Freitag, 4. Oktober 2024

Joris-Karl Huysmans II

  En routeUnterwegs

Plinio Corrêa de Oliveira

In unserem letzten Artikel, der dem großartigen Werk von J. K. Huysmans gewidmet ist, haben wir sein Buch „Là-bas“ kommentiert, das erste in der Reihe, die er über seine schmerzhafte und interessante spirituelle Entwicklung schrieb, die ihn schließlich zum wahren Rettungshafen führte, nämlich zur katholischen Kirche.

Wie sich die Leser erinnern werden, erzählt Là-bas, wie Huysmans, als er im Satanismus, den Abscheulichkeiten der schwarzen Magie, sakrilegischen Messen und grausamen Entweihungen versank, die ersten religiösen Bedenken in seiner Seele erwachen sah.

Diese, die in einem elitären Geist einen günstigen Boden fanden, wirkten tief durch die Abscheu, die ihm die Zeit, in der er lebte (19. Jahrhundert), bereitete, und durch die Einsamkeit, die ihn im sentimentalen Bereich umgab, wuchsen allmählich an Intensität, bis sie entscheidend ihn aufforderten, sich ernsthaft mit dem religiösen Problem auseinanderzusetzen.

An diesem Punkt endet Là-bas und beginnt En Route (Auf dem Weg).

Durch die Ereignisse an einen intelligenten und tugendhaften französischen Priester herangeführt, begann Huysmans, an katholischen religiösen Zeremonien teilzunehmen, die unauslöschliche Eindrücke in ihm weckten, die er uns in meisterhaften Seiten hinterließ.

Seine Beschreibungen der dunklen Traurigkeit des De Profundis, der feurigen Verwünschungen des Miserere, der jubelnden Freude des Magnificat sind literarische Seiten, die die Sprache verherrlichen, in der sie geschrieben wurden.

Tatsächlich stellt Huysmans‘ Werk eine sehr interessante Anwendung des Naturalismus auf religiöse Themen dar, ein Aspekt, der ihm Originalität verleiht.

Aus streng religiöser Sicht war vor allem das neue Genre der Apologetik von Interesse, das Huysmans einzuführen versuchte.

Es geht ihm nicht um philosophische Argumente, wissenschaftliche Auseinandersetzungen, in denen Syllogismen für oder gegen den Glauben kämpfen. Das hatte der französische Dichter bereits gesagt, à force de raisonner, on perd la raison. (Kraft des vielen Nachdenkens verliert man die Vernunft)

Er macht von der Kirche eine objektive materielle Beschreibung, durch die er mit unnachahmlichem Geschick die Blitze des Übernatürlichen hervorheben möchte, die aus der großartigen Liturgie hervorgehen, bereichert durch die bewegende Symbolik, aus dem erstaunlichen Choral, in seinen vehementen Verwünschungen, im Tumult seiner Reuen, in der Explosion der Schüben seines Vertrauens in die göttliche Vorsehung, in den harmonischen Tränen seiner Stundengebete für die Armen Seelen.

Es beeindrucken in besonders die Ordensgemeinschaften, in der er zu Recht die Kristallisierung des evangelischen Geistes sieht.

Es faszinieren ihn Bußübungen der Karmeliter, die unerbittliche Strenge der Benediktiner und Sakramentiner und der klösterlichen Regeln im Allgemeinen.

Unter allen erregt jedoch ein Orden aufgrund der erstaunlichen Schönheit seiner Grundprinzipien seine Aufmerksamkeit: der Orden der Trappisten.

Da beschloss er, auf Anraten seines befreundeten Priesters, für ein paar Tage Exerzitien in einem entfernten Trappistenkloster zu machen.

Dann kommt der interessanteste Teil des Buches.

Es muss gesagt werden, dass wir, wie die alten Christen, den Heiden den Besuch der heiligen Mysterien verboten, wir den Wunsch verspüren den ungläubigen Geistern das Lesen des Folgenden zu verbieten, da sie angesichts der unvergleichlichen moralischen Schönheit des Trappistenlebens wahrscheinlich nur das dumme Lächeln oder das törichte Wortspiel übrig haben, mit dem ein Hottentotte die für ihn nutzlose Komplikation eines modernen Mechanismus kommentiert, dessen Funktionsweise außerhalb seines Verständnisses liegt.

Nach dem Dogma der Gemeinschaft der Heiligen, deren Anerkennung die Kirche allen Gläubigen auferlegt, können die Leiden einer Seele zur Sühne für die Sünden einer anderen Seele genutzt werden. Da so der göttlichen Gerechtigkeit Genugtuung geleistet wird, kann die Barmherzigkeit den Sünder zur Bekehrung anregen.

