Diesen Beitrag möchte ich schreiben, aus dem Wunsch
heraus, die Königin des Himmels mit dieser wunderschönen Anrufung zu ehren.
Wenn es eine Epoche gibt, deren Hoffnung in Anbetracht
des vorhandenen Elends einzig und allein auf das Herz Jesu liegt, dann ist es
die unsere.
Papst Plus XI. schreibt in einer seiner Enzykliken, dass
die heutige Welt derart moralisch verdorben ist, dass sie schnell in ein noch
tieferes geistiges Elend abstürzen könnte als jenes, das in der Zeit der Geburt
Unseres Herrn herrschte.
Mit anderen Worten, die Irrtümer, die sich im Laufe der
vorausgegangenen Jahrhunderte angehäuft haben, der Wahnsinn der Reformation,
die teuflischen Verwegenheiten der Aufklärung, die hemmungslosen
Ausschweifungen der Sitten, die Verbrechen der Französischen Revolution, die
Apostasie der deutschen Philosophen, alles dies schuf ein Umfeld weltweiter
Verderbnis, die in den Unruhen, den Katastrophen, der Widersetzlichkeit, der
zügellosen Begehrlichkeit in diesem 20. Jahrhundert ihren Höhepunkt erreichte.
Dermaßen tief ist der Abgrund des Bösen, in dem wir gefallen sind, dass Pius
XI. befürchtete, die unendlichen Verdienste
der Erlösung, die Unser Herr Jesus Christus der Welt brachte, würden für
die Mehrheit der Menschen aufgehoben.
Die Ansicht so vieler Vergehen lässt natürlich den
Gedanken einer Bestrafung Gottes aufkommen, Denn, wenn wir diese sündige Welt
betrachten, die unter der Folter von Tausenden von Krisen und Angstgefühlen
seufzt und trotzdem keine Bußfertigkeit zeigt; wenn wir den erschreckenden
Fortschritt des Neuheidentums erwägen, der sich auf der Vorstufe der
Machtergreifung befindet, um über die ganze Menschheit zu regieren; wenn wir
den Kleinmut, den Leichtsinn, die Uneinigkeit derer feststellen, die noch nicht
auf die Seite des Bösen übergetreten sind, erschrickt unser Geist in der
Vorausahnung der Katastrophen, die die verstockte Gottlosigkeit dieser
Generation über sich herabruft.
Die Annahme, dass so viele Verbrechen keine Bestrafung
verdienen und dass ein solcher Abfall der Massen nur ein Ergebnis irgendwelches
intellektuellen Irrtums sei, ohne dass die Menschheit sich schwer versündigt
hätte, entspringt eher einer liberalen Mentalität. Die Realität ist eine ganz
andere: Gott distanziert sich von Seinen Geschöpfen und wenn diese sich fern
von Ihm befinden, so ist das ihnen anzurechnen und nicht Gott.
Das düstere Bild, was sich der heutigen Welt stellt, ist
einerseits eine ungerechte und sündige Zivilisation und andererseits der
Schöpfer, der die Geißel der göttlichen Züchtigung schwingt.
* * *
Gibt es also für die Menschheit heute keinen anderen
Ausklang, als in einer Sintflut von Schlamm und Feuer zu verschwinden? Könnte
man nicht für sie auf eine andere Zukunft hoffen, als ein schmählicher
Untergang, bei dem die Unbußfertigkeit mit den schlimmsten Geißeln bestraft
wird, wie sie in der Heiligen Schrift als Zeichen des Weltendes vorausgesagt
sind?
Wenn Gott ausschließlich seine Gerechtigkeit walten
lassen würde, wäre es so ohne Zweifel. Wir wissen selbst nicht, ob die
Menschheit überhaupt bis ins 20. Jahrhundert gekommen wäre. Da Gott aber nicht
nur gerecht ist, sondern auch barmherzig, haben sich die Pforten des Heils für
uns noch nicht geschlossen. Eine Menschheit, die in ihrer Boshaftigkeit
verharrt, muss alles von der Strenge Gottes erwarten. Doch Gott, der unendlich
Barmherzig ist, will nicht den Tod dieser sündigen Menschheit, sondern, dass
sie sich bekehre und lebe. Deshalb sucht Seine Gnade beharrlich alle Menschen,
damit sie ihre bösartigen Wege verlassen und zurück zur Herde des Guten Hirten
kommen.
