O „Legionário“, 22. Oktober 1944
„Alle oben genannten Elemente (des Klerus und
der Katholischen Aktion - K.A.) für die soziale und vielfältige Arbeit der
christlichen Nächstenliebe zu gewinnen, um in allen physischen oder moralischen
Bedürfnissen unseren Nachbarn zu helfen, ohne Unterschied von Hautfarbe, Rasse,
Nationalität oder Klasse“. Dies ist einer der wichtigsten Punkte des Aktionsplanes
des neuen Erzbischofs von São Paulo.
„Hilfe bei körperlichen oder geistigen
Bedürfnissen“: Dies ist das Konzept der Werke der Barmherzigkeit, die unser
Herr der Welt gelehrt hat und die die Heilige Kirche im Laufe der Jahrhunderte
ununterbrochen ausgeführt hat. Der gesamte Geist der Kirche besteht aus
fruchtbaren Gegensätzen, die sich in göttlicher Harmonie auflösen. Im
Mittelalter reiste ein muslimischer Potentat durch Europa und wurde von
feudalen Kriegern, Verteidigern des Glaubens, gefangen genommen. Eines Tages
fanden sie ihn sehr nachdenklich, und denjenigen, die ihn fragten, warum, antwortete
er: „Ich kann nicht verstehen, wie diese demütigen Männer so erhabene Denkmäler
bauen.“ Demütige Seelen, Erbauer göttlich erhabener Werke, die durch das
kostbare Blut unseres Herrn Jesus Christus erlösten Seelen werden in dieser Bemerkung
aufrichtig beschrieben. Scheinbar besteht zwischen Demut und Selbstbewusstsein
ein Widerspruch. Die heidnische Welt verstand diesen Widerspruch nicht, und
einer der Vorwürfe, die die Römer gegen die Märtyrer erhoben, war genau, dass
ihre Religion die Niedrigkeit verherrlichte. Sie wussten nicht, was für ein
bewundernswertes Saatfeld stolzer Seelen diese dunklen und geheimnisvollen
Katakomben waren, wo Patrizier und Sklaven, große und kleine, sich um die
Altäre versammelten und von Jesus Christus das Geheimnis der Demut und des Stolzes
lernten, wovon er uns in seinem irdischen Leben so schöne Beispiele gab. „Christianus alter Christus“, die Demut
des Christen oder der Stolz des Christen ist nichts anderes als ein Spiegelbild
des Selbstbewusstseins und der Demut unseres Herrn Jesus Christus.
Ein weiterer Kontrast, den die Welt nicht
versteht, der jedoch ebenso harmonisch und fruchtbar ist wie der des Stolzes
und der Demut des wahren Christen, ist der der Sanftmut und der Kampfbereitschaft.
Wenn der Araber, von dem wir sprechen, das Leben der Heiligen beobachten würde,
würde er sicherlich auf dieses Geheimnis stoßen und über sie sagen: „Ich kann
nicht verstehen, wie solche friedvollen Seelen so kriegerisch sein können, wie
solche kriegerischen Seelen so friedlich sein können.“ ES kommt davon, weil im
Katholizismus alles Liebe ist, und selbst wenn jemand aus Notwendigkeit und in
Nachahmung Unseres Herrn die Peitsche schwingt, die die Fehler des Jahrhunderts
bestraft, tut er es aus Liebe. Er tut es aus Liebe und tut es mit Liebe.
Christliche Kampfbereitschaft bedeutet ausschließlich Selbstverteidigung. Es
gibt keine andere Möglichkeit, legitim zu sein. Es ist immer die Liebe zu etwas,
was beleidigt wurde, die den Christen zum Kampf bewegt. Jeder Kampf ist umso
heftiger, je größer die Liebe ist, mit der er geführt wird. Und gerade aus
diesem Grund gibt es beim Katholiken keine größere Kampfeslust als die, mit der
er für die Verteidigung der Kirche kämpft, die beleidigt, geleugnet und mit
Füßen getreten wurde. Warum kämpft er? Um die Rechte der Seelen zu verteidigen,
die man der Kirche entreißen will. Um die Pforten, die es den Auserwählten
Gottes ermöglichen müssen, sich seiner Kirche zu nähern, freien und ungehinderten
Zugang zu sichern. Um die Unverschämtheit der Gottlosigkeit zu erschlagen und
die Heilige Mutter Kirche zu verherrlichen. Für diese Dinge muss sich der
Katholik schlagen. Und wenn alle friedlichen Mittel nach und nach geduldig,
unwiederbringlich erschöpft sind, erhebt sich der Katholik mit dem Mut eines
neuen Makkabäers, voller Eifer für die Braut Christi, dann kann er mit Fug und
Recht sagen, dass es bei all seiner Kampfeslust nur eines gibt: Liebe.
