Wir haben hier die Geschichte
eines Mönches namens Theophil. Dieser Mönch scheint nicht der erste gewesen zu
sein. Und vor allem ist es sehr sicher, dass er nicht der letzte seiner Art
war. Er hat einen Pakt mit dem Teufel geschlossen. Und er überreichte dem
Teufel ein Schreiben mit Unterschrift, in dem er sich ihm freiwillig übergab.
Es verging die Zeit und Theophil dachte
an den Tod und wurde von weiteren Gnadenbekundungen berührt, er bereute und bat
Unsere Liebe Frau, ihn zu retten. Und trotz der schrecklichen Sünde, die er
begangen hatte, erschien ihm die Muttergottes und ließ gleichzeitig den Teufel
erscheinen. Und sie ging mit einem Schwert auf den Dämon zu, riss ihm den Pakt
aus den Klauen. Diese Szene wurde im Detail in einer Skulptur eines Tympanons
der Kathedrale Notre Dame von Paris dargestelltt.
Zunächst einmal ist der Gedanke,
der dieser Tatsache zugrunde liegt, ein sehr schöner Gedanke. Es ist ein
Gedanke, den die Autoren mittelalterlicher Erzählungen immer wieder hervorheben:
es ist die grenzenlose Barmherzigkeit Unserer Lieben Frau. Unsere Liebe Frau,
die auf die kleinste Bitte, die kleinste Bekundung kindlicher Andacht
antwortet, ist imstande, die außergewöhnlichsten Dinge zu tun.
Diese Darstellungen wurden im
gesamten Christentum seit Jahrhunderten mit Begeisterung wiederholt, um in den
Köpfen aller Christen fest zu verankern, dass den Menschen geholfen wird, wenn
sie ihre Augen auf Unsere Liebe Frau richten, ganz gleich, wie erbärmlich ihre
Lage sein mag. Das heißt: Weil es die Muttergottes gibt, weil die Muttergottes die
Muttergottes ist, gibt es für alle Situationen eine Lösung, auch für die
scheinbar hoffnungslosesten.
Dies bringt der heilige Bernhard
in seinem Gebet Memorare (Gedenke), das wir täglich beten, so eindringlich zum Ausdruck: „Gedenke,
o mildreichste Jungfrau Maria.“ Das heißt, Jungfrau Maria voller Mitgefühl,
voller Barmherzigkeit. „Es ist noch nie gehört worden, dass jemand, der zu Dir
seine Zuflucht genommen, um Schutz zu suchen, Deine Hilfe angerufen, und um Deine
Fürbitte gefleht hat, von Dir sei verlassen worden. Von solchem Vertrauen
beseelt eile ich zu Dir, o Jungfrau der Jungfrauen, wie zu einer Mutter. Zu Dir
komme ich, vor Dir stehe ich seufzend unter der Last meiner Sünden und werfe mich
Dir zu Füßen.“
Es ist das Gebet des Sünders, der
stöhnt, der zu Boden gefallen ist, so viele und so schwere Sünden trägt er –
der unter der Last seiner Sünden zu Boden fällt. Nun, Unsere Liebe Frau hilft
diesem Sünder trotz seiner Verbrechen.
Weiter: „Verschmähe nicht meine Worte,
oh Mutter des fleischgewordenen Wortes Gottes, sondern würdige Dich, sie
wohlwollend zu erhören und zu erlangen, worum ich bitte.“ Hier ist also eine Darstellung
des „Memorare“. Es ist Unsere Liebe Frau, die den letzten der Elenden beisteht
und ihm hilft.
Doch andererseits sehen wir einen
anderen Aspekt der heiligsten Persönlichkeit Unserer Lieben Frau. Und dass ist
ihre heilige Abscheu, wie Sie sich, gegen den Teufel richtet, wie Sie den
Teufel hasst. Sie, die in allen Zeiten den Kopf der Schlange zertritt.
Sie, die den Teufel hasst, die Sünde hasst, die das Böse hasst, ist die Heilige
Jungfrau der Unnachgiebigkeit. Jungfräulichkeit hat etwas Kompromissloses an
sich. Kompromisslosigkeit hat etwas Jungfräuliches. Jungfräulich ist jemand,
der sich nie auf Unreinheit eingelassen hat, der nicht die geringste Andeutung
oder Aufforderung zur Unreinheit akzeptiert. Gegen Unreinheit ist er
kompromisslos.
