am 19. Januar 1944
Die besten Mitglieder des
römischen Adels haben stark unter dem faschistischen Regime gelitten, dessen
eindeutig sozialistische Gesetzgebung sie ihres Hab und Gut weitgehend
beraubte. Doch selbst dann neigten sie ihr Haupt nicht und verweigerten während
der Naziherrschaft die Übernahme von „quislings“-Ämter (als Kollaborateure),
die ihnen unter Androhungen und Versprechen angeboten wurden.
Unser Bild zeigt von links
nach rechts die Fürsten Colonna und Massimo und einen Geheimkämmerer mit Mantel
und Schwert „di numero“ in ihren schönen und traditionellen
Zerimonienkleidungen des päpstlichen Hofes.
In einer der letzten
Nummer dieser Zeitung brachten wir eine Zusammenfassung von
Nachrichtenagenturen der Ansprache die unser Heiliger Vater an die Mitglieder
des römischen Adels richtete, die er in einer Sonderaudienz empfangen hatte.
Heute bringen wir eine vollständigere Zusammenfassung dieser wichtigen und
aktuellen Ansprache, die uns von der katholischen Agentur N.C. geliefert wurde.
Die Ansprache des Heiligen
Vaters war eine Antwort auf die Begrüßungsworte die ihm der Fürst Marcantonio
Colonna richtete.
Pius XII. sagte, die Welt
stehe heute vor einer der größten Verwirrungen ihrer Geschichte, aus der eine
neue Ordnung hervorgehen wird. Als er vor der Gefahr warnte, sich zu sehr an
die Vergangenheit zu binden, sprach er sich auch gegen verwegene Abenteuerlust
und gegen verblendete Propheten, die von einer falschen und trügerischen
Zukunft reden. Er unterstrich die Notwendigkeit sich immer nach den ewigen
Wahrheiten der Kirche zu orientieren.
Die angemessene
Fortführung der Tradition — sagte Seine Heiligkeit — verlangt von jedem
Einzelnen die heldenhafte Erfüllung der von Gott aufgetragenen Aufgabe, zu der
er berufen wurde, das heißt, an der Vervollkommnung der neuen Ordnung, die aus
der derzeitigen universalen Krise hervorgehen wird, aktiv mitzuwirken.
Die Tugend der Tradition
Viele glauben— fügte der
Papst hinzu —, Tradition sei nichts anderes als die blasse Spur einer Vergangenheit,
die schon nicht mehr ist und nicht mehr wiederkehren kann, die allerhöchstens
mit Verehrung zur Aufbewahrung in ein Museum verwiesen wird. Die Tradition ist
jedoch etwas ganz anderes als die bloße Anhänglichkeit an entschwundene
Vergangenheit. Schon das Wort dafür ist, sprachlich gesehen, sinnverwandt,
nicht gleichbedeutend, mit „Weg“ und „Fortschritt“. Während in der Tat das Wort
„Fortschritt“ nur die Tatsache des schrittweisen Vorwärtsgehend anzeigt, wobei
das Auge eine ungewisse Zukunft sucht, besagt das Wort „Tradition“ zwar auch
ein Vorwärtsschreiten, aber einen kontinuierlichen Weg, der sich gemäß den
Gesetzen des Lebens zugleich ruhig und doch lebhaft entfaltet, und dem
leidvollen Entweder-Oder ausweicht.
Kraft der Tradition
schreitet die Jugend erleuchtet und geführt von der Erfahrung der Ahnen, sicheren
Schrittes voran, und das Alter überlässt und übergibt vertrauensvoll den Pflug
kraftvolleren Händen, welche die angefangene Furche weiterziehen.
Tradition und Fortschritt
— so der Heilige Vater weiter — ergänzen sich gegenseitig so harmonisch, dass
wie Tradition ohne Fortschritt sich selber widersprechen würde, so Fortschritt
ohne Tradition ein törichtes Unterfangen wäre, ein Sprung ins Dunkel.
Der Papst beteuerte die
dringende Notwendigkeit von Mitarbeitern am Fortschritt für eine stabile und
glückliche Zukunft und ermahnte seine Zuhörer die Vergangenheit zu ehren, die
Geschichte zu erforschen, die geheiligten Überlieferungen hochzuhalten und den
ewigen Grundsätzen unverbrüchlich treu zu bleiben. Zugleich zeigte er ihnen,
dass es eine soziale Funktion erster Ordnung und hohen Interesses sei, ins Volk
vorzudringen und den Atemzug und das Unwohlsein der Zeitgenossen abzuhorchen —
dem Beispiel so vieler edler Geister folgend —, um so eine christliche
Sozialordnung zu verbreiten und zu errichten. Bei solcher Tätigkeit seid ihr
wertvolle Mitarbeiter der Kirche, die selbst mitten in Aufruhr und Kampf
unaufhörlich den geistigen Fortschritt der Völker fördert, als irdische
Gottesstadt, welche die ewige vorbereitet.
Soziale Aufgabe
Den tiefgreifenden
politischen und sozialen Umwälzungen der Gegenwart — sagte der Papst — folgt
auf dem Fuße eine Neuordnung nach, deren Geheimnis noch verborgen ist im
Ratschluss und Herzen Gottes, der in seiner Vorsehung den Ablauf und das Ende
der menschlichen Geschehnisse lenkt. Das ist eine Tatsache, eine Bewegung, ein
Gesetz, und es ist in sich nicht von Übel. Schlimm würde es erst, wenn die
Gegenwart, die eine ruhige Woge im ununterbrochenen Dahinfließen des Stromes
sein sollte, etwa eine Windhose würde, die in ihrem Vorwärtsstürmen wie ein
Taifun oder ein Orkan alles niederwalzen und mit zerstörendem Wüten und Rasen
einen Abgrund aufreißen würde zwischen dem, was war, und dem, was folgen muss.
Das ist ein gefahrvoller Durchgang der Geschichte, welcher der Anfang des
Heiles oder des endgültigen Zusammenbruchs sein kann.
Wer die unmittelbare
Vergangenheit gut beherrscht, studiert und wägt, kann nicht leugnen, dass das
hereingebrochene Unheil vermieden und die Krisis hätte beschworen werden können
bei einem normalen Vorgehen, wo ein jeder mit Würde und Mut die ihm von der
Vorsehung Gottes übertragene Aufgabe in der Gesellschaft erfüllt hätte.
Freie Übersetzung aus „O
Legionário“, Nr. 601, vom 13. Februar 1944.
Anm.: Zum Thema empfiehlt
sich „Der Adel und die vergleichbaren traditionellen Eliten in den Ansprachen
von Papst Pius XII. an das Patriziat und den Adel von Rom“, TFP-Deutschland
e.V., Frankfurt.
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