Mittwoch, 29. April 2020

3. Der heilige Ludwig Maria Grignion de Montfort und die Abhandlung über die wahre Verehrung der heiligen Jungfrau





Der heilige Ludwig Maria Grignion de Montfort ist am 31. Januar 1673 in der Bretagne geboren und, aufgezehrt von den Anstrengungen des Apostolats, am 28. April 1716 in Saint-Laurent-sur-Sèvre, in der Vendée gestorben.[1] Es wurde einmal bemerkt[2], dass sein Leben fast genau mit der Zeit zusammenfällt, in die Paul Hazard in seinem heute zu Recht als klassisch angesehenen Werk Die Krise des europäischen Gewissens verlegt.[3] Montfort wurde von Leo XIII. am 22. Januar 1888 selig und von Pius XII. am 20. Juli 1947 heilig gesprochen.[4] Pius XII. hat einmal von ihm gesagt, dass er schlechthin der Apostel von Poitou, der Bretagne und der Vendée sei; die Bewohner der Vendée, die einst bewaffneten Widerstand gegen die Ruchlosigkeit der Revolution geleistet haben, waren die Söhne und Enkel jener Bauern, die der große Heilige mit seinen Volksmissionen vor dem Virus der Revolution bewahrt hatte; ja man könne sogar ohne Übertreibung behaupten, betont der Heilige Vater weiter, „dass die Vendée des Jahres 1793 das Werk seiner Hände gewesen ist“.[5]


„Die große Antriebsfeder seines apostolischen Dienstes, sein großes Geheimnis, die Seelen anzuziehen und sie Jesus zu übergeben, ist die Verehrung Mariens.“[6] Die Mutter Gottes war, als Vermittlerin zwischen Jesus Christus und den Menschen, der Gegenstand seiner glühenden Betrachtungen. Um die universelle Vermittlung Mariens herum baute der französische Heilige nach den Worten von Plinio Corrêa de Oliveira „eine ganze Mariologie auf, das größte Denkmal, das je im Laufe der Jahrhunderte der jungfräulichen Mutter Gottes gewidmet wurde“.[7]
Es war sozusagen unumgänglich, dass sich Plinio Corrêa de Oliveira und der heilige Ludwig Maria de Montfort trafen, denn die Verehrung unserer lieben Frau bildete eine Grundlage der Spiritualität Prof. Oliveiras, der bereits als Kind, angeregt durch das Beispiel seiner Mutter, angefangen hatte, vor allem den Aspekt der Gottesmutterschaft zu bewundern.[8] 
„Die heiligste Jungfrau — schrieb der brasilianische Denker — stellt die unaussprechliche Quintessenz, die umfassende Synthese aller Mütter dar, die je gelebt haben, leben oder noch leben werden. Aller mütterlichen Tugenden, die der Verstand und das Herz des Menschen erfassen können. Mehr noch, all der Stufen der Tugendhaftigkeit, die nur die Heiligen zu entdecken wissen und denen sich nur diese auf den Flügeln der Gnade und des Heldentums nähern können. Sie ist die Mutter aller Kinder e und aller Mütter. Sie ist die Mutter aller Menschen. Sie ist die Mutter des Menschen, nämlich des Gott-Menschen, des Gottes, der im jungfräulichen Schoße dieser Mutter Mensch wurde, um alle Menschen loszukaufen. Sie ist eine Mutter, die sich in einem Wort – Mar d. h. Meer – beschreiben lässt, das dann einen Namen hervorbringt. Einen Namen, der wie ein Himmel ist: Maria.“[9]

