaft
vorweisen konnte.
Wie kann das alles sein, fragt sich der
aufgeklärte Mensch von heute. Da hat doch ausschließlich die Kirche regiert?
Ja, der Orden war ein geistlicher Ritterorden und nur dem Papst verantwortlich.
Ein schrecklicher Gedanke für ein Kind der Französischen Revolution...
Hören wir zu Beginn einige wenige
Verlautbarungen des Heiligen Stuhls zur Einheit von Staat und Kirche aus
neuerer Zeit, um zu zeigen, was schon immer die Lehre der Kirche hierzu war.
In der Enzyklika VEHEMENTER NOS vom hl. Pius
X. aus dem Jahre 1906 anlässlich der Ereignisse des Vorjahres in Frankreich,
als der brutale Bruch zwischen Kirche und Staat gesetzlich verankert wurde und
der Kirche sämtliches Eigentum vom Staat geraubt wurde lesen wir:
„Daß der Staat von der Kirche getrennt
sein muß, ist eine von Grund auf falsche These, ein höchst schädlicher Fehler. Gegründet
auf das Prinzip, daß der Staat keinerlei religiösen Kult anzuerkennen hat,
macht sie sich schuldig an einer Ungerechtigkeit gegenüber Gott, da der
Schöpfer des Menschen ebenso der Gründer der menschlichen Gesellschaften ist,
die Er beschützt wie Er auch uns selbst beschützt. Wir schulden Ihm deswegen
nicht nur einen privaten Kult,
sondern auch einen öffentlichen und
gesellschaftlichen (?) Gottesdienst, zu Seiner höheren Ehre. Zudem ist diese
These eine offensichtliche Verneinung
der übernatürlichen Ordnung. Sie begrenzt das Wirken des Staates auf das
Streben nach öffentlichen Wohlstand und das beschränkt nur auf dieses irdische
Leben, das das ausschließliche kurzfristige Ziel von politischen Gesellschaften
ist; und sie sorgt sich mit keinem Deut (unter dem Vorwand, daß ihr dies fremd
sei) um ihr höchstes Ziel, die ewige Glückseligkeit des Menschen nachdem dieses
kurze Leben sein Ende genommen haben wird. Da aber die gegenwärtige Ordnung weltlich und deswegen untergeordnet ist dem Erlangen der
höchsten und absoluten Glückseligkeit des Menschen, darf die Staatsmacht dem
nicht nur keine Hindernisse in den Weg stellen, sondern sie muss uns dabei
helfend zur Seite stehen.“
Und weiter:
„Diese These fügt der Gesellschaft selbst großes Leid zu, da diese nicht
gedeihen oder lange überleben kann, wenn in ihr der Religion kein Platz
gelassen wird, die die höchste Regel und die souveräne Gebieterin ist für alle
Fragen bezüglich der Rechte und Pflichten von Menschen.“
Papst Leo XIII. dazu:
„Menschliche Gesellschaften können nicht,
ohne kriminell zu werden, handeln, als wenn Gott nicht existieren würde, oder
sich weigern, sich mit Religion zu befassen, als wäre das etwas Fremdes oder
von keinem Nutzen. Die Kirche, die Gott selbst als ihren Autor hat, vom aktiven
Leben der Nation auszuschließen, von ihren Gesetzen, der Erziehung der Kinder,
der Familie, heißt, einen großen und schädlichen Fehler zu begehen.“
Diese Anmerkungen stammen aus dem endenden
19. und beginnenden 20. Jh.
Im 12. und 13. Jh. ging die Kirche noch weiter. Innozenz III. (1198-1216) ist nicht nur Statthalter Petri, sondern Statthalter Christi (Vicarius Christi) von dem die weltlichen Herrscher ihre Reiche zu Lehen empfangen. Es wurde die bischöfliche Gewalt beseitigt, das Institut der Legaten wird errichtet und dadurch die Macht konzentriert auf Rom. Sizilien, England und Portugal werden lehnsabhängig. Innozenz IV. vollendet die päpstliche Universalkirche durch das Decretum Gratiani (Sammlung des kirchlichen Rechts). Dies bedeutet die Verselbständigung des päpstlichen Rechtes, das inklusive späterer Ergänzungen den „Corpus Iuris Canonici“ bildet.
II. Geschichte des Deutschen
Ordens
Lassen Sie uns nun einen gerafften Blick
auf die Geschichte des Ordens von seiner Gründung bis zum Beginn des 15. Jh.
werfen.
Man schreibt das Jahr 1190. Wir befinden
uns auf dem dritten Kreuzzug. Aus allen Ländern des Abendlandes sind
Kreuzfahrerheere zu Wasser und zu Lande unterwegs, um sich Zugang zu den
heiligen Stätten, die drei Jahre zuvor in islamische Hände gefallen sind, mit
Waffengewalt zu erzwingen.
