Der heilige Ludwig Maria Grignion de Montfort ist
am 31. Januar 1673 in der Bretagne geboren und, aufgezehrt von den
Anstrengungen des Apostolats, am 28. April 1716 in Saint-Laurent-sur-Sèvre, in
der Vendée gestorben.[1] Es wurde einmal bemerkt[2], dass sein Leben fast
genau mit der Zeit zusammenfällt, in die Paul Hazard in seinem heute zu Recht
als klassisch angesehenen Werk Die Krise des europäischen Gewissens verlegt.[3] Montfort wurde von Leo
XIII. am 22. Januar 1888 selig und von Pius XII. am 20. Juli 1947 heilig
gesprochen.[4] Pius XII. hat einmal
von ihm gesagt, dass er schlechthin der Apostel von Poitou, der Bretagne und
der Vendée sei; die Bewohner der Vendée, die einst bewaffneten Widerstand gegen
die Ruchlosigkeit der Revolution geleistet haben, waren die Söhne und Enkel
jener Bauern, die der große Heilige mit seinen Volksmissionen vor dem Virus der
Revolution bewahrt hatte; ja man könne sogar ohne Übertreibung behaupten,
betont der Heilige Vater weiter, „dass die Vendée des Jahres 1793 das Werk
seiner Hände gewesen ist“.[5]
„Die große Antriebsfeder seines apostolischen
Dienstes, sein großes Geheimnis, die Seelen anzuziehen und sie Jesus zu
übergeben, ist die Verehrung Mariens.“[6] Die Mutter Gottes war,
als Vermittlerin zwischen Jesus Christus und den Menschen, der Gegenstand
seiner glühenden Betrachtungen. Um die universelle Vermittlung Mariens herum
baute der französische Heilige nach den Worten von Plinio Corrêa de Oliveira
„eine ganze Mariologie auf, das größte Denkmal, das je im Laufe der
Jahrhunderte der jungfräulichen Mutter Gottes gewidmet wurde“.[7]
Es war sozusagen unumgänglich, dass sich Plinio
Corrêa de Oliveira und der heilige Ludwig Maria de Montfort trafen, denn die
Verehrung unserer lieben Frau bildete eine Grundlage der Spiritualität Prof.
Oliveiras, der bereits als Kind, angeregt durch das Beispiel seiner Mutter,
angefangen hatte, vor allem den Aspekt der Gottesmutterschaft zu bewundern.[8]
„Die heiligste Jungfrau — schrieb der brasilianische Denker — stellt die unaussprechliche Quintessenz,
die umfassende Synthese aller Mütter dar, die je gelebt haben, leben oder noch
leben werden. Aller mütterlichen Tugenden, die der Verstand und das Herz des
Menschen erfassen können. Mehr noch, all der Stufen der Tugendhaftigkeit, die
nur die Heiligen zu entdecken wissen und denen sich nur diese auf den Flügeln
der Gnade und des Heldentums nähern können. Sie ist die Mutter aller Kinder e
und aller Mütter. Sie ist die Mutter aller Menschen. Sie ist die Mutter des
Menschen, nämlich des Gott-Menschen, des Gottes, der im jungfräulichen Schoße
dieser Mutter Mensch wurde, um alle Menschen loszukaufen. Sie ist eine Mutter,
die sich in einem Wort – Mar d. h.
Meer – beschreiben lässt, das dann einen Namen hervorbringt. Einen Namen, der
wie ein Himmel ist: Maria.“[9]
Mutter Gottes vom Guten Rat in der Kapelle der Jesuitenschule in São Paulo |
Plinio Corrêa de Oliveira, der der
Marianischen Kongregation und dem Dritten Orden vom Karmel angehörte, kannte,
praktizierte und verbreitete während seines ganzen Lebens die wichtigsten
Andachten zur Gottesmutter: Täglich betete er die drei Teile des Rosenkranzes,
den Angelus, das kleine Offizium der Unbefleckten Empfängnis; er trug das
Skapulier vom Karmel und trennte sich niemals von der wunderbaren Medaille, die
der heiligen Katharina Labouré offenbart wurde; unter allen Andachtsübungen
hielt er jedoch die als „Knechtschaft aus Liebe“ zur Gottesmutter bekannte
montfortianische Weihe für die vollkommenste.
