Donnerstag, 3. Oktober 2024

Joris-Karl Huysmans 1. Teil

Plinio Corrêa de Oliveira

Die heutige, an Sinnlichkeit gefesselte Literatur befindet sich eindeutig in einer Themenkrise. Diese Krise ist in der Tat das schwerwiegendste Problem, mit dem alle modernen Literaten zu kämpfen haben. Das Kino, die Romane, Seifenopern, die Dichtung, alles ist von einer gewaltigen Themenkrise geplagt.

Die Handlungen drehen sich ewig um Liebesbeziehungen. Nun können die liebevollen Aspekte des Lebens, egal wie sehr wir uns modernisieren, nur zu vier Kombinationen führen: entweder zwei verheiratete Menschen, die ihr jeweiliges Zuhause verlassen, um gemeinsam ein drittes zu gründen, auf den Trümmern des Glücks ihrer ersten Ehepartner; oder es ist eine verheiratete Person, die sich in eine alleinstehende Frau verliebt, wobei die Leidenschaft in einem Bruch der ehelichen Bindungen gipfelt; oder der Bruch kommt nicht zustande, aber der in Verlegenheit geratene Ehegatte stirbt rechtzeitig, so dass sich die Witwe oder der Witwer, sobald der Sarg des Verstorbenen geschlossen ist, in die drückenden Arme des geliebten Menschen werfen können; oder schließlich zwei alleinstehende Menschen, die eine Liebe teilen, die von einem unversöhnlichen Schwiegervater erbittert bekämpft wird.

Diese Fälle erlauben offensichtlich einige Varianten. Entweder durchschlägt das Verbrechen den gordischen Knoten eines überflüssigen Lebens, das zu lange zu dauern drohte; oder ein brutaler Ehebruch beendet eine unangenehme Situation; oder der überflüssige Ehegatte begeht diskret Selbstmord, um den Platz seinem glücklicheren Nachfolger zu überlassen.

Natürlich sind auch diese Kombinationen begrenzt und gehen nach einiger Zeit zur Neige. Und zwar so, dass, wer sich fünf Jahre lang eifrig der Lektüre von Romanen widmet, wird ein Kenner des gesamten Bestandes der Liebesliteratur in unseren Buchhandlungen. Und mit ein wenig Einfallsreichtum können er bereits beim Lesen der ersten Seiten erkennen, wie die Geschichte ausgehen wird, ein Ergebnis, das von den Neigungen des Autors und den Gefühlen und der Position abhängt, die er den Personen seines Romans zuschreibt.

Ein Autor, dem es gelingt, diesen Teufelskreis zu durchbrechen, ein neues Feld zu betreten, ist offensichtlich ein Christoph Kolumbus des Geistes, der der Intelligenz neue Kontinente und unerforschte Welten eröffnet.

Genau das passiert mit Huysmans, einem der seltsamsten und bewundernswertesten Schriftsteller des letzten Jahrhunderts.

Sein Verdienst bestand darin, dass er es verstand, die erstaunlichsten literarischen Handlungen zu erschaffen, die man sich vorstellen kann, und dabei romantische Komplikationen völlig außer Acht zu lassen.

J. K. Huysmans, ein in Paris lebender Naturalist, befand sich an einem bestimmten Punkt seines Lebens in einer gewaltigen intellektuellen Krise. Huysmans hatte zur genüge ein klaren Geist, um sein Jahrhundert zu verabscheuen, aber ohne jeglichen sentimentalen Rückhalt in einer festen Freundschaft oder tiefen familiären Zuneigung. Gleichzeitig isolierte er sich immer mehr von allen und schuf ein enormes Vakuum in sich.

Nachdem er alle seine Freunde verlassen hatte, alle seine alten Illusionen zerstört und alle seine Verwandten verloren hatte, lebte er isoliert in Paris, in einem kleinen Zimmer, wo er endlose Tage in Gesellschaft einer Katze verbrachte und endlos das 19. Jahrhundert verfluchte.

Zu dieser Zeit traf er einen Pseudo-Arzt, namens Des Hermies, Adliger, gesellschaftlich deklassiert, der Kreisen von Spiritualisten, Magiern, Astrologen usw. im krebsartigen Bas-Fond von Paris angehörte.

Zunächst ließ er sich von der Originalität und dem Geheimnis des Lebens seines Freundes verführen. Diese Verführung verstärkte sich noch, im Umgang mit den Menschen, die Des Hermies am nächsten standen, die alle von einer ungesunden, akatholischen Mystik befallen waren, die die Miasmen absoluter spiritueller Verwesung ausstrahlte.

Angetrieben von seinen dilettanten Neigungen wich Huysmans beim Anblick einer solchen Umgebung nicht zurück.

