Erzengel Gabriel - Kirche Saint Pierre de Chauvigny |
Heute singen auf Erden die Engel,
freuen sich
die Erzengel;
heute jauchzen die Gerechten
In der Liturgie nimmt das Weihnachtsfest sicherlich einen
beachtlichen Platz ein. Nicht jedoch ein Fest erster Größe. Zum Beispiel sind Ostern
und Pfingsten Feste Duplex erster Klasse mit einer privilegierten Oktav erster Ordnung;
während Weihnachten ein Duplex-Fest der ersten Klasse ist, mit einer
privilegierten Oktav der 3. Ordnung. Die Frömmigkeit der Gläubigen machte
jedoch aus diesem Fest eines der wichtigsten des Jahres. Und das aus mehreren
Gründen.
Die Geburt des Heilands ist schon an sich eine Ehre von
unendlichem Wert für das Menschengeschlecht. Das Wort Gottes hätte sich durchaus hypostatisch mit einem der
heiligsten und glänzendsten Engel der himmlischen Höhen vereinigen können. Und
doch hat es das Wort vorgezogen, Mensch zu werden, Fleisch anzunehmen, in seiner
Menschlichkeit der Nachkommenschaft Adams anzugehören. Völlig unverdient wurde
uns diese Gnade zuteil, eine Adelung von unsagbarem Wert, ein historischer
Ausgangspunkt weiterer, ebenso unergründlicher Gaben.
Die Menschwerdung des Wortes vorwegnehmend, hatte die
Vorsehung bereits ein Wesen geschaffen, das in sich eine größere Vollkommenheit
als die des ganzen Universums vereinigt, und in diesem Fall die
unausweichlichen Folgen der Erbsünde aufgehoben. Aus den durch die Erlösung zu
erwerbenden Verdiensten hatte sich die Tugend aller Gerechten des alten
Gesetzes genährt. Doch die Schar der Auserwählten saß „an den Pforten des Todes“
(Ps 106, 18) und wartete darauf, dass für uns alle das Gotteslamm geopfert
werde.
Doch nicht nur sie befanden sich in dieser wartenden
Haltung. Die ganze Geschichte befand sich sozusagen in einem Zustand stummer
Erwartung. Als Jesus Christus endlich geboren wurde, ging auf der ganzen damals
bekannten Welt ein Zeitalter zu Ende. Ägypten war aufgeblüht, hatte seinen
Höhepunkt erreicht und war zusammengebrochen. Das gleiche kann man auch von
anderen Völkern wie den Chaldäern, Persern, Phöniziern, Skythen, Griechen und
viele andere sagen. Schließlich standen auch die Römer kurz davor, in den
langen Untergang einzutreten, der — durch Zeiten des rapiden Verfalls, und mehr
oder weniger langen Stagnation durch eine flüchtige Reaktion —, über Augustus
zu seinem entfernten Nachfolger und elenden Gleichnamigen Romulus Augustus
führte.
Alle diese Reiche erreichten einen angemessenen
Höhenpunkt, um die Tiefe und Vielfalt der Talente und Fähigkeiten ihrer
jeweiligen Völker zu bezeugen. Doch das Niveau, auf das sich alle mehr oder
weniger erhoben hatten, entsprach nicht den Wünschen der wirklich edlen Seelen
ihrer Völker. Es scheint, dass diese großartigen Zivilisationen nicht so sehr
deutlich gemacht haben, was sie hatten, sondern was ihnen fehlte, und die
unheilbare Unfähigkeit von Talent, Reichtum und Stärke der Menschen, eine Welt
zu errichten, die ihrer Würde entsprach.
All dies führte in eine erstickende Atmosphäre in Asien,
Afrika oder Europa, die die Sklaven in ihrem ohnehin schon jämmerlichen Leben
noch mehr unterdrückte und die Freuden und Vergnügungen der Reichen heimlich
untergrub. Unwägbare, aber allgegenwärtige Unterdrückung, unfassbar, aber
offensichtlich, unbeschreiblich, und doch sehr eindeutig. Der Lauf der
Geschichte war in einem Sumpf der Korruption versunken, angefüllt mit den
Ruinen der Vergangenheit, in der nur noch die kranken Lebensformen erkennbar
waren. So verzeichnete man auf politischer Ebene ein Ende des Kampfes zwischen
zwei Formen der Demagogie: Anarchie und Straßenaufstände oder Militärisch und
despotisch. Auf kultureller Ebene, verschlang religiöse Skepsis alte
Götzenbilder. Auf der internationalen Bühne verkamen die verschiedenen
Heimatländer im Schmelztiegel des Reiches, um diesen unorganischen
kosmopolitischen Moloch zu bilden, in den sich Rom verwandelte. Im moralischen
Bereich dominiert die Verderbnis der Sitten den Alltag. Im sozialen Bereich wurde
das Gold in zum höchsten Wert angehoben. Für die gut Eingerichteten verliefen
die Dinge dem Schein nach reibungslos. Aber in solchen Zeiten sind die Wohlhabenden
normalerweise der moralische und intellektuelle Auswurf des Landes. Und so
leiden die Besten unter den tausend Qualen unverdienter und unangemessener
Situationen.