Andererseits ist Unnachgiebigkeit
in jeglicher Form eine Jungfräulichkeit gegenüber einer Art Sünde. Von einem
Menschen, der sein Leben lang unnachgiebig dem Liberalismus gegenüber geblieben
ist, kann man sagen, dass er im Geiste keinerlei Zugeständnisse an den
Liberalismus gemacht hat. Jeder, der nie Kompromisse mit der Revolution
eingegangen ist, kann von sich behaupten, dass sein Geist gegenüber jeglichen
Kompromissen mit der Revolution makellos, jungfräulich ist.
Zwischen Kompromisslosigkeit und Jungfräulichkeit bestehen tiefe und geheimnisvolle Harmonien, die man in der Persönlichkeit Unserer Lieben Frau, der kriegerischen Jungfrau, deutlich erkennen kann. Eine mutige Jungfrau ist eine kompromisslose Kriegerin, weil sie Jungfrau ist, und sie ist eine Jungfrau, weil sie kompromisslos ist. Es herrscht hier eine tiefe Harmonie. Und wir bemerken diese Harmonie in Unserer Lieben Frau.
Der Steinmetz wollte dies in dieser
Skulptur, in der wir die Szene sehen können, sehr gut darstellen. Der Teufel
wird als abscheuliches Wesen dargestellt. Beachten Sie die Klaue des Teufels:
Sie besteht aus zwei Fingerstümpfen, aus denen zwei abscheuliche, monströse
kleine Nägel wachsen.
Nun, diese Nägel hingegen sind
zwei scharfe und böse Klauen eines sowohl körperlich als auch moralisch
abscheulichen Wesens. Man könnte sagen, er war eine Art Amputierter, aus dessen
Inneren zwei furchteinflößende kleine Klauen wuchsen. Er hat keinen Puls. Unser
Handgelenk ist ein wunderschöner Übergang zwischen Hand und Arm. Hier sieht
man, dass es sich öffnet wie eine Art Hirschfuß, wie ein Ziegenfuß, sie öffnet
sich direkt in eine Art Arm, sodass es gar keine richtige Bewegung zulässt. Er ist ein Monster. Der Arm, man sieht, dass er hier enorm anschwillt, wie eine Kugel.
Hier hat er ein paar furchtbare Falten. Sein Körper hat eine aufgedunsene Brust
und ist gleichzeitig sehr dünn. Man sieht die Rippen. Schauen Sie, wie das
Becken auf furchterregende Weise herausspringt. Er wurde mit allem Luxus von
Details erdacht, ein Monster.
Und dann seht euch mal die große Schnauze
an. Es ist halb ein Lachen und halb Sarkasmus. Und seine Haltung, wie er vor
der Muttergottes kniet, drückt das aus. Das Lächeln drückt dies aus, der Blick,
die Haltung des Kopfes drücken dies perfekt aus, sie sind Feige, Schmeichelhaft
und Spöttisch. In dieser Haltung gibt es nichts was lobenswert noch akzeptabel
ist. Es ist alles schrecklich. Achten Sie auf das Ohr. Man würde sagen, dass
jemand mit einer Schere das Ohr absichtlich deformieren wollte. Schauen Sie
sich die Größe des Ohres an. Schauen Sie sich diese Augen an, winzig, mit einem
kleinen Freimaurerdreieck hier, hier zusammengekniffen und mit einer
schrecklichen Narbe oder Furche. Es scheint, als würden hier ewig schmutzige
Tränen fließen. Es sind Tränen der Reue ohne Zerknirschung oder Reue. Es sind Tränen
des Schmerzes, des Hasses, der Verzweiflung. Schauen Sie sich seine kleine
Tolle an. Lächerlich, klein. Nun sehen Sie eine Kette, die ihn festhält, und
Unsere Liebe Frau, die ihm ein Schwert in den Leib rammt.
Sie sehen hier jetzt die Haltung
Unserer Lieben Frau. Sie sehen, dass Sie die Kette, die ihn festhält, in der
Hand hält. Und zwar nur mit den Fingerspitzen. Das heißt, solch ein monströses
Wesen ist nur auf einen Wink angewiesen. Sie ist so zerbrechlich, eine einfache
Jungfrau, und doch unterdrückt Sie ihn.