Mutter Gottes vom Guten Rat in der Kapelle der Jesuitenschule in São Paulo 
Plinio Corrêa de Oliveira, der der Marianischen Kongregation und dem Dritten Orden vom Karmel angehörte, kannte, praktizierte und verbreitete während seines ganzen Lebens die wichtigsten Andachten zur Gottesmutter: Täglich betete er die drei Teile des Rosenkranzes, den Angelus, das kleine Offizium der Unbefleckten Empfängnis; er trug das Skapulier vom Karmel und trennte sich niemals von der wunderbaren Medaille, die der heiligen Katharina Labouré offenbart wurde; unter allen Andachtsübungen hielt er jedoch die als „Knechtschaft aus Liebe“ zur Gottesmutter bekannte montfortianische Weihe für die vollkommenste.
P. Antonio Royo Marín behauptet, dass sich keine Verehrung der Gottesmutter mit der vom heiligen Ludwig Maria in der Abhandlung über die wahre Verehrung der heiligen Jungfrau vorgelegten vergleichen lässt.[10] Es ist das Buch schlechthin, das eine erhabene Lehre enthält.[11] „Diese kleine Abhandlung“, schreibt auch P. Garrigou-Lagrange, „ ist ein Schatz für die Kirche, so wie auch die Zusammenfassung unter dem Titel Das Geheimnis Mariens, die der Selige für eine Ordensfrau niedergeschrieben hat.[12] Nach P. de Finance kann man sagen, dass „der Gedanke der Weihe bei ihm seinen vollkommensten Ausdruck gefunden hat“.[13]
Unter den zahllosen Zeugnissen ist auch das von Johannes Paul II. anzuführen, der die Rolle, die der Abhandlung in seinem geistigen Werdegang zukommt, folgendermaßen beschreibt:
„Die Lektüre dieses Buches hat meinem Leben eine entscheidende Wende gegeben. Ich spreche von Wende, obgleich es sich um einen langen Weg handelt, der mit meiner heimlichen Vorbereitung auf das Priestertum zusammenfällt. Gerade damals fiel mir diese einzigartige Abhandlung in die Hände, ein Buch, das man nicht nur ‚gelesen‘ haben muss. Ich kann mich noch erinnern, dass ich es lange mit mir herumgetragen habe, sogar in der Soda-Fabrik, sodass sein Umschlag Kalkflecken aufwies. Gewisse Stellen habe ich immer wieder gelesen, eine nach der andern. Ich habe sofort gemerkt, dass es sich über den barocken Stil hinaus um etwas Grundlegendes handelte. Als Folge davon trat nun an die Stelle der Marienverehrung meiner Kindheit und auch meiner Jugend eine neue Haltung, eine Verehrung, die aus meinem tiefsten Glauben, aus dem eigentlichen Herzen der dreieinigen, christologischen Wirklichkeit hervorging.“[14]
Plinio Corrêa de Oliveira hat die Abhandlung im Alter von zwanzig Jahren „entdeckt“ und sich unserer lieben Frau geweiht, nachdem er eine Novene zur heiligen Theresia vom Kinde Jesu gehalten hatte, in der er um Fortschritt im spirituellen Leben bat. Sein Leben und sein Werk können als eine fortgesetzte Betrachtung über das Buch des heiligen Ludwig Maria Grignion de Montfort angesehen werden.
„Wenn es ein Wirken gibt, in dem jenes „geistige Licht voller Liebe“ verständlich wird, von dem Dante spricht, dann ist es das von Grignion de Montfort.“[15]
„Ich glaube nicht irre zu gehen, wenn ich behaupte, dass die Abhandlung nichts weiter ist als die Darlegung zweier großer Wahrheiten, die uns dir Kirche lehrt und aus denen er alle notwendigen Folgerungen zieht, in deren Licht er das gesamte spirituelle Leben prüft. Diese beiden Wahrheiten sind die geistige Mutterschaft Mariens gegenüber dem Menschengeschlecht sowie die universelle Vermittlung der heiligsten Jungfrau.“[16]
Revolution und Gegenrevolution ist aus der Abhandlung über die wahre Verehrung der heiligen Jungfrau hervorgegangen; der Verfasser selbst weist auf die wichtigsten Berührungspunkte hin, die sein Buch mit dem Meisterwerk Montforts verbinden.[17]

