Dienstag, 24. Mai 2022

Die katholische Lehre zum Thema Krieg und Frieden


von Julio Loredo (*)

(* Artikel auf der Grundlage von Texten von Plinio Corrêa de Oliveira)

      Vielleicht stand das Problem des Friedens noch nie in der jüngeren Geschichte im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit wie heute. Die aktuellen internationalen Ereignisse haben ein Gespenst in unser Bewusstsein zurückgebracht, das viele gerne verbannt hätten: den Krieg. Angesichts der realen Möglichkeit eines internationalen Konflikts schieden sich die Geister: Die einen befürworteten einen gerechten Krieg, die anderen lehnten ihn radikal ab. Wohl in keinem anderen Milieu wird diese Debatte so heftig geführt wie im katholischen und hat sogar hohe kirchliche Persönlichkeiten auf den Plan gerufen.

      Ohne in die Polemik für oder gegen diesen oder jenen Krieg im Konkreten einzusteigen, möchten wir auf einen Mangel hinweisen: Es ist schwierig, eine klare und systematische Darstellung der katholischen Lehre zum Krieg zu finden. Dieser Mangel hat in nicht wenigen Kreisen zu der Vorstellung geführt, dass die katholische Kirche ex natura gegen jeden Krieg ist. Es hat nicht an jene gefehlt, die auf den Seiten einer bekannten Tageszeitung die These vertreten haben, dass sich die Lehre der Kirche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil verändert habe.

      Dies entspricht nicht der Wahrheit. Im Laufe von zweitausend Jahren hat die Kirche ein von Päpsten, Heiligen, Kirchenlehrer, Theologen und Moralisten geteiltes Lehramt über die Zulässigkeit des „gerechten Krieges“ heraus destilliert. Diese Lehre wurde auch im „Katechismus der Katholischen Kirche“ zusammengefasst, der 1992 von Papst Johannes Paul II. als Ausdruck des konziliaren Lehramts veröffentlicht wurde.

      Leider sind gerade in diesem Umfeld Stimmen laut geworden, die in Abweichung von der traditionellen Lehre der Kirche einen extremistischen Pazifismus vertreten, als ob dies die einzig akzeptable Position für einen Katholiken wäre.

      Gott ist Liebe, sagt man. Jegliche Manifestation von Kampfeslust würde daher dem göttlichen Willen zuwiderlaufen, da sie Hass und nicht Liebe zum Ausdruck brächte. Diese besondere Interpretation einer theologisch gesicherten Tatsache ist die Frucht der Romantik des 19. Jahrhunderts, die durch einen gewissen kitschigen Katholizismus weiter verwässert wird, der unserer Meinung nach die Grundlagen des Glaubens untergräbt.

I. FRIEDEN

1. Der Frieden Christi

      Jedes vernunftbegabte Lebewesen sehnt sich von Natur aus nach Ruhe und Frieden. Die Mitglieder einer Familie zum Beispiel sehnen sich natürlich nach einem Umfeld der Liebe, der Ruhe und der Eintracht. Alle Auseinandersetzungen sind als zufällige, vorübergehende Situationen zu betrachten, die man zu überwinden versucht.

      Für uns Katholiken ist der Friede auch ein göttliches Gebot: Ich lasse euch den Frieden, ich gebe euch meinen Frieden (Joh 14,27). Und genau an dieser Stelle müssen wir ansetzen. Unser Herr schenkt uns nicht irgendeinen Frieden. Er schenkt uns seinen Frieden: Ich gebe ihn euch, nicht wie die Welt ihn gibt (ebd.).

      Und so hat er, der klaglos als Unschuldslamm für uns gestorben ist, uns auch gewarnt: Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert (Mt 10,34). Auch dies ist kein gewöhnliches Schwert. Es ist sein Schwert. Offensichtlich gibt es keinen Widerspruch zwischen den beiden vollkommenen Lehren und kann es auch nicht geben.

      Das Leben unseres Herrn legt davon Zeugnis ab. Der sanftmütige Christus, der die Kinder anzog - lasst die Kinder zu mir kommen, denn ihnen gehört das Himmelreich (Mt 19,14) - ist derselbe Christus, der die Händler aus dem Tempel vertrieb und ihre Tische umstieß (Mt 21,12-13). Und es ist auch derselbe Christus, der am Ende der Welt als der Christus-Gladiferus (d.h. der Träger des Schwertes) kommen wird: Und ich sah den Himmel offenstehen, und siehe, ein weißes Pferd, und der auf ihm sitzt, heißt Treu und Wahr und in Gerechtigkeit richtet und kämpft er... Er ist umkleidet mit einen Gewand, das mit Blut getränkt ist, und sein Name heißt: das Wort Gottes. (...) Aus seinem Mund geht ein scharfes (zweischneidiges) Schwert hervor, um damit die Völker zu schlagen. (...) Auf seinem Gewand trägt er an der Hüfte als Name geschrieben: König der Könige und Herr der Herren (Offb 19,11-16).

      Zwischen dem einen und dem anderen gibt es keinen Widerspruch, und es kann auch keinen geben, da sie die ein und dieselbe göttliche Person ist.

      Was ist dann Frieden? Wie verträgt sich das mit dem Schwert?

2. Was ist Frieden?

      Der Friede, den unser Herr uns hinterlassen hat, ist der Friede Christi im Reich Christi.

      In erster Linie ist es der Friede in interiore homine, d.h. der Friede der Seele dessen, der das göttliche Wort bewahrt, der, erlöst, von der Sünde befreit und mit Gott versöhnt, seine Gebote erfüllt. Die wesentliche Voraussetzung für den Frieden ist die Ordnung, beginnend mit der inneren Ordnung, in der der Glaube im Menschen die Intelligenz erleuchtet, die wiederum den Willen lenkt, der dann die Sinne kontrolliert. Dieser Friede wird dann außerhalb des Menschen, in seinen familiären und sozialen Beziehungen, im Leben der Nationen projiziert. So definiert der große Augustinus den Frieden:

      „Der Frieden des Körpers ist das geordnete Verhältnis der Teile. Der Frieden der unvernünftigen Seele ist die geordnete Ruhe der Neigungen. Der Friede der vernünftigen Seele ist die geordnete Übereinstimmung von Denken und Handeln. Der Frieden von Körper und Seele ist das geordnete Leben und die Gesundheit der Lebenden. Der Friede des Menschen, der in das Werden und in Gott gesetzt wird, ist der geordnete Gehorsam im Glauben in Abhängigkeit vom ewigen Gesetz. Der Friede der Menschen ist die geordnete Eintracht. Der Friede des Hauses ist die geordnete Übereinstimmung von Befehl und Gehorsam der Menschen, die in ihm zusammenleben. Der Frieden des Staates ist die geordnete Übereinstimmung von Befehl und Gehorsam der Bürger. Der Friede der himmlischen Stadt ist die höchst geordnete und übereinstimmende Vereinigung des Glücklichseins mit Gott und des gegenseitigen Glücklichseins in Gott. Der Friede des Universums ist die Ruhe der Ordnung“ (De Civitate Dei 19,13).

3. Wo Unordnung herrscht, gibt es keinen Frieden

      Zwei sind also die notwendigen Elemente für den wahren Frieden: Ruhe und Ordnung. Wenn eines fehlt, können wir nicht von Frieden sprechen.

      Nehmen wir das Beispiel des Körpers. Wenn alle Organe in Ordnung sind, funktioniert er gut. Dann haben wir Gesundheit, das ist der Frieden des Körpers. Wenn dagegen eine physiologische Störung auftritt, haben wir es mit Krankheit zu tun. Ein kranker Mensch mag geistig ruhig sein (er kann zum Beispiel ruhig im Bett liegen), aber er wird keinen Frieden in seinem Körper haben.

      Das Gleiche gilt für die Seele. Der geistliche Friede des Menschen ist, wie der heilige Augustinus lehrt, ein im Glauben angeordneter Gehorsam in Abhängigkeit vom ewigen Gesetz. Die Sünde hebt die moralische Ordnung auf, indem sie Ungehorsam und damit einen grundlegenden Konflikt einführt, der sich in allen menschlichen Handlungen niederschlägt.

      An diesem Punkt müssen wir feststellen: Wo Sünde ist, gibt es keine Ordnung und damit keinen Frieden. Augustinus selbst warnt in dem oben genannten Text: „Der Friede der Unehrlichen kann nicht als Friede angesehen werden. Der große Bischof von Hippo wiederholt lediglich die Ermahnung des Propheten Jesaja: „Es gibt keinen Frieden für die Gottlosen, spricht der Herr“ (Jes 48,22).

      Aber was ist Ordnung? Ordnung ist die richtige Anordnung der Dinge gemäß ihrer natürlichen und übernatürlichen Bestimmung. Wir können diese Definition auf die Gesellschaft anwenden. Sie wird in dem Maße geordnet sein, in dem alle Institutionen, Gesetze, Kultur, Bräuche usw. nach dem Naturrecht geordnet und auf die Ehre Gottes ausgerichtet sind, dem letzten Ziel jeder menschlichen Gesellschaft, ob geistlich oder weltlich. Wenn dies nicht der Fall ist, kann diese Gesellschaft keinen wahren Frieden haben.