Wenn es keine Katastrophen gibt, die eine unbußfertige
Menschheit nicht befürchten soll, so gibt es auch keine Barmherzigkeit, die
eine reuige Menschheit nicht erwarten kann. Dafür ist es nicht nötig, dass die
Reue ihr wiederherstellendes Werk vollende. Es reicht dem Sünder, auch wenn
sich noch in der Tiefe des Abgrundes befindet, dass er sich Gott zuwendet mit
einem noch so geringen Wunsch wirksamer, ernsthafter und tiefer Reue, um sofort
Seine Hilfe zu erwirken, denn Gott hat ihn nie vergessen. So sagt es der
Heilige Geist in der Heiligen Schrift: „Wenn mich auch Vater und Muter
verlassen, der Herr nimmt mich auf“ (Ps 27,10). Auch im extremsten Fall wenn
das Böse den Höhepunkt erreicht und selbst die mütterliche Nachsicht am Ende
ist, Gott gibt nicht auf. Die Barmherzigkeit Gottes wirkt sich auch dann aus,
wenn die göttliche Gerechtigkeit den Sünder auf seinem Weg der Boshaftigkeit
mit Tausend Schlägen trifft.
* * *
Diese beiden wesentlichen Bilder der göttlichen
Gerechtigkeit und Barmherzigkeit müssen immer wieder vor die Augen des heutigen
Menschen gestellt werden. Das Bild der Gerechtigkeit, damit er nicht die
verwegene Vorstellung hegt, ohne Verdienste das Heil zu erlangen. Das der
Barmherzigkeit, damit nicht an seinem Heil verzweifle, sofern er sich zu
bessern vornimmt. Wenn die derzeitigen Kriege so deutlich auf die Gerechtigkeit
Gottes hinweisen, was kann besser sein, um dieses Bild zu vervollständigen als
die Sonne der Gerechtigkeit, die da ist das Heiligste Herz Jesu?
Gott ist die Liebe. Deshalb erweckt die bloße Ankündigung
des Heiligsten Namens Jesu in uns die Vorstellung der Liebe. Unermessliche und
unendliche Liebe, die die zweite Person der Heiligsten Dreifaltigkeit dazu
brachte Mensch zu werden. Es ist der Ausdruck der Liebe durch die
unverständliche Demütigung eines Gottes, der sich den Menschen offenbart als
ein kleines armseliges Kind, das in einem Stall geboren wird. Es ist die Liebe,
die aus den dreißig Jahren eines verborgenen Lebens durchschimmert, und ebenso
aus der Demut einer strengen Armut und unaufhörlichen Anstrengungen der drei
Jahre der
Evangelisierung, in denen der Menschensohn Straßen und Wege
beschritt, Berge, Flüsse, Seen und Wüsten durchquerte, Städte und Dörfer
besuchte, zu Reichen und Armen sprach, überall Liebe aussäte und meistens nur
Undankbarkeit erntete. Welch eine Liebe erwies Er den Seinen beim höchsten
Mahl, dem die edelmütige Fußwaschung vorausging und gekrönt wurde mit der
Einrichtung der Eucharistie! Die Liebe, mit der Er den Judaskuss erwiderte,
Petrus anblickte, nachdem dieser Ihn geleugnet hatte, die Schmähungen geduldig
und sanftmütig über sich ergehen ließ, die Leiden ertrug bis zum vollständigen
Schwinden der Kräfte, dem Schächer vergab und ihm das Paradies versprach, das
große Geschenk einer Mutter, das Er dieser elendigen Menschheit gab. Jedes
dieser Begebnisse wurde gewissenhaft von den Weisen studiert, von den Heiligen
mit Frömmigkeit betrachtet, von Künstlern wunderbar dargestellt und vor allem
unvergleichlich in der Liturgie der Kirche gefeiert. Um über das Heiligste Herz
Jesu zu sprechen, gibt es nur eins: Jedes dieser Ereignisse entsprechend zu
wiederholen.
