Montag, 26. August 2024

Den Gefahren der Putin-Kritik begegnen

Von John Horvat II,
6. März 2024

Als Autor, der alle Aspekte des Kulturkampfs kommentiert, habe ich unzählige Artikel über Probleme in den Vereinigten Staaten geschrieben. Ich habe die Regierung, Bildung, Drogen, Mode, Wokeness, LGBTQ-Themen, Globalismus, DEI und ähnliche Themen kritisiert.

Ich habe nie gezögert, jene Fälle anzuerkennen und zu verurteilen, in denen Amerika die Spitze der Sündhaftigkeit unserer Kultur fördert und sie weltweit verbreitet. Ich habe immer versucht, alles Mögliche zu tun, um den Übeln zu widerstehen, die unsere Nation zerstören, und habe sogar dazu beigetragen, einige Siege gegen sie zu erringen.

Selten erhalte ich Beschwerden von Lesern, dass ich Amerika gegenüber illoyal bin, wenn ich so harsche Kommentare schreibe. Die meisten erkennen, dass diese Artikel mit der Absicht geschrieben werden, der Nation Gutes zu tun, indem sie viele gesunde Reaktionen wecken und fördern.

Eine erwartete Reaktion

Allerdings kann ich immer mit einer Reaktion einiger Leser rechnen. Nach hundert Artikeln, die die amerikanische Dekadenz verurteilen, muss ich nur noch einen Artikel schreiben, in dem ich den russischen Präsidenten Wladimir Putin kritisiere, und schon bricht die Hölle los.

Ein kleiner, aber lautstarker Teil der amerikanischen konservativen Öffentlichkeit betrachtet den russischen Führer als unantastbar. Sie glauben, er vertrete ein christliches Programm, das vor jeder Herausforderung geschützt werden müsse. Darüber hinaus sind sie der Ansicht, dass Amerika ein antichristliches Programm symbolisiere. Bei dieser umfassenden (und oberflächlichen) Verurteilung Amerikas ignorieren sie zu Unrecht den selbstlosen und heilsamen Widerstand von Millionen, die jahrelang gegen die Übel gekämpft haben, die die Nation zerstören.

Um ihren Standpunkt zu beweisen, wird mir ironischerweise eine Liste aller Dinge präsentiert, die ich an unserer Kultur ständig kritisiert habe, als Beweis für die völlige Bösartigkeit unserer Nation und im Gegensatz dazu für die Güte Russlands. Wenn ich beispielsweise die höhere Abtreibungsrate in Russland, die miserable Religionsausübung oder eine andere alarmierende Statistik infrage stelle, wird dies als Fehlinformation oder als Werk korrupter globaler Pseudoeliten (derselben, die ich oft kritisiere) abgetan.

Putin entschuldigen

Wenn ich nachgehe, geben meine Kritiker vielleicht sogar zu, dass etwas Wahres an dem ist, was ich über Putin zu sagen habe, vor allem, wenn ich ihn direkt zitiere. Sie werden zugeben, dass er kein Heiliger ist. Putin muss man jedoch die dreistesten Widersprüche verzeihen.

Ich glaube, das liegt daran, dass diese Leser in der gegenwärtigen Krise ein so schreckliches Übel spüren, dass sie bereit sind, sich an jede Figur zu klammern, die am Horizont auftaucht, selbst wenn sie nicht perfekt ist. Daher können sie meine Kritik an jemandem nicht verstehen, von dem sie glauben, dass er Hoffnung für die Zukunft darstellt, egal wie vage und dürftig diese auch sein mag.

Es herrscht die Illusion, dass ein starker Mann, der die Kontrolle übernimmt, die Probleme lösen wird, die uns plagen. Putin ist in seinem Verhalten oder gar moralisch, nicht perfekt sagt man mir, aber zumindest ist er besser als seine amerikanischen Kollegen. Er wird die Dinge in Ordnung bringen.

Amerika als böse darstellen

Schließlich wird mir eine Liste vergangener und gegenwärtiger Engagements, politischer und globalistischer Machenschaften präsentiert, die die Rolle globaler Pseudoeliten bei der Zerstörung der Weltordnung beweisen.

Dieser Rahmen der Debatte macht Amerika und seine Verbündeten zur absolut bösen Macht, die auf allen Gebieten bekämpft werden muss. Angesichts der finsteren und ruchlosen Macht Amerikas werden Russlands Allianzen mit dem kommunistischen China, Venezuela, Kuba, Nordkorea und dem radikalen politischen Islam im Iran „verständlich“.

Nach dieser verdrehten Logik läge die Lösung in der Zerstörung des dekadenten Westens und in der uneingeschränkten Unterstützung Russlands und seiner Verbündeten.

Dieser Rahmen der Debatte erzeugt eine endlose Diskussion, bei der niemand gewinnen kann – da jeder die Informationsquellen des anderen anzweifelt. Jede „Gräueltat“ der einen Seite wird mit zwei „Gräueltaten“ der anderen beantwortet. Das unbedeutendste Detail wird zu einer riesigen Verschwörung gemacht.

Daher ist es am besten, von dem brutalen Schlagabtausch Abstand zu nehmen und einen anderen Ansatz zu versuchen, indem man einige grundlegende Prämissen festlegt.

Eine universelle Krise, die Ost und West betrifft

Die erste Prämisse ist, dass sich die Welt inmitten einer universellen Krise befindet, die Ost und West, Nord und Süd betrifft. Jeder, ohne Ausnahme, ist mit zerstörten Kulturen, unterdrückter Religion und sinkenden Geburtenraten konfrontiert.

Kein Gebiet der Erde ist von Abtreibung, Pornografie, sexueller Promiskuität und Vermassung verschont. Die Welt ist böse und verdorben – Russland, Venezuela, Kuba, China, Nordkorea und der Iran eingeschlossen.

Somit greift eine einzige und miteinander verbundene Krise sowohl Ost als auch West an – auch wenn sie sich in unterschiedlichen Formen manifestiert. In seinem Buch Revolution und Konterrevolution nennt der brasilianische Denker Prof. Plinio Corrêa de Oliveira diese Krise die Revolution, einen historischen Prozess, der sich über Jahrhunderte erstreckt und darauf abzielt, die katholische Kirche und die Überreste der christlichen Zivilisation auf der ganzen Welt zu zerstören.

Ebenso behauptet der bekannte Professor, dass es eine große Krise innerhalb der Kirche gibt, in der liberale Geistliche und Laien die Agenda der Revolution unter den Gläubigen fördern. Diese Kirchenkrise hindert sowohl den Osten als auch den Westen daran, effektiv gegen die Revolution zu kämpfen, indem sie ihnen die übernatürlichen Elemente vorenthält, die in diesem satanischen Kampf erforderlich sind.

Aus dieser Perspektive ist eine Ost-West-Differenzierung fehl am Platz, da diese Revolution beide dominiert. Ein tieferes Verständnis würde fragen, welche der beiden Hemisphären von der aktuellen Phase der Revolution weniger betroffen ist? Welche Hemisphäre ist in der Lage, den Überresten der von der Kirche Christi errichteten christlichen Zivilisation den größten Schaden zuzufügen?

Ein Blick auf den Osten

Auf der einen Seite unterhält Russland ein starkes Bündnis mit einem dominierenden Rotchina und einem radikalen islamischen Iran, das im Falle eines Sieges verheerende Auswirkungen auf diese Überreste haben wird. Dieses Bündnis stellt eine hochmoderne ideologische Strömung dar, die entschieden antiwestlich, revolutionär und postchristlich ist. Es baut auf den destruktiven Philosophien von Marx, Hegel, Nietzsche und anderen auf.

Innerhalb dieser Strömung gibt es mysteriöse, neuheidnische und esoterische Einflüsse, die eine neue postmoderne „multipolare eurasische Welt“ (ausführlich beschrieben von Putins Ideologe Alexander Dugin) schaffen wollen.

Einige Elemente innerhalb der Nationen unter der Hegemonie Russland-China-Iran könnten sich diesen antiwestlichen Ideologien durchaus widersetzen und traditionellere Vorstellungen von Familie oder Gemeinschaft bevorzugen. Die despotische Natur der Regime, in denen sie leben, verhindert jedoch, dass sich diese Vorstellungen durchsetzen.

Die von diesen Ideologien versklavten Nationen werden zusätzlich dadurch verhindert, dass sie aufgrund der begrenzten Evangelisierung in der Geschichte keinen Zugang zur rettenden Kraft der Kirche haben. Tatsächlich lehnen die Parteien dieser antiwestlichen Allianz (einschließlich der Orthodoxie) die katholische Kirche, den Rosenkranz und die Botschaft Unserer Lieben Frau von Fatima ab.

Ein dekadenter Westen

Auf der anderen Seite gibt es den dekadenten Westen, der von liberalen Führern und Pseudoeliten regiert wird, die ihren Nationen und der Welt immensen Schaden zufügen. Auch der Westen leidet unter fehlgeleiteten Philosophien und esoterischen Lehren. Er verbreitet die Revolution mit Hilfe der kulturellen Kräfte und Moden, die er in Gang setzt.

Der Westen hat jedoch ein erlösendes Element: die Überreste der christlichen Zivilisation. Er enthält immer noch die Denkmäler, Bräuche, das Wissen und die Kultur, die von der Revolution und der liberalen Wissenschaft so gehasst wurden. Die schwache Glut dieser Überreste bergen immer noch das Potenzial, sich erneut zu entzünden, wenn leidenschaftliche Seelen sie nutzen.

Darüber hinaus enthält das liberale System des Westens den inneren Widerspruch, diejenigen zu tolerieren, die sich ihm (im Moment) widersetzen. So bilden bedeutende Sektoren der westlichen Gesellschaften lebendige Bewegungen, Gruppen und Strömungen, die sich den revolutionären Agenden widersetzen und sogar einige Siege erringen. Diese bedeutenden Hindernisse für den Fortschritt der Revolution würden verloren gehen, sollte der Westen vernichtet werden.

In Amerika und im christlichen Westen gibt es immer noch jene treuen Seelen, die an den traditionellen Lehren der Kirche festhalten, um die Revolution herauszufordern und der Krise innerhalb der Kirche zu widerstehen. Sie rufen Gottes Hilfe inmitten dieser schrecklichen universellen Krise an.

Die Vorsehung wird all diese Bemühungen nicht aufgeben. Besonders wichtig sind jene übernatürlichen Seelen im Westen, die auf die Versprechen vertrauen, die Unsere Liebe Frau von Fatima für unsere Zeit gemacht hat, und den Rosenkranz für „die Bekehrung Russlands“ und aller Sünder beten, wie sie es verlangt hat.

Was ist zu tun?

Wir müssen diesen Kampf fortsetzen, solange die Möglichkeit zum Widerstand besteht. Dem lähmenden Gedanken zu erliegen, dass es sinnlos ist, ein dekadentes Amerika und einen dekadenten Westen zu verteidigen, hilft nur der Revolution. Es entfernt Menschen, die den Kulturkampf führen sollten, vom Schlachtfeld. Es hilft nur, jene Glut zu ersticken, die immer noch neu entzündet werden könnte.