Bei dieser Gelegenheit erhielt er unter mysteriösen Umständen eine Einladung, an einer „schwarzen Messe“ teilzunehmen, die zu Ehren des Teufels von einem katholischen Priester gefeiert wurde, dem die heiligen Weihen entzogen worden waren.

Stark erregt durch seine Neugier, nimmt er die Einladung an und wird an einen seltsamen Ort geführt, wo Frauen und Männer zusammengedrängt sind, beladen mit der Schwere aller Laster und Niederträchtigkeiten. Auf dem Altar ein lächelnder Christus mit einem unedlen, empörenden Rictus. Eine Glocke läutet, der Priester tritt ein. Unter den Verrenkungen der Anwesenden beginnt die Messe. Wenn der Moment der Wandlung kommt, spricht der Priester die sakramentalen Worte, schweißgebadet, mit einer Stimme voller Hass, der Blick von seltsamen teuflischen Ausdünstungen erfüllt. Er verteilt die Heilige Eucharistie an die Anwesenden, die sie auf abscheuliche Weise profaniseren. Satanisches Gelächter, gewaltige Gotteslästerungen, unerbittliche Beleidigungen – dem anbetungswürdigen Leib unseres Herrn bleibt nichts erspart.

Es kommt überall zu offensichtlichen teuflischen Äußerungen. Es ist der Triumph Satans, der von seinen Helfern in einem Delirium der Erniedrigung und Schande verherrlicht wird.

Angewidert und verletzt in den wenigen Gefühlen, die ihm geblieben sind, schleicht Huysmans durch die Tür und rennt entsetzt davon.

Seitdem wurde seine Intelligenz von einer großen Besorgnis heimgesucht, die ihn schließlich unterwürfig zu de Füßen der Kirche führte.

Er hat den Teufel gesehen, er hat den Geist der Finsternis gesehen, der die schrecklichsten Schandtaten gegen die Heilige Eucharistie ausheckten.

Nun, überlegte er, wenn der Teufel, an dessen Existenz ich nicht mehr zweifeln kann, die von katholischen Priestern konsekrierte Hostie hasst, dann deshalb, weil es sich tatsächlich um den Leib Christi handelt. Also ist die katholische Kirche wahr.

Daher eine schmerzliche, beschwerliche Bekehrung, die sich über zahllose Kämpfe und endlose Schlachten hinzieht, die gewaltige Durchsetzung des Willens gegen das widerspenstige Fleisch geführt werden, und gegen den Geist, der sich den Forderungen des Glaubens widersetzt.

Wenn er eine Kirche betritt, verzücken ihn die Schönheiten der katholischen Liturgie. Seine Seele erhebt sich zu den Füßen Gottes beim Klang der Orgel, beim ernsten und rhythmischen Entfalten geistlicher Musik.

Nur wenige Seelen wie seine haben die Schönheit des gregorianischen Chorgesangs gespürt. Die Beschreibung des De Profundis, des Miserere und der Totenmesse sind die schönsten Seiten, die ich in seinem Leben gelesen habe.

Er besucht regelmäßig die Kirchen von Paris und überrascht alle in ihren Momenten höchster Empfindsamkeit.

Mal ist es Notre Dame von Paris, das in seinen jahrhundertealten Süitzbögen noch Reste von Licht bewahrt, das durch die Buntglasfenster gefiltert wird, während eine Dämmerungssonne langsam und traurig am Himmel verschwindet. Mal ist sie eine Arbeiterkirche, in der sie die sehr armen Frauen, die Bettler, die erschöpften Arbeiter, die elenden Menschen am Stadtrand von Paris genau beobachtet, die nach einem Tag intensiver Arbeit kommen, und in endlosen Gebeten ich an Gott wenden, während der unsichtbare Herr sie aus dem Innern des Tabernakels tröstet und in aller Stille die Bergpredigt wiederholt: „Selig sind die Trauernden, die Leidenden, die nach Gerechtigkeit dürsten“...

Huysmans wagte jedoch immer noch nicht, sich den Sakramenten zu nähern. Er fällt wiederholt so leicht in die Sünde, dass er es nicht einmal wagt, sich dem gewaltigen Gericht der Buße zu nähern.

Er beschließt, einige Einkehrtage in einem Trapistenkloster zu machen.

Hier beginnt der krönende Teil seines zweiten Buches „En Route“ (Auf dem Weg), mit dem ich mich im nächsten Artikel befassen werde.



Aus dem Portugiesischen in O „Legionário“ n.º 93, vom 31. Januar 1932.

Deutsche Übersetzung „Huysmans I“ erschien erstmals in www.p-c-o.blogspot.com

© Nachdruck oder Veröffentlichung ist mit Quellenangabe dieses Blogs gestattet.


Bildnachweis: Von Dornac - Dieses Bild stammt aus der Digitalen Bibliothek Gallica und ist verfügbar unter der ID btv1b8432962q/f23, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=192173


 

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