Die Atombombe explodiert über Nagasaki
Kurz vor der Kanonisierung Montforts, als die von der Atombombe ausgelösten Brände Nagasaki und Hiroshima heimsuchten, offenbarte Plinio Corrêa de Oliveira den tieferen Zusammenhang zwischen diesem Ereignis und der Verbreitung der „wahren Verehrung“ in der Welt:
„Seit zwei Jahrhunderten schon liegt die Atombombe des Katholizismus fertig da. Wenn sie einmal wirklich explodiert, wird man das Wort der Schrift in seiner ganzen Fülle verstehen: Non est qui se abscondat a calore ejus. Diese Bombe trägt einen äußerst süßen Namen, denn die Bomben der Kirche sind Mutterbomben. Diese trägt den Namen Abhandlung über die wahre Verehrung der heiligen Jungfrau. Ein Büchlein von gut hundert Seiten, in dem jeder Buchstabe ein Schatz ist. Das ist das Buch des kommenden Zeitalters. (...) Und, wir müssen es wiederholen, das ist die ‚wahre Verehrung‘, die Atombombe, die, nicht zum Töten, sondern zur Auferweckung gedacht ist und die Gott in Voraussicht der Bitternisse dieses Jahrhunderts in die Hände der Kirche gelegt hat.“[18]
Stets hat der brasilianische Denker die prophetische Natur des heiligen Ludwig Maria Grignion de Montfort sowie die Nützlichkeit seiner Lehre für das 20. Jahrhundert hervorgehoben.
„Wenn jemand die Bitte an mich herantragen würde, einen beispielhaften Apostel für unsere Zeit anzugeben, würde ich ohne  Zögern den Namen eines Missionars nennen, der ... vor genau 239 Jahren gestorben ist!“[19]
Der heilige Ludwig Maria ist aktuell, so wie heute auch der Prophet Elias ungemein aktuell wäre, denn er wäre der Mann, der am besten in unsere Zeit passen würde und für sie geeignet wäre.
„Passen in dem Sinne, dass er ‚geeignet‘ wäre, ihr gut zu tun. Passend in dem Sinne, dass er über die nötigen Mittel verfügen würde, sie zu verbessern. Und eben deshalb durchaus modern. Denn modern sein bedeutet nicht unbedingt, der Zeit ähnlich sehen, oft trifft vielmehr das Gegenteil zu. Für einen Apostel bedeutet modern sein, in der Lage sein, das Gute in dem Jahrhundert zu tun, in dem man lebt ... .“[20]