Um wirklich wirksam zu sein, sollten unsere Bemühungen ständig auf diese Revolution gerichtet sein, wo immer sie auch zu finden ist. Für diejenigen, die um Amerika trauern, bedeutet das, dafür zu kämpfen, wie sich die Revolution in Amerika und der Welt manifestiert, insbesondere im Kulturkampf.

Deshalb werde ich weiterhin unermüdlich viele Artikel gegen die amerikanische Dekadenz und ihre Pseudo-Eliten schreiben. Damit aufzuhören, hieße, den Kampf aufzugeben. Ich werde die bedeutenden Widerstandsgruppen überall ermutigen, die gegen die Revolution kämpfen.

Und ich werde ab und zu Artikel über Putin schreiben und dabei die übliche fehlgeleitete Kritik erwarten. Wir müssen mutig jene Kräfte der Revolution im Osten erkennen und anprangern, die es besonders auf die Kirche abgesehen haben. Vor allem aber vertraue ich darauf, dass meine Gebete für Russlands Bekehrung erhört werden.

 

 

 

Bild: Photo Credit: © Kremlin.ru, CC BY 4.0 DEED, zugeschnitten

Quelle: https://www.tfp.org/confronting-the-dangers-of-criticizing-putin/?PKG

 

Samstag, 24. August 2024

Der heilige König Ludwig IX.

 


Am heutigen Tag ist es angebracht, das wir einige Merkmale aus dem Leben des Heiligen König Ludwig IX. in Erinnerung rufen. Unter anderem lohnt es sich, sich an den Heiligen Ludwig als Staatsmann, als Krieger und als Mann der Frömmigkeit zu erinnern.

Zunächst müssen wir einen wichtigen Aspekt des Lebens des hl. Ludwig betrachten: der hl. Ludwig als König der organischen Monarchie. Er war nicht im Geringsten der Typ König fait néant (der nichts tut), der alle königlichen Vorrechte in die Hände seiner Vasallen legte. Im Gegenteil, er war wirklich eifrig in der Ausübung der königlichen Macht, und wenn Vasallen versuchten, seine königliche Macht in Frage zu stellen oder zu schwächen, wehrte er sich mehrmals frontal und verteidigte seine königlichen Vorrechte.

Andererseits war er eifrig die Autonomie der Feudalherren und ihrer jeweiligen Lehen zu schützen, dass von ihm unter anderem diese kleine Tatsache gesagt wird: Er betete in einer Kirche und in einer Taverne in der Nähe der Kirche begannen einige Gäste Unordnung zu stiften und sein Gebet zu stören. Dann fragten sie ihn, warum er den Kneipenbesuchern nicht den Befehl gegeben habe, das Lokal zu verlassen und der Unruhe ein Ende zu setzen. Seine Antwort: Schicken Sie jemanden, um herauszufinden, wer der Herr dieses Lehens ist, und fordern Sie ihn auf, diesem Missbrauch ein Ende zu setzen. Ein direkter Befehl des Königs von Frankreich wäre so natürlich, aber sehen Sie sich sein Anliegen an, in seinen Reihen feudale Verhaltensweisen einzuhalten und die verschiedenen Hierarchien, die ihm unterstanden, zu respektieren, um dieser Organizität der feudalen Struktur gerecht zu werden, respektierte er sie gewissenhaft, innerhalb der Grenzen, in denen sie respektiert werden sollte. Das unterscheidet sich grundlegend von Ludwig XIV.

Andererseits war es auch der hl. Ludwig, der sich um die Korporationen kümmerte und die Einführung von Vorschriften über die Bräuche der Korporationen anordnete, die den Volksorganisationen, die die autonomen Einheiten im Volk bildeten, Struktur und Stabilität verliehen Förderer aller Formen der Autonomie in seinem Königreich, in dem er der energische und lebendige Mittelpunkt war.

Der heilige Ludwig verteidigte die Vorrechte der königlichen Autorität, nicht nur gegen Aufständische aller Art, sondern sogar gegen den Heiligen Stuhl. Es wurde ausführlich untersucht, dass der Heilige Stuhl übermäßige politische Einmischung in Frankreich vornehmen wollte. König Ludwig wehrte sich frontal und ging so weit zu verlangen, dass diese Eingriffe aufhörten.

Der hl. Ludwig als Kreuzfahrer: Wenn König Ludwig als Kreuzfahrer erwähnt wird, ist er Teil der Legende, das er in Tunis an der Pest starb. Es ist also der kranke König, der auf einer Matratze liegt wie die Armen, unterstützt von der Mitgliedern Konferenz des hl. Vincenz von Paula, jeder hat Mitleid, er wird unter Seufzern und Wimmern als besiegter begraben. Die historische Realität hat etwas davon, aber nicht nur das. Wir müssen uns daran erinnern, wie der hl. Ludwig, wie Joinville es beschreibt, von Bord des Kriegsschiffes an Land ging: in voller Rüstung, großartig, der größte Mann seiner Armee, ein glänzender Helm, mit goldener Krone; als sein Schiff Ägypten erreichte, war er so kampfbereit, dass er in voller Rüstung ins Meer sprang, an der Spitze seiner Männer an Land ging und zu kämpfen begann.

Dann all die Heldentaten, die er in den Kreuzzügen vollbrachte und die ihn zu einem perfekten Krieger machten. Wir sollten dies neben den verwundeten, kranken Krieger stellen, den leidenden Krieger, der die Passion unseres Herrn Jesus Christus nachahmt, und dadurch wird er überaus ehrwürdig. Durch die Zusammenführung all dieser Aspekte entsteht ein angemessenes Bild des hl. König Ludwig.

Dieses Bild sollte die Frage aufwerfen: Wird ein König unter diesen Bedingungen wirklich vom Volk geliebt? Verstand das französische Volk, was dieser König war? Es gibt ein Beweisstück, das wirklich rührend ist. Münzen aus dem Mittelalter sind im Allgemeinen teuer, aber die billigsten unter diesen Münzen sind die vom hl. König Ludwig, denn als er starb, begannen die Menschen, die Münzen aufzubewahren, weil sie sein Bildnis als Andenken und als Medaille tragen wollten. Aus diesem Grund wurden sie in unzähligen französischen Häusern aufbewahrt, was sie zu den billigsten mittelalterlichen Münzen machte und den Respekt und die Verehrung der Franzosen für ihren König bewies. Dies zeigt deutlich, dass Tugend, wenn sie gut praktiziert und auf authentische Weise gelebt wird, bei den Menschen nur eine gute Reaktion hervorrufen kann, und wenn sie keine gute Reaktion hervorruft, liegt das daran, dass die Menschen nicht gut sind.

Hier haben wir ein wunderschönes Gebet von Constable Du Guesclin, Gefährte der Heiligen Jeanne d'Arc – also viel später– an König Ludwig:

„Halte mich rein wie die Lilie deines Wappens, du, der du dein Wort gehalten hast, selbst gegenüber den Ungläubigen, gib, dass mir nie eine Lüge vom Mund kommt, auch wenn Ehrlichkeit mich das Leben kosten sollte. Mann voller Tapferkeit, der Rückzüge unfähig, zerstöre die Brücken der Vortäuschungen, und gib, dass ich immer auf die härteste Stellung des Kampfes zugehe.“

 

Die Fülle des Priestertums

Festrede in Campos (Rio de Janeiro) am 20. Mai 1973 zum 25. Jahrestag der Bischofsweihe von Dom Antonio de Castro Mayer.


     In dieser Jubiläumsfeier, die zu Recht an die hohen Verdienste S. Exzl. Herrn Bischof Antônio de Castro Mayer (*) erinnert, ist es meine Aufgabe, eine Vortrag über das Priestertum zu halten.

     Ich soll Ihnen über die Fülle des Priestertums sprechen. Diese Fülle spiegelt sich in der Person unseres heute zu ehrenden wider. Und diese Überlegung führt mich in die Nacht der Zeiten, führt mich auf einen historischen Exkurs, zu dem Menschen in die vielleicht entscheidendste und schwierigste Zeit seiner Geschichte führt.

     Wir stellen uns heute vor, dass wir am Rande einer vielleicht beispiellosen Katastrophe stehen. Wir erinnern uns aber nicht daran, dass es eine Katastrophe gab – größer als alle Katastrophen – eine Katastrophe, die die Geschichte der Menschheit von Anfang an geprägt hat. Diese in der Genesis erzählte Katastrophe, diese Katastrophe des Ungehorsams des Mannes, der, von der Frau, die von der Schlange in Versuchung geführt wurde, an Gott zweifelte, sich gegen Ihn auflehnte, dem Schicksal, das Gott für ihn bestimmt hatte, nicht folgen wollte und deshalb aus dem Paradies vertrieben wurde.

     Ein Fürst des schönsten und bezauberndsten aller Königreiche; der zum Herrn der gesamten sichtbaren Natur bestimmt wurde, deren Geheimnisse er in ihrer Vollkommenheit kannte und über die er eine geheimnisvolle Herrschaft ausübte; getröstet durch die außernatürlichen Gaben, die ihm unter anderen die Unsterblichkeit sicherten – Adam sündigte, Eva sündigte, sie verließen das Paradies, sie verließen das Land des Segens und der Erlesenheit, in dem laut Genesis Gott mit Adam wandelte und alle Schönheiten dessen kommentierte, was Er geschaffen hatte. Sie verließen das Land der Erwählung und betraten das Land der Verbannung; die außernatürlichen Gaben wurden ihnen entzogen.

     Die menschliche Natur – hilflos angesichts einer Umwelt, über die sie keine Macht mehr hatte und die sie nicht mehr beherrschte – fühlte sich geschwächt, fühlte sich gemindert, fühlte sich vom gerechten Zorn eines Gottes bedroht, den sie beleidigt hatte. Und mit dem Menschen, im Land des Exils, drang Besorgnis ein, Schmerz drang ein, Leid drang ein, Ungewissheit drang ein, und nicht etwas später folgte das schreckliche Bild des Todes.

     Adam und Eva, die wussten, dass sie zum Sterben bestimmt waren, aber bevor sie selbst starben, erlebten diese schreckliche Tragödie den Sohn des Segens, den Lieblingssohn, Abel, den Süßen, Abel, den Gerechten, Abel, den Prächtigen, auf dem Boden liegen sahen, tot. Sie hatten noch nie einen Toten gesehen. Vielleicht hatten sie nicht die volle Vorstellung davon, was der Tod war, denn was man nicht sehen kann, kann man nicht vollständig wissen. Und von wem getötet? Von einem anderen Sohn getötet. Der niederträchtige Brudermord vergoss das Blut des gerechten auf den Boden, dessen Stimme, der Bibel zufolge, zu Gott nach Rache empor schrie.

     Wir können uns die Tragik der ersten Beerdigung auf Erden vorstellen: Eva schluchzt, Adam schlägt sich an die Brust, Kain verschwindet verzweifelt auf den Wegen; die anderen Kinder graben an beliebiger Stelle eine Grube in den Boden; legen den Leichnam hinein, schließen das Grab; die Geschichte von Abel ist beendet: auf der riesigen Erden nun eine Leere. Und die Menschheit beginnt ihre gewaltige Pilgerreise.