Daher die Bedeutung religiöser Orden, die in der Betrachtung Gottes und in unaufhörlicher Buße, Geschöpfe ein Leben lang in bescheidenen Klöstern einschließen (wir sollten sagen: begraben), um für die Schmach der sündigen Welt zu büßen, und dass sie daher an der gesamten moralischen Erhebung des Heiligen Opfers von Golgatha teilnehmen.

Es ist sicher, dass die im 20. Jahrhundert so verbreiteten Sybariten, die durch den Anblick so vieler Selbstverleugnung und so vielen Leides in ihren Genüssen gestört werden, versuchen, ein solches Vorgehen als unmenschliche Grausamkeit zu bezeichnen.

Es stimmt, dass für manche Menschen, für die Gold das einzige Ideal im Leben ist und die den Menschen ausschließlich nach dem betrachten, was er produziert, der Trappist nutzlos ist, da seine Tätigkeit „nichts einbringt“.

Ihre Einschätzungen profanieren solche Themen. Es wäre besser, wenn sie über Dinge, die außerhalb ihres Verständnisses liegen, schweigen würden!

Dies waren die Überlegungen, die Huysmans auf seiner Reise von Paris zum Trappistenkloster beschäftigten.

Sein Eindruck als er sich an das Leben im Kloster gewöhnt hatte, war der einer wahren Faszination.

Ruhige und strenge Mönche, stets in Weiß gekleidet, widmeten sich in ständiger Abgeschiedenheit der körperlichen Arbeit und insbesondere dem Gebet und der Buße, die ihr Leben in Anspruch nahmen. Als Bett ein Holzbrett. Die äußerst strenge Ernährung war genau das Richtige, um zu verhindern, dass die Mönche durch Hunger ernsthaft erkrankten. Überall Stille. Nur eine Stimme sprach: die der Reue und der Sühne, die sich in allen Einstellungen und allen Handlungen äußerte.

Die Trappistenklöster stellen die meisterhafteste Antwort auf diejenigen dar, die behaupten, die Kirche habe den Lebenssaft verloren, der die Märtyrer der ersten Jahrhunderte des Christentums ernährte. Wenn es wahr ist, dass jemand übermenschlichen Heldentum braucht, um sich den Qualen des Kolosseums aussetzen zu können, so ist es auch wahr, dass die Qual eines Lebens, das zwischen Zilizien und Demütigungen langsam dahinfließt, eine Qual darstellt, die alles übersteigt. Zumindest die Strenge und die Strapazen, die sie der Ausdauer auferlegen.

Eines nachts konnte Huysmans unruhig nicht schlafen. Dann stand er auf und ging zur Kapelle, die er für verlassen hielt. Als er eintrat, sah er im Halbdunkel, das durch das Oberlicht einer Kuppel drang, vage die weißen Gestalten der Trappisten, die ihren wenigen Stunden Schlaf die nötige Zeit raubten, um ihren Geist im Gebet zu nähren.

Einige lagen voller Demut auf den Boden. Andere erhoben sich wie Kerzenflammen, die nach oben ragten, ihre Büsten in einer Haltung leidenschaftlichen Drängens, leidenschaftliches Flehen, die nur Huysmans‘ Feder beschreiben kann. Andere schließlich, überwältigt von der Ungeheuerlichkeit der Sünden der Welt, für die sie büßen mussten, stöhnten in einer Haltung tiefer Reue ein Miserere.

Langsam dringt der Morgen durch das Oberlicht. Die weißen Formen verschärfen ihre Umrisse, immer noch in das sanfte Licht der Morgendämmerung getaucht. Endlich geht die Sonne auf. Alle Trappisten gehen in das Chorgestühl. Die Glocke ertönt und strahlend erklingt das Salve Regina.

Die Beobachtung solcher Szenen hatte eine tiefgreifende Wirkung auf Huysmans‘ Geist, und schließlich war er entschlossen, seine Sünden zu bekennen, und warf sich zu Füßen eines Trappisten nieder, dem er in tiefer Reue alle seine Verbrechen gegen Gott und die Menschen anvertraute. Am nächsten Tag empfängt er die Kommunion. Nachdem er so seine Einführung in den Katholizismus abgeschlossen hatte, verließ er die Trappe mit unvergänglichen Erinnerungen. Und „Auf dem Weg“ weicht dem „L`Oblat“.

 

 

Aus dem Portugiesischen in O „Legionário“   n.º 94, vom 21. Februar 1932.

Deutsche Übersetzung  „Huysmans II“ erschien erstmals in www.p-c-o.blogspot.com

© Nachdruck oder Veröffentlichung ist mit Quellenangabe dieses Blogs gestattet.