Schon fast 70 jährig setzt sich Friedrich
I. Barbarossa, seiner universellen Stellung als
Kaiser, an die Spitze des gesamtabendländischen Unternehmens, legt das
Kreuzfahrergelübde ab und bricht mit
seinem Heer von fast 16000 Mann Richtung Heiliges Land auf. Nach einem
glänzenden Sieg bei Ikonion ertrinkt er am 10.6.1190, wahrscheinlich in
Zusammenhang mit einem Herzversagen im Fluß Saleph in der Osttürkei. Unter der
Leitung seines Sohnes, Herzog Friedrich von Schwaben, wird der Kreuzzug
fortgesetzt, bis er sich in der Belagerung Akkons, einer Hafenstadt im Norden
von Jerusalem, festbeißt.
Die zunehmende Zahl von Kranken und
Verwundeten führt zur notdürftigen Errichtung eines Hospitals. Kaufleute aus
Bremen und Lübeck, deren Schiffe vor der Küste ankern, stellen ihre Segel für Lazarettzelte
zur Verfügung. Mit der Unterstützung des schwäbischen Herzogs wird so vor Akkon
eine Hospitalbruderschaft gegründet, die an die Tradition eines älteren
Hospitals der Deutschen in Jerusalem anknüpft. Dies betrachten wir heute als
die Geburtsstunde des Deutschen Ordens. Seine Ausformung zum geistlichen
Ritterorden erfolgte aber erst acht Jahre später auf Veranlassung des Bruders
von Friedrich von Schwaben, Heinrich VI., Deutscher Kaiser und König, die 1199
mit der päpstlichen Anerkennung abgeschlossen wurde.
Die Ritter, die dem Orden beitraten,
verpflichteten sich zu einem gemeinsamen Leben nach den Idealen klösterlicher
Gemeinschaften unter Beachtung der Gebote von Armut, Keuschheit und Gehorsam. Doch
nicht das kontemplative Leben sondern der bewaffnete Heidenkampf stand für den
Ritterorden im Vordergrund.
Der Deutsche Orden war nur einer von
zahlreichen Ritterorden, die unter dem Eindruck der zunehmenden äußeren
Bedrohung des Abendlandes von Osten und den Kampf gegen die Moslems in Spanien
und Süditalien entstanden waren.
Bereits zu Beginn des 12. Jh. wurden die Orden der Johanniter, die ihre
Hauptaufgabe in der Krankenpflege sahen, und der Templer, die besonders zum
Pilgerschutz eingesetzt wurden, gegründet worden. Sie stellten gewissermaßen
das stehende Heer im Königreich Jerusalem.
Der Deutsche Orden konnte sich also auf
das Vorbild dieser beiden geistlichen Rittergemeinschaften berufen. So übernahm
er auch Teile des Regelwerkes der beiden älteren Orden.
Die Entstehung der Ritterorden war
keineswegs selbstverständlich. Die Verbindung der geistlichen Ideale mit dem
Waffenhandwerk zu einer „militia Dei“,
zu einem Gottesdienst mit bewehrter Hand, bedurfte einer geistigen
Vorbereitung, an der der hl. Bernhard von Clairvaux maßgeblichen Anteil hatte.
Mit seiner Schrift „De
laude novae militiae“ („Vom Lobe der neuen Ritterschaft“) wurde er zum
Wegbereiter des Templerordens. Er führt aus:
„Wahrhaft
unerschrocken und allseitig gesichert ist der Ritter, welcher so, wie er sich
den Leib mit Eisen, den Geist mit dem Glauben panzert. Denn mit beiderlei
Waffen gerüstet fürchtet er weder Dämon noch Mensch. Was soll auch im Leben und
Sterben derjenige fürchten, dem Christus das Leben, und Sterben ein Gewinn
bedeutet? Greift also unbesorgt an, ihr Ritter, und vertreibt furchtlosen Mutes
die Feinde des Kreuzes Christi, in der Gewissheit, dass weder Tod noch Leben
Euch von der Gnade Gottes scheiden können, die in Jesus Christus liegt.“
Der hl. Bernhard war es auch, der zum
zweiten Kreuzzug aufrief und darauf aufmerksam machte, daß Heiden nicht nur die
heiligen Stätten Jerusalems bedrohten, sondern auch die Ostgrenzen der
christlichen Länder. Nun war der Heidenkampf nicht mehr allein auf Palästina
beschränkt.
So war es König Andreas von Ungarn, der
dem Deutschen Orden schon im zweiten Jahr seines Bestehens ein solches Ziel zu.
Ihn ärgerten an den Grenzen seines Reiches, im sogen. Burgenland, die
heidnischen Kumanen. Sie zu bekämpfen und zu missionieren rief er den Deutschen
Orden 1199 auf und dieser bewältigte seine Aufgabe glänzend.
Ausgehend von sechs schnell errichteten
Burgen, die Grundlage für die spätere Bezeichnung Siebenbürgen, unterwarf der
Orden innerhalb von 25 Jahren die Kumanen, siedelten dort Deutsche an und
gliederte das Gebiet in den ungarischen Interessenbereich ein.
Doch daraufhin vertrieben 1225
aufgebrachte ungarische Fürsten den Orden mit Waffengewalt, da sie um ihre
Macht fürchteten. Dies war dem Hochmeister, es war schon der nicht
unumstrittene aber wichtigste von allen, Hermann von Salza, eine Lehre. Nie
wieder wollte er den Orden zum Erfüllungsgehilfen für die territorialen
Ansprüche eines Königs oder eines anderen Territorialherrn machen. Fortan
versuchte insbesondere Hermann von Salza immer ein ausgewogenes Verhältnis zur
Krone zu halten, was ihn aber nicht daran hinderte, sich dann doch eng mit ihr
einzulassen, als deutlich wurde, dass die Macht des Ordens schon so groß war, dass
der Kaiser auf sie angewiesen war und der Orden daraus Vorteil schlagen
konnte.