     Dieses doppelte Gefühl, einerseits ein Gefühl der Endlichkeit: Der Mensch wird sterben, er wird sterben wie Abel starb, er wird eine Leiche sein wie Abel; die Erde wird ihn verschlingen, wie Abels Leiche verschlungen wurde; ein Gefühl der Unsicherheit, der Ungewissheit: Die widerspenstige Natur, die sich angreifenden Tiere, Gewitter platzen nieder, Nahrung ist nur schwer aus der Erde zu gewinnen. Alles in allem bereitet es dem Menschen Schwierigkeiten, sich im Leben zu orientieren, was die Existenz der Menschheit, der Kinder Adams auf diesem Weg zutiefst prägt, der uns von Tragödie zur Herrlichkeit, von Herrlichkeit zur Tragödie, von Hoffnung zur Frustration geführt hat, von der Frustration zum Sieg, der in neue Frustrationen ausbricht, führte uns in dieses 20. Jahrhundert, das selbst, zumindest auf seine Art, einen Höhepunkt von Glanz, Frustration und Tragödien darstellt.

     Diese Haltung, diese Stellung der Endlichkeit und Unsicherheit des Menschen gegenüber seinem irdischen Leben, brachte hervor – bereits in den Anfängen der Menschheit, als sich die Menschheit von Dekadenz zu Dekadenz dem Götzendienst hingab; als jedoch das Priestertum, auch im Götzendienst, sich durchsetzte und sich immer klarer abgegrenzte, - brachte hervor zwei unterschiedliche Vorstellungen des Priestertums. Diese Vorstellungen finden wir in zwei verschiedenen Familien heidnischer Religionen.

     Erstens die sogenannten Religionen ohne Mysterium, die vielleicht einer Seelenfamilie der Menschheit entsprechen: den Seelen, die sich am meisten auf diese Erde, auf die Natur konzentrieren; die die Existenz eines anderen Lebens nicht direkt leugnen und auch kein Interesse daran haben, sondern die sich vom morgigen Tag so sehr beeindrucken lassen, dass sich ihre Sorgen nur auf irdische Angelegenheiten konzentrieren. Also haben wir – vielleicht entsprechend dieser Seelenfamilie – das Aufkommen von sogenannten Religionen ohne Mysterium. Religionen, in denen der Priester zweifellos als Mittler zwischen den Göttern und den Menschen auftritt. Das ist immer das charakteristische Merkmal der Vorstellung vom Priester: Er ist ein Mittler, er ist ein Vermittler zwischen Gott und den Menschen. Er tritt zweifellos als Vermittler auf, aber ein Vermittler, der, obwohl er den Blick zum Himmel richtet, typisch irdische Missionen hat.

     Welche Aufgaben haben Priester in heidnischen Religionen ohne Mysterium? Der Priester ist mit magischen Kräften ausgestattet, wodurch er als Mittler zwischen den Göttern und der Erde die Menschen glauben lässt, dass er die Macht hat zu heilen, dass er die Macht hat zu töten, dass er die Macht hat – durch Beschwörungen und Zaubersprüche – Donner zu befehlen und wilde Tiere zu besänftigen. Der Priester löst also menschliche Probleme. Er führt Heilungen durch; er tötet, weil er ein Instrument der Rache ist; er regiert die Elemente.

     Wir sehen dort eine vage Sehnsucht, die die Menschheit in ihrem Niedergang nach jener Herrschaft hegt, die sie über die Natur ausübte, als Adam noch nicht gefallen war. Unsere Natur verlangt diese Herrschaft. Und um dieses Herrschaftsbedürfnis zu befriedigen, präsentierten sich die Priester des Heidentums den Menschen auf diese Weise. Und daher die Art von exorzistischem Priester, der böse Geister vertreibt, die den Menschen in seiner täglichen Arbeit stören, Ernten ruinieren, Krankheiten verbreiten, Vieh in die Flucht schlagen usw. Er ist auch der opfernde Priester, der Priester, der opfert; der Priester, der angesichts des sündigen Menschen ein Opfer nimmt, ein Tier, eine Frucht, was weiß ich ... – leider oft ein menschliches Opfer – und es aufopfert, um den Zorn eines Gottes zu besänftigen, den der Mensch als wütend empfindet, zerstritten mit Gott, vor dem er Angst hat und den er irgendwie günstig stimmen möchte.

     Hier haben Sie das Bild des Priesters der Antike, entsprechend der Art dieser Mentalität, die mehr auf irdische Güter ausgerichtet ist.

     Aber es gibt noch eine andere Seelenfamilie, vielleicht seltener, aber sicherlich höher. Es sind Menschen, die in dem Bewusstsein leben, dass irdische Probleme, so wichtig sie auch sein mögen, nichts weiter als Logistik sind; Egal wie wichtig sie sind, ist der Mensch nicht auf Erden, um sie zu lösen. Um es mit einem geglückten Ausdruck zu sagen, der heute beim Bankett des Diözesanbischofs zitiert wurde: Es sind Menschen, die verstehen, dass der Mensch nicht auf den Magen reduziert werden kann und dass Hunger nicht das zentrale Problem des Lebens ist. Es sind die Menschen, die zu denken wissen, die innehalten, um nachzudenken, und die sich von Zeit zu Zeit eine Pause von den schönen Aktivitäten der täglichen Arbeit gönnen und sich fragen: Welchen Sinn hat das, welchen Sinn hat dieses Leben? Warum wurde ich geboren? Wohin gehe ich? Was wird nach meinem Tod aus mir werden? Ich weiß es nicht! Ich muss nachfragen! Diese überragenden Fragen beherrschen das menschliche Leben, das ohne sie bedeutungslos ist.

     Um die Fragen dieser Art von Mentalitäten zu beantworten, erschafft das Heidentum trotz seines Wahnsinns und seiner Fehler – angetrieben von einer Mischung aus gesundem Menschenverstand und Tradition, die es nie ganz verloren hat – den Typus des Priesters der Mysterienreligionen. Dies sind Religionen, die – im Allgemeinen im Geheimen und für eine relativ kleine Anzahl von Gläubigen – Riten praktizieren, die diese außergewöhnliche Wirkung haben müssen: Etwas vom Leben der Gottheit geht auf den Priester über und etwas vom Priester fließt in die Öffentlichkeit; so dass ein gewisses göttliches Leben unter denen zirkuliert, die den Ritus praktizieren und anwesend sind. Ein göttliches Leben, das ihnen in den Nöten dieser Existenz mehr Kraft gibt, ihnen mehr Licht in ihrem Geist, ihnen mehr Energie dem Willen gibt. Ein göttliches Leben, das sich auch in der großartigen Verheißung manifestiert, dass sie nicht sterben werden, ein Leben, das vom Jenseits kam, das in den Menschen eindringt; sie glaubten, dass es nicht mit dem Menschen stirbt. Das Versprechen eines anderen Lebens – ein Versprechen, das es auch in anderen Religionen gibt, aber in diesen Mysterienreligionen nicht so fest verankert ist – wird deutlicher behauptet.

     Und die nach einer besseren Natur als diese dürstenden Seelen – dürsten nach einer höheren Erklärung für ihre Probleme, nach einer Orientierung zum Leben, tiefer als nur die Sorge, den notwendigen Gewinn zu erzielen, um nicht an Hunger zu sterben oder Ehrgeiz oder Eitelkeit zu befriedigen – dieser Typus der Seele passt in diese Reihe von Religionen.

     Und dann haben wir, vage und verwirrend, inmitten manchmal abscheulicher Riten, götzendienerischer Riten, satanischer Riten, Riten, bei denen oft – wie im phönizischen Ritus – die Frau ihre Reinheit anbot und unrein wurde, um der Göttlichkeit zu gefallen. Riten, bei denen Mord oder sogar Kindsmord praktiziert wurden, wie in den Händen des Bronzemonsters Moloch, Baal von Karthago, eine riesige Bronzefigur mit abgewinkelten Armen; und wenn Karthago in Gefahr war, wurde unter ihm ein Feuer angezündet um ihn bis zur Weißglut zu erhitzen und die besten Familien im Patriziat von Karthago waren gezwungen, ihre neugeborenen Kinder im Alter von einem, zwei oder drei Jahren in die Arme dieses Götzen zu legen, um durch Verbrennung zu sterben oder in den Abgrund stürzten um zu verhindern, dass Karthago zerstört werde.

     Religionen also, die sehr oft mit Abscheulichkeiten verbunden, in denen uns jedoch eine klare Betrachtung, wie ich sagte, ermöglicht, die Ader einer kostbaren Tradition, des gesunden Menschenverstandes und auch der Hoffnung zu erkennen.

     Alle oder zumindest viele dieser Religionen waren von der Hoffnung beseelt, dass eines Tages Frieden zwischen Himmel und Erde herrschen würde; es würde ein Moment kommen, in dem die Zeiten ihre Fülle erreichen würden; und ein Auserwählter Gottes, vollkommen, geliebt, auf die Welt kommen würde, um die Ordnung wiederherzustellen, die uns die Sünde unserer Ureltern genommen hatte – was in so vielen alten Religionen in Erinnerung ist.

     In einem bestimmten Moment, in einer Mitternacht, in der absoluten Stille einer hebräischen Stadt, eine zarte, reine Jungfrau, die in ihren Augen etwas oder mehr als etwas trug, eine Unendlichkeit jenes Ausdrucks, dessen Widerspiegelung wir in der wunderschönen Statue Unserer Lieben Frau von Fátima gesehen haben, die uns vor ein paar Tagen besucht hat – diese Jungfrau betete. Die Zeiten waren gereift. Das Maß des Leidens und der Erniedrigung der Menschheit hatte ein solches Ausmaß erreicht, dass Gottes Barmherzigkeit diese Jungfrau erschuf, damit sie, die ohne Makel war, erreichen konnte, was keinem sündigen Menschen gegeben war: dass sie um das Kommen des Messias bitten würde.

     Und sie hat genau darum gebetet, dass der Erlöser komme und alle Völker erneuert werden. Der von dem jüdischen Volk vorhergesagte Messias sollte von jemandem aus der Linie Davids geboren werden, aus der Linie, aus der sie selbst geboren wurde und zu der ihr keuscher Bräutigam Joseph gehörte. Sie betete mitten in der Nacht und bat um das Kommen dieses Messias. Und sie bat, gemäß frommen Überlieferungen, darum, die Dienerin zu sein, die Sklavin zu sein, die Magd der gesegneten Frau zu sein, aus der dieser Messias geboren würde.

     In der Luft findet eine mysteriöse Bewegung statt. Etwas wie ein Flügelschlag, wie eine Bewegung, wie eine durchsichtige Vibration, wie ein Licht, dass die Umbebung prägt. Sie schaut und hört die uns bekannten Worte: „Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade“. Und dann kommt der Dialog, der so bekannt ist, dass ich ihn Ihnen nicht wiederholen muss. Wir wissen nur, dass, nachdem sie gesagt hatte: „Mir geschehe nach deinem Worte; siehe ich bin seine Magd“; das Wort Fleisch geworden ist und unter uns gewohnt hat, und es kam derjenige auf Erden, der im wahrsten Sinne des Wortes par excellence, im archetypischen Sinne des Wortes der Priester sein würde: Unser Herr Jesus Christus.