P. Antonio Royo Marín behauptet, dass sich keine Verehrung
der Gottesmutter mit der vom heiligen Ludwig Maria in der Abhandlung über die wahre Verehrung der heiligen Jungfrau vorgelegten vergleichen lässt.[10] Es ist das Buch
schlechthin, das eine erhabene Lehre enthält.[11] „Diese kleine
Abhandlung“, schreibt auch P. Garrigou-Lagrange, „ ist ein Schatz für die
Kirche, so wie auch die Zusammenfassung unter dem Titel Das Geheimnis Mariens, die der Selige für eine Ordensfrau
niedergeschrieben hat.[12] Nach P. de Finance kann
man sagen, dass „der Gedanke der Weihe bei ihm seinen vollkommensten Ausdruck
gefunden hat“.[13]
Unter den zahllosen Zeugnissen ist auch das von
Johannes Paul II. anzuführen, der die Rolle, die der Abhandlung in seinem geistigen Werdegang zukommt, folgendermaßen
beschreibt:
„Die Lektüre dieses Buches hat meinem Leben eine
entscheidende Wende gegeben. Ich spreche von Wende, obgleich es sich um einen
langen Weg handelt, der mit meiner heimlichen Vorbereitung auf das Priestertum
zusammenfällt. Gerade damals fiel mir diese einzigartige Abhandlung in die Hände,
ein Buch, das man nicht nur ‚gelesen‘ haben muss. Ich kann mich noch erinnern,
dass ich es lange mit mir herumgetragen habe, sogar in der Soda-Fabrik, sodass
sein Umschlag Kalkflecken aufwies. Gewisse Stellen habe ich immer wieder
gelesen, eine nach der andern. Ich habe sofort gemerkt, dass es sich über den
barocken Stil hinaus um etwas Grundlegendes handelte. Als Folge davon trat nun
an die Stelle der Marienverehrung meiner Kindheit und auch meiner Jugend eine
neue Haltung, eine Verehrung, die aus meinem tiefsten Glauben, aus dem
eigentlichen Herzen der dreieinigen, christologischen Wirklichkeit hervorging.“[14]
Plinio Corrêa de Oliveira hat die
Abhandlung im Alter von zwanzig Jahren „entdeckt“ und sich unserer lieben Frau
geweiht, nachdem er eine Novene zur heiligen Theresia vom Kinde Jesu gehalten
hatte, in der er um Fortschritt im spirituellen Leben bat. Sein Leben und sein
Werk können als eine fortgesetzte Betrachtung über das Buch des heiligen Ludwig
Maria Grignion de Montfort angesehen werden.
