Legitimität und sogar
Notwendigkeit gerechter und angemessener Ungleichheiten unter den
Gesellschaftsschichten
Die marxistische Doktrin vom
Klassenkampf behauptet, daß alle Ungleichheit ungerecht und schädlich sei und
daß es daher der unteren Klasse erlaubt sei, sich weltweit für die Abschaffung
der oberen Schichten einzusetzen: „Proletarier
aller Länder, vereinigt euch!“ Mit diesem allseits bekannten Aufruf
schlossen Marx und Engels 1848 ihr Kommunistisches Manifest.(1)
Demgegenüber behauptet die
traditionelle katholische Lehre, daß gerechte und angemessene Ungleichheiten
unter den Menschen nicht nur legitim, sondern sogar notwendig seien.(2) Deshalb
verurteilt sie auch den Klassenkampf.
Diese Verurteilung erstreckt
sich selbstverständlich nicht auf die Bemühungen oder unter Umständen sogar auf
den Kampf einer Klasse um Anerkennung des ihr zustehenden Platzes im
gesellschaftlichen beziehungsweise im politischen Ganzen. Sie spricht sich
jedoch dagegen aus, daß die an sich legitime Notwehr einer angegriffenen Klasse
in einen Ausrottungskrieg gegen andere Klassen ausartet oder auch nur zur
Ablehnung der Rollen führt, die einer jeden Klasse im Gesellschaftskörper
zukommen.
Ein Katholik muß sich für
Eintracht und Frieden zwischen den Klassen einsetzen, nicht aber für den
chronischen Kampf zwischen ihnen, vor allem wenn es bei diesem Kampf um die
Errichtung eines Regimes völliger, radikaler Gleichheit geht.
Dies alles würde besser
verstanden, wenn die bewundernswerten Lehren Pius´ XII. über Volk und Masse
überall im Westen die ihnen gebührende Verbreitung gefunden hätten.
„Freiheit, wie viele Verbrechen werden in deinem Namen begangen!“(3) – soll die berühmte französische Revolutionärin Madame Roland ausgerufen haben,
bevor sie auf eine Entscheidung des Terrorregimes hin enthauptet wurde.
Ähnlich könnte man auch
angesichts der Geschichte unseres verworrenen 20. Jahrhunderts ausrufen: „Volk,
o Volk, wie viele Torheiten, wie viel Unrecht, wie viele Verbrechen werden in
deinem Namen von den revolutionären Demagogen unserer Zeit begangen.“
Gewiss liebt die Kirche das
Volk und ist stolz darauf, es seit ihrer Gründung durch ihren göttlichen
Meister ganz besonders geliebt zu haben.
Was aber ist das Volk? Sicher
ist es etwas ganz anderes als die Masse, die wie ein aufgepeitschtes Meer gar
leicht zur Beute revolutionärer Demagogie wird.
Als Mutter versagt die Kirche
auch den Massen nicht ihre Liebe. Aber gerade weil sie sie liebt, wünscht sie
ihnen als kostbares Gut den Übergang vom Zustand der Masse in den des Volkes.
Geht es in dieser Behauptung
aber nicht um ein bloßes Wortspiel? Was bedeutet denn Masse? Was heißt denn „das Volk“?
1 Karl Marx und Friedrich
Engels, Manifest der Kommunistischen Partei, London 1848, S. 30.
2 Vgl. Dokumente V. „Die
kirchliche Lehre über die sozialen Unterschiede“ in „Der Adel und die
vergleichbaren traditionellen Eliten in den Ansprachen von Papst Pius XII. an
das Patriziat und den Adel von Rom“, TFP-Deutschland e.V., Frankfurt.
Quelle: PLINIO CORREA DE OLIVEIRA. „Der Adel und die vergleichbaren traditionellen
Eliten in den Ansprachen von Papst Pius XII. an das Patriziat und den Adel von
Rom“, TFP-Deutschland e.V., Frankfurt. Kap. III, 1. S. 49 ff.
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