     Priester im wahrsten Sinne des Wortes; denn wenn es wahr ist, dass es zum Wesen des Priestertums gehört, Bindeglied zwischen den Menschen und Gott zu sein, könnte niemand anderes dies in vollkommenerer und großartigerer Weise sein als der, der zugleich Mensch und Gott war, die fleischgewordene Zweite Person der Heiligsten Dreifaltigkeit, die die menschliche Natur mit der göttlichen Natur verband.

     Unser Herr Jesus Christus ist gemäß seiner eigenen Natur priesterlich, denn Er ist das Bindeglied, Er ist das Band, Er gründete das wahre Priestertum, das vollkommene Priestertum, das christliche Priestertum, das katholische Priestertum; dieses katholische Priestertum, das im Laufe der Geschichte so viele Glanzlichter hervorgebracht hat und von dem wir heute eine der schönsten Schönheiten des heutigen Brasiliens hervorheben, indem wir der Figur desjenigen huldigen, der die Fülle des Episkopats besitzt, Dom Antônio de Castro Mayer.

     Priestertum, das in beiden Richtungen ausgeübt wird: eine aufsteigende und eine absteigende Aktion.

     Aufsteigendes Handeln: Es ist unser Herr Jesus Christus, der alle unsere Gebete zum Himmel richtet. Alle unsere Verdienste sind mit ihm und seinen Verdiensten verbunden, und nur durch ihn, unseren Herrn Jesus Christus, erreichen wir den ewigen Vater.

     Das herabsteigende Wirken des Priestertums, denn alle Gnaden, alle Gaben, alle Wohltaten, die vom Himmel auf die Erde kommen, kommen durch ihn herab. Er ist gleichzeitig als Priester im wahrsten Sinne des Wortes auch die Quelle – weil er im wahrsten Sinne des Wortes Priester ist, ist er die Quelle aller Gnaden und wie Sie gleich sehen werden, die Quelle der wahren und vollkommenen bürgerlichen Ordnung.

     Unser Herr Jesus Christus ist jedoch nicht nur voll und ganz Priester, denn er ist das Bindeglied zwischen Erde und Himmel, sondern er ist zugleich aufopfernder Priester und Opfer. Er opferte sich auf in einer priesterlichen Handlung, die Er mit den Leiden im Garten angenommen hat und ununterbrochen bis zum „Consumatum est“ den gesamten Ozean der Schmerzen akzeptierte, der über Ihn zusammenbrechen würde, um die Menschheit zu erlösen.

     Und er nahm dies alles nicht nur mit einer wirksamen Annahme an, sondern mit einer Annahme voller Liebe. Er wollte so sehr Priester im Sinne eines Opfers sein, er wollte sich so sehr für uns opfern, diese unerlässliche Opferung für die Versöhnung zwischen Gott und den Menschen. Er wollte es so sehr, dass wir im Gebet des Ölgartens sehen, wie er litt, sich „pavere et tadere“ fühlte, Widerwille und Entsetzen empfand; und fühlte, wie sein ganzes Blut aus seinen Poren strömte, angesichts des Schreckens dessen, was Er erleiden würde.

     Aber als er vom Engel die Kraft erhielt, wollte er den Willen des Ewigen Vaters tun. Zuerst zur Ehre des Ewigen Vaters und dann aus Liebe zur Menschheit, aus Liebe zu jedem Menschen, aus Liebe zu jedem einzelnen von uns hier Anwesenden. Und zwar so aus Liebe zu jedem von uns, dass er jeden von uns während der gesamten Zeit seines Leidens und im Moment seines Todes dem Namen nach im Blick hatte. Und er wollte für jeden von uns sterben, und zwar so, dass er, selbst wenn er nur für einen hätte sterben müssen, sterben wollte; und er starb mit dieser Absicht.

     Dies ist der Priester, aus dessen Mitwirkung alle anderen Priester hervorgehen. Und wenn die katholische Kirche das Priestertum hat, dann hat sie es durch die Teilhabe an unserem Herrn Jesus Christus. Die Fülle des Priestertums in der Person der Bischöfe; das teilhabende Priestertum in den Personen der Priester; passives Priestertum – in einem anderen Sinne des Wortes – seitens aller Laien, die in Verbindung mit dem spezifisch priesterlichen Körper der katholischen Kirche dieses königliche Geschlecht, diese priesterliche Geschlecht bilden, die die Mitglieder des mystischen Leibes unseres Herrn Jesus Christus sind: die Gläubigen der Heiligen Römisch-Katholischen Apostolischen Kirche.

     Diese Überlegungen führen uns jedoch dazu, zum ursprünglichen Thema des Vortrages zurückzukehren und uns zu fragen, welche Beziehung zwischen diesen vagen Gerede über den ersten Begriff des Priestertums in der Zeit des Heidentums und dem späteren Begriff des Priestertums besteht, wie er im katholischen Priestertum ausgeübt wird.

     Die Antwort ist nicht schwer zu geben. Wie immer geschieht es, wenn der Mensch auf Gott hofft, auch wenn der Mensch die Unvollkommenheiten seiner Natur in diese Hoffnung setzt, er wird belohnt und erhört und erhält unvergleichlich mehr, als er erwartet hat.

     Wir haben das Priestertum der heidnischen Nationen nicht mehr – es war nie authentisches Priestertum. Wir brauchen auch nicht an Stammeshäuptlinge, Magier oder Menschen mit eigenartigen Kräften denken oder sie in Betracht ziehen. Das alles ist Vergangenheit. Die katholische Kirche orientiert unsere Blicke auf ein viel höheres Ideal. Der Priester ist wirklich der Priester, weil er seinerseits das Bindeglied zwischen unserem Herrn Jesus Christus und uns ist, ausgestattet mit der Macht zur Transsubstantiation (die Wesensverwandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Unseres Herrn Jesus Christus zu bewirken). Durch seine Worte wird das größte Wunder vollbracht, das jemals auf der Erde geschehen kann, nämlich die Transsubstantiation, die zugleich die unblutige Erneuerung des Opfers von Golgatha ist.

     Der Priester vervielfacht – über alle Altäre der Erde hinweg – das Kreuzesopfer des Herrn. Er trägt überallhin das Werk der Erlösung Unseres Herrn Jesus Christus. Er vermittelt überall das göttliche Leben. Er spricht zu uns vom anderen Leben. Er erhört auf überschwängliche Weise die Wünsche und Sehnsüchte jener Seelenfamilie, die ihren vollkommensten Vergleich, ihr vollkommenstes Vorbild in Maria findet – der neutestamentlichen Kontemplativen, die in Bethanien nur auf unseren Herrn schaute und sich für ihre eigenen Angelegenheiten nicht interessierte – weil er den Seelen dieses göttliche Leben bringt, was wiederum die vom göttlichen Leben bewohnte Seele dazu bringt, sich darauf vorzubereiten, Gott für alle Ewigkeit im Himmel im Glanz der seligen Schau zu genießen.

     Aber auf der anderen Seite bereitet der Priester und – meine lieben Zuhörer, in diesem Zeitalter, das so sehr auf irdische Belange konzentriert ist, scheint mir, dass dieser Überlegung von uns allen die größte Aufmerksamkeit geschenkt werden muss – das Priestertum bereitet auch die Wege der einzig wahren Zivilisation, der einzig wahren Ordnung, die aus dem von Christus gegebenen Gesetz hervorgeht und die der Mensch fähig wird zu besitzen durch das von Christus kommende Leben.

     Was bedeutet das?

     Der heilige Augustinus lebte in einer Zeit, die beeindruckende Analogien zu unserer hatte. Denn – wenn wir heute an die Grenzen der westlichen Zivilisation stoßen, das kommunistische Monster, die kommunistische Barbarei, bereit, uns zu verschlingen –, war der heilige Augustinus zu seiner Zeit der Bedrohung durch die Vandalen ausgesetzt: Barbaren, die die Donau und den Rhein überquert hatten Sie waren in Europa eingedrungen, sie waren durch die Straße von Gibraltar gegangen, sie waren in Afrika eingedrungen und bedrohten nach und nach die kleine Stadt Hippo, in der ihr großes bischöfliches Talent glänzte.

     Der heilige Augustinus war auf der einen Seite dieser Bedrohung durch Barbaren ausgesetzt; und andererseits – in einer Situation, die ganz dem 20. Jahrhundert ähnlich war: eine moralisch dekadente Zivilisation, die schläfrig dahinlebte, vergiftet durch ihren eigenen Reichtum, an dem sie süchtig geworden war – der hl. Augustinus fragte sich, was würde aus der barbarischen Welt sowie der christianisierten Welt der Römer, was würde aus diesen beiden Welten werden, wenn alle das Gesetz Gottes praktizieren würden, wenn sie alle katholisch wären und nicht nur die Könige und Untertanen? Katholisch, aber wie man katholisch sein sollte und nicht nur durch Lippenbekenntnis; katholisch die Lehrer der Schüler, katholisch die Eltern und die Kinder, katholisch diejenigen, die die Truppen befehligen, katholisch die Soldaten der Truppen, katholisch diejenigen, die Steuern eintreiben, katholisch diejenigen, die Steuern zahlen, katholisch diejenigen, die Güter besitzen, katholisch diejenigen, die ihrer Arbeit nachkommen.

     Was würde aus einer solchen Zivilisation werden? Und er gibt die Antwort, die für uns alle intuitiv ist: Diese Zivilisation würde schnell ihren Höhepunkt erreichen. Alles, was man unter den damaligen Bedingungen von der Menschheit erwarten konnte, war das, was die Menschheit bieten würde.

     Es ist ein leicht verständlicher Grund. Die Zehn Gebote – erklärt uns der heilige Thomas von Aquin – die Zehn Gebote sind das Naturgesetz selbst; sie wurden von Gott offenbart, um die Menschen in den Unsicherheiten ihres Einfallsreichtums zu bestätigen. Die Zehn Gebote sind die Eckpunkte der gesamten Ordnung, die in der Welt existieren muss. Wenn die Welt die Zehn Gebote erfüllt, wird sie Frieden haben, sie wird Wohlstand haben – was nicht Laster bedeutet, aber es wird Ruhm bedeuten – und sie wird sich in Richtung Weisheit und Adel bewegen. Wenn die Welt diese zehn Gebote aufgibt, kann sie Verträge schließen, Institutionen aufbauen, Frieden schwören, großartige Elemente der Einheit unter den Menschen entdecken – wie zum Beispiel die Möglichkeiten der Kommunikation –, sie kann tun, was sie will, sie wird am Ende in den Schlund aller Krisen hinabstürzen.

     Weil der Mensch nicht in der Lage ist - wie der heilige Augustinus lehrt -, einen anderen Menschen zu lieben. Er liebt nur Gott oder er liebt nur sich selbst. Und er ist nur dann in der Lage, einen anderen Menschen zu lieben, wenn er einen anderen Menschen aus Liebe zu Gott liebt. Nimmt die Liebe Gottes von der Erde, und ihr werdet die Gebote von der Erde genommen haben. Entfernt die Gebote von der Erde, und Lucanos alter und abgenutzter Ausdruck wird wahr: Homo homini lupus, der Mensch wird des anderen Menschen ein Wolf sein. Es hat keinen Sinn, über die Vereinten Nationen oder den Frieden zu reden, in einer Welt, in der jeder Mensch für den anderen ein Wolf ist.

     Krieg ist der natürliche Zustand des selbstsüchtigen Menschen, der mit einem anderen selbstsüchtigen Menschen aneinander stößt. Und die größten Zivilisationen werden im Umfeld von Egoismus und Neuheidentum vor allem dazu dienen, die größten Kriege auszulösen. Und deshalb geraten wir in den tragischen Kreislauf der Weltkriege: den ersten, den zweiten und das Gespenst des dritten, das vor uns schwebt.

     Daher erscheint uns der Priester als jemand, der die Religion lehrt, als jemand, der die Seelen der Menschen zur Erfüllung der Gebote führt, nicht nur wie ein Lehrer, der unfruchtbare und leblose Lehren erteilt, sondern er ist genau wie ein Priester, der die Gnade vermittelt; der durch die Sakramente – die hauptsächlich in seinen Händen liegen, und einige ausschließlich in seinen Händen – durch die Sakramente weiß er, wie er die Gnade Gottes an die Seelen weitergeben kann, damit die Intelligenz (die Vernuft) klarer und gelassener wird, und diese Wahrheiten, die uns am diesem Abend beschäftigen, in den Augen der Menschen heller strahlen, die so leicht alles Ernste, Tiefgründige und Grundlegende vergessen.

     Andererseits erhält auch der menschliche Wille, der so schwach, so feige und so auf persönliche Interessen konzentriert ist, durch das Wirken der Gnade neue Kraft: Es ist ein Leben, das der Priester weitergibt; er, der vom ewigen Leben spricht; er, der eine bestimmte Seelenfamilie anweist, ausschließlich oder fast ausschließlich an den Himmel zu denken – er wendet sich an eine andere Familie und gibt ihnen dieses Versprechen: auch ihr suchet das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit, und alles wird euch dazugegeben werden.

     Es ist das Versprechen unseres Herrn Jesus Christus: Sacerdos alter Christus. Es ist die Verheißung unseres Herrn Jesus Christus, die über allen Menschen schwebt und die ihnen sagt: Empfanget das übernatürliche Leben, das in Schüben aus den Händen meiner Priester entspringt, und ihr werdet fähig sein, das zu tun, wozu ihr ohne die Gnade keine Kraft haben werdet. Es ist eine von der Kirche definierte Lehre: Ohne die Hilfe der Gnade kann kein Mensch dauerhaft die Gebote in ihrer Vollständigkeit praktizieren, so unverhältnismäßig ist ihre Erhabenheit im Verhältnis zu unserem Elend.

     Das, meine lieben Freunde, ist die Größe des Priestertums.

     Der Priester ist das Salz der Erde, er ist das Licht der Welt, nicht nur weil er das Salz und Licht der Kirche ist, sondern weil die Kirche das Salz und Licht der christlichen Zivilisation ist. Denn ohne die christliche Zivilisation gibt es, nachdem Christus auf die Erde kam, keine mögliche Zivilisation: entweder gibt es Barbarentum, oder es gibt unseren Herrn Jesus Christus. Und unser Herr Jesus Christus steht neben dem katholischen Priester. Dem katholischen Priester und daher in überragender Weise dem Priester, der die Fülle des Priestertums besitzt; dem Priester, der hat – und das ist es, was im Bereich der Ordensbefugnisse den Bischof vom Priester unterscheidet: der Bischof kann alles tun, was der Priester kann. Aber der Bischof kann etwas ungeheuer Edles, ungeheuer Starkes, ungeheuer Kreatives tun, was der Priester nicht kann: Der Bischof kann andere Priester weihen und die Erde mit Leviten des Herrn füllen.

     Fürst in seiner Diözese – um unter der Schirmherrschaft des alleinigen Monarchen der katholischen Kirche, des Papstes, zu regieren – Fürst in seiner Diözese, als Hirte, hat er die Gerichtsbarkeit, hat er das Lehramt. Durch das Lehramt lehrt er das Gesetz, außerhalb dessen alles falsch ist. Durch die Priesterweihe verteilt er das Leben, außerhalb dessen alles der Tod ist. Er, durch diese beiden Gewalten – der Weihe und der Gerichtsbarkeit – herrscht der Bischof, er regiert seine Diözese durch die Macht der Regierung, durch die Macht des bischöflichen Reiches, er bekämpft den Widersacher, er richtet die Schwachen auf, er leitet die Starken, er führt die ganze Herde dazu, auf der Erde große Taten zu vollbringen: die Taten des inneren Lebens, die Taten des übernatürlichen Lebens; die Taten, nach denen wahre Zivilisation entsteht. Und so können wir sagen: Der Bischof ist der Hirte seiner Herde, die Säule, die Freude, die Hoffnung der Erde.

     Gestatten Ihre Hochwürdigste Exzellenz, Herr Dom Antônio de Castro Mayer, dass am Ende dieser Konferenz und in einem Moment der Intimität, die Ihre Exzellenz mehr schätzt als alle anderen, von der Gala des heutigen Abends abschweift – in einem Moment der Intimität wende ich meinen Blick rückblickend auf unser langes Zusammenleben, unsere lange Freundschaft, die bis in die Zeit zurückreicht, als Ihre Hochwürdigste Exzellenz – neben dem Hochwürdigsten und Hochwürdigsten Erzbischof von Niterói – das Amt in der jugendlichen Pracht beider ausübte, in der Pfarrei Santa Cecília, und in der ich, Herr Dom Antônio de Castro Mayer, die Freude und Ehre hatte, Sie kennen zu lernen, in der diese lange Reise begann, zur Ehre Gottes, zu meinem Glück, durch einen Gefallen Unserer Lieben Frau wurde es mir gegeben, bis jetzt und – so Gott will – bis zum Ende meiner Tage weiterzumachen, mit Ihrer Exzellenz an vorderster Front als Führer und Berater zu haben

     Möge es mir gestattet sein, meinen Blick auf jene fernen Zeiten zu richten und vor meinen Augen nicht die Gestalt des Kirchenfürsten hervorzurufen, berühmt für seine Taten, für sein Wissen, für seine Kultur, für die nationale und internationale Strahlkraft seines Namens, umgeben von Verehrung – und das, mein lieber Dom Mayer, ist sehr selten – von der Verehrung selbst vieler, die ihn nicht verstanden, umgeben sogar von der Verehrung dieser Letzten.

     Ich möchte im Moment davon abstrahieren. Ich möchte mich erinnern, an den noch jungen Priester, in seinen frühen Zwanzigern, der zahlreiche Blitzlichte in meinen Augen hinterlassen hat, die in meine Gedanken und mein Leben auftauchten und eindrangen.

     Ich sehe Sie in der Pracht Ihrer Jugend, mit jenen Eigenschaften, die die volle Reife Ihrer Person kennzeichnen. Es war ein hagerer, beweglicher, lebhafter Priester, mit funkelnden schwarzen Augen, das Haar war – wie man gemeinhin sagt – im Bürstenschnitt geschnitten, aber mit einer interessanten Besonderheit: Es wuchs nach vorne und schien nach vorne anzugreifen, immer steif und aufrecht. Ich habe ihn nie in einem Moment gesehen, weder gebeugt, noch mit hingegebenem Körper, noch sonst etwas; aber steif und aufrecht, sein Blick immer glühend; mit der Fähigkeit, in jedes Thema einzusteigen und innerhalb des Themas zum Kern des Problems vorzudringen; und dort die Lösung des Problems zu finden, und es – und das ist charakteristisch für seine Form und sein Talent – in zwei, drei lebhaften, spritzigen und unprätentiösen Worten zu sagen, die meist mit einem freundlichen Witz endeten, der nicht selten einen Hauch einer leichten Stichelei hatte.

     Es ist mir, lieber Dom Mayer, nicht möglich, dem so vielen und so verdienten Lob etwas hinzuzufügen, weder qualitativ noch quantitativ. Aber ein Wort möchte ich Eurer Exzellenz noch sagen. Und dieses Wort ist folgendes: mit der Schnelligkeit des Urteilsvermögens, mit der Urteilssicherheit, mit der Entschlossenheit, die ich schon zu Beginn unserer Freundschaft bei Ihnen kannte; mit der charakterlichen Integrität, mit der Sie immer präsent waren – vor allem aber in den schwierigsten Zeiten, in Zeiten der Verlassenheit, in Zeiten der Qual; anwesend, nicht nur um zu trösten, sondern um mit zu kämpfen, um den Kampf zu leiten, um alle Pfeile auf die Brust zu bekommen – Eure Exzellenz, als Sie zum Episkopat aufgestiegen sind, beurteilte Eure Exzellenz eine Situation, verstand ein Problem, verstand eine Pflicht und – wie der Winzer, der in die Kelter geht, um die Trauben zu zerdrücken, und mit dem Traubensaft, dem Symbol des Blutes, bedeckt zu werden – Sie haben das vollständige Opfer gebracht.

     Sie haben verstanden, dass es notwendig war, dass es inmitten so vieler Menschen, die beten, so vieler Menschen, die arbeiten, einen Ausgezeichneten im Gebet gibt, der aktiv arbeitet, der aber eine der schwierigsten, undankbarsten, geeignesten und charakteristischsten Aufgaben der Selbstaufopferung auf sich nimmt, die in gewissem Sinne des Wortes den Bischof und das Opfer definiert; der in gewissem Sinne des Wortes auch der Opfer-Priester ist; gewissermaßen: der Pontifex.

     Sie haben [wirklich] verstanden, dass es notwendig war, ein kurzes Wort zu sagen, ein schnelles Wort, ein bitteres Wort, das Wort in unserem Wortschatz, von dem Pater Vieira sagte, dass es schwierig auszusprechen sei, obwohl es so einfach, so harmonisch sei; das Wort, das das Pontifikat eines Papstes illustrierte, dessen Heiligsprechungsprozess bereits im Gange ist; das Wort, das ihn zu einem der beliebtesten Männer seines Jahrhunderts machte, machte ihn zu einem der größten Päpste der gesamten Geschichte und, wie ich glaube und hoffe, zu einem der großen Heiligen des katholischen Kalenders. Das Wort, das auch das Wort Martyrium war, war das Wort, das einen Hirten mit einer engelhaften Seele, der für seine unvergleichliche Güte berühmt war, zum Bluten brachte: Ich habe gerade auf die glorreichen Päpste Pius IX. und Pius X. verwiesen.

     Pius IX., der große Kämpfer gegen den Liberalismus, der angesichts der steigenden Flut des Liberalismus in allen Formen, mit allen Arten von Schmeicheleien, Beschimpfungen, Frontalangriffen und Verrat, wie ein Riese allein dastand und zum Liberalismus sagte: „Non possumus“. Ich kann nicht nachgeben, ich kann nicht zurückweichen, ich kann keine Vereinbarungen treffen, ich kann keine Kompromisse eingehen, denn es gibt keinen Pakt, es gibt keinen Kompromiss, es gibt keinen Rückzug, wenn es um den Kampf zwischen Wahrheit und Irrtum, zwischen Gut und Böse, zwischen Erde und Hölle geht. Es gibt eine Unvereinbarkeit – sagt der heilige Ludwig Grignion von Montfort – eine von Gott geschaffene Unvereinbarkeit; und da alle von Gott vollbrachten Werke dauerhaft und großartig sind, ist auch dieses eine: Es ist die Unvereinbarkeit zwischen den Kindern der Jungfrau und den Kindern der Schlange. Non possumus, wir können nicht nachgeben.

