Dieser Zustand der menschlichen Gesellschaft, der,
erwachsen aus Ordnung und Vollkommenheit, eher als ein übernatürlicher und
himmlischer denn als eine irdische Erscheinung anzusehen ist, war dennoch einst
lichtvolle Wirklichkeit, in die Geschichte eingegangen unter der Bezeichnung
«christliche Kultur» (oder christlich-abendländische Kultur), Produkt einer jahrhundertelangen christlichen Erziehungsarbeit, welche im wesentlichen von der
katholischen Kirche geleistet worden ist. Ihr Ziel war die christliche Bildung
und Gesittung des Menschen, dessen Seele nicht dem ungeordneten, spontanen
Spiel ihrer Einzelkräfte — Verstand, Wille, Gefühl — überlassen ist, sondern der
im Gegenteil durch redliches Bemühen auf geordnetem Fundament eine Bereicherung
und Stärkung dieser Kräfte erfährt. Die Seele eines solchen Menschen ist einem
kultivierten Stück Land vergleichbar, das nicht alle Samen gedeihen lässt,
welche der Wind chaotisch darin niederlegte, sondern das durch die sachkundige
Arbeit der Menschen gute und nützliche Früchte hervorbringt.
In diesem Sinne ist katholische Bildung die Pflege und
der Einsatz aller Kräfte des Verstandes, des Willens und des Gefühls in
Übereinstimmung mit den Regeln der katholischen Moral. Wie wir oben gesehen
haben, befindet sich eine nach diesen Grundsätzen geformte Seele im Zustand der
Vollkommenheit. Wenn die sittliche Bildung in der Allgemeinheit einer
Gesellschaft zum Tragen kommt, (obwohl nach Grad und Art bei den einzelnen
Mitgliedern verschieden, entsprechend der sozialen Stellung und dem Alter eines
jeden), wird sie zu einem sozialen Faktor und damit zum wichtigsten Element der
sozialen Vollkommenheit.
Kultur ist der Zustand einer menschlichen Gesellschaft,
die eine sittliche Bildung besitzt und sich nach deren grundlegenden Normen
eine Gesamtheit von Gebräuchen, Gesetzen, Institutionen, von literarischen und
künstlerischen Stilmustern geschaffen hat.
Eine Kultur ist katholisch, wenn sie aus einer
katholischen Gesittung und Bildung ihrer Teilhaber erwächst und wenn der Geist
der Kirche als die eigentliche Richtschnur, die lebensnotwendige Norm für die
Gebräuche, Gesetze, Institutionen und Stilanschauungen dieser Gesellschaft
wirkt.
Da Jesus Christus das wahre Ideal und der Inbegriff der
Vollkommenheit ist, muss eine Gesellschaft, die seine Gesetze anwendet, eine
vollkommene Gesellschaft sein. Deshalb auch muss die Gesittung beziehungsweise
die Kultur, welche aus der Kirche Christi geboren wurde, mit Notwendigkeit
nicht nur die beste, sondern die einzig wahre Lebens - beziehungsweise
Gesellschaftsform sein. Der Heilige Vater Papst Pius X. sagt es uns: «Es gibt
keine wahre Kultur ohne moralische Bildung und es gibt keine wahre moralische
Bildung außer durch die wahre Religion» (Brief an das französische Episkopat
vom 28. August 1910 über «Le Sillon»). Daraus ersehen wir, kristallklar, daß
es keine wahre Kultur gibt, wenn sie nicht aus der wahren Religion erwachsen
ist.
Übersetzt ins Deutsche aus dem
Portugiesischen "A Cruzada do século XX" („Der Kreuzzug des 20.
Jahrhunderts“) in Catolicismo, Januar 1951
© Nachdruck der deutschen Fassung ist nur mit
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