Schon seit 1212, als sich Friedrich II.,
Sohn von Heinrich VI. und Enkel von Barbarossa, anschickte die deutsche
Königskrone zu erlangen, begann sich eine Symbiose zwischen dem Orden und dem
Kaiser herauszubilden. Wie schon sein Vater Heinrich VI. es geplant hatte,
sollte der Orden zur Sicherung seiner Macht auch über Deutschland hinaus
beitragen. Dies wurde abgesichert durch reichliche Stiftungen im süddeutschen
Raum.
Gleichzeitig betrieb Hermann von Salza die
Gleichstellung des Ordens mit den beiden anderen großen und älteren Orden, denn
hier gab es verschiedentlich Streit. Ein Punkt war das Tragen des weißen
Ordensmantels mit dem schwarzen Kreuz, was die Templer, die das rote Kreuz
trugen, nicht wollten. 1218 sprach Papst Honorius III. darüber ein Machtwort,
erlaubte den Ordensmantel und stellte den Orden auch unter seine alleinige
Jurisdiktion. In den Jahren darauf
folgte eine Privilegienwelle, die den Orden unter anderem von der
Gerichtsbarkeit der Bischöfe ausnahm und das Almosensammeln regelte.
In Analogie zum Papst stellt Friedrich II.
Bestätigungsdiplome für Schenkungen und Schutzprivilegien aus.
Auch wenn der 5. Kreuzzug gegen Ägypten
für die Christen ein Misserfolg war, so waren es doch die Ritter des Deutschen
Ordens, die durch ihre Tapferkeit die deutschen Teilnehmer beeindruckten. Allein
am 29. August 1219 fielen bei der Belagerung Damiettes 30 Ritterbrüder.
Viele deutsche Herzöge, Markgrafen, Grafen
und Edelfreie übertrugen daraufhin dem Orden in den folgenden Jahren
reichlichen Besitz. Aber auch französische Teilnehmer des Zuges stifteten
Besitz, der die Basis für die Ballei Frankreich wurde.
Noch im selben Jahr des Rauswurfes aus
Ungarn, 1225, erhielt der Orden, unter der Führung von Hermann von Salza, ein
Angebot vom polnischen Teilherrscher Herzog Konrad von Masowien, der an seiner
Nordgrenze Probleme mit Übergriffen der heidnischen und schwer bis gar nicht
bekehrbaren Pruzzen hatte. Der Orden sollte ihm bei der Befriedung und
Missionierung dieses Volkes helfen, nachdem, und das soll gerade in Hinblick
auf den immer wiederkehrenden Vorwurf der gewaltsamen Unterwerfung ganzer
Völker besonders betont werden, in den Jahren und Jahrzehnten zuvor etliche
Missionare in diesem Bestreben ihr Leben gelassen haben.
In der Goldenen Bulle von Rimini1226
bestätigte Kaiser Friedrich II. dem Deutschen Orden das Gebiet, das ihm Konrad
von Masowien in Aussicht stellte, und jedes weitere von dort aus zu erobernde
Land. An Preußen schloß sich Litauen und Livland, allesamt heidnisch, an. Der
Hochmeister und seine Nachfolger sollte innerhalb dieses Gebietes
Gerichtsbarkeit und Herrschergewalt ausüben wie ein Reichsfürst innerhalb der
Grenzen des Heiligen Römischen Reiches.
Von 1230 stammt der Vertrag des Ordens mit
Konrad von Masowien, der im Sinne der Goldbulle von Rimini dem Orden das
Kulmerland und alle zukünftigen Eroberungen im Prussenland überließ und auf
alle Rechte daran verzichtete.
Schließlich gab auch der Papst in seiner
Bulle von Rieti 1234 sein Einverständnis zu Eroberung der Preußen.
Doch Herman von Salza wartete nicht auf
die Antwort des Papstes sondern errichtete von 1231 an die Burgen Thorn, Kulm,
Marienwerder, Rheden und Elbing, von wo aus der Orden in bewährter Form die
Eroberung des Stammesgebietes der Preußen begann.
Nach hundert Jahren zähen Ringens auch mit
der Unterstützung von Reichsfürsten und anderen Königen war die Eroberung
Preußens 1330 abgeschlossen. Burgen wurden überall gebaut, fast 100 Städte und
über 1400 Dörfer waren gegründet,
Deutsche Siedler aus dem Reichsgebiet sorgten für die innere Kolonisation und
trugen zur Stärkung der wirtschaftlichen Grundlagen im Ordensgebiet bei.
Das wichtigste aber war: Der Deutsche
Orden hatte etwas geschaffen, was es so in Europa noch nicht gab, ein
flächendeckendes Staatsgebilde, in dem es außer des Herrschaft des Ordens keine
fremden Rechte gab. Dies gestattete in ganz anderem Maß den Aufbau einer
effektiven Verwaltung als dies in den landesherrlichen Territorien des
Reichsgebietes möglich war. Insofern bietet das Deutsche Ordensland im 14. Jh.
das Bild eines der modernsten Staaten dieser Zeit.