     Und vor einiger Zeit las ich von einem großen Laienhistoriker diesen Kommentar zum Pontifikat von Pius IX.: „Pius IX. fürchtete nicht, unbeliebt zu sein; er trat der Macht der liberalen Revolution entgegen, vor der so viele flohen, und aus diesem Grund war er heldenhafter als der heilige Gregor VII., der heldenhafte Papst schlechthin. Deshalb hat er die Revolution zurückgedrängt und wurde zum mächtigsten und beliebtesten Mann seiner Zeit.“

     Der heiliger Pius X., der angesichts des Neoliberalismus, des wieder aufkommenden Modernismus, auch er sagte NEIN mit seiner großartigen Enzyklika „Pascendi“, in der er mit einem einzigen Schlag die modernistischen Machenschaften zerschlug.

     Sie, Dom Antônio de Castro Mayer, wurden zur Stütze und Mauer berufen, angesichts des Ansturms dieser verwirrenden Menge von Fehlern, die von den verwässertesten Formen des Progressismus bis zu den aufgeladensten Formen des Kommunismus reichen. Und Sie haben sich die Aufgabe gestellt, NEIN zu sagen. Ein vollständiges NEIN, ein totales NEIN, ein heldenhaftes NEIN, ein NEIN, das zum Kampf aufruft, ein NEIN, das zur Wachsamkeit ruft, ein NEIN, das zum Widerstand aufruft, ein NEIN, das zur Erlösung aufruft.

     Ihr Name ist in Brasilien und auf der ganzen Welt berühmt geworden, vermittelt durch die Bewunderung aller, die JA zu Gottes Werk sagen, und aller, die das Glück haben, Sie zu verstehen. Getragen vom Unverständnis und Murren all derer, die Sie nicht verstehen und von denen so viele NEIN zum Werk Gottes sagen.

     Sie sind der Mann, Sie sind der Pfarrer par excellence – nicht einzigartig, aber par excellence – der es verstand, mutig JA zu denen zu sagen, die das Ja wollen, den Aufbau wollen, die Tugend wollen, die Kontinuität des Fortschritts im Einklang mit der Tradition wollen; JA für diejenigen, die die Arbeit der christlichen Zivilisation erhalten und vorantreiben wollen.

     Sie waren derjenige, der par excellence NEIN zu denen gesagt hat, die Nein wollen, die Zerstörung wollen, den Ruin wollen, die Unmoral wollen, die Korruption wollen; oder, getrieben, ich weiß nicht von was für einer teuflischen Verwirrung, vielleicht ohne es direkt zu wollen, arbeiten sie doch auf die eine oder andere Weise darauf hin; denn wenn sie nicht die Waffen des Bösen führen, öffnen sie die Tore für diejenigen, die diese Waffen führen.

      Weil Sie JA zum Ja und NEIN zum nein gesagt haben, werden die Leute über Sie sagen: „Sie sind par excellence derjenige, der das nationale Episkopat verherrlicht.“

     Und da ist die erhabene Anwesenheit dieses so kultivierten, so energischen, so weisen Hirtens, Dom Antônio de Almeida Morais, um die Anwesenheit Ihrer Brüder bei dieser Tat zu bestätigen. Sie waren derjenige, von dem man sagen kann: Er hat das Gebot Gottes erfüllt, er hat das Wort Christi erfüllt – „Eure Sprache sei: ja, ja; nein, nein". Und wenn eines Tages, Dom Mayer, ein Kapitel der Geschichte der Kirche in Brasilien im 20. Jahrhundert geschrieben wird, das sich „Dom Antônio de Castro Mayer“ nennen wird, müsste die Überschrift meiner Meinung nach lauten: „Ja, Ja; nein nein!".

     Dom Mayer, meine Freundschaft, meine Bewunderung, meine Ehrungen.

     *   *   *

Anmerkung:

(*) „D. António de Castro Mayer wurde am 20. Juni 1904 in Campinas im Bundesstaat São Paulo geboren. Er schloss sein Theologiestudium an der Universität Gregoriana in Rom (1924-1927) ab, wo er am 30. Oktober 1927 zum Priester geweiht wurde. Er war Beirat der Katholischen Aktion von São Paulo (1940), später Generalvikar der Erzdiözese (1942-1943) und wurde am 23. Mai 1948 zum Bischof geweiht und als Weihbischof mit Nachfolgerecht des Bischofs von Campos ernannt. Bis 1981 leitete er als Bischof die Diözese Campos. Im Dezember 1982 kam es zum Zerwürfnis mit Plínio Corrêa de Oliveira und der TFP. Das Ereignis, das sogleich von der Presse aufgegriffen wurde (Folha da Tarde, 10. April 1984; Jornal do Brasil, 20. August 1984) stand im Zusammenhang mit der fortschreitenden Annäherung des ehemaligen Bischofs von Campos an die Haltung von Msgr. Marcel Lefebvre, die schließlich in der die Exkommunikation latae sententiae herbeiführende Teilnahme D. António de Castro Mayers an den Bischofsweihen von Ecône am 30. Juni 1988 gipfelte. Er starb am 25. April 1991 in Campos“ (vgl. „Der Kreuzritter des 20. Jahrhunderts – Plinio Corrêa de Oliveira“, Roberto de Mattei, TFP-Büro Deutschland e.V., Frankfurt am Main, 2004, Kapitel II, 4 – Anmerkung 47)

Freitag, 23. August 2024

Der hl. Ludwig IX. – „Non est inventum simili illi“

„Es gibt keine ihm ähnliche Erfindung“

Wir feiern morgen das Fest des Heiligen Augustinus, Bischof, Bekenner und Kirchenlehrer; Autor von „Die Stadt Gottes“, in dem er den Kampf zwischen den Kindern des Lichts und den Kindern der Finsternis zur Achse der Weltgeschichte macht; vermittelte die Grundlagen des Christentums und der christlichen Zivilisation; V. Jahrhundert.

Ich hatte mir vorgenommen ein Wort über das Leben des Heiligen Ludwig, König von Frankreich, zu sagen, dessen 700. Todestag dieses Jahr (am 25. August) begangen wurde und daher nicht ohne einen Kommentar vergehen sollte.

Um die Rolle des Heiligen Ludwig gut zu verstehen, müssen wir uns Folgendes fragen: Was war der besondere Glanz seiner Seele am Horizont der Kirche? Wenn wir annehmen, dass jeder Heilige am Firmament der Heiligen Kirche ganz besonders eine bestimmte Tugend darstellen, und dass daher z.B. der heilige Benedikt, zum Beispiel, mehr die Zurückgezogenheit, die Sammlung, vertritt, der heilige Dominikus, die Predigt, der heilige Franziskus, die Armut, der heilige Ignatius, den Kampf für die Kirche usw., was stellt  insbesondere der heilige Ludwig, König von Frankreich, dar?

Was den hl. Ludwig betrifft, scheint mir das ergreifende die Tradition, die er hinterlassen hat. Das heißt, dass er ein großer Heiliger des Mittelalters war und seine Zeit mit seiner Persönlichkeit ausfüllte, so dass man sagen kann, dass sein Jahrhundert das Jahrhundert des Heiligen Ludwig war, zusätzlich zu der Tatsache, dass die Chroniken des Mittelalters voller Fakten über sein Leben sind, und dass es eine ganz normale Heiligsprechung gab, bei der die Kirche seine Persönlichkeit analysierte und die Gründe angab, warum sie ihn deshalb und darüber hinaus als heilig betrachtete. Trotz alledem blieb bei den Europäern und besonders bei den Franzosen eine Erinnerung an ihn, die nicht auf dem Wissen der oben angeführten Tatsachen beruhte.

Weil die Menschen heute diese Dinge nicht mehr wissen, aber es gab eine Erinnerung, die von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Diese ergreifende, rührende, begeisterte, andächtige Erinnerung entspricht genau den historischen Dokumenten, die vom hl. Ludwig vorhanden sind; das heißt, die Legende oder die Tradition stimmen genau überein mit der historischen Realität. Es gab keine Übertreibungen, keine falschen Informationen, alles ist völlig korrekt. Keine Unwahrheiten wurden erfunden, um die Krone seines Ruhmes, die er hinterlassen hatte, zu vergolden. Aber er hinterließ eine Furche von Wahrheit und Objektivität. Und es bleibt ein Bild, das trotz so vieler Revolutionen, Veränderungen, der Verkündigung so vieler Lehren des Hasses und des Irrtums, der historischen Realität treu entspricht.

Was verehren die Menschen auf diesem Bild? Was verehren die Franzosen in der Person des Heiligen Ludwig? Was lehrt uns eine gut erzählte und gut erforschte Geschichte über den hl. Ludwig? Was war der hl. Ludwig? Glänzte er besonders durch seine Keuschheit? Durch seine Sammlung? Durch seine Armut? Durch den Kampf um die Kirche?

Man kann sagen, dass, wenn wir die äußeren Errungenschaften seines Lebens betrachten, nichts davon vollständig bestätigt werden kann.

Dass er durch seine Reinheit glänzte, ist ohne Zweifel. Aber er strahlte wie viele Heilige oder alle Heiligen, einschließlich der Heiligen, bei denen die Reinheit nicht die bemerkenswerteste Tugend war. Jeder Heilige ist notwendigerweise keusch; Aber der heilige Aloysius von Gonzaga zum Beispiel hatte einen größeren Glanz der Reinheit als einige andere Heilige.

Der hl. Ludwig war ein Mann, der seine Reinheit bis zur Heirat bewahrt hat, er hat geheiratet, er war ein sehr treuer Ehemann. Aber er hatte keine Gelegenheit, seine Berufung verlangte nicht von ihm, die Keuschheit so zu wahren wie der Heilige Aloysius von Gonzaga.

War es dann die geistliche Sammlung, die ihn zum Strahlen brachte? Bei anderen Heiligen strahlte die Sammlung viel heller. Denn sie waren Einsiedler, die sich völlig von der Welt isolierten und an völlig verlassenen Orten lebten. Oder sie waren Zoenobiten, die völlig abseits der Zivilisation in Klöstern lebten, um dort ein Leben lang zu schweigen, zu studieren und zu beten.

Der hl. Ludwig lebte in Mitten der Welt, er lebte in der Leitung von weltlichen Angelegenheiten, er regierte das größte Königreich der Welt zu seiner Zeit, dem Königreich Frankreich; und mischte sich ständig unter die Menschen.

War es der Geist des Kampfes? Ludwig war ein Kreuzritter. Und er war ein großer Krieger. Aber es gab in der christlichen Zivilisation erfolgreichere Krieger als ihn. Die beiden Kreuzzüge, die er unternahm, waren Kreuzzüge, die ihm nicht den Sieg brachten, den er sich gewünscht hatte. Es gab also Krieger, die im katholischen Sinne größere Kriegstaten vollbrachten als er. Es gab sogar nicht-heilige Krieger, die größere Siege errungen haben als der heilige Ludwig. Nehmen wir zum Beispiel Johann von Österreich (Juan d’Austria), der kein Heiliger war und sogar weit davon entfernt war, einer zu sein, errang in Lepanto einen größeren christlichen Sieg als der heilige Ludwig in seinen Kreuzzügen.

