(Aus dem Flammengebet
des Heiligen)
Kommentare von Plinio Correa de Oliveira
„Sende Priester, frei von irdischer Anhänglichkeit, losgeschält von allem,
von Vater und Mutter, von Brüdern und Schwestern, ohne Eltern dem Fleische
nach, ohne Freunde der Welt nach, ohne Güter, frei von Hindernissen, und selbst
vom eigenen Willen.“
Selbstverständlich
haben wir eine sehr genaue Vorstellung der Aufgaben der Priester; es wäre aber
interessant, wenn wir ein genaues Wissen über unsere eigenen Aufgaben hätten.
Wenn wir schon Sklaven Mariens sein wollen, ist es angebracht zu wissen, in
welchen Grenzen und in welchem Maß dies, was der hl. Ludwig beschreibt, auch
uns betreffen kann.
So sollten wir für
Berufungen beten, die „frei sind, die in der Freiheit Gottes und Mariens leben,
losgeschält von allem, ohne Vater, ohne Mutter, ohne Brüder, ohne Schwestern,
ohne Verwandten dem Fleische nach, ohne Freunde der Welt nach“.
Das bedeutet, dass es
sich nicht nur um Vater, Mutter, Bruder und Schwester handelt — was schon nicht
wenig ist —, sondern keine Verbindung mit dem Gesamten dessen, was Welt,
Gesellschaft bedeutet, mit der ihr eigenen Mentalität, ihrem Stil, ihrer
Psychologie. Von all dem soll man losgeschält sein, aber so, dass jegliche
Anhänglichkeit verbannt ist.
Stellen wir uns vor,
auf einer einsamen Insel wäre das Reich Mariens etabliert worden. Es gäbe dort
eine schöne Stadt, wo alles im Sinne und in der Art des Reiches Mariens abläuft.
Wir würden dort wohnen, in der Abscheu aller Übel und der Zustände der gegenwärtigen
Welt. Ein jeder stelle sich vor, dort leben zu können. Im ersten Moment wären
wir bezaubert, begeistert, verzückt. Im zweiten Monat, würden wird alles normal
finden. Im dritten würde der Eine oder Andere meinen, dass es wohl an der Zeit
wäre, mit der Fähre wieder zurück zum Festland zu fahren.
Gäbe es leider nicht
den Einen oder Anderen, der einen Grund finden würde, um zurück zu fahren, weil
im Unterbewusstsein ein gewisses Heimweh nach dem, was nicht das Reich Mariens
ausmacht? Wir könnten uns vorstellen: Straßen mit wenig Menschen, langsame
Bewegungen, sehr bedächtige, einsichtige, gehobene, tugendhafte Menschen mit
würdigem und vornehmem Benehmen. Alles würde gemäß der Vernunft und eines
gesunden Verstandes ablaufen. Würde das allen gefallen? Ich möchte glauben, der
großen Mehrheit schon. Doch dem einen oder anderen möglicherweise nicht. Es
wäre sehr gut eine Gewissenserforschung zu machen, um herauszubekommen, ob man zu
der einen oder der anderen Gruppe gehören würde. Ich glaube, dies ist ein
Punkt, in dem man die hier enthaltene Frage aufgreift und sich stellt: keine
Anhänglichkeiten, keine Liebe zu den weltlichen Dingen und der Lage der Welt zu
haben.
„Um Sklaven Deiner Liebe und Deines Willens bitte ich; um Männer nach
Deinem Herzen, die nicht ihren eigenen Willen durchzusetzen suchen, der sie nur
befleckt und hemmt, sondern in allem Deinen Willen tun und gleichwie David mit
dem Stock des Kreuzes und der Schleuder des heiligen Rosenkranzes in der Hand,
alle Deine Feinde niederschlagen: in baculo Cruce et in virga Virgine“ (Vgl. 1 Kön 17,40 und Ps 22,4).
Betrachten wir diese
herrliche Verbindung, die der hl. Ludwig herstellt zwischen den Sklaven aus
Liebe zu Gott, die ihren eigenen Willen nicht durchsetzen und doch die Feinde
Gottes niederschlagen. Hier sieht man die Fruchtbarkeit des Gehorsams. Wer
gehorsam ist, wer fügsam die Absichten der göttlichen Vorsehung befolgt, der
zerschlägt die Feinde Gottes. Wer sich den Absichten Gottes nicht fügt, der
besiegt nicht die Feinde Gottes.
Was bedeutet hier,
keinen eigene Willen haben? Es bedeutet, keinen anderen Willen haben, als nur
den, den Gott von uns erwartet. Dass wir nur genau das wollen, was Gott von uns
will. Keine schlechten, niedrigen Dinge wollen, sondern nur das, was recht,
ordentlich, gemäß der Lehre der Kirche ist. Das bedeutet, keinen eigenen Willen
haben. Wer so ist, wird die Feinde Gottes besiegen.
„Seelen, welche wie Wolken der Erde entrückt und
erfüllt mit himmlischem Tau, ohne Hindernis überall hinfliegen nach dem Wehen
des Heiligen Geistes.“
Das heißt, wer so
ist, der ist Fruchtbar; er fliegt überall hin und lässt die Gnaden Gottes
allerorten herabrieseln.
„Seelen, die immer für Dich zur Verfügung stehen,
immer bereit, Dir zu gehorchen, immer lauschend auf die Stimme ihrer
Vorgesetzten, wie Samuel: Praesto sum; immer bereit, hinzugehen und alles mit
Dir und für Dich zu leiden, wie die Apostel.“
Das heißt Menschen,
die bereit sind, alle Unannehmlichkeiten, jedes Opfer, alle Entsagungen, nicht
nur die außergewöhnlichen, sondern die des alltäglichen Lebens, die kleinen und
lästigen Dinge des Alltags auf sich zu nehmen. Muss ein Brief geschrieben
werden, schreiben; muss man einem lästigen Mitmenschen zulächeln, lächeln; kommt
ein ungelegener Telefonanruf, annehmen; trotz Müdigkeit früh aufstehen; und das
alles zwei, drei, fünf Mal; kleine Ungerechtigkeiten hinnehmen usw. Das ist die
Art des Gehorsams, der hier gelobt wird.
„Diener der seligsten Jungfrau, die wie der hl.
Dominikus, die leuchtende und brennende Fackel des heiligen Evangeliums im
Munde und den heiligen Rosenkranz in der Hand, überallhin gehen, um zu bellen
wie treue Hunde, um zu brennen wie Feuer und um die Finsternis der Welt zu
erhellen wie die Sonne. Beglücke uns mit Männern, die durch eine wahre Andacht
zu Maria, ohne Heuchelei und Wankelmut, mit Demut, Klugheit und Eifer überall,
wohin sie kommen, der alten Schlange den Kopf zertreten.“
Wir sehen hier den
versprochenen Sieg denen, die mit Maria vereint sind, die überall dieses Werk
des Lichtes verrichten und den Kopf der Schlange zertreten werden.
„Damit so der Fluch sich erfülle, den Du gegen sie
geschleudert hast: Inimicitias ponam inter te et mulierem, et semen tuum et
semen ipsius : ipsa conteret caput tuum“ (Gen. 3,13).
Das heißt, der Fluch
ist noch nicht völlig erfüllt und es ist nötig, dass er sich erfülle. Die
Vollführer dieser Aufgabe werden eben die Sklaven Mariens sein. Als Sklaven
Mariens dürfen wir erwarten, die Vollführer dieser Aufgabe zu sein.
Freie Übersetzung der Aufzeichnung des Vortrags an ein nicht
überliefertes Datum im Jahre 1964.
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