| Die kleine Bucht von Botafogo und der Zuckerhut sind Teil der Guanabara Bucht |
Plinio Corrêa de Oliveira
Catolicismo, Nr. 454, Oktober 1988
„Catolicismo“ präsentiert seinen Lesern heute
diesen unveröffentlichten Artikel. Er enthält die tiefgründigen Beobachtungen,
die der angesehene katholische Denker, Professor Plinio Corrêa de Oliveira, in
einer Sitzung für Mitglieder und Mitarbeiter der TFP über die Pracht der
brasilianischen Natur als Ausdruck der wahren Berufung unseres Vaterlandes
anstellte.
Die GUANABARA-BUCHT in Rio de Janeiro gilt zu Recht als eines der
schönsten Meerespanoramen der Welt. Viel wurde über ihre natürliche Schönheit
geschrieben.
Sie ließe sich jedoch auch aus einem
anderen Blickwinkel betrachten: als Inbegriff der unzähligen Landschaften
Brasiliens. Und in diesem Sinne umfasst es eine Synthese der Schönheit und
Erhabenheit unseres Landes – mal imposant, mal zart –, die den idealen Rahmen
für die großartigen Leistungen seiner Berufung bilden.
Dazu müssten wir uns von den
revolutionären und künstlichen Klischees befreien, mit denen die Propaganda Rio
de Janeiro so oft darstellt. Wir müssten für einen Moment gewisse Aspekte
ausblenden – leider sehr reale – wie die offenkundige Unsittlichkeit an den
Stränden, die Wolkenkratzer, Brücken, Hochstraßen, kurzum, all das, was den
modernen, kosmopolitischen Geist widerspiegelt, wie er in New York, Tokio,
Johannesburg und jeder anderen Megastadt der Welt herrscht. Doch all das hat
nichts mit dem einzigartigen Panorama der berühmten Guanabara-Bucht zu tun. Mit einem so reinen Blick können wir es
analysieren und verstehen, was es von der Größe Brasiliens widerspiegelt.
Größe, ja, das ist das richtige Wort. Vom menschlichen Geist durch die
visuellen Eindrücke erfasst, geht diese Erhabenheit weit über die schlichte
Schönheit hinaus, die den Sehsinn oberflächlich erfreut. Es geht also nicht nur
darum, das Blau des Meeres, die gewaltigen Wellen oder die ursprüngliche Form
der Bucht zu sehen. Es geht darum, darüber hinauszugehen.
WIEDERHOLUNG UND GEHEIMNIS
Beim Durchstreifen des Panoramas von
Rio de Janeiro fällt auf, dass sich die Formen der verschiedenen geographischen
Merkmale gewissermaßen wiederholen. Man kann also nicht sagen, dass der
Betrachter von einer Neuheit zur nächsten gelangt. Von einem Wunder zum
nächsten, ja; von einer Neuheit zur nächsten, nein. Hier und da findet sich
mehr als ein kleiner „Zuckerhut“, der
sich wie ein Echo des gewaltigen Zuckerhuts, des Zuckerhuts schlechthin,
wiederholt. Es gibt mehrere Buchten, die der Flamengo ähneln. Es gibt mehrere kleine „Copacabanas“, die den berühmten Strand wiederholen.
Christus der Erlöser breite weit seine Arme aus über die Bucht von Rio de Janeiro,
ein Abrisspanorama Brasiliens.
Wir finden Inseln in der Bucht, die
Überraschungen bereithalten. Doch selbst dort eröffnen sich dem aufmerksamsten
Betrachter immer wieder neue Überraschungen. Und in den Umrissen mancher Inseln
erkennt man Ähnlichkeiten mit anderen, die man erst kürzlich mit ähnlicher
Gestalt gesehen hat.