Lassen wir dieses Bild hinter uns und
schauen wir statt auf die christliche Krieger auf die Schwester der Nächstenliebe,
die sich sanft dem Bett nähert, in dem ein ekelhafter Patient leidet. Er ist
ihr unbekannt, in ihm sieht sie dennoch ein Mitglied des mystischen Leibes
Christi, der Heiligen Katholischen Kirche. Und aus diesem Grund nähert sie sich
ihm voller übernatürlicher Zärtlichkeit, löst die Tücher, die die
Abscheulichkeit seiner Wunden verbergen, und empfängt in ihrem Gesicht, stärker
als je zuvor, den schrecklichen Geruch verwesenden Fleisches. Im Gesicht der
Schwester der Nächstenliebe ist die Gleichgültigkeit vollkommen. Sie betrachtet
die Wunden wie Perlen, atmet den Geruch der Fäulnis ein, als wäre es Parfüm.
Gott weiß, welche schrecklichen Abscheulichkeiten sie in sich zerschlägt und
was für einen hartnäckigen, gewalttätigen, gigantischen Kampf sie entwickeln
muss, um den Opferplatz, den Unser Herr Jesus Christus ihr wünscht, nicht
aufzugeben! Wie viel Liebe werden diejenigen sagen, die nur auf die Ruhe ihres
Gesichtsausdrucks und ihrer Gesten blicken.
Wie viel Kampfbereitschaft, werden
diejenigen sagen, die am eindringlichsten sind, und die Aufruhr des inneren
Kampfes enthüllen, angesichts dessen die Religion nicht nachgibt! So viel Liebe
in dieser Kampfbereitschaft! Wie viel Kampfbereitschaft steckt in dieser Liebe!
Kampfbereitschaft und Liebe, wenn die heutige
Welt verstehen könnte, wie diese Tugenden harmonieren, wie man sogar das lieben
muss, was man bekämpft ... und mit beiden Händen sogar das bekämpfen muss, was
man manchmal mehr als aus gerechtem Grund zärtlich liebt, wie wäre das Antlitz
der Erde anders!
* * *
Es sind die heiligen Kämpfe der
christlichen Nächstenliebe, die inneren Kämpfe, die die Ströme der Liebe in uns
steigen lassen, äußere Kämpfe, Siege, die um so freudiger je friedlicher sie
sind, weil Christus der König des Friedens ist, aber auf jeden Fall Siege, die ihren
Glanz nicht verlieren mit der Energie und nicht verblassen, wenn der offene
Kampf der einzige Weg war, sie zu erreichen – es ist zu diesen heiligen Kämpfen
der christlichen Nächstenliebe zu denen unser Erzbischof uns aufruft.
Dom Carlos Carmelo de Vasconcelos Mota
blickt aus der Ferne auf seine geistliche Herde und hat Worte der Zärtlichkeit
und des Mitgefühls, die ein Echo des göttlichen Ausrufs sind: „misereor super
turbam“ – diese „Mich erbarmt des Volkes“. Und wie hat er recht! Pius XII. sagt
in der Ansprache, die wir kürzlich veröffentlicht haben, wir müsse ein
Heldentum ähnlich der Märtyrer an den Tag legen, um die Religion heute in Treue
und Sorgfalt zu praktizieren. So sind die großen modernen Städte wahre Orte des
Kampfes und der Qual für die „christi
fideles“ (Christgläubigen) unserer Tage. Im Luxus aristokratischer Salons,
im Komfort bürgerlicher Ambiente, in der Ruhe der kleinbürgerlichen Klassen, in
der Einfachheit der Arbeiterklasse, in der rohen Not der armen Klassen – in all
dem verbergen sich heute schreckliche Versuchungen, die zu obsiegen schwer, ja
sehr schwer ist, es kostet geistliches Leiden, das das Blut der Seele ist. Man
muss diesen leidenden Seelen zu Hilfe eilen, fliegen, damit sie unserem Herrn
treu bleiben oder Ihm näher zu kommen. Jede Verzögerung in dieser Aufgabe ist
eine Niederlage, und jede Vernachlässigung ist ein Verbrechen. Aus diesem Grund
ruft Dom Carlos Carmelo de Vasconcelos Mota zu einem wahren Kreuzzug für die
Erlösung so vieler leidender Seelen unserer Tage auf.
* * *
Aber das reicht nicht aus. Es reicht nicht
aus, die Seelen dazu zu bringen, das harte und sanfte Joch der christlichen
Moral zu akzeptieren. Es ist auch notwendig, diejenigen zu trösten, die unter
körperlichem Elend aller Art leiden. Warum müssen wir uns an das schmerzhafte
Bild erinnern, das wir immer vor Augen haben: die vollen Krankenhäuser, die
Patienten aus Platzmangel abweisen, die Kranken, die aus Mangel an Geld für den
Kauf sehr teurer Medikamente dahinsiechen, die gesunden Menschen, die langsam im
Krankheitszustand versenken wegen notwendiger übermäßiger Arbeit zum Unterhalt
der Familie, oder wegen Mangel an Nahrungsmittel? Warum mit Schrecken an die
unzähligen Menschen denken, die ohne Glauben oder spirituellen Horizont ein
Leben voller Verzweiflung und Auflehnung im Schatten ihrer Häuser oder erdrückt
zwischen den Wänden von Krankenhäusern führen? Das alles bricht einem so sehr
das Herz, und das ist noch nicht alles. Es gibt das Problem der Kindheit, der
unschuldigen Kindheit, der viel versprechenden Kindheit, der Kindheit, die das
schädliche Umfeld der Großstädte schon so früh elend und sündig macht. Wie
unser neuer Erzbischof betont, wurde in dieser Hinsicht bei uns bereits viel
getan. Die Stadt der Minderjährigen der Liga
der Katholischen Frauen ist einfach ein Wunder. Aber .... wie viel gibt es
noch zu tun! Und wenn uns alle leid tun, welch besonderen Platz nimmt in
unseren Herzen die Kindheit ein, die Jesus Christus so sehr liebte!
