Als
De Gaulle starb, erklärten mehrere Presseorgane weltweit, dass mit ihm die Ära
der Demiurgen zu Ende gegangen sei. Von nun an würden in einer zunehmend
sozialisierten Welt die großen Männer von gestern durch große Teams oder große
Organisationen ersetzt. Es besteht kein Zweifel, dass die Vorhersage der Logik
des Sozialismus entspricht. Denn demnach müssen die Menschen in Gruppen
aufgehen und die Gruppen in großen, entpersonalisierten und anonymen Massen,
dem Höchstwert der zukünftigen Welt.
Diese
Perspektive ist für jeden von uns wichtig, wenn unser eigenes Selbst im
verwirrenden Magma der Menschenmassen verwässert. Ich kann daher nicht
verstehen, wie sich ein Mensch mit einem offenen und wohlgeformten Geist daran
erfreuen kann.
Tatsächlich
ist dieses sozialistische Wunschdenken falsch. Es ist möglich, dass es der
Dampfwalze des sozialistischen Egalitarismus gelingt, Millionen von
Persönlichkeiten dem Erdboden gleichzumachen. Doch von der Menschheit, die auf
diese Weise gewaltsam in völlig unnatürliche Formen gepresst wird, wird mit
Sicherheit ein dumpfes und allgemeines Stöhnen zu hören sein. Wie es immer mit
dem großen Stöhnen unterdrückter Völker geschieht, wird auch das Stöhnen der
letztendlich sozialisierten Welt auserwählte Seelen finden, die es in Gedanken,
Literatur, Kunst oder Taten zum Ausdruck bringen. Dies werden die großen Menschen
von morgen sein. Ihre eindrucksvollen Gestalten werden im Schatten der
Gefängnisse entstehen, sie werden sich in der tragischen Isolation erheben, die
die Nonkonformisten umgibt, und sie werden sich in Hingabe und Kampf aufopfern.
Die Massen werden sie vielleicht nicht kennen. Es spielt keine Rolle. Solche
Männer werden wirklich großartig sein. Und am Tag des Jüngsten Gerichts wird
der gerechte Richter wissen, wie er ihnen die Belohnung zukommen lässt, die sie
verdienen. Somit ist es der Sozialismus selbst, der die großen Männer
hervorbrachte, deren Auftauchen er verhindern wollte.
* * *
Vor
allem bin ich sicher, dass es auch in Zukunft große Gestalten geben wird, denn
„der Geist weht, wo er will“ (Joh 3,8) und niemand wird ihn daran hindern, sein
heiligendes Werk in den Menschen zu vollbringen. Heiligen bedeutet nun,
vollkommen definierte, charakteristische und unzerbrechliche Persönlichkeiten
zu formen, die kein Massensystem verwässern kann.
Der
Heilige ist das genaue Gegenteil des Massenmenschen. Er ist das Gegenteil des
Ameisenmenschen, ein lebender Automat des riesigen sozialisierten Babylons. Der
Heilige ist wie Hefe im Teig (Mt 13,33): Er teilt die Stärke seiner
Persönlichkeit mit anderen und durchbricht so die Trägheit stagnierender
Massen. Er ist wie das Salz (Mt 5,13): Er verleiht dem Geschmacklosen Geschmack
und gibt so geschmacklosen, mittelmäßigen oder sogar vulgären Persönlichkeiten
Vitalität.
Und
hier verstehe ich unter „Heiligen“ nicht nur die Giganten des christlichen
Heldentums, sondern jeden Menschen, der in der Gnade Gottes lebt.
Solange
also die Welt besteht, wird die Kirche weiterhin bedeutende und sogar große Gestalten
hervorbringen: „Der Geist weht, wo er will“ …
* * *
Zwei
aktuelle Fakten bestätigen dies. Die Asche des Einsamen von Colombey les deux
Églises [Charles de Gaulle] ist im Grab noch nicht erkaltet, und die Welt kann schon
die volle Pracht zweier großer Persönlichkeiten betrachten, umhüllt von einem
Glanz, den weder Churchill noch Adenauer noch de Gaulle besaßen. Ein Ruhm, im
Vergleich zu dem alle bloß menschliche Größe nur Staub, Asche und Nichts ist.