„Wenn es ein Wirken gibt, in dem jenes „geistige
Licht voller Liebe“ verständlich wird, von dem Dante spricht, dann ist es das
von Grignion de Montfort.“[15]
„Ich glaube nicht irre zu gehen, wenn ich
behaupte, dass die Abhandlung nichts weiter ist als die Darlegung zweier großer
Wahrheiten, die uns dir Kirche lehrt und aus denen er alle notwendigen
Folgerungen zieht, in deren Licht er das gesamte spirituelle Leben prüft. Diese
beiden Wahrheiten sind die geistige Mutterschaft Mariens gegenüber dem
Menschengeschlecht sowie die universelle Vermittlung der heiligsten Jungfrau.“[16]
Revolution
und Gegenrevolution ist aus der Abhandlung
über die wahre Verehrung der heiligen Jungfrau hervorgegangen; der
Verfasser selbst weist auf die wichtigsten Berührungspunkte hin, die sein Buch
mit dem Meisterwerk Montforts verbinden.[17]
Die Atombombe explodiert über Nagasaki |
Kurz vor der Kanonisierung Montforts, als
die von der Atombombe ausgelösten Brände Nagasaki und Hiroshima heimsuchten,
offenbarte Plinio Corrêa de Oliveira den tieferen Zusammenhang zwischen diesem
Ereignis und der Verbreitung der „wahren Verehrung“ in der Welt:
„Seit zwei Jahrhunderten schon liegt die Atombombe
des Katholizismus fertig da. Wenn sie einmal wirklich explodiert, wird man das
Wort der Schrift in seiner ganzen Fülle verstehen: Non est qui se abscondat a calore ejus. Diese Bombe trägt einen
äußerst süßen Namen, denn die Bomben der Kirche sind Mutterbomben. Diese trägt
den Namen Abhandlung über die wahre Verehrung
der heiligen Jungfrau. Ein Büchlein von gut hundert Seiten, in dem jeder
Buchstabe ein Schatz ist. Das ist das Buch des kommenden Zeitalters. (...) Und,
wir müssen es wiederholen, das ist die ‚wahre Verehrung‘, die Atombombe, die,
nicht zum Töten, sondern zur Auferweckung gedacht ist und die Gott in
Voraussicht der Bitternisse dieses Jahrhunderts in die Hände der Kirche gelegt
hat.“[18]
Stets hat der brasilianische Denker die
prophetische Natur des heiligen Ludwig Maria Grignion de Montfort sowie die Nützlichkeit
seiner Lehre für das 20. Jahrhundert hervorgehoben.
„Wenn jemand die Bitte an mich herantragen würde,
einen beispielhaften Apostel für unsere Zeit anzugeben, würde ich ohne Zögern den Namen eines Missionars nennen, der
... vor genau 239 Jahren gestorben ist!“[19]
Der heilige Ludwig Maria ist aktuell, so
wie heute auch der Prophet Elias ungemein aktuell wäre, denn er wäre der Mann,
der am besten in unsere Zeit passen würde und für sie geeignet wäre.
„Passen in dem Sinne, dass er ‚geeignet‘ wäre, ihr
gut zu tun. Passend in dem Sinne, dass er über die nötigen Mittel verfügen
würde, sie zu verbessern. Und eben deshalb durchaus modern. Denn modern sein
bedeutet nicht unbedingt, der Zeit ähnlich sehen, oft trifft vielmehr das
Gegenteil zu. Für einen Apostel bedeutet modern sein, in der Lage sein, das
Gute in dem Jahrhundert zu tun, in dem man lebt ... .“[20]
[1] Unter den zahlreichen Biografien
übder den heiligen Ludwig Maria Grognion de Montfort sind die älteren immer
noch die besten. Vgl. vor allem P.-J. PICOT DE CLORIVIÈRE, La vie de M. Louis-Marie Grignion de Montfort, Paris-St.Malo-Rennes
1785. Zu den
wichtigsten Werken des Heiligen zählen: Die
Liebe zur ewigen Weisheit (1703-1704), Die
Briefe (1694-1716), Die Lieder (1700-1716),
die Abhandlung über die wahre Verehrung
der heiligen Jungfrau und Das
Geheimnis Mariens (1712), Das
wunderbare Geheimnis des heiligen Rosenkranzes (1712), Das glühende Gebet (1713), Brief
an die Freunde des Kreuzes (1714), Die
Regel der Töchter der Weisheit (1715). Auf Montfort als ihren Gründer oder
geistlichen Inspirator berufen sich die Töchter
der Weisheit, die Missionare von der
Gesellschaft Mariens, die Brüder der
Christlichen Erziehung vom Heiligen Gabriel. Am 8. Juni 1981 richteten die
Generaloberen dieser Ordensfamilien einen Appell an Johannes Paul II. mit der
Bitte, den heiligen Ludwig Maria Grognion de Montfort „in Anbetracht seiner
großen Heiligkeit, seiner hervorragenden Lehre und seines bedeutenden
Einflusses auf die Universalkirche“ zum ‚Kirchenlehrer‘ zu erheben (zitiert
nach dem persönlichen Schreiben an den Heiligen Vater).