Was also macht den Heiligen Ludwig zu etwas, das uns einen Einblick im Glanz seiner Persönlichkeit gibt, die aus einem bestimmten Blickwinkel mehr hervorsticht als bei anderen Heiligen? Wer war der hl. Ludwig? Was hatte er in sich?

Der heilige Ludwig stellte mit einer Fülle dar, - die in der Geschichte der Kirche selten zu finden ist - er stellte in der ganzen Fülle den katholischen Menschen dar, wie ihn die Kirche haben möchte: ein Laie, der im weltlichen lebte, das Leben aller lebte, der die Erfüllung der Gebote Gottes zur höchsten Vollkommenheit brachte. Und zwar so, dass er, indem er mit allen verkehrte und wie alle war, dennoch alle übertraf.

Es liegt eine tiefgründige Lehre der Kirche darin, wenn sie solche Menschen heiligspricht. Sie sprach viele Laien heilig, doch keiner von ihnen strahlte vielleicht so hell wie der heilige Ludwig.

Im hl. Ludwig blieb diese Erinnerung an einen Laienheiligen über die Jahrhunderte erhalten und blieb lebendiger als bei anderen Heiligen. Es war eine historische Mission „Post-Mortem“; wie die historische Mission der Heiligen Therese vom Kinde Jesu „post mortem“, die darin bestand, einen Rosenregen  über die Welt zu ergießen.

Was war der hl. Ludwig?

Der heilige Ludwig war im wahrsten Sinne des Wortes der Mann, der bewies, dass der Mensch im alltäglichen Leben ein Heiliger sein muss; dass Heiligkeit nicht nur das Kennzeichen des Priesters, des Bruders, des Mönchs ist; sondern, dass Gott von allen Katholiken die genaue Erfüllung der Gebote erwartet. Und von vielen verlangt er eine so vollkommene Erfüllung, dass sie später zur Ehre der Altäre erhoben werden können.

Das hat uns der hl. Ludwig gelehrt. Er war ein Mann, der bewies, dass ein guter Katholik so männlich sein kann, wie er sein soll, dass es ihm aber deshalb nicht verboten ist, bestimmte Eigenschaften zu besitzen, die oberflächliche Geister für unvereinbar mit der Männlichkeit halten.

Und so können wir hier die Person des hl. Ludwig ein wenig analysieren.

Er war ein Mann, ein König, der eine feste Hand hatte und die Autorität seines Königreichs auf eine Weise aufrechterhielt, dass nur wenige königliche Regierungszeiten in der Geschichte Frankreichs einen so großen und vollkommenen inneren Frieden erlebten wie zur Zeit des Heiligen Ludwig.

Die mittelalterliche Regierungsform, der Feudalismus, trotz der bewundernswerten Vorteile, gab einem Adel, der aufgrund der Nähe zu den Zeiten der Barbaren immer noch sehr unruhig war, die Möglichkeit sich in ihren Lehen gegen den König zu erheben. Aus diesem Grund verfolgten viele Könige den Adel und versuchten, ihn auszulöschen; schließlich reduzierten fast alle Könige den Adel auf ein bloßes Prachtelement des königlichen Hofes.

Wie war das beim hl. Ludwig? Eine vollendete Ausgeglichenheit.

Er war ein König, der das Feudalsystem bewahrte und den Adel aufrechterhielt, in der Nutzung all seiner Privilegien. Er erbte mehrmals Lehen und hätte diese Lehen mit der Krone vereinen können; stattdessen ernannte er andere Adelsfamilien zu diesen Lehen. Er übernahm nicht die Lehen, sondern beließ ihnen die Eigenständigkeit.

Obwohl er damit die feudale Macht so stärkte, kann man sagen, dass er nicht im Entferntesten daran dachte, alle Lehen aufzusaugen, um eine Monarchie vom Typ Ludwig XIV. zu bilden. Trotzdem hielt er durch seine Standhaftigkeit, seine Energie, die Furcht, den Respekt, den seine Gerechtigkeit allen einflößte, die Verehrung, die sie ihm entgegenbrachten, das Königreich Frankreich in Frieden. Es gelang ihm, das perfekte feudale Gleichgewicht herzustellen.

Er zeigte, dass ein Mann die Ordnung mit Kraft aufrechterhalten kann; aber weil er ein starker Mann war, war er nicht unbedingt ein Tyrann. Er zeigte, dass zur Aufrechterhaltung der Ordnung Freundlichkeit, Gerechtigkeit und Ernsthaftigkeit eine Rolle spielen, die die Gewalt niemals vollständig ausfüllen kann. Und dass die Ausstrahlung von Tugenden in vielen Fällen ein unabdingbarer Umstand für die Aufrechterhaltung der Autorität ist.

Er war gegenüber dem Adel nicht brutal wie Ludwig XIV. Ludwig XIV. verlangte, dass alle Adligen um ihn herum lebten, dass sie ihre Burgen verlassen und ihren Einfluss in den verschiedenen Teilen Frankreichs aufgeben; er befahl sogar die Zerstörung mehrerer Adelsburgen, um den Adel in seinen Händen zu halten.

Der hl. Ludwig bewahrte seinen Adel. Was Ludwig XIV. nur durch die Stärke und den Glanz königlichen Prunks erreichen konnte, vollbrachte der heilige Ludwig mit Kraft und Glanz; andererseits hat er es auch erreicht, indem er Gerechtigkeit, Ausgeglichenheit und Freundlichkeit an den Tag gelegt hat, die alle bezauberten und das Vertrauen aller gewannen.

Wir sehen also die Vorstellung eines Mannes, der sowohl stark als auch gütig, gerecht und rechtschaffen ist. Aber auch gerade deshalb seiner Rechte bewusst, der es versteht, gefürchtet und respektiert zu werden, aber jedem das zu geben, was ihm zusteht. Das führt um sich herum zum wahren Frieden, der die Ruhe der Ordnung ist. Es ist nicht die Ruhe der Peitsche, sondern die der Ordnung, die alle Dinge in Ordnung bringt, damit sie in Frieden sind; und dann jeden bestrafen, der aus der Reihe springt. Das ist die eigentliche Aufgabe des Ordners.

Ein anderer Aspekt. Der hl. Ludwig hatte einen Feudalstreit mit dem König von England; eine komplizierte Angelegenheit. In dieser Angelegenheit stellte er in seinem Rat vor, dass er dem König von England vorschlagen würde, ihn, Ludwig, als Lehnsherr einiger Ländereien in Frankreich zu huldigen und dass er aus Höflichkeit und Freundlichkeit diese und jene Grundstücke hinzufügen würde als Klauseln des Vertrages.

Als die Hofräte das hörten, erschauderten sie und sagten: Aber, Herr, könnten wir den Grund für diese Freizügigkeit kennen? Antwort des hl. Ludwig: Ja, so kann zwischen meinen Kindern und den Kindern des Königs von England eine Freundschaft entstehen, denn sie sind Cousins ersten Grades. Alle sahen sich gegenseitig an: „Aber mein Gott, ist das Politik? Eine auf Freundschaft basierende Politik? Wie stellt sich dieser König vor, dass der König von England kommen wird, um ihm zu huldigen? Der König von England wird nie kommen, um dem König von Frankreich zu huldigen?“

Ludwig ließ keine Diskussion zu. Die Sache ging vorüber, der Vorschlag wurde an den König von England geschickt. Der König von England kam nach Frankreich, kniete vor dem König von Frankreich nieder und huldigte ihm. Mit dem Erstaunen der gesamten alten Christenheit. Und diese Spende des hl. Ludwig trug dazu bei, eine lange Friedensperiode zwischen den beiden Kronen herbeizuführen.

Es könnte jemand einwenden: Aber dann sind wir verloren. Denn wenn wir unser Leben so führen müssen, dann gilt das auch für Sie. Würden Sie einem Gegner ihre Eigentumswohnung zur Verfügung stellen, um mit ihm Frieden zu schließen?

Der König von England war kein Gegner ... Der König von England war ein mittelalterlicher König, ein katholischer König, er war der erste Gentleman seines Königreichs, der erste Ritter seines Königreichs; er würde von dieser Großzügigkeit wahrscheinlich berührt sein. Den Gegner, den ich erwähnte, ist vergleichbar mit dem, was die Mohammedaner damals waren.

Der heilige Ludwig verbrachte vier Jahre im Heiligen Land und beschäftigte sich mit den Mohammedanern. Historiker erkennen Folgendes an: dass er so geschickt darin war, einige Mohammedaner gegen andere auszuspielen und sie zu verwickeln, dass die mohammedanische Macht lange Zeit mit Streitigkeiten verflochten war, weil er wusste, wie man das Gras unter den Füßen dieser oder jener mäht; und dass seine politische Tätigkeit mehr wert war als seine militärische unternehmen.

Wir sehen einen äußerst zuversichtlichen König. Zuversichtlich bis hin zur Arglosigkeit, wenn es der Fall war. Extrem schlau und durch und durch schlau, ohne die Grenzen des Machiavellismus zu überschreiten. Er wickelte die Türken ein und war freundlich zu den Christen. Er zieht das Herz eines Menschen an und lässt andere im Dunkeln zurück. Er ist der perfekte Mann. Der Mensch, wie die katholische Kirche ihn wünscht, wie sie ihn sich vorstellt, wie sie ihn formt, wie sie ihm Kraft gibt, ein Ideal zu sein.

Le Roi Louis IX dit "en Majesté" 

Ein weiteres: Der heilige Ludwig und die Majestät.

Alle sind sich darin einig, dass er ein Mann von außergewöhnlicher Majestät war. Alle Chronisten beschreiben den Glanz seiner Persönlichkeit, als er in Ägypten ausstieg; und dass er, als er im Land der Ungläubigen ankam – bewaffnet mit einer ganz aus Gold gefertigten, vergoldeten Ritterrüstung, mit einem Helm und einem hohen goldenen Aufsatz –er war der größte der Männer auf dem Schiff, in dem er reiste. Weil er ein großer, schlanker Mann, „élancé“ war. Als das Schiff nahe am Land ankam, warf er sich mit den anderen ins Wasser. Und mit Rüstung und allem Drum und Dran zog er in das Land Ägypten, um es zu beherrschen. Jeder, der diese Agilität sah, – denn die Vorstellung, die wir heute von König haben, ist eine Vorstellung von einem Museumskönig: fixiert; der nicht spricht aus Angst, Unsinn zu sagen, der sich nicht bewegt, aus 
Angst, unelegant zu sein, der nicht angreift; der ständig auf einem Thron sitzt, nach vorne blickt und für die Geschichte posiert – einen König sehen, der so „délié“ und so elegant ist; der ins Wasser springt und der angreift, und der der Erste und Größte von allen ist, und der der Erste in Zeiten der Gefahr ist, dem läuft das ganze Heer hinterher.