[1] Unter den zahlreichen Biografien übder den heiligen Ludwig Maria Grognion de Montfort sind die älteren immer noch die besten. Vgl. vor allem P.-J. PICOT DE CLORIVIÈRE, La vie de M. Louis-Marie Grignion de Montfort, Paris-St.Malo-Rennes 1785. Zu den wichtigsten Werken des Heiligen zählen: Die Liebe zur ewigen Weisheit (1703-1704), Die Briefe (1694-1716), Die Lieder (1700-1716), die Abhandlung über die wahre Verehrung der heiligen Jungfrau und Das Geheimnis Mariens (1712), Das wunderbare Geheimnis des heiligen Rosenkranzes (1712), Das glühende Gebet (1713), Brief an die Freunde des Kreuzes (1714), Die Regel der Töchter der Weisheit (1715). Auf Montfort als ihren Gründer oder geistlichen Inspirator berufen sich die Töchter der Weisheit, die Missionare von der Gesellschaft Mariens, die Brüder der Christlichen Erziehung vom Heiligen Gabriel. Am 8. Juni 1981 richteten die Generaloberen dieser Ordensfamilien einen Appell an Johannes Paul II. mit der Bitte, den heiligen Ludwig Maria Grognion de Montfort „in Anbetracht seiner großen Heiligkeit, seiner hervorragenden Lehre und seines bedeutenden Einflusses auf die Universalkirche“ zum ‚Kirchenlehrer‘ zu erheben (zitiert nach dem persönlichen Schreiben an den Heiligen Vater).
[2] Marco TANGHERONI, Introduzione a S. Luigi Maria Grignion di Montfort. Il segretto ammirabile del Santo Rosario, ital. Übersetzg., Ed. Cantagalli, Siena 1975, S. 7f.
[3] P. HAZARD, La crise de la conscience européenne, a.a.O.
[4] Pius XII., Predigt zur Kanonisierung des heiligen Ludwig Maria Grignion de Montfort, 21. Juli 1947, in DR, Bd. IX, S. 177-183.
[5] Ibid., S. 178.
[6] Ibid., S. 182.
[7] Plinio CORRÊA DE OLIVEIRA, Vorwort zur argentinischen Ausgabe von Revolución y Contra-Revolución, Tradición, Familia, Propriedad, Buenos Aires 1970, S. 16.
[8] Zu der 431 in Korinth feierlich proklamierten Gottesmutterschaft Mariens vgl. J. COLLANTES S.J., La fede nella Chiesa cattolica, a.a.O., S. 298-301.
[9] Plinio CORRÊA DE OLIVEIRA, „O serviço, uma alegria“, in Folha de S. Paulo, 13. September 1980.
[10] Antonio ROYO MARÍN O.P., La Virgen María, BAC, Madrid 1968, S. 367.
[11] Ibid., S. 393.
[12] R. GARRIGOU-LAGRANGE O.P., Vita spirituale, Città Nuova, Rom 1965, S. 254.
[13] Joseph de FINANCE S.J., Consécration, in DSp, Bd. II, 2 (1953), Sp. 1583 (1576-1583); Jean WEEGER, André DERVILLE, Eslave (spiritualité de l‘), in DSp, Bd. IV, 1 (1960), Sp. 1067-1080; H. M. GEBHARD, La devotion di Saint Esclavage du point de vue dogmatique, J. Poncet, Lyon 1967.
[14] Johannes Paul II., N’ayez pas peur!, von André FROSSARD, Editions Robert Laffont, Paris 1982, S. 184f. P. Ernesto MURA erinnert in Il corpo mistico di Cristo (Paoline, Alba 1949, Bd. II, S. 131-133, 167-173) an den Einfluss der Abhandlung auf Pius X. und seine Enzyklika Ad diem illum vom 2. Februar 1904.
[15] Plinio CORRÊA DE OLIVEIRA, „Grignion de Montfort“, in O Legionário Nr. 376 (26. Oktober 1939).
[16] Plinio CORRÊA DE OLIVEIRA, „Grignion de Montfort“, in O Legionário Nr. 378 (10. Dezember 1939).
[17] Plinio CORRÊA DE OLIVEIRA, „Grignion de Montfort“, angeführte Artikel; ders., „Pro Maria fiant maxima“, in O Legionário Nr. 379 (17. Dezember 1939); ders., Vorwort zur argentinischen Ausgabe von Revolución y Contra-Revolución, a.a.O.
[18] Plinio CORRÊA DE OLIVEIRA, „Grignion de Montfort“, in O Legionário Nr. 689 (21. Oktober 1945).
[19] Plinio CORRÊA DE OLIVEIRA, „Doutor, Profeta e Apóstolo na crise contemporânea“, in Catolicismo Nr. 53 (Mai 1955). Vgl. auch ders., „O Reino de Maria, Realização do mundo melhor“, in Catolicismo Nr. 55 (Juni 1955); ders., „Exsurge Domine! Quare obdormis?“, in Catolicismo Nr. 56 (August 1955), sowie den Artikel von Cunha ALVARENGA (José de AZEREDO SANTOS), „Servo de Maria, Amigo da Cruz e apóstolo da Contra-Revolução“, in Catolicismo Nr. 64 (April 1956).
[20] Plinio CORRÊA DE OLIVEIRA, „Doutor, Profeta e Apóstolo na crise contemporânea“, a.a.O.


Quelle: Roberto de Mattei,„Der Kreuzritter des 20. Jahrhunderts“, TFP-Büro Deutschland e.V. und DVCK e.V., Frankfurt, 2004. S.280-284.

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