Der morgige Gedenktag ist das Fest des Stuhls
des Heiligen Petrus in Rom. Dom Guéranger zitiert dazu in „L’Année Liturgique“
einen Auszug aus der Predigt Nr. 82 des hl. Leo des Großen. Die Worte des hl.
Leo des Großen lauten:
„Der gute, gerechte und allmächtige Gott, der
der Menschheit niemals seine Barmherzigkeit verweigerte und der durch den
Reichtum seiner Gaben alle Sterblichen befähigte, seinen Namen zu erkennen,
hatte in den geheimen Plänen seiner unermesslichen Liebe Mitleid mit der
willentlichen Blindheit der Menschen und der Bosheit, die sie in die
Erniedrigung stürzte, und sandte sein Wort, das ihm gleich und ewig ist.
Nun, da dieses Wort Fleisch geworden war,
verband es die göttliche Natur so eng mit der menschlichen, dass die
Erniedrigung der ersteren zu unserer Niedrigkeit für uns zum Beginn der
erhabensten Erhebung wurde.
Um aber die Wirkung dieser Gnade in der
ganzen Welt zu verbreiten, bereitete die Vorsehung das Römische Reich vor und
gab ihm so große Ausmaße, dass es die gesamte Völkerwelt in sich schloss. Für
die Vollendung dieses Vorhabens wurde etwas sehr Nützliches getan: dass die
verschiedenen Königreiche einen Bund zu einem einzigen Reich bildeten, damit
die allgemeine Verkündigung sie erreichen konnte.“ …damit es die Völker
schneller erreiche, die unter der Herrschaft einer einzigen Stadt vereint
waren. Diese Stadt, die den göttlichen Urheber ihrer Bestimmung nicht kannte,
hatte sich in dem Moment, als sie alle Völker unter ihre Gesetze brachte, deren
Irrtümern unterworfen und hielt sich für den Besitzer einer großen Religion,
weil sie keine Lüge ablehnte. Doch je härter sie vom Teufel beherrscht wurde,
desto wundersamer wurde sie von Christus besiegt. Als die zwölf Apostel,
nachdem sie vom Heiligen Geist die Gabe der Sprache empfangen hatten, sich in
alle Welt zerstreuten und die Verantwortung für die Verbreitung des Evangeliums
übernahmen, erhielt der selige Petrus, der Fürst der Apostel, die Festung des
Römischen Reiches als Erbe, damit sich das Licht der Wahrheit, das zur Rettung
aller Völker offenbart wurde, wirksamer ausbreiten und vom Zentrum dieses
Reiches über die ganze Welt verbreiten konnte. Welches Volk hatte denn nicht
zahlreiche Vertreter in dieser Stadt? Welches Volk kannte die Lehre Roms nicht?
Dort sollten die philosophischen Ansichten, die Eitelkeiten irdischer Weisheit,
verworfen, die Dämonenverehrung widerlegt und endgültig vernichtet, die
Gottlosigkeit aller Opfergaben, genau dort, wo ein raffinierter Aberglaube all
das zusammengetragen hatte, was die verschiedenen Irrtümer hervorgebracht
hatten."
Ich habe den Eindruck, dies aus Andacht gelesen zu habe, um mich mit dem Text vertraut zu machen, doch für die Ohren der neuen
Generation ist diese lange Abfolge von Sätzen und Gedanken redundant [nahezu
unverständlich]. Daher werde ich eine aktualisierte Fassung – wie sagt man,
eine Fassung des Konzils? – des Inhalts wiedergeben. Die Fassung “aggiornata” lautet
wie folgt:
Der erste Gedanke ist, dass die Menschheit in
einem extrem erniedrigten Zustand war und dass unser Herr Jesus Christus, die
zweite Person der Heiligen Dreifaltigkeit, sich selbst inkarnierte und dadurch
einen unermesslichen Abstieg vollzog, da er vom höchsten Himmel in die
Unendlichkeit eines erniedrigten Zustands führte. Es besteht jedoch eine
Entsprechung zwischen der Ungeheuerlichkeit dieses Abstiegs und der
Ungeheuerlichkeit des Aufstiegs, den die Menschheit erfahren hat, denn so wie
Gott sich durch seine Inkarnation unermesslich erniedrigte, wurden wir durch
seine Inkarnation unermesslich erhöht. Es gibt das Sprichwort: „Je höher die
Höhe, desto tiefer der Fall.“ Hier könnte man mit angemessener Verhältnismäßigkeit
sagen: Je tiefer der Fall, desto größer die Höhe; je mehr Gott sich
erniedrigte, desto gewaltiger wurden wir durch ihn emporgehoben.
Dann wird hier die unermessliche Gnade des
Weihnachtstages hervorgehoben, die den Menschen die erhabene und unbegreifliche
Erhöhung der menschlichen Natur durch die hypostatische Union in der zweiten
Person der Heiligen Dreifaltigkeit offenbart. Dies ist der erste Gedanke.
Nun zum zweiten Gedanken: Diese Gunst der
Vorsehung konnte ihre volle Wirkung nur durch die Entstehung des Römischen
Reiches entfalten, denn das Römische Reich war ein riesiges Reich, das alle
Nationen der Mittelmeerküste und viele weitere umfasste. Bekanntlich erstreckte
sich das Römische Reich bis zum heutigen England und einem kleinen Teil
Schottlands und berührte im Süden die Grenzen Äthiopiens.
Nordafrika war in römischer Zeit dicht
besiedelt, fruchtbar und vollständig von Lateinern beherrscht, und die römische
Macht reichte bis nach Persien und beinahe bis nach Indien. Man könnte also
sagen, die damals bekannte Welt war vollständig römisch. Das heißt, unzählige
Nationen wurden unter einem einzigen Reich vereint. Anschließend zeigt er auf,
warum diese Vereinigung der Verbreitung des enormen Segens diente, der aus
Christi Inkarnation und der Erhöhung der menschlichen Natur resultierte. Dafür nennt er einige Gründe.
Ein Grund dafür liegt darin, dass es ohne Grenzen viel
einfacher war, nur eine Religion zu haben, denn wo es nur einen Staat gibt,
passt die Idee einer einzigen Religion leichter. Dadurch bereitete die Einheit
des Römischen Reiches, die bürgerliche Einheit, die Menschen auf die Akzeptanz
religiöser Einheit vor.
Dann entwickelt er jedoch eine anschaulichere
Vorstellung: Die Stadt Rom war wie ein Herz, das mit systolischem und
diastolischem Puls Blut in sich trug, das durch das ganze Reich zirkulierte.
Und in Rom lebten Bürger, Einwohner aus allen Teilen des Reiches, die entweder
in Rom wohnten und von dort aus Einfluss auf ihre jeweiligen Provinzen ausübten
oder ständig auf Reisen waren.
Damit trugen sie den Einfluss Roms bis in die
entlegensten Winkel. Rom war wie ein Herz, das Menschen aus dem ganzen Reich
anzog und zugleich aussandte: römische Beamte, Legionäre und den gesamten
römischen Verwaltungs- und Militärapparat. Durch die Christianisierung Roms
wurde der strategische Punkt für die Christianisierung des Reiches erobert. Und
mit der Christianisierung des Reiches war potenziell die ganze Welt
christianisiert.
Er erklärt weiter, warum Rom nach Gottes souveränem Plan
zur Papststadt auserwählt wurde: weil es eine strategisch wichtige Stadt war,
in der die Botschaft des Heils weiter verbreitet werden konnte.
Daher kommt der Stuhl des heiligen Petrus, der verehrt
werden soll. Der Stuhl des heiligen Petrus stand im neuralgischen Zentrum der
Welt. Er war der Ort des weltweiten Einflusses und „impfte“ dadurch die
katholische Erneuerung in der ganzen Welt, verbreitete den wahren Glauben und
trug zur Verbreitung der Kirche bei.
Das Schöne daran ist: Wie die Vorsehung auf interessante
Weise politisch wirkt – und ich scheue mich nicht, das Wort „politisch“ zu
verwenden. Solange die Kirche klein und schwach war, musste ihr Sitz in der
wichtigsten Stadt der Welt liegen, um von dort aus ihren Einfluss zu verbreiten.