Die Heilige Kirche will mit der Verehrung des Heiligsten
Herzen nichts weiter als den besonderen Lobpreis der unendlichen Liebe
erweisen, die Unser Herr Jesus Christus den Menschen entgegenbrachte. Das Herz
ist das Symbol der Liebe. Wenn die Kirche das Herz Jesu verehrt, feiert sie die
Liebe.
So unterschiedlich und schön die Anrufungen auch sind,
mit denen die Heilige Kirche sich auf die Muttergottes bezieht, so werden wir
in keiner eine Beziehung zwischen Ihr und der Liebe Gottes vermissen. Diese
Anrufungen ehren entweder eine Gabe Gottes, zu der Maria vollkommen treu war, oder
eine besondere Macht, die Sie bei Ihrem göttlichen Sohn besitzt. Was beweisen
aber die erhaltenen Gaben, als einen besonderen Liebeserweis des Schöpfers zum
Geschöpf? Was beweist die Macht, die Maria bei Gott besitzt, als genau diese
gleiche Liebe? Deshalb kann Maria zugleich bezeichnet werden als „der Spiegel
der Gerechtigkeit“ und „die allmächtig Bittende“. Spiegel der Gerechtigkeit,
weil Gott Sie dermaßen liebte, dass Sie in sich alle Vollkommenheiten, die ein
Geschöpf besitzen kann und gerade deshalb in keinem sich so vollkommen
widerspiegelt als in Ihr. Sie ist die allmächtig Bittende, weil es keine Gnade
gibt, die wir nicht durch Sie erhalten und es keine Gnade gibt, die Sie nicht
für uns erreichen kann.
Die Anrufung also der Muttergottes unter dem Titel des
Heiligsten Herzen ist eine wunderbare Zusammenfassung aller Anrufungen, ein
Gedenken an die reinste und schönste Ausstrahlung der göttlichen Mutterschaft,
und alle Saiten der Liebe zugleich harmonisch zum schwingen zu bringen, wenn
wir sie einzeln in der Lauretanischen Litanei oder im Salve Regina anschlagen.
Doch gibt es eine Anrufung, an die ich hier besonders
erinnern möchte. Es ist die der „Fürsprecherin der Sünder“. Gott ist Richter,
und so groß Seine Barmherzigkeit auch sein mag, kann Er nicht umhin, Seine
Aufgabe als Richter zu vollziehen. Maria hingegen ist NUR Fürsprecherin.
Jedermann weiß, dass ein Anwalt ausschließlich die Aufgabe hat, den Angeklagten
zu verteidigen. Indem wir also sagen, Maria vom Heiligsten Herzen sei unsere
Anwältin, bedeutet das, dass wir im Himmel eine allmächtige Fürsprecherin
haben, in dessen Hände sich der Schlüssel eines unendlichen Meeres der
Barmherzigkeit befindet.
Was gibt es also besseres, als dieser sündigen Menschheit
zu zeigen, dass, wenn sie nicht über die Gerechtigkeit Gottes unterrichtet
wird, wird sie mehr und mehr der Sünde verfallen; spricht man über sie,
verzweifeln sie an ihrem Heil? Zeigen wir ihr die Gerechtigkeit: Dies ist eine
Pflicht, deren Unterlassung die traurigsten Früchte getragen hat. Neben der
Gerechtigkeit, die nur die Unbußfertigen verletzt, vergessen wir aber nie die
Barmherzigkeit, die dem ernsthaft reuigen Sünder Hilfe leistet, die Sünde zu
verlassen und das Heil zu erlangen.
(Übersetzung aus Legionário, Nr. 410, 21. Juli 1940)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen