Zum 1929 unterzeichneten Lateranvertrag zwischen der
Katholischen Kirche und dem Italienischen Staat gab es im Nachhinein kritische
Reaktionen gegenüber dem Papst (Pius XI.). Antiklerikale Bewegungen warfen dem
Papst vor, den Bedingungen des italienischen Staates nachgegeben zu haben,
bezüglich der Größe des von der Kirche zu verwaltenden autonomen Territoriums.
Der Autor des Artikels zeigt mit welcher Gelassenheit und Souveränität der
Papst sein Territorium sichern konnte.
Basilika St. Johannes im Lateran, Rom, im 19. Jhdt. |
„Gebt dem Kaiser“
Plinio Correa de Oliveira
Nachrichtenagenturen brachten uns vor einigen Tagen
Meldungen zum ersten Jahrestag des Lateranvertrages. Vor fast einem Jahr
feierte die Menschheit mit Jubel eine der in der Geschichte verzeichneten
gerechtesten politischen Reparationen. Das mit dem Bürgertum und Aristokratie
verbündete römische Volk war einstimmig vereint, um den Vertretern der Tiara
und der Krone in St. Johannes im Lateran ihren Beifall zu spenden, als sie den
berühmten Vertrag unterschrieben.
Diesem offenherzigen Erweisen einer unverhohlenen
aufrichtigen Freude, schloss sich die ganze Welt an, durch die am Heiligen Stuhl
akkreditierten diplomatischen Vertreter, die ohne Ausnahme dem Oberhaupt der
Christenheit (Pius XI.) die Glückwünsche ihrer Landesherren und Staatschefs
überbracht haben. Beim vom diplomatischen Korps dargebotenen Bankett, drängten
sich die Botschafter des höchst katholischen Spaniens, Frankreichs, der erstgeborenen Tochter der Kirche, des anglikanischen Englands, des
buddhistischen Japans, des protestantischen Deutschlands und aller anderen
Länder der Welt. Kein Anzeichen des Missfallens hatte den Glanz dieser Feier
getrübt.
Doch im Nachhinein wurde langsam Missbilligungsgemurmel
hörbar. Nach und nach wurde die antilateranische Bewegung stärker und zählt
heute in der ganzen Welt zahlreiche Anhänger. Es ist jedoch notwendig, dass die
Katholiken sich wappnen, um die eingenommene Haltung ihres Oberhauptes zu
verteidigen und dazu ist es notwendig, die aufkommende Kampagne unter ihren
zahlreichen Aspekten zu studieren.
Eines der interessantesten Aspekte ist der, das gewisse
Personen, die sich als Anhänger Mussolinis ausgeben, den Heiligen Stuhl
angreifen wollen. Es ist ein hinterhältiges Manöver. Indem sie sich unter dem
Mantel des Faschismus verbergen, greifen sie den Heiligen Stuhl an, und geben
den Anschein ebenfalls den Fascio anzugreifen.
Dies ist zum Beispiel die Haltung des Herrn Missiroli in
seinem Buch „Date a Cesare“, das schon auf dem Index steht und gegen welches die
Zeitschrift La Croix gut begründete Bedenken erhebt.
Herr Missiroli möchte, kurz gesagt, behaupten, dass der
Lateranvertrag ein Sieg des Caesars war. Seine an sich uninteressante These
verursachte ein gewisses unruhiges Aufsehen in antifaschistischen und
antiklerikalen Kreisen Europas.
Pius XI. |
Herr Missiroli behauptet, der Heilige Vater hätte sich
den Auflagen Benito Mussolinis gebeugt. Um seine Behauptungen zu begründen,
erhielt Herr Missiroli die einleitenden Entwürfe des Vertrages zur Einsicht.
Doch in diesen Entwürfen liest man genau das Gegenteil
von dem, was Herr Missiroli gelesen hat: Der Heilige Vater bestand immer auf
die Anerkennung der Päpstlichen Souveränität auf ein gewisses Territorium. Das
zunächst vom Papst verlangte Ausmaß dieses Territoriums, war größer, als es
gegenwärtig ist. Es muss aber vermerkt werden, dass Seine Heiligkeit mit großer
Leichtigkeit den Bitten Mussolinis um Verkleinerung des Territoriums
nachgegeben hat, weil die territoriale Größe des künftigen Päpstlichen Staates nur
eine Detailfrage war.
Man bedenke aber, dass bezüglich des Kernpunktes des
Vertrages, die Anerkennung der Päpstlichen Souveränität, Mussolini lange
Widerstand leitete, letztlich aber nachgab, was bei dem Regierungschef Italiens
eigentlich nicht üblich war. Die Verhandlungen wurden monatelang ausgesetzt,
gerade durch den Widerstand des Ministerpräsidenten, ein Widerstand, der der
unnachgiebigen Haltung des Heiligen Vaters auf der anderen Seite entsprach.
So war es, dass Mussolini gegenüber dem Punkt der
Souveränität des Papstes nachgab, nachdem dieser bezüglich der Größe des
Territoriums nachgegeben hatte, und so das göttliche Gebot „Gebt dem Kaiser,
was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist“ in seiner ganzen Bedeutung
angewandt wurde, ganz anders als es Herr Missiroli geschmiedet hatte.
Zum Abschluss möchten wir daran erinnern, was der Heilige
Vater in einer Ansprache an römische Seminaristen, die ihn besuchten, über das
Territorium der Vatikanstadt ungefähr gesagt hat: „Der hl. Franziskus von
Assisi sagte, nicht mehr Fleisch haben zu wollen, als es für den Erhalt seiner
Seele notwendig sei. Auch Wir wollten nur den Teil des Territoriums haben, der
zum Erhalt Unserer Souveränität ausreichen würde.“
Dieser äußerst pittoreske Vergleich, in dem die
Souveränität die Seele des Territoriums darstellt, gibt uns naturgetreu die
Gefühle des Heiligen Vaters wieder.
Wenn der Papst eine etwas größere Fläche für das
Territorium erbat, als sie derzeitig ist, war es lediglich für eine größere
Bequemlichkeit der Verteilung der Einrichtungen in der Vatikanstadt. Da er
feststellte, dass er seine Nachgiebigkeit weiter ausweiten und das Prinzip des
hl. Franziskus, das er sich selbst aufgelegt hatte, strenggenommen noch
anwenden konnte, zögerte er nicht es zu tun.
Sollte der Heilige Vater also nachgegeben haben?
Die neutralen Denker, jene, dessen Geistesklarheit, im
Gegensatz zu Herrn Missiroli, durch Unredlichkeit nicht getrübt ist, mögen,
anhand der zitierten Tatsachen, die übrigens durch die von Herrn Missiroli zu
seinen Gunsten angerufenen Dokumente bestätigt werden, antworten.
Freie Übersetzung des Artikels „Date a Cesare“ aus „O
Legionário“, Nr. 52 vom 9. Februar
1930
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