Andererseits fällt sofort auf, dass
dieses gewaltige Ensemble keine geometrische Ordnung aufweist, wie etwa die
Gärten von Versailles. Die Inseln der Bucht sind also nicht starr zueinander
angeordnet. Alles wirkt fantasievoll, anmutig, ganz und gar tropisch und formt
innerhalb des Gesamtpanoramas kleine Ausschnitte. Man könnte fast meinen, man
wolle eine dieser Landschaften mit der Schere ausschneiden, sie einzeln
betrachten und sagen: Hier ist das eine Panorama, dort das andere. Doch so
geschieht es nicht. Die Bucht ist so umfassend, dass sie sich aus der Summe all
dieser Panoramen zusammensetzt.
Welchen Eindruck hinterlässt ein
solch immenses Ensemble? Eine angenehme Verwirrung. Etwas so Unermessliches,
dass es sich auf diese Weise wiederholt – sich aber in Wirklichkeit nicht exakt
reproduziert –, ohne auch nur den geringsten Eindruck von Monotonie zu
erwecken, sondern im Gegenteil eine subtile Harmonie ausstrahlt. Eine
Unermesslichkeit, die in ihren Wiederholungen mit ihrem eigenen Ton den Zauber
jedes einzelnen dominanten Tons erneuert. Und es entsteht das Gefühl einer
unergründlichen Unermesslichkeit, die sich dennoch in ihrer Gänze in vielen
Details erschließt, die sie mit bezaubernder Fantasie wiederholen. Es ist ein
Raum, der von einer Art visuellem Echo erfüllt ist, das sich von allen Seiten
in verschiedenen Formen wiederholt, ohne jemals eintönig zu sein und selten
eine völlige Überraschung hervorruft. Wir bleiben zurück, ohne unsere eigene
Position in einem so reichen Panorama zu verstehen. Der Betrachter nimmt nur
einen Punkt darin ein. Er fühlt sich von allen Seiten angezogen, ohne zu
wissen, wohin er fliegen oder wo er landen soll, denn alles zieht ihn an.
Die brasilianischen Weiten, die die Guanabara-Bucht auf ihre Weise vereint,
haben diese Dimension; die brasilianische Seele besitzt eine vergleichbare
Größe! Sie spiegelt das ganze Land wider. Sie ist das Panorama einer Nation,
die für eine immense Zukunft bestimmt ist, die sich jedoch noch nicht offenbart
hat und die in der Gegenwart noch voller Unbekannter ist. Faszinierende
Unbekannte, deren Ergründung Intelligenz und Feingefühl erfordert und die
darauf warten, erklärt zu werden. Sobald sie offenbart sind, wird die Bucht
entschlüsselt sein, ebenso wie das Land selbst.
Doch schon von nun an ruft dies
Brasilien zu einer Berufung der Größe auf, ohne die die Nation ihre von der
Vorsehung vorgegebene Mission nicht vollständig verwirklichen kann. Es wird ihm
gesagt: Projiziere deine spirituelle Gestalt über die gesamte Ausdehnung deiner
Landkarte.
Daher kann Rio de Janeiro, aus der
Perspektive seines Panoramas betrachtet, als Synthese Brasiliens beschrieben
werden, als das Herz Brasiliens, das dort weiter schlägt, obwohl die Hauptstadt
offiziell nach Brasília verlegt wurde. Hier liegt eine geheimnisvolle Synthese
des Landes, eine Einladung in eine Zukunft voller geheimnisvoller Versprechen.