Donnerstag, 3. Oktober 2024

Joris-Karl Huysmans 1. Teil

Plinio Corrêa de Oliveira

Die heutige, an Sinnlichkeit gefesselte Literatur befindet sich eindeutig in einer Themenkrise. Diese Krise ist in der Tat das schwerwiegendste Problem, mit dem alle modernen Literaten zu kämpfen haben. Das Kino, die Romane, Seifenopern, die Dichtung, alles ist von einer gewaltigen Themenkrise geplagt.

Die Handlungen drehen sich ewig um Liebesbeziehungen. Nun können die liebevollen Aspekte des Lebens, egal wie sehr wir uns modernisieren, nur zu vier Kombinationen führen: entweder zwei verheiratete Menschen, die ihr jeweiliges Zuhause verlassen, um gemeinsam ein drittes zu gründen, auf den Trümmern des Glücks ihrer ersten Ehepartner; oder es ist eine verheiratete Person, die sich in eine alleinstehende Frau verliebt, wobei die Leidenschaft in einem Bruch der ehelichen Bindungen gipfelt; oder der Bruch kommt nicht zustande, aber der in Verlegenheit geratene Ehegatte stirbt rechtzeitig, so dass sich die Witwe oder der Witwer, sobald der Sarg des Verstorbenen geschlossen ist, in die drückenden Arme des geliebten Menschen werfen können; oder schließlich zwei alleinstehende Menschen, die eine Liebe teilen, die von einem unversöhnlichen Schwiegervater erbittert bekämpft wird.

Diese Fälle erlauben offensichtlich einige Varianten. Entweder durchschlägt das Verbrechen den gordischen Knoten eines überflüssigen Lebens, das zu lange zu dauern drohte; oder ein brutaler Ehebruch beendet eine unangenehme Situation; oder der überflüssige Ehegatte begeht diskret Selbstmord, um den Platz seinem glücklicheren Nachfolger zu überlassen.

Natürlich sind auch diese Kombinationen begrenzt und gehen nach einiger Zeit zur Neige. Und zwar so, dass, wer sich fünf Jahre lang eifrig der Lektüre von Romanen widmet, wird ein Kenner des gesamten Bestandes der Liebesliteratur in unseren Buchhandlungen. Und mit ein wenig Einfallsreichtum können er bereits beim Lesen der ersten Seiten erkennen, wie die Geschichte ausgehen wird, ein Ergebnis, das von den Neigungen des Autors und den Gefühlen und der Position abhängt, die er den Personen seines Romans zuschreibt.

Ein Autor, dem es gelingt, diesen Teufelskreis zu durchbrechen, ein neues Feld zu betreten, ist offensichtlich ein Christoph Kolumbus des Geistes, der der Intelligenz neue Kontinente und unerforschte Welten eröffnet.

Genau das passiert mit Huysmans, einem der seltsamsten und bewundernswertesten Schriftsteller des letzten Jahrhunderts.

Sein Verdienst bestand darin, dass er es verstand, die erstaunlichsten literarischen Handlungen zu erschaffen, die man sich vorstellen kann, und dabei romantische Komplikationen völlig außer Acht zu lassen.

J. K. Huysmans, ein in Paris lebender Naturalist, befand sich an einem bestimmten Punkt seines Lebens in einer gewaltigen intellektuellen Krise. Huysmans hatte zur genüge ein klaren Geist, um sein Jahrhundert zu verabscheuen, aber ohne jeglichen sentimentalen Rückhalt in einer festen Freundschaft oder tiefen familiären Zuneigung. Gleichzeitig isolierte er sich immer mehr von allen und schuf ein enormes Vakuum in sich.

Nachdem er alle seine Freunde verlassen hatte, alle seine alten Illusionen zerstört und alle seine Verwandten verloren hatte, lebte er isoliert in Paris, in einem kleinen Zimmer, wo er endlose Tage in Gesellschaft einer Katze verbrachte und endlos das 19. Jahrhundert verfluchte.

Zu dieser Zeit traf er einen Pseudo-Arzt, namens Des Hermies, Adliger, gesellschaftlich deklassiert, der Kreisen von Spiritualisten, Magiern, Astrologen usw. im krebsartigen Bas-Fond von Paris angehörte.

Zunächst ließ er sich von der Originalität und dem Geheimnis des Lebens seines Freundes verführen. Diese Verführung verstärkte sich noch, im Umgang mit den Menschen, die Des Hermies am nächsten standen, die alle von einer ungesunden, akatholischen Mystik befallen waren, die die Miasmen absoluter spiritueller Verwesung ausstrahlte.

Angetrieben von seinen dilettanten Neigungen wich Huysmans beim Anblick einer solchen Umgebung nicht zurück.