Eine Herrlichkeit, die an Pracht, Stärke und Süße alle Herrlichkeiten
übertrifft. Sein Name ist Glückseligkeit. „Selig sind, die um der Gerechtigkeit
willen verfolgt werden; denn ihnen gehört das Himmelreich“ (Mt 5,10). Dies
wurde weder von einer wissenschaftlichen Kommission noch durch ein Gesetz der
UNESCO verkündet. Es wurde ganz einfach auf einem kleinen Hügel in der Provinz
von jemandem gesagt, der zwar ein wahrer Mensch, aber nicht nur ein Mensch war.
Er war ein Gottmensch. Und aus diesem Grund übersteigt diese Glückseligkeit
alle menschliche Größe.
Diese
beiden Seligen waren zwei Kardinäle. „Meine gedemütigten Gebeine mögen vor
Freude erzittern“ (Ps 50,10): Davids Satz steigt mir aus dem Herzen auf die
Lippen, in dem Moment, als mir die Freude zuteil wird, die wahre Größe zweier
Kardinäle der Heiligen Kirche zu verkünden.
Nur
die Kirche kann Heiligsprechungen anordnen und sie ist sehr umsichtig, wenn sie
niemanden zu Lebzeiten heiligspricht.
Ich
möchte dem Spruch der Kirche nicht vorausgehen. Ich beschränke mich darauf zu
sagen, dass die beiden Kardinäle in dem Moment, in dem sie sich der Welt
präsentieren und sich für die Sache derer einsetzen, die aus Liebe zum Glauben
verfolgt werden, selig sind.
* * *
Bleigraue
Wolken verdecken den niedrigen Horizont. Die geistige Verschmutzung hat große
Teile der inneren Atmosphäre der Heiligen Kirche selbst beeinträchtigt. Der
internationale Kommunismus will sie um jeden Preis zu einem Abkommen bewegen.
Eine zweideutige und unterwürfige Übereinkunft, die manchmal von
machiavellistischen Diplomaten, manchmal von nörgelnden Prälaten wie Pimen, dem
„Patriarchen“ und Faktotum der Moskauer Atheisten, angeboten wurde. Viele
glauben an die Ernsthaftigkeit dieser pazifistischen Manöver, und andere geben
vor, dies zu tun.
.jpg)
Der
Großerzbischof des ukrainischen Ritus, Kardinal Josyf Slipyi, ging auf dieses
letzte Problem nicht ein. Er setzte sich allen Risiken aus und riss den
glattzüngigen Atheisten die Maske vom Gesicht. Bei der Synodensitzung vom 4.
Oktober 1974 verkündete er in Anwesenheit von Paul VI. große Wahrheiten, die
Breschnews Politik zu Staub – oder vielmehr zu Schlamm – machten. In der
kommunistischen Welt hörten die Verfolgungen nicht auf. Die ukrainischen
Katholiken sind weiterhin den schlimmsten Verfolgungen ausgesetzt. Und, ruft
Slipyi aus, es gibt niemanden in der Weite der Erde, der sie beschützt. Pimen
(an dessen Amtseinführung als „Patriarch“ von Moskau eine vatikanische
Delegation unter der Leitung eines Kardinals teilnahm und der kürzlich Besuch
von Pater Arrupe, dem General der Jesuiten, erhielt) bezeichnete die Verfolgung
der Ukrainer als eine der denkwürdigsten Aktionen unseres Jahrhunderts.
Die
Anklage des Kardinals zog sich in die Länge und brachte unangenehme und
dramatische Wahrheiten ans Licht. Die Lichtsignale zeigten ihm an, dass er schweigen
sollte, da seine reguläre Zeit abgelaufen war. Aber er redete weiter. Solange
er nicht physisch von der Plattform entfernt würde, würde er nicht aufhören,
ohne alles gesagt zu haben. Während er redete, konnte nichts getan werden. Als
er verstummte, gab es nichts mehr zu sagen.
Am
nächsten Tag zeigten die Zeitungsberichte dem Universum die gesamte moralische
Statur eines großen Mannes …
* * *
Kommen
wir nun zu Kardinal Míndszenty. Die ganze Welt hat zitternd vor Bewunderung
oder erstarrt vor Hass seine drei aufeinanderfolgenden „Kreuzigungen“ verfolgt:
in den Kerkern der Nazis, in den Gefängnissen der Kommunisten und in der
tragischen Einsamkeit der amerikanischen Botschaft. Bis jetzt widerstand er.
Und schließlich, was keine menschliche Kraft von ihm erreichte, erreichte das, was
ihm als eine Pflicht zum Gehorsam erschien! Er verließ Ungarn gegen seinen
Willen und ging nach Rom, wo ihn ein warmer und ehrenvoller Lebensabend
erwartete.