Wie faszinierend wäre es, mit einem
kleinen Boot die verschiedenen Orte der Guanabara-Bucht
zu erkunden um Brasilien zu entdecken…
DAS BRASILIEN DES MEERES
nur in der Guanabara-Bucht. Dort entfalten sie sich in einzigartiger Schönheit, denn sie ist der kostbare Edelstein, eingefasst in einen Ring – die brasilianische Küste. Doch auch an unserer Küste gibt es etwas, wo sich die Schönheit Guanabaras zu vervielfachen und entlang unseres Küstenstreifens auszubreiten scheint. Das Brasilien des Meeres bietet Abschnitte von solcher Schönheit, dass jeder einzelne ausreichen würde, um das maritime Panorama eines Landes hervorzuheben oder gar berühmt zu machen. Hätte ein Land nur einen dieser Gipfel maritimer Schönheit, wäre dieser natürlich der größte Anziehungspunkt seiner Küste. So zum Beispiel Salvador (BA), Cabo Frio (RJ) oder Fortaleza (CE), oder auch Ilha Bela und São Sebastião an der Küste von São Paulo. All dies, ohne die weitläufige, prachtvolle Küste von Santa Catarina zu erwähnen. Dieses wunderbare Ensemble blendet den Betrachter so sehr, dass ihm folgende Frage in den Sinn kommt: Warum diese Fülle an Schönheiten? Welche Geschichte wird sich vor dieser Kulisse noch entfalten? Welche Menschen sollten sich welchen Betrachtungen widmen und welche Wege beschreiten? Und welche Taten sollten dort vollbracht werden? Welchen Ruhm sollten sie erlangen?
| Der überdiemsionale Fluss Araguaia in Herzen Brasiliens |
Man spürt, dass jede dieser
Landschaften ein Höhepunkt für die Betrachtungen des hellsten Geistes ist. Die „Baía de Todos os Santos“ (Allerheiligenbucht)
und die darin liegende, im Sonnenuntergang erstrahlende Insel Itaparica haben im Nordosten eine
herausragende Stellung ein, vergleichbar mit der der Guanabara-Bucht an der gesamten brasilianischen Küste. In der
Allerheiligenbucht scheint sich die Schönheit aller nordöstlichen Strände und
Buchten in ihrer Gesamtheit zu verdichten und widerzuspiegeln.
Man kann sagen, dass in der
nördlichen Region von Maranhão und Pará bereits ein anderes Brasilien
entsteht, mit einer ganz eigenen Schönheit, die in São Luís so erhaben erstrahlt
und im Amazonasdelta aufregende und unverwechselbare Züge annimmt.
So gewaltig ist das Brasilien des
Küstenstreifens, vom Arroio Chuí an
der Grenze zu Uruguay, der ins Meer mündet, bis zum viel weiter entfernten Río Oiapoque, der ebenfalls ins Meer
mündet und Cabo Orange, den äußersten
Punkt unserer Nordküste, umspült.
ANDERE BRASILIEN
Doch es gibt noch so viele andere
Brasiliens: das Brasilien der Wälder, das Brasilien der Flüsse, das Brasilien
der Berge, das Brasilien der Felder, um nur einige zu nennen.
Das Brasilien der Wälder ist bereits
so bekannt und seine Schönheit so besungen, dass es hier keiner weiteren
Erwähnung bedarf.
Brasilien wiederum ist so gewaltig,
dass man sein ganzes Leben damit verbringen könnte, es aus ästhetischer und
metaphysischer Sicht, basierend auf der geografischen Realität, zu studieren
und zu bewundern. Das Geheimnis des Zusammentreffens der Gewässer des Rio Negro mit dem des Solimões-Amazonas beispielsweise ist ein
Thema für sich.
Man könnte Brasilien als ein Land
der Berge oder Gebirgsketten bezeichnen. Es gibt heroische, gewaltige
Gebirgszüge und sanft gerundete, bei denen jeder Berg wie eine Schwester wirkt,
die sich zärtlich an den anderen lehnt. Die Serra
dos Órgãos, die Bergkette um Rio de Janeiro, gehört beispielsweise zu
letzterem Typ.
Auf dem Flug von Belo Horizonte nach
Diamantina überfliegt man die Gebirgsketten von Minas Gerais. Sie wirken wie
aus Metall, mit gerade so viel Vegetation, dass das Gestein nicht allzu
deutlich hervortritt. Es sind unendlich viele Hügel – das Hochland –, die sich
in einem Spiel von Analogien wiederholen, ähnlich dem der Guanabara-Bucht auf
See. Berge vermehren sich, ihre Ausdehnung ist unermesslich, was wiederum die
Idee eines unermesslichen Schicksals suggeriert. Dort herrscht eine
Erhabenheit, deren Bedeutung noch nicht vollständig ergründet ist.