Ein weiteres Merkmal ließ das Ordensland
als einen frühen modernen Staat erscheinen. Seit 1309, nach dem Fall von Akkon
1291, das eine der letzten verbleibenden Bastionen im Heiligen Land nach dem
abermaligen Fall von Jerusalem 1244 war, und der vorübergehenden Residenz in
Venedig, gab sich der Orden mit der Marienburg einen festen Hauptsitz. Dies war
nicht so selbstverständlich wie es sich anhört. Da der Orden im ganzen
Reichsgebiet und im Heiligen Land Besitzungen hatte, wäre eine Zentrale auch in
Hessen, Thüringen oder Franken denkbar gewesen.
Daß der Sitz ins Ordensland selbst verlegt
wurde, geschah auch deswegen, da die Deutschordensherren in diesen Jahren
mitansehen mussten, wie ihren Brüdern vom Templerorden in einer Absprache
zwischen dem König von Frankreich und dem von diesem eingesetzten Papst Klemens
V., dem ersten der französischen Päpste, der Garaus gemacht wurde. Der
Templerorden war in Frankreich zu einer bedeutenden politischen und
wirtschaftlichen Macht geworden. Jetzt wurden in erniedrigenden Ketzerprozessen
seine führenden Männer des Teufelspaktes angeklagt, gefoltert und hingerichtet.
1312 wurde der Orden der Templer endgültig aufgehoben, sein Vermögen zwischen
dem Papst und dem König aufgeteilt. Es war also sicherlich von großem Vorteil,
ein eigenständiges Staatsgebiet, frei von der Oberaufsicht des Königs zu
besitzen.
Die Machtfülle des Deutschen Ordens wäre
nicht vollständig beschrieben, wenn wir nicht ihre wirtschaftlichen Grundlagen
zumindest andeuten. Der überall in Europa gerühmte Glanz und Reichtum des
Landes resultierte aus den weitverzweigten Handelsbeziehungen, die der Orden
als Mitglied der Hanse bis Schottland und Flandern, auf der anderen Seite bis
in die Ebenen der Ukraine und nach Nowgorod unterhielt. Säulen des Reichtums
waren die reichen Getreideernten, die via Marienburg das Ordensland verließen,
und der Bernsteinhandel, der über Königsberg die flandrischen Paternoster- und
Rosenkranzmacher mit Rohware versorgte. Das Bernsteinmonopol war eine der
Goldgruben des Deutschen Ordens.
Die größte Ausdehnung erreicht das
Ordensland im Jahre 1404.
Als einen tiefen Einschnitt muß die
Schlacht von Tannenberg 1410 gesehen werden, die der Orden gegen seine
christlichen Brüder aus Polen und Litauen führte. Sie steht am Ende eines
langen Prozesses und markiert den Wendepunkt in der Geschichte des Ordens.
Die Litauer waren das letzte heidnische
Volk im Nordosten. Im Westen Polen und der Orden, im Osten die orthodoxen
Russen. Da sich der Deutsche Orden dem Heidenkampf verschrieben hatte, sah er
es auch als seine Aufgabe an, mitzuhelfen, die Litauer zu bekehren, zumal es
immer wieder Streitigkeiten um den litauischen Meerszugang einerseits und der
Landverbindung zwischen Preußen und Livland, das ja ebenfalls vom Deutschen
Orden beherrscht wurde, andererseits.
Aber die Litauer waren noch zäher als die
Preußen und so blieben alle Bemühungen, die Bekehrung auch mit Waffengewalt zu
unterstützen, ohne Erfolg.
1386 jedoch bekehrte sich der litauische
Fürst Jagiello und heiratete die Tochter des polnischen Königs und bildet die
Union mit Polen. Der Orden gerät in die Umklammerung und verliert seine
Missionsaufgabe, anerkennt aber nicht die Bekehrung Jagiellos und stürzt sich
in die Schlacht, die letztendlich im 2. Frieden von Thorn praktisch zur
Unterwerfung des Ordenslandes unter die polnische Krone führt.
III. Zum Selbstverständnis
des Ordens
Kommen wir nun zum Selbstverständnis des
Ordens, wie und als was hat er sich selbst gesehen?
Der Deutsche Orden war der jüngste der
großen Ritterorden und übernahm neben der Regel der Johanniter vor allem die
der Templer. Er musste sich also nicht erst neu definieren, die Idee des
geistlichen Ritterordens gab es schon und der schloß er sich an.
Noch im 10. und Anfang des 11. Jh. gab es
die Idee einer Verbindung von adlig-ritterlicher und monastischer Vorstellungen
noch nicht.
Es gab das Rittertum. Um 1090 stellt
Bonizo von Sutri deren Ideale im Kodex Liber
de vita christiana (...) auf: Ergebenheit
gegenüber dem Herrn, Verzicht auf Beute, Hingabe des Lebens für den Herrn,
Kampf für das Wohl der res publica (öffentliche Sache, Gemeinwohl), Kampf gegen
die Ketzer, Schutz der Armen, Witwen und Waisen, Einhaltung der dem Herrn
gelobten Treue.
Wie kann aber Mönchtum und Kriegertum,
Kontemplation im Kloster und Heidenkampf miteinander verbunden
werden? Wer in ein Kloster eintreten wollte, konnte kein Krieger sein. Nur aus
den besonderen Bedingungen des Heiligen Landes ist es zu erklären, dass dort
Mönche doch zum Schwert griffen. Dort lag dieser Gedanke gewissermaßen in der
Luft und so waren die Kanoniker anfangs in die Verteidigung Jerusalems aktiv
mit einbezogen. Aus ihnen entstand aber noch kein Ritterorden.
Schließlich, unter der Mitwirkung des hl. Bernhard
von Clairvaux entstand der erste vom
Papst unterstützte und genehmigte Ritterorden: Die Templer.
Der hl. Bernhard sprach von einer nova militia, einem novum militiae genus und erklärte sie zur Speerspitze des Heils im
Hause Davids. Die militia bekämpft
körperlich die Feinde Christi und spirituell die Dämonen und vereinigt so
beides, nämlich Rittertum und Mönchtum. Die nova
militia unterscheidet sich von der gewöhnlichen militia, denn der miles
christi tötet Heiden und dient damit Christus. Wird er selbst erschlagen,
so ist ihm das ewige Leben gewiß. Der neue miles schützt Jerusalem, die civitas Domini, und bewahrt den Christen
den Zugang zu den heiligen Stätten. Die nova
militia unterscheidet sich von den weltlichen Rittern auch in der
Lebensform. Ihre Mitglieder leben in Zucht und Gehorsam, ohne Eigentum und in
Keuschheit, erfüllen also damit die Gelübde des Mönchtums. Der hl. Bernhard
schilderte die milites als
Mönchsritter und verglich sie mit den Machabäern des alten Testaments.
Die Makkbäer, wir erinnern uns: 165 v.
Chr. Führte Judas mit dem Beinamen Makkabäus (von aramäisch Makkaba, der
Hammer) einen Aufstand gegen die seleukidische Herrschaft über Judäa an. Nach
seinem militärischen Sieg zog er in Jerusalem ein, ließ den entweihten Tempel
reinigen und einen neuen Altar errichten und weihen. Judäa war dann 100 Jahre
frei, bis Pompeius 65 v. Chr. Jerusalem einnahm.
Die Makkabäer, wir erinnern uns: 165 v.
Chr. führte Judas mit dem Beinamen Makkabäus (von aramäisch Makkaba, der
Hammer) einen Aufstand gegen die seleukidische Herrschaft über Judäa an. Nach
seinem militärischen Sieg zog er in Jerusalem ein, ließ den entweihten Tempel
reinigen und einen neuen Altar errichten und weihen. Judäa war dann 100 Jahre
frei, bis Pompeius 65 v. Chr. Jerusalem einnahm.
Über die Regel der Templer und der
Johanniter ist dieses auch zum Selbstverständnis der Deutschordensritter
geworden. Und seit der Teilnahme am 5. Kreuzzug nach Ägypten, wo sie besondere
Tapferkeit bewiesen haben, wurden sie in zunehmenden Maße als adlethae Christi und novi Machabei bezeichnet..
Dies wurde dann auch in den Prolog zu den
Regeln aufgenommen, womit sich der Orden in die Reihe der Kämpfer gegen die
Feinde des Glaubens sah, besonders eben der Machabäer.
Wer waren diese neue Machabäer? Der
Hochmeister konnte nur eine militaris et
religiosa persona sein, also ein ritterbürtiges, ein adeliges
Ordensmitglied, was dann beschränkt wurde, so daß kein Priesterbruder dieses
Amt übernehmen konnte, die auch, wenn auch weniger häufig, aus adeligem Hause
kamen. Der ideale Ordensbruder war, wie in den Statuten nachzulesen, jung,
gesund, waffengewandt und möglichst von Adel, zu dem auch das städtische
Patriziat zählte.
Das Selbstverständnis des Adels war, daß
er zum Kampf mit Waffen und zur Herrschaftsausübung geboren war. Solche Männer, die sich wie
selbstverständlich zutrauten, Herrschaft auszuüben, benötigte der Orden
natürlich zur Verwaltung der Länder besonders im Baltikum, aber auch in
Palästina und im begrenztem Maße auch in den Balleien, in denen sich die
einzelnen Komturen zu eigenständigen kleineren Territorien entwickelten.
Den Priesterbrüdern war ihres Amtes wegen
besondere Ehre zu erweisen und sie waren bevorzugt mit allem Nötigen zu
versorgen.
Der Prolog weist die Priesterbrüder an,
die Ritterbrüder zur Einhaltung der Regeln, zur Feier der Gottesdienste und zum
Empfang der Sakramente anzuhalten und im Falle des Krieges zu tapferen Kriegern
zu ermahnen. Es wird zwar nicht direkt von einem Mönchsrittertum gesprochen,
doch sind die mönchischen und ritterlichen
Ideale fester Bestandteile der Statuten.
So hatte jeder, die Ritterbrüder wie auch
jedes andere Mitglied des Ordens die drei Mönchsgelübde Keuschheit, Armut und
Gehorsam zu geloben. Sie hatten die klösterliche Stundengebete zu verrichten
und waren verpflichtet zum Kampf gegen die Heiden, Ungläubige und überhaupt
gegen alle Feinde des wahren Glaubens, so auch die Schismatiker in Rußland.
Hinzu kam der Spitaldienst, die Sorge für
Kranke und Bedürftige. Diese Tradition hat der Orden nie verleugnet, obwohl
diese Aufgabe im Laufe der Zeit immer mehr in den Hintergrund getreten ist.
Durch Lesungen während der Mahlzeiten
bekam der Bruder eine Vorstellung von der Bedeutung seines Ordens, seiner
besonderen Stellung in der Christenheit und seiner Aufgabe in der Welt. Hier
bekam er auch Anschluß an die Tradition des Ordens. Es war ja nicht nur die
besondere Tracht, das gemeinsame Wohnen, die Ehelosigkeit, die den Ritter von
den weltlichen Standesgenossen unterschied, sondern auch das durch die
Statuten, Chroniken und andere Werke vermittelte Bewusstsein seiner
Sonderstellung und seiner Aufgabe, nämlich des Heidenkampfes als miles Christi oder novus Machabaeus, natürlich auch des Spitaldienstes, der aber in
Preußen und auch im heiligen Land in den Hindergrund getreten war.
Es ist zu betonen, dass der normale
Ritterbruder diese Vorlesungen passiv verfolgte, nicht wie der Mönch, der sich
literarisch bildete. Anstelle des eigenen Lesens traten das Kriegshandwerk und
dessen Vorbereitung und der Spitaldienst.
Diese beiden Säulen der Aktivität spiegeln
sich auch wieder in der Wahl der Patrone des Ordens. Der hl. Georg und die hl.
Elisabeth von Thüringen, Tochter von König Andreas von Ungarn, der den
Deutschen Orden noch wenige Jahre zuvor aus dem Land hat werfen lassen.
In den Balleien gab es mehrere
Elisabeth-Spitäler und Elisabeth Kirchen. Hochmeister Konrad von Thüringen
hatte großen Anteil an der Heiligsprechung seiner Schwägerin, die sich, nachdem
ihr Gatte auf dem Weg ins heilige Land starb, ganz den Armen zuwand und ein
Hospital in Marburg gründete. Nach ihrem Tod baute der Deutsche Orden ihr zu
Ehren die erste gotische Kirche in Deutschland, die auch Vorbild für den Kölner
Dom war. Heute ist sie leider protestantisch und das Grab der Heiligen ist
leer.
Der hl. Georg, der Schlachtenhelfer, wurde
vorzüglich in Preußen verehrt, was auf die andauernden kämpferischen
Aktivitäten zurückzuführen ist, während in den Balleien eher der Spitaldienst
und damit die hl. Elisabeth im Vordergrund stand.
In Livland genoß zudem der hl. Mauritius,
der Anführer der Thebäischen Legion, eine besondere Verehrung.
Allen voran aber stand der Orden natürlich
unter dem Schutz der Mutter Gottes, unter deren Schutz sich nicht nur alle
Ritterorden sondern auch schon die Benediktiner, die Zisterzienser,
Prämonstratenser und die nachfolgenden Bettelorden stellten. Es ist zu
beobachten, dass die Marienverehrung im
Adel während der Kreuzzüge zugenommen hat und deutet auch auf den kämpferischen
Charakter, der der Muttergottes zugesprochen wurde. Dies zeigt sich dann auch
in der Benennung dreier wichtiger Burgen nach der Namenspatronin, nämlich der
Marienburgen in Preußen, Livland und Siebenbürgen. Die preußische Marienburg
verfügte über eine acht Meter hohe Marienstatue in der westlichen Außenmauer
der Kirche. Der Legende nach erblindete der polnische Kanonier, der versuchte,
während der Belagerung der Burg nach der Niederlage bei Tannenberg 1410, die
Muttergottes ins Visier zu nehmen. Den zweiten Weltkrieg hat die Statue nicht
mehr überstanden.
Der Chronist Peter von Dusburg berichtet
im 14. Jh. davon, daß die Muttergottes wankelmütigen Brüdern im Traum erschien
und ihnen den rechten Weg wies, sie sagte Verwundeten und Sterbenden als Preis
für ihren Einsatz im Kampf das ewige Leben zu, sie heilte Wunden, half in der
Schlacht und überzeugte heidnische Preußen, daß sie sich bekehrten. Von
Siegfried von Feuchtwangen (Hochmeister von 1303-1311) ist überleifert, daß er
in schwieriger Zeit den Orden verpflichtete, zusätzliche Ave Marias und Salve
Reginas zu beten, damit Unheil vom Orden abgewendet würde.
In der livländischen Reimchronik kann man
dann auch deutlich nachlesen, daß sich der Orden als Werkzeug Gottes in der
Verbreitung und der Sicherung des Glaubens unter dem sicheren Schutz der Mutter
Gottes gesehen hat.
Viele Siegel im gesamten Orden trugen das
Bild der Muttergottes, die Ritterbrüder in Livland führten in der Schlacht ein
Banner, das Maria mit dem Christuskind auf dem Arm zeigte. Auch der preußische
Ordenszweig hatte ein Marienbanner, es war der Banner einer übergeordneten
Einheit.
Schon von Anfang an, also von 1192, noch
vor der Erhebung zum Ritterorden, stellte sich die Spitalbrüderschaft unter den
Schutz der Himmelskönigin und nannte sich das Hospitale novum sanctae Mariae.
Die Gottesmutter war also stets
spiritueller Bezugspunkt der Ordensangehörigen
und wichtiger Ansatzpunkt zur Identifikation des gesamten Ordens.
Man kann sagen, daß der Deutsche Orden
immer ein Marienorden gewesen ist.
Daneben findet sich im Titel des Ordens
ein weiteres Identifikationsmerkmal von hoher Bedeutung. Nämlich Jerusalem!.
Der Orden nannte sich hospitalis sanctae Mariae Teutonicorum in Jerusalem oder ordo fratrum hospitalis sanctae Mariae
Theutonicorum Jerosolimitanorum. Jerusalem gehörte immer zum vollen Titel
und ist auch nach dem Verlust des Heiligen Landes niemals aufgegeben worden.
Die Wissenschaft streitet sich darüber,
warum Jerusalem, wenn doch die Gründung in Akkon war. Doch Jerusalem war keine
Stadt wie jede andere. Sie ist die heilige Stadt schlechthin, das irdische
Abbild des himmlischen Jerusalem, also der Kirche. In und beim historischen
Jerusalem hatte Christus mit seiner Mutter gelebt und gelitten, hier hat
Christus sein Leben für uns gegeben zu unserer Rettung. Jerusalem war das Ziel
der ersten Pilgerscharen und auch der ersten Kreuzzüge in den Orient, auch noch
des 3. Kreuzzuges, während dessen die Anfänge des Ordens vor Akkon gelegt
worden waren.
Schon durch die Namensgebung wird das Ziel
der Berufung deutlich: Jerusalem, die heilige Stadt, das Heilige Grab, die von
den Ungläubigen zurückzuerobern, zu verteidigen und zu schützen es letztendlich
galt, denn dafür waren sie ja gegründet worden, dafür sind die Ritter
eingetreten, dafür haben sie der Welt entsagt und sämtlichen Annehmlichkeiten
eines höfischen Lebens den Rücken gekehrt.
Auch die beiden anderen großen Orden, die
Johanniter und die Templer, führten Jerusalem im Namen. Sie hatten Häuser in
der Stadt und dort auch ihre Hauptniederlassungen. Sie führten Jerusalem auch
nach der Einnahme der Stadt durch Saladin weiter im Namen. Der Anspruch wurde
auch hier nicht einfach aufgegeben.
Zum Schluß soll herausgestellt werden, daß
der Deutsche Orden in erster Linie ein Ritterorden, in zweiter Linie ein
Spitalorden gewesen ist. Den Anspruch eines Missionsordens hatte der Deutsche Orden nie. Die erste Aufgabe war
es im Kampf den Muslimen die heiligen Stätten wieder zu entreißen. Dazu war er
berufen. Dies war seine Berufung. Wie die anderen Kreuzzugteilnehmer widmete
der Orden sich auch der Eroberung und der Sicherung der heiligen Stätten. Erst
in zweiter Linie bekämpfte er die Heiden an der Ostgrenze des Abendlandes, was
ja auch zwischen 1230 und 1291 parallel geschah, um dort die Mission zu
ermöglichen und abzusichern. Die Mission selbst überließ der Orden den
Dominikanern und den Franziskanern.
Sie werden häufig den Einwand hören, daß
die Symbiose von Mönch und Ritter, so wie es dem hl. Bernhard von Clairvaux
vorschwebte, nicht funktioniert habe. Die Ritter wären nie richtige Mönche
gewesen, das Mönchsrittertum sei von Anfang an zum Scheitern verurteilt
gewesen.
Natürlich konnten die Ritter nicht
Kanoniker sein, natürlich verbrachten sie ihre Zeit nicht mit Studium und
Meditation, aber das sollten sie doch auch gar nicht. Ihre Aufgabe war der
gottgeweihte Heidenkampf unter Entsagung der Welt, der gleichen Entsagung, die
ein Mönch eingeht, wenn er sich für ein klösterliches Leben berufen fühlt.
Die Schlagkraft und Unerschrockenheit der
Ritterorden wird vielfach von ihren Feinden selbst bezeugt. Hundertschaften von
Sarazenen flohen, wenn sie ein Grüppchen Ritter erspähten, da sie wussten, daß
sie im Kampf nicht weichen würden. Sie waren fest verwurzelt im Glauben, Angst
schien ihnen fremd, denn ihr Vertrauen war mächtig, gestärkt durch das
klösterliche Leben und die Sakramente.
Wiederholen wir nochmals den hl. Bernhard
und fühlen wir uns angesprochen und aufgerufen zur Verteidigung und Schutz
christlichen Zivilisation heute, hier und jetzt, da die Revolution unsere
Gesellschaften in unbändiger Wut auf alles Heilige und Gute in das Verderben
werfen will und selbst die Kirche im Innersten bedroht wird:
„Wahrhaft
unerschrocken und allseitig gesichert ist der Ritter, welcher so, wie er sich
den Leib mit Eisen, den Geist mit dem Glauben panzert. Denn mit beiderlei
Waffen gerüstet fürchtet er weder Dämon noch Mensch. Was soll auch im Leben und
Sterben derjenige fürchten, dem Christus das Leben, und Sterben ein Gewinn
bedeutet? Greift also unbesorgt an, ihr Ritter, und vertreibt furchtlosen Mutes
die Feinde des Kreuzes Christi, in der Gewißheit, daß weder Tod noch Leben Euch
von der Gnade Gottes scheiden können, die in Jesus Christus liegt.“
IV - Warum ist der Deutsche
Orden gefallen?
Prof. Plinio Corrêa de Oliveira erklärt in
„Revolution und Gegenrevolution“: „Im vierzehnten Jahrhundert können wir im
christlichen Europa einen Mentalitätswandel beobachten, der im Laufe des
fünfzehnten Jahrhunderts immer deutlicher wird. Der Wunsch nach irdischen
Freuden verwandelt sich in Verlangen. Die Vergnügungen werden immer häufiger
und üppiger. Die Menschen kümmern sich immer mehr darum. In Kleidung, Manieren,
Sprache, Literatur und Kunst führt die wachsende Sehnsucht nach einem Leben
voller Freuden der Fantasie und der Sinne zu fortschreitenden Manifestationen
von Sinnlichkeit und Sanftheit. Der Ernst und die Strenge der Antike schwinden
langsam. Alles tendiert zum Fröhlichen, Anmutigen, Frivolen. Die Herzen lösen
sich allmählich von der Liebe zum Opfer, von der wahren Hingabe an das Kreuz
und vom Streben nach Heiligkeit und ewigem Leben. Die Kavallerie, zu anderen
Zeiten einer der höchsten Ausdrucksformen christlicher Sparmaßnahmen, wird
verliebt und sentimental, die Liebesliteratur dringt in alle Länder ein, die
Exzesse des Luxus und die daraus resultierende Profitgier erstrecken sich auf
alle sozialen Schichten.“
Im
14. Jahrhundert zeichnete sich im christlichen Europa eine Mentalitätsänderung
ab, die dann im Verlauf des 15. Jahrhunderts immer deutlichere Züge annahm. Das
Streben nach irdischen Freuden wuchs zu einer wahren Gier. Die Vergnügungsveranstaltungen
wurden immer häufiger und prunkvoller, und die Menschen schenkten ihnen immer
mehr Aufmerksamkeit. Der wachsende Hang zu einem lust- und phantasievollen
Leben des Genusses führte in Kleidung, Sitten, Sprache, Literatur und Kunst zu
immer deutlicheren Anzeichen von Sinnlichkeit und Verweichlichung. Ernst und
Strenge früherer Zeiten verschwanden zusehends. Alles gewann einen
ausgelassenen, verspielten und festlichen Charakter. Die Herzen wendeten sich
nach und nach von der Opferfreudigkeit, von der wahren Kreuzesverehrung und dem
Streben nach Heiligkeit und nach dem ewigen Leben ab. Das Rittertum – einst
Höhepunkt christlicher Zucht – neigte zu Amouren und Gefühlsduselei. Die
Minnedichtung eroberte die Länder, übertriebener Luxus und eine damit einhergehende
Gewinnsucht waren in allen Schichten der Gesellschaft zu finden.
Dieser weltliche Geist drang leider auch
in den Deutschen Orden ein. Es bildeten sich zwei Fraktionen heraus: Während
die eine ihre Mission fortsetzen und immer weiter nach Osten vordringen wollte,
um weitere Gebiete für die Kirche zu erobern, wollte die andere das preußische
„Paradies“ genießen, verführt von dem immensen Reichtum, den der Orden
angehäuft hatte. Leider setzte sich diese zweite Fraktion mit der Zeit durch. Daher
kam es zu einer ganzen Reihe politischer Schritte zur Festigung seiner Macht,
die zwangsläufig dazu führten, dass der Orden mit dem litauisch-polnischen
Königreich zusammenstieß. Während die gutmütigen Germanen die Vereinigung von
Preußen, Litauern und Polen befürworteten, um das schismatische Russland wieder
in die Hand zu nehmen, provozierte die politisch-weltliche Fraktion einen Krieg
zwischen christlichen Ländern. Und hier ist die Katastrophe von Tannenberg von
1410, die von vielen als göttliche Strafe interpretiert wurde, die jedoch nicht
zur Bekehrung führte. Im Jahr 1525 kam es dann zum endgültigen Abfall vom
Glauben.
Ich schließe mit der Feststellung, dass
das „klösterliche-Krieger-Ideal“ nicht tot ist. Heute wird der Kampf gegen die
Revolution nicht mit den damaligen Kriegsmitteln geführt. Aber das Ideal ist
dasselbe. Wir müssen das Christentum heute so verteidigen, wie es die
Jerusalemer, Templer und Deutschen Ritter im Mittelalter verteidigten. Gott,
unser Herr und unsere Liebe Frau, werden uns helfen.
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