Donnerstag, 9. Februar 2017

Der Lateranvertrag von 1929

Zum 1929 unterzeichneten Lateranvertrag zwischen der Katholischen Kirche und dem Italienischen Staat gab es im Nachhinein kritische Reaktionen gegenüber dem Papst (Pius XI.). Antiklerikale Bewegungen warfen dem Papst vor, den Bedingungen des italienischen Staates nachgegeben zu haben, bezüglich der Größe des von der Kirche zu verwaltenden autonomen Territoriums. Der Autor des Artikels zeigt mit welcher Gelassenheit und Souveränität der Papst sein Territorium sichern konnte.
Basilika St. Johannes im Lateran, Rom, im 19. Jhdt.

„Gebt dem Kaiser“

Plinio Correa de Oliveira

Nachrichtenagenturen brachten uns vor einigen Tagen Meldungen zum ersten Jahrestag des Lateranvertrages. Vor fast einem Jahr feierte die Menschheit mit Jubel eine der in der Geschichte verzeichneten gerechtesten politischen Reparationen. Das mit dem Bürgertum und Aristokratie verbündete römische Volk war einstimmig vereint, um den Vertretern der Tiara und der Krone in St. Johannes im Lateran ihren Beifall zu spenden, als sie den berühmten Vertrag unterschrieben.
Diesem offenherzigen Erweisen einer unverhohlenen aufrichtigen Freude, schloss sich die ganze Welt an, durch die am Heiligen Stuhl akkreditierten diplomatischen Vertreter, die ohne Ausnahme dem Oberhaupt der Christenheit (Pius XI.) die Glückwünsche ihrer Landesherren und Staatschefs überbracht haben. Beim vom diplomatischen Korps dargebotenen Bankett, drängten sich die Botschafter des höchst katholischen Spaniens, Frankreichs, der erstgeborenen Tochter der Kirche, des anglikanischen Englands, des buddhistischen Japans, des protestantischen Deutschlands und aller anderen Länder der Welt. Kein Anzeichen des Missfallens hatte den Glanz dieser Feier getrübt.
Doch im Nachhinein wurde langsam Missbilligungsgemurmel hörbar. Nach und nach wurde die antilateranische Bewegung stärker und zählt heute in der ganzen Welt zahlreiche Anhänger. Es ist jedoch notwendig, dass die Katholiken sich wappnen, um die eingenommene Haltung ihres Oberhauptes zu verteidigen und dazu ist es notwendig, die aufkommende Kampagne unter ihren zahlreichen Aspekten zu studieren.
Eines der interessantesten Aspekte ist der, das gewisse Personen, die sich als Anhänger Mussolinis ausgeben, den Heiligen Stuhl angreifen wollen. Es ist ein hinterhältiges Manöver. Indem sie sich unter dem Mantel des Faschismus verbergen, greifen sie den Heiligen Stuhl an, und geben den Anschein ebenfalls den Fascio anzugreifen.
Dies ist zum Beispiel die Haltung des Herrn Missiroli in seinem Buch „Date a Cesare“, das schon auf dem Index steht und gegen welches die Zeitschrift La Croix gut begründete Bedenken erhebt.
Herr Missiroli möchte, kurz gesagt, behaupten, dass der Lateranvertrag ein Sieg des Caesars war. Seine an sich uninteressante These verursachte ein gewisses unruhiges Aufsehen in antifaschistischen und antiklerikalen Kreisen Europas.
Pius XI.
Herr Missiroli behauptet, der Heilige Vater hätte sich den Auflagen Benito Mussolinis gebeugt. Um seine Behauptungen zu begründen, erhielt Herr Missiroli die einleitenden Entwürfe des Vertrages zur Einsicht.
Doch in diesen Entwürfen liest man genau das Gegenteil von dem, was Herr Missiroli gelesen hat: Der Heilige Vater bestand immer auf die Anerkennung der Päpstlichen Souveränität auf ein gewisses Territorium. Das zunächst vom Papst verlangte Ausmaß dieses Territoriums, war größer, als es gegenwärtig ist. Es muss aber vermerkt werden, dass Seine Heiligkeit mit großer Leichtigkeit den Bitten Mussolinis um Verkleinerung des Territoriums nachgegeben hat, weil die territoriale Größe des künftigen Päpstlichen Staates nur eine Detailfrage war.
Man bedenke aber, dass bezüglich des Kernpunktes des Vertrages, die Anerkennung der Päpstlichen Souveränität, Mussolini lange Widerstand leitete, letztlich aber nachgab, was bei dem Regierungschef Italiens eigentlich nicht üblich war. Die Verhandlungen wurden monatelang ausgesetzt, gerade durch den Widerstand des Ministerpräsidenten, ein Widerstand, der der unnachgiebigen Haltung des Heiligen Vaters auf der anderen Seite entsprach.
So war es, dass Mussolini gegenüber dem Punkt der Souveränität des Papstes nachgab, nachdem dieser bezüglich der Größe des Territoriums nachgegeben hatte, und so das göttliche Gebot „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist“ in seiner ganzen Bedeutung angewandt wurde, ganz anders als es Herr Missiroli geschmiedet hatte.
Zum Abschluss möchten wir daran erinnern, was der Heilige Vater in einer Ansprache an römische Seminaristen, die ihn besuchten, über das Territorium der Vatikanstadt ungefähr gesagt hat: „Der hl. Franziskus von Assisi sagte, nicht mehr Fleisch haben zu wollen, als es für den Erhalt seiner Seele notwendig sei. Auch Wir wollten nur den Teil des Territoriums haben, der zum Erhalt Unserer Souveränität ausreichen würde.“
Dieser äußerst pittoreske Vergleich, in dem die Souveränität die Seele des Territoriums darstellt, gibt uns naturgetreu die Gefühle des Heiligen Vaters wieder.
Wenn der Papst eine etwas größere Fläche für das Territorium erbat, als sie derzeitig ist, war es lediglich für eine größere Bequemlichkeit der Verteilung der Einrichtungen in der Vatikanstadt. Da er feststellte, dass er seine Nachgiebigkeit weiter ausweiten und das Prinzip des hl. Franziskus, das er sich selbst aufgelegt hatte, strenggenommen noch anwenden konnte, zögerte er nicht es zu tun.
Sollte der Heilige Vater also nachgegeben haben?
Die neutralen Denker, jene, dessen Geistesklarheit, im Gegensatz zu Herrn Missiroli, durch Unredlichkeit nicht getrübt ist, mögen, anhand der zitierten Tatsachen, die übrigens durch die von Herrn Missiroli zu seinen Gunsten angerufenen Dokumente bestätigt werden, antworten.


Freie Übersetzung des Artikels „Date a Cesare“ aus „O Legionário“, Nr. 52 vom 9. Februar 1930

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