Da ist auch das Brasilien der
Felder. Sie bestehen aus endlosen Weiten, die unter anderem einen
bemerkenswerten Aspekt aufweisen: In jeder einzelnen Fläche scheinen
Sonnenaufgänge, Sonnenuntergänge und Mondlichter zu erstrahlen – geprägt von
spezifischen Zonen und Schönheiten –, die beinahe die Unterschiede zwischen den
Regionen markieren.
Meinen Erinnerun-gen an einen Aufenthalt in meiner Kindheit in der Region Araxá zufolge gibt es dort prächtige Sonnenuntergänge, die trocken, glühend und rötlich erschei-nen. Und der Boden dieser Gegend scheint die-ses Bild harmonisch zu vervollständigen, mit einer beach-tlichen Menge an Malacacheta-Steinen (Glimmer), die wie ein farbenfrohes und ab-wechslungsreiches Pflaster wirken. Die Weite, die sich dort ausbreitet, weckt Assoziationen an epische Schlachten, Heldentaten, Ruhm und Größe – nicht einer Vergangenheit, die nie existierte, sondern einer Zukunft, die die Menschheit erwartet, mit dem Versprechen großer Tage, die zu gegebener Zeit anbrechen werden.
In ganz Brasilien ist all dies zugleich zart und geheimnisvoll-episch.
Vergleichbare Pracht
Die verschiedenen Facetten der
Pracht Brasiliens scheinen auf den ersten Blick nicht zusammenzupassen. Man hat
den Eindruck, unser Heimatland sei wie ein handgeschriebenes Buch auf
prächtigem Papier oder feinem Pergament, dem noch der Einband fehlt.
Betrachtet man die verschiedenen
Aspekte der Pracht des Landes, möchte man ausrufen: Solch eine Pracht macht
Brasilien – man könnte sagen – beinahe unmöglich zu „binden“! Doch andererseits
wartet diese Pracht noch auf ihre Bindung. Es gibt weite Gebiete in unserem
Land, die im Allgemeinen unzureichend eingerahmt sind; doch wenn man sie
pflegt, mit einem Geist regionaler und nationaler Authentizität, der Nachahmung
und Künstlichkeit entgegensteht, können sie etwas von gesunder Originalität
hervorbringen, mit Aspekten, die noch ungeahnt sind.
All diese Faktoren ergeben eine
reiche Farbigkeit, einen reichen Ausdruck. Denn das brasilianische Geheimnis
ist ein Rätsel, das lächelt und umhüllt. Kein Stirnrunzeln ist darin zu sehen.
Dieses Geheimnis scheint Folgendes zu sagen: „Mein Sohn, ich offenbare mich dir
noch nicht, doch wisse, dass aus den Tiefen meines Nebels eine Zärtlichkeit,
ein Versprechen auf dich wartet. Das heutige Brasilien wird einem prächtigen
Palast gleichen, dessen Glanz dich nicht einschüchtern wird. Es wird die Frucht
deiner eigenen Größe sein. Und es wird dich wiederum noch größer machen.“
Die liebevolle Betrachtung dieser
Wirklichkeit ist der höchste Ausdruck von Patriotismus, denn sie entspringt der
Liebe Gottes. Sie sucht die Stimme des Schöpfers inmitten der Wunder der
Schöpfung. Wenn diese Stimme vernommen wird, wird die tiefste Bedeutung des
Wortes Brasilien erfasst sein. Vorher nicht.
Was ist dieses Brasilien, das uns in
den Möglichkeiten Gottes erwartet? Der mütterliche Schutz der Muttergottes wird
es uns zur rechten Zeit offenbaren!
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