      So kann eine Gesellschaft, in der es ein Gesetz gibt, das die Abtreibung erlaubt – wie der § 194 in Italien -, niemals wahren Frieden haben, da sie im Widerspruch zum Naturrecht und vor allem zum göttlichen Gesetz steht.

4. Der Kampf gegen das „Geheimnis der Bösen“

      Leider müssen wir seit dem Sündenfall Luzifers und dann unserer Väter Adam und Eva mit einer unausweichlichen Realität rechnen, mit dem „Mysterium Iniquitatis“, das sich Sünde nennt. Wenn wir zum Anfang der Schöpfung zurückgehen, sehen wir Gott in vollkommener Herrlichkeit inmitten seiner Engel, in der Ordnung, die er im Himmel geschaffen hat. Alles war von Freude umhüllt. Wäre die Schöpfung so geblieben, wie sie war, hätte für immer Frieden geherrscht.

      Zu den Vollkommenheiten der Geschöpfe gehörte aber auch die Freiheit, d.h. die Möglichkeit der Wahl. Von Luzifer angezogen und trunken vor Hochmut, beschlossen einige Engel, sich gegen die göttliche Ordnung aufzulehnen. Luzifer, ein einfaches Geschöpf, wenn auch das vollkommenste, wollte wie Gott sein und trat die natürliche Hierarchie mit Füßen: „Ich will sein wie der Allerhöchste!“ (Jes 14,14). So brach die erste Revolution der Geschichte aus, das satanische Non-Serviam.

      Angesichts dieser schockierenden Tatsache entstand für die verbliebenen treuen Engel eine neue moralische Verpflichtung: Gott zu bezeugen, d.h. ihn zu lieben, zu preisen und ihm zu dienen, im Gegensatz zu denen, die ihn hassten, lästerten und sich gegen ihn auflehnten. Mit anderen Worten, die Pflicht zur Militanz war geboren.

      Dann erklang das „Quis ut Deus!“ (Wer ist wie Gott!) des hl. Erzengels Michael. Und die Heilige Schrift sagt: „Da brach ein Krieg im Himmel aus: Michael und seine Engel kämpften gegen den Drachen. Der Drache kämpfte zusammen mit seinen Engeln, aber sie konnten sich nicht durchsetzen, und es gab keinen Platz mehr für sie im Himmel“ (Offb 12,7-8).

      Der erste Krieg der Geschichte wurde also im Himmel ausgetragen.

      Von da an kann man nicht mehr an die Liebe Gottes denken, ohne ein harmonisches und entgegengesetztes Gefühl der Ablehnung und des Widerstands gegen das Böse hinzuzufügen, das mit der Sünde Luzifers in der Schöpfung und mit der Sünde Adams auf der Erde endgültig eingeführt wurde.

      Dieser Widerstand beginnt bei uns selbst. Als Folge der Erbsünde besteht im Menschen eine ständige Reibung zwischen den empfindsamen Begierden und dem von der Vernunft geleiteten Willen: „Ich sehe in meinen Gliedern ein anderes Gesetz, das mit dem Gesetz meiner Vernunft kämpft“ (Röm 7,23). Um sich auf dem Weg des Guten zu halten, muss der Mensch in einem wahren inneren Krieg gegen böse Tendenzen kämpfen.

      Aber die Sünde neigt dann dazu, sich in allen Handlungen des Menschen zu manifestieren. Und hier verkörpert sich das Böse sozusagen in Menschen, Ideen, Bewegungen, Trends, falschen Religionen und bösen Mächten, die es zu bekämpfen gilt. Deshalb erinnert uns die Kirche mit Hiob daran, dass das Leben des Menschen auf der Erde ein Kampf ist (Hiob 7,1). Auch Papst Leo XIII. erinnert uns daran, dass der Christ für den Kampf geboren ist (Enzyklika Sapientiae Cristianae, 10. Januar 1890).


      Dieser Kampf, der stets im Gehorsam gegenüber den göttlichen und menschlichen Gesetzen geführt wird, ist kein optionales Extra. Er ist ein fester Bestandteil des frommen Lebens des kämpferischen Kirchenmitglieds, eine Voraussetzung für die Erreichung des wahren Friedens.

5. Johannes Paul II: Wir sind keine Pazifisten

      Wollen wir Frieden? Dann bekämpfen die Ursachen des Krieges, das heißt das Böse und die Sünde. Mit anderen Worten: Wenn wir Gerechtigkeit schaffen, wird uns der Frieden obendrein geschenkt.

      Wir schließen diesen ersten Teil mit den Worten von Johannes Paul II. über das Gebet des heiligen Franziskus „O Herr, mach mich zu einem Werkzeug des Friedens“:

      „Jesus selbst wurde ein Werkzeug, ein Werkzeug Gottes, für unsere Erlösung, für unser ewiges Heil. Als Souverän, als Autonomer, als Person können wir also auch Werkzeuge eines Gutes sein, das größer ist als wir selbst. Denn das ist es, was unsere Würde ausmacht: wenn wir uns einem Ziel widmen, einem Zweck, der größer ist als wir selbst, der höher ist und der anderen dient, so wie wir jetzt von diesem Gut des Friedens sagen können, dass es dem Wohl der Menschheit dienen kann. Einfach nur Frieden, gewiss. Wir sind keine Pazifisten, wir wollen keinen Frieden um jeden Preis. Einfach nur Frieden. Frieden und Gerechtigkeit. Frieden ist immer das Werk der Gerechtigkeit: Opus iustitiae pax“. (L'Osservatore Romano, 18-19 Februar 1991, S. 5).

II. DAS LEHRAMT DER KIRCHE ZUM THEMA KRIEG UND FRIEDEN

1. „Selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Söhne Gottes genannt werden“

      „Selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Söhne Gottes genannt werden“ (Mt 5,9). Dies ist ein grundlegendes Gebot für Christen. Wie bereits erwähnt, ist das Streben nach Frieden für uns ein moralischer Imperativ.

      Diesem Umstand hat die Kirche in ihrer nunmehr tausendjährigen Geschichte Rechnung getragen. Wie die italienische katholische Enzyklopädie erklärt: „Keine ideologische Strömung hat eine lebendigere Vorstellung vom tragischen Charakter des Kriegsereignisses gehabt als die katholische, und keine hat sich so sehr bemüht, dessen Auswirkungen zu mildern, indem sie den Völkern das Gefühl der universellen Brüderlichkeit, Einheit und Liebe vermittelt hat“.

2. Erbsünde, die Ursache aller Kriege

      Aber warum gibt es Krieg? Weil es die Sünde gibt: „Der katholischen Auffassung vom Krieg liegt zweifellos der Gedanke der Erbsünde zugrunde, deren schmerzliche Folge er ist“.

      Können wir also allen Kriegen ein Ende setzen? Wir könnten genauso gut fragen: Können wir die Sünde abschaffen? Die Antwort ist eindeutig: Nein. Die Position derjenigen, die den Krieg abschaffen wollen, ist daher offenkundig utopisch. Daher hat sich „die christliche Auffassung ebenso weit von (...) Humanismus und Pazifismus aus der Realität herausgehalten“. Mit anderen Worten: Man darf das Streben nach Frieden nicht mit Pazifismus verwechseln.

      Die katholische Enzyklopädie fährt fort: „Keine Vorstellung ist menschlicher als die christliche, und doch haben sich ihre aufrichtigsten Anhänger nicht von übertriebener Sentimentalität täuschen lassen. Der Friede ist ein hohes Gut, ja das höchste irdische Gut der Menschheit, auf dessen Erhaltung das gesellschaftliche Leben ausgerichtet sein muss. Es handelt sich jedoch nicht um ein Gut, das um jeden Preis auf Kosten von Recht und Gesetz aufrechterhalten werden soll, die vielmehr geschützt und verteidigt werden müssen. (...) Die katholische Lehre ist friedlich (pazifisch), aber nicht pazifistisch, menschlich (human), aber nicht humanistisch“.

3. Das Evangelium und die Anwendung von Gewalt

      „Diese grundsätzliche Zustimmung zur Anwendung von Gewalt, um die Friedensordnung in der Gerechtigkeit zu erhalten oder wiederherzustellen, steht nicht im Widerspruch zur Lehre des Evangeliums“, heißt es in der katholischen Enzyklopädie weiter, „diese Position wird nicht geleugnet, sondern vom Evangelium selbst bestätigt. Katholische Theologen und Moralisten haben sich die Frage gestellt, ob der Krieg dem Wesen der christlichen Botschaft widerspricht, und haben unter Berufung auf den heiligen Augustinus gezeigt, dass es einen solchen Widerspruch nicht gibt“.

4. Der Mythos des Pazifismus in der frühen Kirche

      Der Mythos des angeblichen Pazifismus in der frühen Kirche muss entlarvt werden. Tatsache ist, dass es in den ersten Jahrhunderten keinen Akt des Lehramtes gab, der Christen den Militärdienst untersagte. Im Gegenteil, es ist bekannt, dass viele Christen in dieser Zeit als Offiziere oder Soldaten in den römischen Legionen gedient haben, ohne dass die Kirche ihnen einen Vorwurf gemacht hätte. Viele wurden sogar heiliggesprochen. Ein typischer Fall ist der des heiligen Sebastian, Befehlshaber der ersten Kohorte unter den Kaisern Diokletian und Maximian. Dieses Korps war die Elite der kaiserlichen Armee.