Wenn wir nun andererseits das
Verhältnis zwischen Ihr und dem Teufel betrachten, dann bemerken wir vor allem
in diesem oberen Teil der Büste, wie hier in der Hand, die sich schließt, einen
Ekel, eine Abscheu ihm gegenüber zum Ausdruck kommt. Und ich sage, es ist das
einzige mir bekannte Bildnis der Muttergottes, mit einem strengen Gesichtsausdruck
– ich habe nie ein anderes gesehen –, indem Sie ihm ein Schwert in den Leib
stößt. Es ist ein Schwert der Unnachgiebigkeit, das Schwert des mütterlichen
Schutzes gegen den Banditen, der ihren Sohn verführen wollte. Da sieht man,
wie sie den Dämon mit einem kreuzförmigen Schwert bedroht und den machtlosen
Dämon zum Rückzug zwingt.
Unsere Liebe Frau hat ein ernstes Gesicht, und das ist natürlich, denn Sie
hasst den Teufel, weil der Teufel ein Feind Gottes ist, er ist ein Feind ihres
göttlichen Sohnes. Sie hasst den Teufel, weil Gott ihn hasst und Sie das
treueste Abbild Gottes, unseres Herrn, ist.
Während Sie in diese Haltung einnimmt, schauen wir Theophil an. Er ist wie
ein Mönch gekleidet. Aber seine Soutane hat einen Riss. Ich weiß nicht, ob im
Laufe der Jahrhunderte der Stein an dieser Stelle mit der Zeit zerbröselt ist,
oder ob der Bildhauer zeigen wollte, dass der Teufel mit seiner Klaue den Theophil
an der Soutane zurückhalten wollte. Aber man sieht das Theophil ein bisschen
verängstigt ist, aber andererseits mit einem gewissen Lächeln. Er hat nämlich
die Muttergottes gesehen. Und Sie beruhigt alle Schrecken, alle Ängste. Sie
zieht alle Formen des Friedens an. Theophil mit einer Mönchstonsur, wie er zu Ihr
betet und von Ihr verteidigt wird. Zwischen ihm und dem Teufel steht Unsere
Liebe Frau, die verteidigt und beschützt.
Sie sehen, dass diese Skulptur eine außergewöhnliche Lebhaftigkeit hat.
Es handelt sich keineswegs um eine klassische Skulptur, in der alle Menschen schön
aussehen und sich einbilden an einem Schönheitswettbewerb teilzunehmen. Es
handelt sich um eine mittelalterliche Skulptur, lebendig, real, die menschliche
Leidenschaften darstellt, ob in ihrer edelsten Form – Mutterliebe, Sehnsucht
nach dem Himmel, Angst vor der Hölle, Böses – der Teufel wird in
Menschengestalt dargestellt, es ist eine Leidenschaft, die hier dargestellt
wird, als existiere sie im Menschen, es ist das außergewöhnliche Leben der
mittelalterlichen Skulptur.
Hier haben Sie eine Art Kostprobe der vor Leben, Realität und Feuer
pulsierenden Seele des Mittelalters. Hier haben Sie ein Element zur Meditation
und zum Gebet. Beachten Sie, dass die Stirn Unserer Lieben Frau gekrönt ist.
Gekrönt ist Sie mit einer offenen Krone – der Autor ging davon aus, dass die
geschlossene Krone, welche die Souveränität anzeigt, nur Gott zusteht – mit der
offenen Krone des höchsten Würdenträgers im Himmel. Und dahinter der
Heiligenschein, Zeichen der Heiligkeit.
Auf ein Detail möchte ich noch
aufmerksam machen: Schauen Sie hier. Kennen Sie diese Linie? Unser Umhang (Capa).
Ich hoffe, dass diejenigen, die ihn tragen, wissen, wie sie diesen gegen diesen
einsetzen können… Damit schließe ich den „Heiligen des Tages“ ab.
Aus dem portugiesischen eines Vortrags „Nossa
Senhora, o monge Teofilo e o demonio“ am 23. September 1969.
Diese deutsche Version „Die Muttergottes, der Mönch
Theophil und der Teufel“ erschien erstmals in www.p-c-o.blogspot.com
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