Dies
ist eine schwierige Zeit für alle Helden. Zeit, Pantoffel anzuziehen, sich in
den Schaukelstuhl zu setzen und die Pfeife anzuzünden. Zeit, in der der Held
Gefahr läuft, weich zu werden. Pantoffel lassen Lorbeeren leicht verblassen …
– Hatte
Kardinal Mindszenty eventuell eingewilligt, nicht länger zu kämpfen, nicht
länger ein Hindernis, eine lebendige Beschuldigung, eine unüberwindbare
moralische Bedrohung für die kommunistischen Tyrannen von Budapest zu sein?
Anlässlich des Besuchs von Kardinal Josef Mindszenty in Venezuela im April 1974 richtete die TFP dieses Landes eine Willkommensbotschaft an den heldenhaften Kardinal und hatte die Ehre, ihn mit ihren Bannern auf dem internationalen Flughafen von Maiquetía zu empfangen. Der hohe Gast empfing die Direktoren und Mitarbeiter der TFP zweimal und würdigte sie mit ausdrucksstarken Zeichen der Anteilnahme.
Es
gab einen Moment, in dem diesbezüglich Spannung aufkam. Kein Anzeichen von
Widerstand, kein Lebenszeichen kam einige Tage lang aus dem Sankt-Johannes-Turm,
der von Stille und Geheimnis umgebenen Unterkunft, in der Paul VI. den betagten
Kardinal beherbergt hatte.
Man
weiß nicht genau, wie, weder zu welchem Zeitpunkt noch auf welche Art und Weise. Tatsache ist
jedoch, dass Kardinal Mindszenty an einem bestimmten Zeitpunkt den Vorhang des
Geheimnisses und des Schweigens zerriss. Er verkürzte die Entfernungen,
überquerte die österreichische Grenze und erschien in Wien. Auf die Frage,
warum er sich dort niedergelassen habe, antwortete er schlicht, erhaben und
charmant zugleich: „So bin ich meinem Volk näher.“
Der
Satz ist ein neues Programm der Hingebung, das sich bereits am Ende seiner
Lebensdauer befindet. Er erinnert an den Satz des hl. Johannes über den Erlöser:
„Da er die Seinen liebte, liebte er sie bis zur Vollendung“ (Joh 13,1).
Es
heißt, dass er Wien versprach, sich nicht in Politik einzumischen. Was übrigens
nicht bedeutet, dass die Kämpfe eingestellt würden. Denn sein ganzes Leben lang
beteuerte er, dass er so etwas nie getan habe, da es nicht der Politik entspricht,
die Pflichten eines Hirten zu erfüllen.
In
diesen dunklen Tagen, in denen so viele selbstgefällige und ideenlose Seelen
das Ende des Antikommunismus und den Abbau ideologischer Barrieren predigen,
ist die Gestalt von Kardinal Mindszenty, der unweit des ungarischen
Territoriums steht und seine Stirn und Brust den kalten und pestilenten Winden
zuwendet, die von dort wehen, das Symbol heroischer Kohärenz, eine lebendige ideologische
Barriere, die auf Glauben und Gnade beruht und gerade deshalb jedem
menschlichen Druck überlegen ist.
Ein
weiterer seliger Mann zeigte der Welt damit die Größe seiner heldenhaften
Statur.
* * *
Es
gibt gewisse Größen, die jedes Lob in den Schatten stellen.
Diese
betrachtet man nicht im Stehen, sondern auf den Knien. Vor Gott auf den Knien preisen
wir Ihn für das, was er in seinen Auserwählten tut. Und bitten Ihn, sie bis zur
letzten Stunde vor menschlicher Schwäche zu bewahren.
So
bitten wir Gott auf den Knien durch Maria, die Mittlerin aller Gnaden, für
diese beiden großen Kämpfer um den Preis aller Preise, nämlich den Besitz des
Himmelreichs.
Ja,
lasst uns niederknien, lieber Leser.
Aus
dem Portugiesischen „Sim, ajoelhemo-nos leitor“ in
https://www.pliniocorreadeoliveira.info/sim-ajoelhemo-nos-leitor/
Die
deutsche Fassung „Ja, lasst uns niederknien, lieber Leser“ erschien erstmals in
www.p-c-o.blogspot.com
Unveränderte
Wiedergabe mit Angaben dieses Blog zugelassen
Der
Artikel wurde am 10. November 1974 geschrieben und der Tageszeitung „Folha de São Paulo“zugestellt, die ihn
jedoch nicht veröffentlichte
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen