Ausgabe Nummer 1 des LEGIONÁRIO, 29.05.1927 |
Daher hatte der LEGIONÁRIO vom ersten Tag an nicht
den Charakter eines trägen katholischen Presseorgans, der unsere Lehre mit
einem abstrakten System verkündete, das so realitätsfern war, dass es
gleichermaßen dem 20. Jahrhundert und der Zeit, der ersten Kaiser der
Ming-Dynastie in China dienen könnte. Innerhalb der Heiligen Kirche erbt jede
Epoche von den vorherigen bestimmte Tugenden, die sie praktizieren und steigern
muss, und steht vor Problemen, aufgrund derer sie die Tugenden früherer Epochen
auf besondere und sozusagen neue Weise praktizieren muss, die noch nicht unter
dem Prisma der Gegenwart betrachtet wurden. So kann man in der unvergänglichen
historischen Kontinuität, die in der Heiligen Kirche herrscht, von Zeit zu Zeit
Unterschiede feststellen, die denen ähneln, die gleichzeitig von einem Religionsorden
zum anderen festgestellt werden. Der LEGIONÁRIO stand von Anfang an klar
gegenüber den Problemen unserer Zeit und hatte von Anfang an eine sehr
charakteristische spirituelle Form. Er brachte in sein Programm alle
Versprechungen und alle Hoffnungen der religiösen Reaktion ein, die sich
abzeichneten. Am Vorabend eines Jahrestages, der in eine Zeit von so großer
Bedeutung für die Kirche und das Christentum fällt, ist die Zeit für eine
ernsthafte Gewissenserforschung derjenigen gekommen, die für die Sache unseres
Herrn Jesus Christus kämpfen.
Von den Größten bis zu den Kleinsten haben wir
alle Verantwortungen, die im Gesamtkontext der Ereignisse vielleicht nicht groß
sind – was ist eigentlich nicht groß, solange es für die Erlösung der Seelen
von Interesse ist? - Im Rahmen unserer persönlichen Verantwortungen sind sie
sicherlich groß. Eine Gewissenserforschung setzt eine klare Vorstellung von
einer zu erfüllenden Pflicht und eine Analyse des Verhaltens voraus, um
festzustellen, ob die Pflicht erfüllt wurde. Die Gewissensprüfung vergleicht
ein Ideal mit einem Leben, um zu sehen, ob das Leben der Höhe des Ideals
entspricht. Das ist es, was wir öffentlich tun wollen.
* * *
Was ist das ursprüngliche Ideal des LEGIONÁRIO? In
welche Richtung bewegte sich die spirituelle Reaktion, die 1927 begann, die
ideologischen Horizonte Brasiliens zu erhellen?
Wir befanden uns in der endgültigen Liquidierung
des liberalen Regimes. Überdrüssig von Skeptizismus, Latitudinarismus,
Materialismus, deformiert durch die niedrige und deprimiert durch die Sprache
der Presse, durch den ausschweifenden Geist von Theater und Kino, durch die
Umgebung der krassen Trivialität, in der sich die Jugend entwickelte, strebten
wir alle nach einem höheren Ideal. An diesem Ideal hatten wir keinen Zweifel.
Es war der Katholizismus, die Fülle aller wahren und edlen Ideale. In der
Atmosphäre, die wir atmeten, führten uns jedoch zwei Umstände von diesem Ideal
ab. Auf der einen Seite die erklärten Feinde der Religion: Freimaurer, Spiritisten,
Protestanten, Atheisten. Auf der anderen Seite die Verbilligerer des
christlichen Geistes: Halbkatholiken, Vielbeter und... Vielsünder; Menschen,
die glaubten, aber nicht praktizierten; Menschen, die an dieses Dogma glaubten,
aber nicht an jenes; Menschen, die mit christlichem Etikett alle Symptome der Bequemlichkeit,
Nachlässigkeit und Gleichgültigkeit des Geistes der Welt bewahrt haben.
Katholiken schließlich, für die die Kirche eine Last war, die sie ohne
Begeisterung trugen, ein Ideal, das sie zu verdrehen versuchten, ein Geist, den
sie auf jede erdenkliche Weise mit dem der Zeit in Einklang zu bringen
versuchten, um auch ihren großzügigen und bequemen Anteil zu haben, an
Baltazars großem Festschmaus, der die letzten Jahre der liberalen Demokratie
waren.
Protestanten, Spiritisten und Freimaurer
verachteten den gängigen katholischen Typus zutiefst. Sie wussten, dass er im Voraus
der große Verlierer war, denn im richtigen Moment würde er die Last des
Katholizismus untergehen lassen, um die Freude am Leben zu retten. Unter diesen
Menschen, die zwei Kerzen anzündeten, eine für Gott und die andere für den
Teufel, wurde Gottes Kerze schwächer, kleiner, flackerte. Die Kerze des Dämons
war neu, weiß, hart, ihre Flamme war fett und funkelnd. An dem Tag, als Gottes
Kerze begann, dem Bürger die Finger zu verbrennen, zweifelten weder der Spiritist
noch der Freimaurer noch der Protestant daran, was der bequeme Bürger mit diesem
unbequemen Docht anfangen würde. Wir befanden uns in der letzten Dämmerung
eines christlichen Sonnenuntergangs. In der Reaktion, die den Horizont beleuchtete,
gab es zwei implizite Reaktionen. Erstens gegen die Gegner des Glaubens, die
aus der Härte der Schläge lernen sollten, dass ihnen das Feld ihrer
Unverschämtheit, ihrer Kühnheit, ihrer zynischen Verachtung des Katholizismus nicht
mehr ohne Vorbehalte offen stand. Ein anderer, gegen halbherzige Katholiken
gerichteter Begriff, „Café au lait-Katholiken“, war der damalige Begriff, der
mit dem Skandal ihrer Lauheit überall die Vorstellung verbreitete, der
Katholizismus würde durch Leblosigkeit sterben. Der gesamte Zeitgeist wurde in
diesem Satz unseres ersten Direktors zusammengefasst: „Wer kein Apostel ist,
ist ein Abtrünniger.“ Es war Schluss mit dem falschen Katholizismus mit weiten
Ärmeln, in dem jeder, der sich an die Brust schlug, als katholisch galt.
Einfache Trägheit war bereits Abfall vom Glauben. Wenige, aber gute. Das war
unser Ideal. Dieses Ideal fand seine zeitgenössische Verwirklichung in den
Haltungen, in der Sprache, in der lebhaften, nervösen, intelligenten Richtung
von Jackson de Figueiredo. Und in Dom Vital, dem großen Sieger über die
Katholiken mit Überwurf, Schurz und Freimaurerband, ihrem historischen Helden.
* * *
Aus diesen anfänglichen Einstellungen wurden
weitere abgeleitet. Begeisterte Disziplin gegenüber dem Heiligen Stuhl.
Intensive Liebe gegenüber allen religiösen Orden, insbesondere der Gesellschaft
Jesu. Klarer Geist der Gegenrevolution: der Priester steht weit über dem Laien,
noch höher steht der Bischof und noch höher als der Bischof steht der Papst.
Das Wort eines Laien sollte immer zur Unterstützung der Autorität des Priesters
herangezogen werden. Der Priester, sollte vor allem die Initiativen der Laien
leiten. Das Wort des Priesters galt stets als authentischer Ausdruck der
Gedanken des Bischofs, Lehrer und Hirte seiner Diözese. Das Wort des Papstes
war das Wort Gottes selbst, die Quelle aller Autorität und aller Wahrheit, die
Säule, auf der alle Lehren basieren müssen, um legitim und gültig zu sein.
Viel, viel, sehr viel Andacht zu Unserer Lieben Frau. Brennender
eucharistischer Geist. Ein besonderes Feingefühl in allem, was mit Reinheit und
guten Sitten zu tun hat. Kurz gesagt, wie es in der Heiligen Kirche immer der
Fall war, sollten die Bestgläubigen alles, was in der Religion besonders
angegriffen wird, mit besonderer Leidenschaft lieben.
* * *
Die derzeitigen Leiter des LEGIONÁRIO gehörten
fast alle nicht zu den ersten Tagen der Zeitung. Persönlich trat ich der Marianischen
Kongregation der Pfarrei Sancta Cecilia, zu der der LEGIONÁRIO damals gehörte,
erst 1928 als schüchterner und distanzierter Novize bei. Ich erinnere mich
jedoch an diese sehnsuchtsvollen Zeiten, den sehnsuchtsvollsten meines ganzen
Lebens, an all die intensiv katholische Atmosphäre, die sich meinem eifrigen
jugendlichen Geist bot und die ich mit dem Eifer einatmete, wie einer, der aus
einem völlig dunklen Keller zu den höchsten Gipfeln von Campos do Jordão kommt,
so erlebe ich noch einmal, voller Anerkennung und Sehnsucht, ein Abschnitt
meines Lebens, der mir wie ein Tabor vorkam. Und wenn ich meine Blicke auf die heutigen
Tage lenke, so voller Kummer, Befürchtungen, Probleme, kann ich nicht anders,
als sagen, dass Gott sei Dank der heutige LEGIONÁRIO genauso ist wie der von
gestern, und dass das Banner, das er zur Schau hebt, nichts von seinem
Blütenschmuck verloren hat.
Jede menschliche Arbeit hat Mängel, Lücken und
Elend. Gott vergebe uns unsere. In wenigen Tagen wird die Himmelskönigin als
Mittlerin aller Gnaden gefeiert. Wir werden sie ganz besonders bitten, uns mit
der genauen Kenntnis aller unserer Fehler, dem glühenden Wunsch, sie zu
korrigieren, und die dafür notwendigen Gnaden zu erreichen. Aber gleichzeitig
können wir mit Bescheidenheit sagen, dass der LEGIONÁRIO trotz aller Mängel
immer derselbe LEGIONÁRIO seiner Anfangszeit ist.
* * *
Vor allem lieben wir immer den Römischen Papst. Es
gab kein Wort des Papstes, das wir nicht veröffentlicht, das wir nicht erklärt,
das wir nicht verteidigt haben. Es gab nichts, was für den Heiligen Stuhl von
Interesse war, das wir nicht mit dem größten Eifer beansprucht hätten, zu dem
ein menschliches Geschöpf fähig ist. In unseren Worten gibt es, Gott sei Dank,
kein Konzept, keine Nuance, die sich in einem einzigen Komma, in einer einzigen
Zeile nicht im Einklang steht mit Lehramt des Petrus. Wir waren in jeder
Hinsicht die Anhänger der Hierarchie, deren Vorrechte wir mit energischem Eifer
verteidigten gegen die Lehren, die darauf abzielen, dem Episkopat und dem
Klerus die Führung der katholischen Laien zu entreißen. Es gab keine Fehler,
keine Verwirrung, keine Stürme, die zu diesem Zeitpunkt auch nur den geringsten
Fleck auf unserem Banner hinterlassen hätten. Wir verteidigen auf ganzer Linie
den Geist der Auswahl, der inneren Bildung, der Demütigung und des Bruchs mit
der Schmach der Welt. Wir kämpften für die Lehre der Kirche gegen die grausamen
Auswüchse des staatsdienerischen Nationalismus, der Europa beherrschte; gegen
Nationalsozialismus, Faschismus und alle ihre Varianten; gegen Liberalismus,
Sozialismus, Kommunismus und die berühmte „politique de la main tendue“. Niemand
erhob sich in irgendeinem Teil der Welt gegen die Kirche Gottes, ohne dass der
LEGIONÁRIO im offensichtlich begrenzten Rahmen seiner Möglichkeiten nicht
protestierte. Gleichzeitig verloren wir nie die Verpflichtung aus den Augen,
die Verehrung Unserer Lieben Frau und des Allerheiligsten Sakraments in jeder
Hinsicht zu fördern. Es gab keine einzige echte katholische Initiative, die
nicht unsere volle, enthusiastische Unterstützung gehabt hätte. Niemand hat
jemals an diese Türen geklopft, der nur die größte Herrlichkeit Gottes im
Visier hatte, ohne freundliche und einladende Kolonnen zu finden. In diesem
Leben gibt es einen guten Kampf zu kämpfen. Wir sind erschöpft, wir bluten aus
allen Gliedern. In diesem Kampf wurden wir erschöpft und verletzten uns. Andererseits
wagten wir es nicht, als Belohnung eine andere zu verlangen als die Vergebung
für alles, was, unvermeidlich fehlbar und menschlich gewesen sein mag, in
dieser Arbeit, die ganz für Gott, nur für Gott hätte sein sollen.
Aus dem Portugiesischen von “17 ANOS” in O “Legionário” vom 28. Mai 1944
Diese deutsche Fassung „17
Jahre“ erschien erstmals in www.p-c-o.blogspot.com
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