[2] Marco TANGHERONI, Introduzione a S. Luigi Maria Grignion di
Montfort. Il segretto ammirabile del Santo Rosario, ital. Übersetzg., Ed.
Cantagalli, Siena 1975, S. 7f.
[3] P. HAZARD, La crise de la conscience européenne, a.a.O.
[4] Pius XII., Predigt zur
Kanonisierung des heiligen Ludwig Maria Grignion de Montfort, 21. Juli 1947, in
DR, Bd. IX, S. 177-183.
[5] Ibid., S. 178.
[6] Ibid., S. 182.
[7] Plinio CORRÊA DE OLIVEIRA, Vorwort zur
argentinischen Ausgabe von Revolución y
Contra-Revolución, Tradición, Familia, Propriedad, Buenos Aires 1970, S.
16.
[8] Zu der 431 in Korinth feierlich
proklamierten Gottesmutterschaft Mariens vgl. J. COLLANTES S.J., La fede nella Chiesa cattolica, a.a.O.,
S. 298-301.
[10] Antonio ROYO MARÍN O.P., La Virgen María, BAC, Madrid 1968, S.
367.
[11] Ibid., S. 393.
[12] R. GARRIGOU-LAGRANGE
O.P., Vita spirituale, Città Nuova,
Rom 1965, S. 254.
[13] Joseph de FINANCE S.J., Consécration, in DSp, Bd. II, 2 (1953),
Sp. 1583 (1576-1583); Jean WEEGER, André DERVILLE, Eslave (spiritualité de l‘), in DSp, Bd. IV, 1 (1960), Sp.
1067-1080; H. M. GEBHARD, La devotion di
Saint Esclavage du point de vue dogmatique, J. Poncet, Lyon 1967.
[14] Johannes Paul II., N’ayez pas peur!, von André FROSSARD,
Editions Robert Laffont, Paris 1982, S. 184f. P. Ernesto MURA erinnert in Il corpo mistico di Cristo (Paoline,
Alba 1949, Bd. II, S.
131-133, 167-173) an den Einfluss der Abhandlung auf Pius X. und seine
Enzyklika Ad diem illum vom 2. Februar 1904.
[15] Plinio CORRÊA DE OLIVEIRA, „Grignion de Montfort“, in O Legionário Nr. 376 (26. Oktober 1939).
[16] Plinio CORRÊA DE OLIVEIRA, „Grignion de Montfort“, in O Legionário Nr. 378 (10. Dezember
1939).
[17] Plinio CORRÊA DE OLIVEIRA, „Grignion de Montfort“, angeführte
Artikel; ders., „Pro Maria fiant maxima“,
in O Legionário Nr. 379 (17. Dezember 1939); ders., Vorwort zur
argentinischen Ausgabe von Revolución y Contra-Revolución,
a.a.O.
[18] Plinio CORRÊA DE OLIVEIRA, „Grignion de Montfort“, in O Legionário Nr. 689 (21. Oktober 1945).
[19] Plinio CORRÊA DE OLIVEIRA, „Doutor, Profeta e Apóstolo na crise
contemporânea“, in Catolicismo Nr.
53 (Mai 1955). Vgl. auch ders., „O Reino
de Maria, Realização do mundo melhor“, in Catolicismo Nr. 55 (Juni 1955); ders., „Exsurge Domine! Quare obdormis?“, in Catolicismo Nr. 56 (August 1955), sowie den Artikel von Cunha
ALVARENGA (José de AZEREDO SANTOS), „Servo
de Maria, Amigo da Cruz e apóstolo da Contra-Revolução“, in Catolicismo Nr. 64 (April 1956).
[20] Plinio CORRÊA DE OLIVEIRA, „Doutor, Profeta e Apóstolo na crise
contemporânea“, a.a.O.
Quelle: Roberto de Mattei,„Der Kreuzritter des 20. Jahrhunderts“, TFP-Büro Deutschland e.V. und DVCK e.V., Frankfurt, 2004. S.280-284.
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