      Das Buch „I Santi Militari“ (Die heiligen Militärs) von Rino Cammilleri geht noch weiter und zeigt, wie gegen Ende des westlichen Reiches ein großer Teil der Armee aus Christen bestand. Dies ist umso bedeutsamer, als der Militärdienst im Römischen Reich weder allgemein noch obligatorisch war. Mit anderen Worten: Christen dienten in der Armee meist als Freiwillige.

      Die Offiziere und Soldaten, die in dieser Zeit den Märtyrertod erlitten, wurden nicht hingerichtet, weil sie sich weigerten, als Christen in der Armee zu dienen, sondern weil sie sich weigerten, an heidnischen Zeremonien teilzunehmen, die götzendienerische Handlungen beinhalteten.

      Die frühe Kirche war weit davon entfernt, pazifistisch zu sein, und billigte die Beteiligung der Christen an der bewaffneten Verteidigung des Reiches. Kanon III des Konzils von Arles, das im August 313 stattfand, sanktionierte die erste Verurteilung des Pazifismus und legte fest, dass „diejenigen, die die Waffen niederlegen, sind exkommuniziert“.

5. „In hoc signo vinces“.

      Im Römischen Reich wurde die Kirche - mit einigen Unterbrechungen relativer Ruhe - verfolgt. So wurden der hl. Petrus und der hl. Paulus unter Nero hingerichtet, und Diokletian erließ seine berühmten Verfolgungsdekrete.

Dem Kaiser Konstantin erscheint das
Kreuzsymbol am Himmel
      Im Jahr 312 ereignete sich ein wundersames Ereignis, das das Gesicht der Kirche und der Welt für immer verändern sollte. Kaiser Konstantin, genannt der Große, befand sich im Krieg gegen den Usurpator Maxentius, der Rom besetzt hielt. Als er sich der Hauptstadt näherte, hatte er die Vision eines strahlenden Kreuzes am Himmel, begleitet von der Inschrift in hoc signo vinces, mit diesem Zeichen wirst du siegen. Wie sein Sekretär und Biograph Lactantius berichtet, erschien ihm Christus in der Nacht im Traum und befahl ihm, dieses Symbol in den Schlachten zu verwenden.

      Am nächsten Tag leuchtete das Zeichen unseres Herrn Jesus Christus auf den Labari, Fahnen und Schilden der kaiserlichen Armee. Und dann war da noch die Schlacht von Ponte Milvio bei Saxa Rubra, die die Ära der Verfolgung beendete. Ein Jahr später, im Jahr 313, verkündete Konstantin zusammen mit Licinius, dem Augustus des Ostens, das Edikt von Mailand, das der Kirche endlich Freiheit gewährte. Man kann also sagen, dass die öffentliche Anerkennung der christlichen Religion in der Armee und dank der Armee begann.

6. Gegenüber den Barbaren

      Die Lehre von der Legitimität bestimmter Kriege begann sich in den langen Jahrhunderten barbarischer Invasionen durchzusetzen, die mit Gewalt und Schrecken verbunden waren und die die Kirche durch ihre Lehre und ihr Beispiel zu mildern und abzuschwächen versuchte. Den barbarischen Invasoren lehrte die Kirche jedoch nicht den Pazifismus, sondern das Ideal des christlichen Kriegers.

      Zwei Beispiele für diese Verpflichtung sind der „Friede Gottes“ und der „Waffenstillstand Gottes“. Durch den „Gottesfrieden“ unterschied die Kirche zum ersten Mal in der Geschichte zwischen Kombattanten und Zivilisten und ordnete an, dass letztere aus dem Konflikt herausgehalten werden sollten. Durch den „Gottesfrieden“ verbot die Kirche das Kämpfen zu bestimmten Zeiten des Jahres, wie der Fastenzeit und Weihnachten.

      Die Kirche lenkte den kriegerischen Elan der Barbaren auf die Verteidigung der Kirche und der Christenheit. So entstanden nach und nach die Idee des Rittertums und der Menschentypus des christlichen Ritters, der im Mittelalter mit Ludwig IX., König von Frankreich, und Ferdinand III, König von Kastilien ihren Höhepunkt erreichten. Der heilige Bernhard von Clairvaux schrieb die Regel des Rittertums De laude novae militae ad milites Templi, in der er den „Malizid“ (d.h. die Vernichtung des Bösen) als tugendhafte Handlung bezeichnet.

      Ein Vorläufer dieses ritterlichen Ideals war der Krieg, den der byzantinische Kaiser Heraklius im Jahr 622 gegen die Perser führte, die das Heilige Kreuz unseres Herrn Jesus Christus gestohlen hatten. Der „Krieg des Heiligen Kreuzes“ genannte Konflikt wurde siegreich beendet, und der Kaiser konnte die heilige Reliquie nach Jerusalem zurückbringen. Die christlichen Heere zogen mit Ikonen unseres Herrn in die Schlacht und schmückten sich mit dem Heiligen Kreuz auf ihren Schilden und über ihren Bannern.

7. Die Theorie des gerechten Krieges bei Augustinus

      Die erste Ausarbeitung einer christlichen Lehre über den Krieg ist dem großen Kirchenlehrer Augustinus zu verdanken, insbesondere in seinem Buch Die Stadt Gottes, Kapitel 19.

      Der Bischof von Hippo lehrt zunächst, dass sich alle Lebewesen nach Frieden sehnen; selbst diejenigen, die den Krieg wollen, wollen nur den Frieden durch den Sieg sichern: „Daraus folgt, dass der Frieden das wünschenswerte Ende des Krieges ist.“ Doch nicht jeder Frieden ist gerecht. Es gibt einen scheinbaren und falschen Frieden und einen wahren Frieden, der die Ruhe der Ordnung ist, nach einer Formel, die zum Klassiker werden soll.

      Der Gedanke des heiligen Augustinus wird also in den folgenden Passagen entwickelt:

      a) Der Krieg ist ein Übel, zu dem jedoch manchmal gegriffen werden muss, um Ungerechtigkeiten zu beseitigen und die von den Bösen gestörte Friedensordnung wiederherzustellen.

      b) Ein Krieg kann „gerecht“ sein, wenn der Frieden, den er anstrebt, gerecht ist. Der heilige Augustinus definiert gerechte Kriege in einem berühmten Text: „Kriege, die Unrecht rächen, werden gewöhnlich als gerecht definiert: das heißt, wenn es darum geht, ein Volk oder eine Stadt zu besiegen, die es versäumt haben, die Untaten ihrer Untertanen zu bestrafen oder das zurückzugeben, was ihnen zu Unrecht genommen wurde. Es ist wichtig, in diesem Abschnitt darauf hinzuweisen, dass das, was einen Krieg gerecht macht, die Ungerechtigkeit der anderen Seite ist. Der Krieg ist gerecht, weil ein Unrecht vollendet wurde oder kurz davor steht, vollendet zu werden.

      c) Der Wille muss immer auf das Wohl des Friedens gerichtet sein: Der Krieg wird aus der Notwendigkeit heraus geführt, damit Gott uns aus einem Zustand der Ungerechtigkeit befreit und uns in Frieden erhält. Man sucht nicht den Frieden, um Krieg zu führen, sondern man führt den Krieg, um den Frieden zu erlangen: „Seid also friedlich in der Kriegsführung, um diejenigen, die ihr bekämpfen müsst, durch den Sieg zum Wohl des Friedens zu veranlassen“.

      Was die Leiden betrifft, die aus dem Krieg resultieren und die manchmal sogar diejenigen heimsuchen, die es verdienen würden, davon verschont zu bleiben, so sind sie eine Tatsache, die aus Gründen der Barmherzigkeit und des Heils oder der Heiligung von der Vorsehung zugelassen wird.

      Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Krieg an sich, als Anwendung von Gewalt, weder an sich gut noch an sich schlecht ist, sondern indifferent. Er wird gut oder schlecht, gerecht oder ungerecht, je nachdem, welche Ziele er verfolgt.

      Ähnliche Aussagen finden wir auch in den Schriften anderer Kirchenväter aus dieser Zeit. Für den heiligen Ambrosius zum Beispiel: „der Krieg ist eine gerechte und verdienstvolle Sache, wenn sein Ziel gut ist“.

8. Die Theorie des gerechten Krieges beim hl. Thomas von Aquin

      Der Doctor Angelicus spricht ausdrücklich von iustum bellum: „Diejenigen, die gerechte Kriege führen, haben den Frieden zum Ziel. Deshalb sind sie nur gegen den bösen Frieden, den der Herr nicht auf die Erde gebracht hat“.