Nachdem sich die Kirche aber über die ganze Welt ausgebreitet hatte, war es
angemessen, dass der Papst, der zu einer sehr mächtigen Persönlichkeit geworden
war, nicht in der wichtigsten Stadt der Welt mit der größten weltlichen Macht
residierte, da sonst Reibungen entstanden wären. Im Gegenteil, irgendwann durfte
Rom nicht mehr die politische Hauptstadt der Welt sein. Und so verließ
Konstantin Rom und zog nach Byzanz. Manche führen dies darauf zurück, dass der
Kaiser den Papst nicht störte, doch das ist umstritten, denn Rom war nicht mehr
die Hauptstadt des Reiches. Die Hauptstadt des Reiches war Mailand, dann
Ravenna; Rom war nicht mehr die Hauptstadt. Rom wurde jedoch nie wieder
Hauptstadt eines Landes, das eine internationale Macht war. Wir hatten das Rom
der Päpste, das stets ein kleiner weltlicher Staat war, und nach dem Rom der
Päpste kam das karnevaleske savoyische Rom, das Rom der Savoyer, Hauptstadt des
Königreichs Italien. Dieses Rom war die Hauptstadt eines Staates von gewisser
Bedeutung in Europa, aber nicht eines Staates von Weltrang, einer politischen
und militärischen Weltmacht; eines Staates mit weltweitem kulturellen Einfluss,
ja; einer politischen und militärischen Weltmacht, nein.
Nun konnte sich eine Art Unterdrückung des religiösen
Roms durch das zivile, mächtige Rom abzeichnen. Was geschah? Das Unerwartetste
überhaupt geschah. Um die Demütigung des Papstes fortzusetzen, war das Rom der
Savoyer zunächst ein konstitutionelles Rom und wandelte sich dann in eine
Republik um. Doch bei den Wahlen zeigte sich, dass der Papst den größten
Einfluss auf die Wähler in Italien hatte. Und heute, hinter der
christdemokratischen Regierung, ist es der Papst, der regiert. Die Rollen haben
sich also umgekehrt, und anstatt dass das weltliche Rom das religiöse Rom regiert,
haben wir nun, bis zu einem gewissen Grad, das religiöse Rom, das das weltliche
Rom regiert. Der Plan, das Papsttum von der weltlichen Macht zu unterdrücken,
hat sich somit nicht erfüllt.
Wird diese christlich-demokratische Regierung die
bestmögliche sein? Dazu haben wir uns bereits eine Meinung gebildet. Eines ist
sicher: Wenn der heilige Pius X. auf dem Papstthron säße, wäre Italien das am
besten regierte Land der Welt. Daran besteht kein Zweifel! Ich weiß nicht, ob
das verständlich ist oder ob jemand dazu noch Fragen hat.
Nun, symbolisch steht der Stuhl für Macht, für die
Institution, für das Papsttum, für das Pontifikat. Er erinnert an die
Kontinuität dieser Institution durch all die so unterschiedlichen Männer
hindurch, die sie innehatten.
Und er erinnert somit an die höchste Leitung der Heiligen
Katholischen, Apostolischen, Römischen Kirche. Er erinnert an das Haupt der
Kirche. Wenn menschliche Wechselfälle diesem Stuhl mehr oder weniger Glanz
verleihen oder ihn gar in Dunkelheit hüllen mögen, bleibt er doch immer derselbe.
Und die höchste Leitung der Kirche ist das Haupt der Kirche, und wenn man
jemanden liebt, liebt man ihn vor allem wegen seines Antlitzes, seines Hauptes.
Und deshalb muss unsere Liebe zur Heiligen Katholischen, Apostolischen,
Römischen Kirche, die eine absolut grenzenlose und über allem Irdischen
stehende Liebe ist, besonders dem Papsttum und dem Stuhl des heiligen Petrus
gelten, wer auch immer ihn innehaben mag.
Denn dieser ist Petrus, dem der goldene und der silberne
Schlüssel gegeben wurde, der Schlüssel zum Himmel und zur indirekten Macht auf
Erden. Diesem Petrus küssen wir im Geiste die Füße als Ausdruck unserer
Ehrerbietung und Verbundenheit, denn in Bezug auf den Stuhl des heiligen Petrus
sind unsere Liebe, unser Gehorsam und unsere Verehrung grenzenlos. Und es war
besonders angebracht, dies heute Abend zu betonen.

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