* * *
Es braucht viel Nächstenliebe. Aber die
Worte unseres Erzbischofs sind ganz klar: Was wir brauchen, ist christliche
Nächstenliebe und nicht irgendeine Philanthropie.
Warum? Ganz einfach, weil es ohne die
Kirche Jesu Christi keine wahre Nächstenliebe gibt. Wir leugnen nicht, dass es in
unserer gegenwärtigen Zivilisation Seelen gibt, die außerhalb der Kirche leben
und Gutes für den Nächsten tun. Sie besaßen Glauben, und dieser Glaube, den sie
verloren hatten, hinterließ in ihnen einen vagen Duft, wie der, der in der Vase
zurückbleibt, aus der wir die Rosen genommen haben. Dies sind die Worte des
großen Pius X. Aber tatsächlich ist die Nächstenliebe entweder christlich oder
sie existiert nicht, und das Christentum ist entweder katholisch oder eine
Fälschung.
Und was ist im Katholizismus der größte
Schwerpunkt der Nächstenliebe? Die Betrachtung der Passion unseres Herrn Jesus
Christus. Es liegt in der detaillierten Betrachtung dessen, was der „Mann der
Schmerzen“ erlitten hat, es ist in der liebevollen und ständigen Erinnerung an
denjenigen, in dem „vom Scheitel bis zur Sohle kein einziger heiler Fleck war“,
dies Tag und die Nacht vor Augen haben, der unter der gewalttätigen Hand seiner
Peiniger so entstellt wurde, dass er „ein Wurm und kein Mensch, der Schmach der
Menschen und der Spott des Volkes war“. Unser Herz weitet sich, um Mitleid mit
unseren Nächsten zu empfinden. In jedem Leiden ein Leiden Christi selbst sehen,
in jeder Wunde eine Wunde Christi, der jedes Leiden heilt, jede Wunde heilt,
als würden wir unsere liebende Seele über so viel Schmerz beugen, als würden
wir mit unseren eigenen Fingern auf die Wunde Christi den tröstende Balsam auftragen,
auf diese Weise werden wir wirklich die
Tugend der Nächstenliebe erhalten. Die Geschichte erzählt uns, dass es vor
Christus keine Krankenhäuser oder Wohltätigkeitseinrichtungen gab. Es war eine
Katholikin, Fabíola, die das erste Krankenhaus gründete. Wie viele
gemeinnützige Werke wurden seitdem gegründet! Woraus sind sie geboren? Aus den
heiligsten Wunden unseres Herrn Jesus Christus, der ans Kreuz genagelt wurde.
Aus der Passion Christi entstand der Trost für so viele leidende Geschöpfe.
* * *
Aber das ist nicht alles. Der beste Balsam
gegen menschlichen Schmerz ist keine Medizin, sondern Mitgefühl. Mitgefühl,
„Mitleid“, bedeutet Leiden im Verbund mit anderen, nur weil andere leiden. Es
ist die Widerspiegelung des Leidens anderer Menschen in unserer eigenen Seele.
Wie kann die Blume des Mitgefühls aus dem menschlichen Herzen sprießen, das so
kalt, so hart, so selbstsüchtig ist? Indem wir über die Passion Christi
meditieren. Seelen, die von dieser Meditation durchdrungen sind, wissen
wirklich, wie man mit anderen mitfühlt. Nur sie haben genug Zärtlichkeit in
ihren Gesten, genug Aufrichtigkeit in ihrer Stimme, genug Diskretion in ihrem
Verhalten, um die beispiellose Medizin des Mitgefühls in die leidenden Seelen
anderer einzuflößen.
Wenn aus der Passion Christi
Barmherzigkeit entspringt, Werke der Barmherzigkeit entspringen, Trost
entspringt, welches passendere Stoßgebet gibt es dann für alle, die bereit
sind, auf die große Mobilisierung der christlichen Barmherzigkeit zu reagieren,
die Dom Carlos Carmelo de Vasconcelos Mota fördern wird, wenn nicht das: „passio Christi, conforta me?“ (Leiden
Christi stärke mich).
Aus dem Portugiesischen „PASSIO CHRISTI, CONFORTA ME!“ in „O Legionário“, vom 22. Oktober 1944
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Diese deutsche Fassung erschien erstmals in
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