Und was für ein Bild bot das auserwählte Volk, als das
Wort Gottes Fleisch geworden ist? Herodes hatte sich zwar die Königskrone
aufgesetzt, war aber tatsächlich nichts als ein kläglicher, lüsterner,
grausamer Verbrecher, ein nützliches Werkzeug in den Händen der Besatzungsmacht,
die damit den Juden ein im Grunde wertloses Königtum vortäuschen wollte. Die Priester
waren, was ihren Glauben, ihre Ehrlichkeit und Selbstlosigkeit anging, der
Abschaum der Synagoge. Das Königshaus David wurde verachtet und lebte in größter
Armut und Vergessenheit. Die Gerechten lebten am Rand dieser vom Bösen
beherrschten Gesellschaft, die schließlich auch den Gerechten schlechthin
ausstoßen und töten sollte. Was war da noch zu erwarten? Man war am Ende.
Das Licht strahlte in
der Finsternis
Aber gerade in der Dunkelheit dieses Endes, zu einem Zeitpunkt und an einem Ort, an dem man es am wenigsten erwartet hätte, leuchtete schließlich ein überaus reines Licht auf. Mit diesem Licht kündigte sich die Stunde der Menschwerdung an und damit verbunden war die Verheißung der seit langem ersehnten Erlösung und eines neuen Zeitalters, das mit einem die ganze Welt erfassenden pfingstlichen Feuersturm seinen Anfang nehmen sollte.
Es ist die Pracht dieses Lichtes, das im Dunkeln eine Morgenröte
erweckt, die triumphierend zum Tag wurde; es ist das Lied der Überraschung und
der Hoffnung dieser übernatürlichen Erneuerung, die Sehnsucht und der
Vorgeschmack einer neuen, auf Glauben und Tugend basierenden Ordnung, die die
Gläubigen aller Jahrhunderte sich erfreuen zu betrachten, wenn sie über das
göttliche Kind nachdenken, das in der Krippe liegt und zärtlich zur jungfräulichen
Mutter und zu ihrem keuschsten Gemahl lächelt.
Eine bezeichnende
Ähnlichkeit
Auch heute lastet eine ungeheure Beklemmung auf uns. Da
hilft auch kein Versuch, den Ernst der Stunde zu verschleiern. Von dem
Unterschied einmal abgesehen, dass wir heute mit dem Beistand der heiligen
Kirche rechnen können, befindet sich die Welt erneut in einer Lage, die auf
erschreckende Weise an die Zeit des ersten Weihnachtsfestes erinnert.
Auch unter uns zeichnet sich der Kommunismus als ein Ende
an. Es ist der Epilog der religiösen und moralischen Dekadenz, der im 16.
Jahrhundert mit dem Protestantismus begann. In diesem Epilog schmilzt die
bürgerliche Welt, die zunehmend von Synkretismus, Sozialismus und Sinnlichkeit
berauscht ist, dahin. Und als ob dies nicht genug wäre, beschleunigt Russland
diesen Zerfallsprozess und verbreitet seine Irrtümer in allen Ländern.
Wir haben die Kirche unter uns, das stimmt durchaus. Doch
diese erhabene und übernatürliche Präsenz ist nur in dem Maße Rettung, in dem
die Menschen ihren Einfluss akzeptieren. Wenn sie sie ablehnen, sind sie in
gewisser Weise einer Bestrafung eher ausgesetzt als die Heiden selbst. Die
Juden hatten den Gottmenschen unter sich. Sie lehnten ihn ab und wurden zu einer
schrecklicheren Zerstörung bestraft, viel mehr als die Römer.
Nun aber, wie ist die Situation der Kirche in unserer
Zeit? Wir möchten lächeln und doch eher weinen, wenn uns jemand einfach sagt,
dass sie gut ist.