Das war der perfekte katholische Mann. Dieser Mann erleidet ein Unglück. Nach heftigen Auseinandersetzungen wird er gefangen genommen. Die türkische Macht ist größer als seine. Als Gefangener kommt er mit den Mohammedanern in Kontakt. Der Gefangene ist der Besiegte. Der Gefangene ist derjenige, der gedemütigt wird, er ist von allen abhängig. Dort blieb er lange, weil über seine Freilassung diskutiert wurde. Er brachte allen eine solche Verehrung entgegen, dass die Mauren kamen, um sein Urteil für die zwischen ihnen geführten Prozesse zu bitten. Weil sie nicht auf die Gerechtigkeit von irgendjemandem vertrauten, wie auf die des christlichen Königs.

Bei einer Niederlage so großartig zu sein, bedeutet viel mehr, als beim Sieg großartig zu sein. Im Sieg großartig zu sein, das kann jeder Gewinner sein. Aber nicht jeder kann in einer Niederlage großartig sein. Es gab einen, der in der Niederlage größer war als in allen Gelegenheiten seines Leben, und der heilige Paulus sagte über ihn: „Ich kann nur Jesus Christus und Jesus Christus den gekreuzigten predigen.“ Am Kreuz vollzog Er die „Zusammenfassung“ Seiner Majestät, Seiner Größe und Seiner Herrlichkeit.

Der heilige Ludwig ahmte unseren Herrn Jesus Christus nach: Er erreichte die „Zusammenfassung“ menschlicher Majestät und bewies, dass ein König groß sein und sich durchsetzen kann, nicht nur, weil er auf dem Thron sitzt und von all dem königlichen Prunk umgeben ist, sondern weil er er selbst ist, er ist ein katholischer Mann. Hier sehen wir den besiegten König von seinen Gegnern verehrt.

Der heilige Ludwig kehrt besiegt vom Kreuzzug zurück. Der Kreuzzug brachte nicht das gewünschte Ergebnis. Seine Mutter, Blanca von Castillien, starb und er musste nach Frankreich zurückkehren.

Das ganze Volk feierte ihn als wahren Helden und bereitete ihm auf seiner Reise durch Frankreich eine Verherrlichung vor. Weil es verstand, was für ein großartiger Krieger er gewesen war, ein großartiger Mann, trotz seiner Niederlage; und weil es ihn für die erlittene Niederlage trösten wollte. Und nie war sein Ansehen in Frankreich größer als mit der Dornenkrone der Niederlage.

Dieser König war gleichzeitig bei all seiner Majestät ein äußerst einfacher Mann.

Und wir wissen, dass ihm Folgendes passiert ist. Um die Ausbreitung der Lepra zu verhindern, war es der Kirche im Mittelalter gelungen, die Leprakranken davon zu überzeugen, isoliert von allen anderen zu leben. Und sie mussten sogar herumlaufen und eine Glocke schwenken, damit niemand in ihre Nähe kam. Und die Polizei unterstützte diese Haltung; so dass der Aussätzige bestraft wurde, der ausnahmsweise damit aufhören wollte. Es war eine Verordnung. Aber es wurde nur möglich, weil die Kirche die Leprakranken selbst von der Notwendigkeit überzeugte.

Sie können sich die traurige Situation eines Menschen vorstellen, der durch eine Stadt gehen muss, weil er um einen Laib Brot bitten muss, weil er sonst verhungern wird, und der durch diese Stadt geht und eine Glocke schwenkt: „Lauft weg, weil ich bin es“. Eine schreckliche Wunde im Gesicht; er beobachtete, wie die kleinen Kinder wegliefen und wie die Leute ihn aus der Ferne mit Dingen bewarfen. Können Sie sich vorstellen, in was für einem Zustand der Demütigung sich ein solcher Mensch befindet? Es ist eines der schönsten Dinge der Kirche, das sie die Kranken davon überzeugt hat, dass sie sich so verhalten sollten. Denn eine schmerzhaftere Situation als diese kann man sich kaum vorstellen: Ein Mensch klingelt und ruft: „Flieht vor mir und habt Mitleid mit mir; Mache die Leere um mich herum, bis ich diese Stadt mit einigen Dingen durchquere, um an einen Ort zu gehen, an dem ich allein sein werde, isoliert von allen, allen Schrecken bereitend, verschlungen von meiner eigenen Lepra; Jahre und Jahre und Jahre in Schmerz und Einsamkeit, bis Gott will. Es ist etwas Gewaltiges. Das war die allgemeine Regel.

Und die Kirche lehrte die Aussätzigen stets mit ihrer außerordentlichen Weisheit nicht nur, dies zu tun, sondern lehrte auch den Menschen Almosen geben und die Aussätzigen fliehen sollten. Das ist das außergewöhnliche Gleichgewicht der Kirche. Und dann würde sie einige gesunde Männer oder einige gesunde Frauen, Priester oder Nonnen, hervorrufen, bei den Aussätzigen zu leben und sich um diejenigen zu kümmern, die isoliert lebten. Es ist unmöglich, die Ausgewogenheit noch weiter auszudehnen.

Was hat der hl. Ludwig getan? Der König steht über dem Gesetz. Es sei denn, es wäre ein von Gott erlassenes Gesetz, dem der König mehr als jeder andere gehorchen muss. Wenn es ein Gesetz wäre, das von Menschen gemacht wurde, könnte der König, der über dem Gesetz steht, es verletzen, weil er der Autor des Gesetzes ist. Er hat das Gesetz gebrochen. Und wenn Aussätzige seinen Weg entlangkamen, war es nicht ungewöhnlich, dass er anhielt, abstieg und mit dem Aussätzigen sprach. Und einmal küsste er sogar einen Aussätzigen.

Man sieht diesen König voller Herrlichkeit, der zu dem Aussätzigen geht, zu dem Mann, der mit der größten Schande belastet ist. Es handelt sich nicht um eine moralische Schande, sondern um eine Art gesellschaftliche Schande, um einen Hinweis auf soziale Degradierung. Bis dahin geht seine Zuneigung bei den Aussätzigen.

Man kann sich den Trost des Aussätzigen vorstellen, der sein ganzes Leben lang dachte: „Das ganze Königreich ist von mir angewidert. Aber der heilige Mann, der vollkommene Mann, der kühne Krieger, der keusche und fromme König, jemand, der der Ruhm und die Begeisterung der französischen Nation ist, dieser stieg von seinem Pferd, als wahrer Vater seiner Kinder, die am meisten leiden, und hatte er keine Angst vor mir. Er kam auf mich zu und hatte keine Angst, dass mein Aussatz sein königliches, aristokratisches, jugendliches und gesundes Fleisch befallen würde. Er hat mir geholfen, er hat mir ein paar tröstende Worte gegeben, er hat mir Gold geschenkt. Und ich werde mein ganzes Leben lang inmitten meiner Traurigkeit sagen: „Er hat für mich getan, was er für die höchsten Adligen seines Königreichs nicht getan hat.“

Wollen Sie eine größere Ausgewogenheit als ein Mann, der der großartigste in Europa war und so die letzten Stufen der Nächstenliebe und Demut herabstieg?

Wir könnten einen ganzen Abend damit verbringen, die Persönlichkeit des Heiligen Ludwig zu kommentieren und diese Gegensätze der Tugenden aufzuzeigen, die ihn zu einer Art lebendiger Symphonie machten, die alle begeisterte.

Dies wurde in der Sainte-Chapelle auf die großartigste Weise erreicht; sie war sein Werk.



Die Sainte-Chapelle ist etwas unvergleichliches, und sie war das einzige auf der Welt, vor dem, als ich ankam... – die Sainte-Chapelle hat zwei Stockwerke. Als ich das untere sah, war ich überrascht und sagte nur: Ah!!! Das schönste hatte ich noch nicht gesehen: nämlich das obere Stockwerk. Es ist etwas Unvergleichbares. Als ich in der Sainte Chapelle war, versuchte ich einen Akt des psychischen Abstands durchzuführen und die Persönlichkeit vom hl. Ludwig anhand der Sainte Chapelle zu rekonstruieren. Stellen Sie sich eine Kapelle vor, die vollständig aus Kristall besteht, ein Reliquienschrein mit fröhlichen Kristallen in zarten Farben. Und doch – seltsamerweise – gab es nichts Zerbrechliches, Verweichlichtes, Süßes; es ist ein ernstes, sehr ernstes und starkes Denkmal.

So, dass man sich darin wie in einer Festung fühlt; andererseits eine königliche Majestät, die man sonst nirgends findet. Aber man fühlt sich nicht eingeschüchtert: man fühlt sich wie zu Hause. Eine Reinheit in allem, so dass man sieht, dass sich ein unreiner Mensch dort nicht wohlfühlen kann. Aber so viel Zartheit, dass jeder Sünder an der Tür der Vergebung hängen bleibt. Alle Harmonien der Seele des hl. Ludwig sind da. Und das erklärt uns, warum die Menschheit ihn immer im Auge behalten hat.

Ein merkwürdiges Ereignis. Wir wissen, dass es in Europa wie überall Münzen gesammelt werden; es gibt Münzsammler. Die Münzen aus der Zeit des hl. Ludwig sind Münzen aus dem Mittelalter mit dem geringsten Wert. Denn da es mit dem Bildnis des Heiligen Ludwig geprägt war, wurden sie nach seinem Tod nicht mehr als Geld verwendet: Jeder behielt sie als Medaille, um sie an seine Nachkommen weiterzugeben. Es waren also die einzigen Münzen, die in großen Mengen erhalten blieben.


First écu, issued by 
Louis IX of France in 1266

Es ist eine Art Volksabstimmung, die kein Institut der öffentlichen Meinung einer bedeutsameren wie diese vorweisen kann. Ein Mann, der die Münze ausgeben könnte, sie aber als eine Medaille verehrt; er stirbt; seine Hände schließen sich und er sagt: „Ich gebe sie nicht aus. Ich mag Not leiden, aber sein Bildnis wird meine Hand nicht verlassen; es wird für meine Kinder und Kindeskinder bleiben; um es als Segen an alle Generationen weiterzugeben, die aus mir geboren wurden“.

Kennen wir eine größere Äußerung von Popularität?

Das ist die Gestalt des Heiligen Königs, die vielleicht ihresgleichen sucht. Aber wenn wir ihn betrachten, haben wir auf jeden Fall den Eindruck, dass sie seinesgleichen sucht; und dass auf ihn jene Worte zutreffen, die die Liturgie aus dem Alten Testament übernommen hat: „Non est inventum simili ili“ – in der Messe bestimmter Heiliger sagt die Liturgie: „Es wurde keiner wie er gefunden.“

Das sagt sie von vielen. Das ist kein Widerspruch, denn es sind solche Männer, wenn wir sie betrachten, sagt man: So etwas gab es nicht. Es gab niemanden wie den Heiligen Ludwig, den König von Frankreich.

Hier ist unsere begeisterte und Ehrfurchtsvolle Feier des großen Königs, der für uns alle ein Vorbild sein muss.

 

 

Übersetzung aus dem Portugiesischen des Vortrages über den Heiligen Ludwig IX. von Frankreich 
Heiliger des Tages am 27. August 1970.

Deutsch erstmals in www.p-c-o.blogspot.com

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