      Die drei thomistischen Bedingungen des gerechten Krieges, die klassisch bleiben sollen, lauten wie folgt:

      a. Er muss von einer zuständigen Behörde verkündet werden: „Denn eine Privatperson hat in der Tat keine Befugnis, einen Krieg zu führen, da sie ihr eigenes Recht durch das Urteil ihres Vorgesetzten einholen kann“.

      b. Zweitens ist ein gerechter Grund erforderlich, nämlich „eine Schuld derjenigen, gegen die der Krieg geführt wird“.

      c. Drittens muss die Absicht der Kämpfenden rechtschaffen sein, d.h. „dass sie das Gute fördern und das Böse vermeiden wollen“. Der hl. Thomas erinnert daran: „Bei den wahren Gottesanbetern sind auch die Kriege friedlich, die nicht aus Habgier oder Grausamkeit geführt werden, sondern um des Friedens willen, das heißt, um die Bösen zu unterdrücken und den Guten zu helfen“.

      Die Lehre des hl. Thomas wird durch päpstliche Bullen, konziliare Dekrete des Mittelalters und Vorschriften über Konflikte zwischen Königreichen bestätigt. Es handelt sich um Dokumente, die durch ihre gedankliche Übereinstimmung die authentische Lehre der Kirche wiedergeben. (Vgl. Yves de la Brière, S.J., Paix et Guerre, in Dictionnaire Apologétique de la Foi Catholique, Gabriel Beauchesne Editeur, Paris 1926, T. III, coll. 1260-1262).

      Der gerechte Krieg, von dem der hl. Thomas und der hl. Augustinus schreiben, ist wohlgemerkt ein Angriffskrieg. Der Verteidigungskrieg ist Teil des natürlichen Rechts des Menschen auf Selbstverteidigung und muss nicht rechtlich und theologisch begründet werden.

9. Gerechter Krieg nach dem hl. Bonaventura

      Auch der hl. Bonaventura, der seraphische Kirchenlehrer, beschäftigt sich mit dem Krieg. Hier sind seine Worte:

      „Für die Rechtmäßigkeit des Krieges ist erforderlich (...), dass derjenige, der ihn erklärt, mit Autorität ausgestattet ist, dass derjenige, der ihn führt, ein Laie ist (...), dass derjenige, gegen den der Krieg geführt wird, von solcher Anmaßung ist, dass er durch den Krieg zurückgedrängt werden muss. Ausreichende Gründe sind: der Schutz des Vaterlandes oder des Friedens oder des Glaubens“. (Opera Omnia, Hrsg. Vives, Paris, 1867. T. X, S. 291.)

10. Gerechter Krieg in der Zweiten Scholastik

      Die Lehre vom gerechten Krieg wurde später von den großen Theologen der Zweiten Scholastik weiterentwickelt, vor allem von dem Dominikaner Francisco de Vitoria und dem Jesuiten Francisco Suárez, der den Beinamen „Erhabener Kirchenlehrer“ erhielt.

      Dass der Krieg, wie Suárez schreibt, „nicht an sich böse ist und auch den Christen nicht verboten ist, ist eine Glaubenswahrheit, die in der Heiligen Schrift enthalten ist, denn im Alten Testament werden Kriege, die von sehr heiligen Männern geführt wurden, gepriesen: ,O Abraham! Gesegnet seist du von Gott, dem Höchsten, der Himmel und Erde erschaffen hat, und gepriesen sei der Allerhöchste Gott, der deine Feinde in deine Hand ausgeliefert hat‘“ (Gen 14,19-20). Ähnliche Passagen lesen wir über Mose, Josua, Samson, Gideon, David, die Makkabäer und andere, denen Gott viele Male befohlen hat, gegen die Feinde der Juden Krieg zu führen. In diesem Zusammenhang sagt der heilige Paulus, dass diese Heiligen Reiche zugunsten des Glaubens erobert haben. Dies wird auch durch andere Zeugnisse der Heiligen Väter sowie durch den hl. Ambrosius bestätigt“ (De Bello, Sectio I, 2, zit. in Luciano Pereña Vicente, Teoría de la Guerra en Francisco Suárez, C.S.I.C., Madrid 1954, Bd. II, S. 72 und 74).

      Ein Angriffskrieg ist also nicht per se schlecht, „aber er kann ehrlich und notwendig sein“. Vorausgesetzt, dass er erst nach Ausschöpfung aller anderen Mittel angewandt wird und die zu behebende Ungerechtigkeit so schwerwiegend ist, dass sie den Rückgriff auf ein so folgenschweres Mittel erfordert.

11. Der gerechte Krieg im „Katechismus der Katholischen Kirche“

      Der aktuelle „Katechismus der Katholischen Kirche“ bekräftigt in seiner Behandlung des fünften Gebots (2258ff) die traditionelle Lehre über die Rechtmäßigkeit des gerechten Krieges und mahnt, dass man „die strengen Bedingungen, die ihn rechtfertigen, streng prüfen muss“. Der „Katechismus“ fügt den klassischen Bedingungen, die der hl. Thomas aufstellt, weitere hinzu:

      „Der Schaden, der der Nation oder der Völkergemeinschaft durch den Angreifer zugefügt wird, muss sicher feststehen, schwerwiegend und von Dauer sein.

      Alle anderen Mittel dem Schaden ein Ende zu machen, müssen sich als undurchführbar oder wirkungslos erwiesen haben.

      Es muss ernsthafte Aussicht auf Erfolg bestehen.

      Der Gebrauch von Waffen nicht Schäden und Wirren mit sich bringen, die schlimmer sind als da zu beseitigende Übel.“

      In Bezug auf die militärische Laufbahn ist der „Katechismus“ ebenso eindeutig: „Die staatlichen Behörden haben in diesem Fall das Recht und die Pflicht, den Bürgern die zur die zur nationalen Verteidigung notwendigen Verpflichtungen aufzuerlegen. Diejenigen, die sich als Militärangehörige in den Dienst ihres Vaterlandes stellen, verteidigen die Sicherheit und Freiheit der Völker. Wenn sie ihre Pflicht richtig erfüllen, tragen sie zum Gemeinwohl der Nation und zur Erhaltung des Friedens bei“ (2310).

12. Die heilige Therese vom Kinde Jesu


      Der katholische Pazifismus ist eine neue Erscheinung. Die pazifistische Wende kam in der Tat erst in den 1960er Jahren im Gefolge des nachkonziliaren Taifuns. Zu keinem Zeitpunkt finden wir jedoch eine Bestätigung in offiziellen Texten: weder in den Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils, noch in den Enzykliken, noch in den Verlautbarungen der Päpste. Die Kirche ist im Wesentlichen prinzipienfest geblieben. Der weit verbreitete pazifistische Geist ist also auf eine veränderte Sensibilität zurückzuführen, nicht auf eine veränderte Doktrin. Eine Sensibilität, die unseres Erachtens angesichts der immer bedrohlicheren internationalen Lage überprüft werden sollte.

      Als Bestätigung dafür, wie sehr dieser Pazifismus bis in die jüngste Zeit nicht zum geistigen Horizont der Katholiken gehörte, sind wir dankbar, dass wir diesen Aufsatz mit dem Zitat einer Heiligen abschließen können, die sanft und mild war: Die hl. Therese vom Kinde Jesu, die zur Kirchenlehrerin erklärt wurde.

      Indem sie sich an Jesus wendet, erklärt die große Heilige von Lisieux, dass sie „auf der Erde wandeln, deinen Namen predigen und dein glorreiches Kreuz auf ungläubigen Boden pflanzen“ möchte. „Ich fühle“, fährt sie fort, „die Berufung des Kriegers, des Priesters, des Apostels, des Lehrers, des Märtyrers, kurz, ich fühle das Bedürfnis, den Wunsch, für dich, Jesus, alle heldenhaften Werke zu tun. Ich fühle in meiner Seele den Mut eines Kreuzfahrers, eines päpstlichen Zuaven. Ich würde gerne auf einem Schlachtfeld für die Verteidigung der Kirche sterben“.

      „O mein göttlicher Gemahl, ich will singend in deinen Armen sterben, auf dem Schlachtfeld, mit der Waffe in der Hand“, schreibt sie am 25. März 1897. Und einige Zeit später wendet sie sich an die Oberin in dem sie murmelte: „Oh nein, ich hätte keine Angst gehabt, in den Krieg zu ziehen. Mit welcher Freude wäre ich zum Beispiel zur Zeit der Kreuzzüge losgezogen, um die Ketzer zu bekämpfen“.

      „Der Frieden ist eine zu schöne, zu gerechte und zu edle Sache, als dass man sie den Pazifisten überlassen sollte“, sagte Plinio Corrêa de Oliveira.

 

 

Aus dem Italienischen übersetzt mit DeepL-Übersetzer (kostenlose Version) von „La dottrina cattolica in tema di guerra e di pace“ aus einem Vortrag vom  21. Januar 1993 in https://www.atfp.it/biblioteca/conferenze-varie/994-dottrina-cattolica-in-tema-di-guerra-e-di-pace

eingsehen am 18.5.2022

© Nachdruck oder Veröffentlichung ist mit Quellenangabe dieses Blogs gestattet.

Diese deutsche Fassung „Die katholische Lehre zum Thema Krieg und Frieden“ erschien erstmals in www.p-c-o.blogspot.com 

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