Bei dieser Gelegenheit erhielt er unter mysteriösen Umständen eine Einladung, an einer „schwarzen Messe“ teilzunehmen, die zu Ehren des Teufels von einem katholischen Priester gefeiert wurde, dem die heiligen Weihen entzogen worden waren.

Stark erregt durch seine Neugier, nimmt er die Einladung an und wird an einen seltsamen Ort geführt, wo Frauen und Männer zusammengedrängt sind, beladen mit der Schwere aller Laster und Niederträchtigkeiten. Auf dem Altar ein lächelnder Christus mit einem unedlen, empörenden Rictus. Eine Glocke läutet, der Priester tritt ein. Unter den Verrenkungen der Anwesenden beginnt die Messe. Wenn der Moment der Wandlung kommt, spricht der Priester die sakramentalen Worte, schweißgebadet, mit einer Stimme voller Hass, der Blick von seltsamen teuflischen Ausdünstungen erfüllt. Er verteilt die Heilige Eucharistie an die Anwesenden, die sie auf abscheuliche Weise profaniseren. Satanisches Gelächter, gewaltige Gotteslästerungen, unerbittliche Beleidigungen – dem anbetungswürdigen Leib unseres Herrn bleibt nichts erspart.

Es kommt überall zu offensichtlichen teuflischen Äußerungen. Es ist der Triumph Satans, der von seinen Helfern in einem Delirium der Erniedrigung und Schande verherrlicht wird.

Angewidert und verletzt in den wenigen Gefühlen, die ihm geblieben sind, schleicht Huysmans durch die Tür und rennt entsetzt davon.

Seitdem wurde seine Intelligenz von einer großen Besorgnis heimgesucht, die ihn schließlich unterwürfig zu de Füßen der Kirche führte.

Er hat den Teufel gesehen, er hat den Geist der Finsternis gesehen, der die schrecklichsten Schandtaten gegen die Heilige Eucharistie ausheckten.

Nun, überlegte er, wenn der Teufel, an dessen Existenz ich nicht mehr zweifeln kann, die von katholischen Priestern konsekrierte Hostie hasst, dann deshalb, weil es sich tatsächlich um den Leib Christi handelt. Also ist die katholische Kirche wahr.

Daher eine schmerzliche, beschwerliche Bekehrung, die sich über zahllose Kämpfe und endlose Schlachten hinzieht, die gewaltige Durchsetzung des Willens gegen das widerspenstige Fleisch geführt werden, und gegen den Geist, der sich den Forderungen des Glaubens widersetzt.

Wenn er eine Kirche betritt, verzücken ihn die Schönheiten der katholischen Liturgie. Seine Seele erhebt sich zu den Füßen Gottes beim Klang der Orgel, beim ernsten und rhythmischen Entfalten geistlicher Musik.

Nur wenige Seelen wie seine haben die Schönheit des gregorianischen Chorgesangs gespürt. Die Beschreibung des De Profundis, des Miserere und der Totenmesse sind die schönsten Seiten, die ich in seinem Leben gelesen habe.

Er besucht regelmäßig die Kirchen von Paris und überrascht alle in ihren Momenten höchster Empfindsamkeit.

Mal ist es Notre Dame von Paris, das in seinen jahrhundertealten Süitzbögen noch Reste von Licht bewahrt, das durch die Buntglasfenster gefiltert wird, während eine Dämmerungssonne langsam und traurig am Himmel verschwindet. Mal ist sie eine Arbeiterkirche, in der sie die sehr armen Frauen, die Bettler, die erschöpften Arbeiter, die elenden Menschen am Stadtrand von Paris genau beobachtet, die nach einem Tag intensiver Arbeit kommen, und in endlosen Gebeten ich an Gott wenden, während der unsichtbare Herr sie aus dem Innern des Tabernakels tröstet und in aller Stille die Bergpredigt wiederholt: „Selig sind die Trauernden, die Leidenden, die nach Gerechtigkeit dürsten“...

Huysmans wagte jedoch immer noch nicht, sich den Sakramenten zu nähern. Er fällt wiederholt so leicht in die Sünde, dass er es nicht einmal wagt, sich dem gewaltigen Gericht der Buße zu nähern.

Er beschließt, einige Einkehrtage in einem Trapistenkloster zu machen.

Hier beginnt der krönende Teil seines zweiten Buches „En Route“ (Auf dem Weg), mit dem ich mich im nächsten Artikel befassen werde.



Aus dem Portugiesischen in O „Legionário“ n.º 93, vom 31. Januar 1932.

Deutsche Übersetzung „Huysmans I“ erschien erstmals in www.p-c-o.blogspot.com

© Nachdruck oder Veröffentlichung ist mit Quellenangabe dieses Blogs gestattet.


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