Am Fest der Muttergottes von Fatima könnten wir folgendes betrachten: Die Erscheinungen der Muttergottes wurden eingeleitet von einigen Engelerscheinungen und vor diesen wiederum gab es einige Lichterscheinungen, die keinem himmlischen Wesen richtig zugeordnet werden konnten. Die zwei Mädchen, Lucia und Jacinta, sahen am Himmel eine Lichtgestalt, die sie nicht deutlich beschreiben konnten. Später nahm das Licht die Gestalt eines Engels an, der ihnen dann sagte, er sei der Engel von Portugal. Durch mehrere Erscheinungen und Gespräche bereitete der Engel so, die Kinder auf die späteren Erscheinungen der Muttergottes vor.
Wie wir
sehen, werden die Vorbereitungen für eine große Mission in Etappen
durchgeführt. Es waren verschiedene Etappen, in denen die Vorsehung wollte,
dass die Gnade auf die Kinder auf pädagogische Weise einwirkte und so ihre
Seelen auf den Moment vorbereitete, in dem die Muttergottes zu ihnen sprechen
würde.
Bei dieser
Vorbereitung können wir eine Lehre feststellen, die wir beachten sollten. Es
handelt sich bei uns keinesfalls um Visionen, Erscheinungen oder Offenbarungen,
doch wir, wie jeder Christ, haben eine Mission und diese Mission wird auch für
uns allmählich deutlicher, in der Weise wie es in Fatima für die Kinder
geschah.
Es kann
vorkommen, dass jemand meint seine Berufung gefunden zu haben und in dieser
etwas Großes vermutet. Doch er sieht sie zunächst mal nur wie ein leuchtender
Fleck am Himmel, der aber im Laufe der Zeit immer deutlichere Konturen annimmt.
Irgendwann definiert sich in seinem Geist die deutliche Sicht seiner Mission,
seiner Berufung. Es gibt also eine Art Vorbereitung, bei der die Person ein
offenes Herz haben muss, in den verschiedenen Etappen der Vorbereitung treu
sein muss, damit, wenn der Moment kommt, da die Vorsehung an die Tür klopft und
ihr eröffnen will, wie ihre Berufung sein wird und welche Bedeutung sie hat,
die Person sie richtig erkennt und versteht.
Es ist ein
Prozess der Reife, in dem einem immer wieder das Gleiche oder vielleicht etwas
mehr gesagt wird, in dem man in treuer Erwartung Hinweise aufnimmt. Irgendwann
kommt dann sie Stunde der Gnade und man sieht und versteht alles besser und
deutlicher als vorher. Es ist die Vorgehensweise des Heiligen Geistes in den
Seelen: Er bereitet sie Stück für Stück vor, um eine Lehre nach und nach
aufzunehmen und ihr endlich zuzustimmen. Das ist echte katholische Bildung.
Es ist die
Umwandlung dessen, was man hört in gut verstandenen und geliebten Prinzipien,
so dass sie sich in die Seele verankern und das geistliche Leben nähren. Es ist
eine etappenweise Bildung: Die Gnade zeigt uns zuerst etwas verschwommenes,
dann zeigt sie uns einen Engel und am Ende spricht zu uns die Muttergottes.
So meine ich
empfehlen zu können, der Muttergottes an diesem Tag um die Gnade zu bitten, sie
möge vor unseren Augen erglänzen lassen alles, was wir schon hätten verstehen
und wissen müssen, aber wegen unserer Untreue nicht erfasst haben. Sie möge uns
allen diese Gnade schenken und die Ankunft des Tages beschleunigen, an dem sie
uns das vollständige Verständnis unserer Berufung offenbaren wird, in
Vorbereitung auf die Zeiten, die sie in Fatima vorausgesagt hat.
Vieles muss
in unseren Seelen noch geschehen, deshalb bitten wir die Muttergottes, sie
möge, nicht durch Visionen oder Offenbarungen, sondern durch die Gnade zu uns
deutlich sprechen, wie sie in der Mulde von Iria zu den Hirtenkindern
gesprochen hat, damit wir unsere Aufgabe erfüllen, wie die Seherkinder ihre
Aufgabe erfüllt haben.
Der kleine
Francisco sah die Muttergottes bei den Erscheinungen, hörte aber nicht, was sie
sagte. Es scheint, dass die Muttergottes mit ihm, obwohl er ein reiner und
rechter Junge war, nicht ganz zufrieden war. Sie ließ ihm sagen, er müsse noch
einige Rosenkränze mehr beten. Er fügte sich und unternahm alles, um sich zu
bessern, sodass er am Ende ein bewundernswertes Kind wurde und in heldenhafter
Gesinnung starb.
Bitten wir
Francisco, dass er unser Fürsprecher sei, da wir in uns ähnliches haben wie er
es hatte, er möge für uns von der Muttergottes erreichen, was sie für ihn getan
hat. Sie sagte ihm, sie werde ihn auch in den Himmel nehmen, er müsse aber noch
einige Rosenkränze beten. Bitten wir sie um die Gnade „einige Rosenkränze mehr
zu beten“, das heißt, etwas mehr tun, als was wir sollen, damit wir gut
vorbereitet sind, wenn uns die großen Prüfungen, die großen Kämpfe und auch der
große Ruhm im Himmel bevorstehen.
(Dieser Text ist übernommen aus einem informellen Vortrag von Professor Plinio Corrêa de Oliveira, gehalten am 13. Mai 1964. Er wurde frei übersetzt und angepasst für die Veröffentlichung ohne eine Überarbeitung des Autors.)
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