Mittwoch, 1. Februar 2017

Ansprache des Heiligen Vaters an den Adel Roms

 am 19. Januar 1944

 

 Der echte römische Adel besteht aus den ältesten und glorreichsten Familien Europas, die sich durch eine inbrünstige Ergebung zum Heiligen Vater auszeichnen. Als Garibaldi 1870 Rom stürmte, weigerten sich im Allgemeinen diese Familien dem italienischen Hof zu dienen, und verblieben damit am päpstlichen Hof während der freiwilligen Gefangenschaft der Päpste, die bis zur Unterzeichnung des Lateranvertrages andauerte. Erst dann öffnete der römische Adel wieder seine Salons, die seit 1870 verschlossen blieben, als Zeichen der Trauer wegen der Annexion der Kirchenstaaten.


Die besten Mitglieder des römischen Adels haben stark unter dem faschistischen Regime gelitten, dessen eindeutig sozialistische Gesetzgebung sie ihres Hab und Gut weitgehend beraubte. Doch selbst dann neigten sie ihr Haupt nicht und verweigerten während der Naziherrschaft die Übernahme von „quislings“-Ämter (als Kollaborateure), die ihnen unter Androhungen und Versprechen angeboten wurden.


Unser Bild zeigt von links nach rechts die Fürsten Colonna und Massimo und einen Geheimkämmerer mit Mantel und Schwert „di numero“ in ihren schönen und traditionellen Zerimonienkleidungen des päpstlichen Hofes.

In einer der letzten Nummer dieser Zeitung brachten wir eine Zusammenfassung von Nachrichtenagenturen der Ansprache die unser Heiliger Vater an die Mitglieder des römischen Adels richtete, die er in einer Sonderaudienz empfangen hatte. Heute bringen wir eine vollständigere Zusammenfassung dieser wichtigen und aktuellen Ansprache, die uns von der katholischen Agentur N.C. geliefert wurde.

Die Ansprache des Heiligen Vaters war eine Antwort auf die Begrüßungsworte die ihm der Fürst Marcantonio Colonna richtete.

Pius XII. sagte, die Welt stehe heute vor einer der größten Verwirrungen ihrer Geschichte, aus der eine neue Ordnung hervorgehen wird. Als er vor der Gefahr warnte, sich zu sehr an die Vergangenheit zu binden, sprach er sich auch gegen verwegene Abenteuerlust und gegen verblendete Propheten, die von einer falschen und trügerischen Zukunft reden. Er unterstrich die Notwendigkeit sich immer nach den ewigen Wahrheiten der Kirche zu orientieren.

Die angemessene Fortführung der Tradition — sagte Seine Heiligkeit — verlangt von jedem Einzelnen die heldenhafte Erfüllung der von Gott aufgetragenen Aufgabe, zu der er berufen wurde, das heißt, an der Vervollkommnung der neuen Ordnung, die aus der derzeitigen universalen Krise hervorgehen wird, aktiv mitzuwirken.

Die Tugend der Tradition

Viele glauben— fügte der Papst hinzu —, Tradition sei nichts anderes als die blasse Spur einer Vergangenheit, die schon nicht mehr ist und nicht mehr wiederkehren kann, die allerhöchstens mit Verehrung zur Aufbewahrung in ein Museum verwiesen wird. Die Tradition ist jedoch etwas ganz anderes als die bloße Anhänglichkeit an entschwundene Vergangenheit. Schon das Wort dafür ist, sprachlich gesehen, sinnverwandt, nicht gleichbedeutend, mit „Weg“ und „Fortschritt“. Während in der Tat das Wort „Fortschritt“ nur die Tatsache des schrittweisen Vorwärtsgehend anzeigt, wobei das Auge eine ungewisse Zukunft sucht, besagt das Wort „Tradition“ zwar auch ein Vorwärtsschreiten, aber einen kontinuierlichen Weg, der sich gemäß den Gesetzen des Lebens zugleich ruhig und doch lebhaft entfaltet, und dem leidvollen Entweder-Oder ausweicht.

Kraft der Tradition schreitet die Jugend erleuchtet und geführt von der Erfahrung der Ahnen, sicheren Schrittes voran, und das Alter überlässt und übergibt vertrauensvoll den Pflug kraftvolleren Händen, welche die angefangene Furche weiterziehen.

Tradition und Fortschritt — so der Heilige Vater weiter — ergänzen sich gegenseitig so harmonisch, dass wie Tradition ohne Fortschritt sich selber widersprechen würde, so Fortschritt ohne Tradition ein törichtes Unterfangen wäre, ein Sprung ins Dunkel.

Der Papst beteuerte die dringende Notwendigkeit von Mitarbeitern am Fortschritt für eine stabile und glückliche Zukunft und ermahnte seine Zuhörer die Vergangenheit zu ehren, die Geschichte zu erforschen, die geheiligten Überlieferungen hochzuhalten und den ewigen Grundsätzen unverbrüchlich treu zu bleiben. Zugleich zeigte er ihnen, dass es eine soziale Funktion erster Ordnung und hohen Interesses sei, ins Volk vorzudringen und den Atemzug und das Unwohlsein der Zeitgenossen abzuhorchen — dem Beispiel so vieler edler Geister folgend —, um so eine christliche Sozialordnung zu verbreiten und zu errichten. Bei solcher Tätigkeit seid ihr wertvolle Mitarbeiter der Kirche, die selbst mitten in Aufruhr und Kampf unaufhörlich den geistigen Fortschritt der Völker fördert, als irdische Gottesstadt, welche die ewige vorbereitet.

Soziale Aufgabe

Den tiefgreifenden politischen und sozialen Umwälzungen der Gegenwart — sagte der Papst — folgt auf dem Fuße eine Neuordnung nach, deren Geheimnis noch verborgen ist im Ratschluss und Herzen Gottes, der in seiner Vorsehung den Ablauf und das Ende der menschlichen Geschehnisse lenkt. Das ist eine Tatsache, eine Bewegung, ein Gesetz, und es ist in sich nicht von Übel. Schlimm würde es erst, wenn die Gegenwart, die eine ruhige Woge im ununterbrochenen Dahinfließen des Stromes sein sollte, etwa eine Windhose würde, die in ihrem Vorwärtsstürmen wie ein Taifun oder ein Orkan alles niederwalzen und mit zerstörendem Wüten und Rasen einen Abgrund aufreißen würde zwischen dem, was war, und dem, was folgen muss. Das ist ein gefahrvoller Durchgang der Geschichte, welcher der Anfang des Heiles oder des endgültigen Zusammenbruchs sein kann.

Wer die unmittelbare Vergangenheit gut beherrscht, studiert und wägt, kann nicht leugnen, dass das hereingebrochene Unheil vermieden und die Krisis hätte beschworen werden können bei einem normalen Vorgehen, wo ein jeder mit Würde und Mut die ihm von der Vorsehung Gottes übertragene Aufgabe in der Gesellschaft erfüllt hätte.

Freie Übersetzung aus „O Legionário“, Nr. 601, vom 13. Februar 1944.








Anm.: Zum Thema empfiehlt sich „Der Adel und die vergleichbaren traditionellen Eliten in den Ansprachen von Papst Pius XII. an das Patriziat und den Adel von Rom“, TFP-Deutschland e.V., Frankfurt.

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