Natürlich kann diese Situation in gewisser Hinsicht als
gut bezeichnet werden. Mehr oder weniger, wie man zum Palmsonntag sagen könnte,
dass die Begeisterung der Juden für unseren Herrn riesig groß war.
Zu sagen aber, dass die Situation der Kirche heute im
allgemeinen gut ist, unter Berücksichtigung der positiven und negativen
Faktoren, ist dies ein Affront gegen die Wahrheit.
Für die Kirche ist die Situation gut, in der die Kultur,
die Gesetze, die Institutionen, das häusliche und tägliche Leben des Einzelnen
mit dem Gesetz Gottes übereinstimmen. Nichts ist auffälliger, dass das heute
nicht der Fall ist. Warum also die Sonne mit einem Sieb abschirmen?
Dass die gut Situierten die Dauer dieser langsamen Agonie
wünschen, ist verständlich. Wenn Mikroben denken könnten, würden sie es ja auch
vorziehen, ihr Opfer langsam zu töten, denn die die Agonie des Opfers
Garantiert ihr Wohlergehen; und sein Tod wird auch ihr Tod bedeuten. Menschen,
die meist ohne eigenes Verdienst eine Stelle einnehmen, die sie nur der Gunst
chaotischer Winde verdanken, haben natürlich allen Grund dazu, eine Rückkehr
zur Ordnung zu fürchten, denn damit würden sie wieder in den Staub zurückfallen.
Doch auch ihnen kann das tiefe Unbehagen dieses
Augenblicks nicht verborgen bleiben und auch sie erzittern wohl unter den immer
häufiger aus einer aufgeladenen Atmosphäre niederfahrenden Blitzen.
Die Stimme Fatimas
Auf dem Gipfel dieses heiligen Berges, der die Kirche
darstellt, erhebt sich das mütterliche, melancholische Bild Unserer Lieben Frau
von Fatima, die Stirn mit dem königlichen Diadem gekrönt, durch den - von den
Brasilianern geliebten - päpstlichen Legat, den die Frömmigkeit des
unsterblichen Pius XII. eigens mit dieser Aufgabe betraut hat.
Und von dieser Warte aus gehen über die unterdrückte die
Welt die Strahlen der Hoffnung aus, die die Königin des Universums ihr gebracht
hat. Es sind Strahlen, die in unserer Mitte Hoffnungen aufkeimen lassen, die durchaus
denen ähnlich sind, die die einst die Frohe Botschaft bei den Menschen des
Altertums ausgelöst hat. Ähnlich ist zu wenig gesagt. Es sind nämlich Strahlen,
die von der Kirche und somit von Jesus Christus ausgehen. Sie sind nichts als
die Verlängerung und Verstärkung jener Strahlen, die einst die erste
Weihnachtsnacht erhellt haben.
„Am Ende wir mein unbeflecktes Herz triumphieren“, hat die
Jungfrau bei ihrer dritten Erscheinung in der Mulde von Iria angekündigt.
Oh Neuheidentum, tausendmal schlimmer als das alte
Heidentum, deine Tage sind gezählt. Die Sowjetmacht wird stürzen, und auch im
Westen wird der Einfluss der Revolution ebenfalls zusammenbrechen. Die
Muttergottes hat es angekündigt. Und gegen sie sind alle Großen dieser Erde und
alle Fürsten der Finsternis machtlos.
Was kann aber der Triumph des Unbefleckten Herzens Mariens
bedeuten, wenn nicht die vom hl. Ludwig Maria Grignion von Montfort vorausgesehenen
Herrschaft der allerseligsten Jungfrau Maria? Und was kann diese Herrschaft anderes
andeuten, das Zeitalter der Tugend, wenn die mit Gott versöhnte Menschheit auf
Erden im Schoße der Kirche nach dem Gesetz lebt und sich auf die Herrlichkeiten
des Himmels vorbereitet?
Denken wir in diesem unruhigen Jahr 1957 an Heiligabend
nicht an „Sputniks“ oder Wasserstoffbomben, sondern um unsere Überzeugung zu
bestätigen, dass Jesus Christus den Teufel, die Welt und das Fleisch für immer besiegt
hat, und dass er, wenn erst einmal die schrecklichen Prüfungen vorbei sein
werden, für seine unbefleckte Mutter Tage der höchsten Verherrlichung bereit
hält.
Freie Übersetzung von „Hodie
in Terra Canunt Angeli, Laetantur Archangeli, Hodie Exsultant Justi“ aus
Catolicismo Nr. 84, Dezember 1957.
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